Geburtstagsgedanken

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Astrid

Mitglied
Um 6.15 Uhr habe ich eine Kerze angezündet. Sie steht jetzt am Fenster, unter dem Morgenhimmel, den ich heute nicht verpassen wollte.

So früh stehe ich nicht immer auf. Aber heute habe ich Geburtstag. Und war einfach ausgeschlafen.
Es ist der erste Geburtstag, an dem ich mir früh nur selbst gratulieren kann, denn ich wohne seit ein paar Wochen allein, mein Sohn ist ausgezogen. Doch er kommt am Abend und überhaupt kommen heute viele Gäste, über den Tag verteilt und einige bringen ihre Kinder mit und dann ist hier Leben in der Bude…

In der vorletzten Nacht habe ich lange wach gelegen. In meinem Kopf ratterte es, es war, als würde das letzte Jahr an mir vorbeiziehen. Und da war verdammt viel Gutes dabei!

Würde ich nun doch in meine übliche Geburtstagsdepri reinrutschen, wo ich noch so laut verkündet habe, wie entspannt ich in diesem Jahr alles angehe.

Geburtstagsdepri? Was ist denn das? Hat mir eine gute Freundin den Kopf wieder gerade gerückt. Sei doch froh, dass du schon so alt geworden bist.

Ich werde 45. Nicht zum dritten Mal 39, sondern 45 und ich habe damit überhaupt kein Problem, weil ich mich immer noch irgendwie wie das kleine Mädchen fühle.
Aber es ist ja doch ein gutes Stück Leben und ich denke für einen Moment an meine Mutter, wie es ihr heute geht, ob sie in Gedanken bei dem Tag im Dezember ist.

Wie Recht meine Freundin hat, daran wurde ich gestern erinnert, als ich erfuhr, dass der Bruder einer Bekannten gestorben ist, das Herz. Er wurde 43. Hinterlässt zwei Kinder.
Und plötzlich ist der Gedanke an Yvonne wieder da, die mich schon 1994 verlassen hat, Leukämie. Und diese Freundin, die mir ab und an mal den „Kopf wäscht und in den Hintern tritt“, ist an Krebs erkrankt.
Und hat nun eine ungeheure Lebensenergie, von der sie mir abgibt.

Ich bin ja gern so ein Aufschieber. Na ja, ich könnte ja den und den mal anrufen, das und das mal tun, selbst beim Schreiben, was mir ja die meiste Freude bringt im Leben, ist das so. Weil mich mein hoher Anspruch oft bremst, ich zuviel denke, anstatt es einfach zu tun.

Das wäre ein guter Vorsatz fürs neue Jahr? So richtig halte ich von diesen Vorsätzen nichts, aber an meinem Geburtstag, da denke ich auch schon daran, was ich im nächsten Jahr will, was es bringen wird.

Leben. Und nicht erwachsen werden!
Und den Tag heute einfach entspannt genießen.
´
Mein Rücken schmerzt. Habe gestern geputzt, gebacken…
Meine Schultern schmerzen, die Muskeln haben sich verkürzt, alles ist verhärtet. Vom vielen Tippen, von meiner schlechten Haltung. Vom sich Kleinmachen.

Der Rücken, die Schultern, das bin ja auch ich, und wer das ist, das bin ich immer noch dabei, zu erkunden. Wie viel Platz nehme ich mir in dieser Welt, in meinem Leben?
Ich muss nun Übungen machen für die Schultern, es fällt schon schwer, die Arme auszubreiten. Hey, hier bin ich!
Vielleicht wird es ja auch besser, wenn ich mehr umarme?

Alles im Leben hat seinen Sinn. Sage ich immer, glaube ich daran. Denn Vieles hat sich in meinem auch einfach gefügt, kam scheinbar von allein, wenn ich losließ. Oder wenn ich die Tür angelehnt ließ, um neuen Dingen den Eintritt zu ermöglichen. Wie 2005, als ich mit dem Theaterspielen anfing.
In diesem Jahr bin ich wieder ausgestiegen, auch aus gesundheitlichen Gründen, aber seitdem geht es mir nicht besser, denn das ist auch so etwas, was ich vor mir herschiebe und was ich wieder will: Theater spielen.
Und gesund werden.

Meine kleine Kerze brennt noch und ich sehe vom meinem Fenster aus zu, wie die Wolkendecke aufreißt. Es könnte heute Sonne geben. Dieser Morgen gehört mir!

Gestern Abend erhielt ich überraschend einen Anruf von einem Bekannten aus dem Amateurtheaterverein. Er nannte mir zwei, drei Bühnen, die Mitstreiter suchen, wo die Darsteller auch in meinem Alter wären.
Vielleicht eine Chance? Ein Fingerzeig. Bewege deinen Arsch!

Alles entspannt angehen. Es ist noch Zeit. Muss noch Brötchen holen, Zwiebeln an den Kartoffelsalat geben, Staub saugen, den Tisch decken.
Gemach, gemach.

Und warum werde ich plötzlich doch kribbelig, suche ich nach einem geeigneten Platz für den Geburtstagstisch, freue mich auf Geschenke, frage mich, wer vielleicht überraschend kommen könnte, spüre mein Herzklopfen? Ich möchte tanzen und wie ein Kind in die Hände klatschen: Geschenke, Geschenke!

Ich werde tanzen und in die Hände klatschen, denn heute habe ich Geburtstag!

Und eben kam ein erster Glückwunsch-Anruf, mein Großer!

Per Mail kam eine Grußkarte mit vielen bunten Luftballons. Und ich dachte daran, wie ich früher immer das Zimmer geschmückt habe, wenn eines meiner Kinder Geburtstag hatte. Und mit einemmal tut es mir leid, dass ich keine Luftballons im Haus habe, ich werde mal schauen, wieviel Geld ich noch zusammenkratzen kann, dann kaufe ich mir einfach welche. Passt doch zum
45. Kindergeburtstag, oder?
 

ENachtigall

Mitglied
Alles Liebe zum Gebutstag, liebe Astrid!

Ganz ehrlich: es bleibt so, das Gefühl immer noch irgendwie "klein" zu sein. Da können die Knochen noch so steif werden. Selbst die alten Damen und Herren jenseits der 80 haben das.

Es sind Gedankenwege, die Du beschreibst, denen ich gerne gefolgt bin. Dieser kreative Optimismus hat was Ansteckendes!

Meine besten Wünsche für das nächste Lebensjahr!

Elke
 

Astrid

Mitglied
Liebe Elke

ich danke dir sehr.
Überigens habe ich als zweiten Vornamen deinen, Elke.

Es war ein wunderbarer Tag, mit vielen Facetten, einem überraschenden Besuch, sehr vielen Gefühlen und unheimlich vielen Geschichten, Gehörten, guten Gesprächen. Am Abend war mein Kopf so voll davon, dass ich erst einmal "runterkommen" musste.
Die Luftballons waren eine prima Idee, die Kinder meiner Freundinnen haben am Nachmittag damit gespielt. Ich schwebte irgendwie so über allem und durch alle und hoffe, ich kann die Energie, diese positive, in das neue Jahr mitnehmen, denn heute habe ich erstmal sowas wie Katzenjammer, aber auch das kenne ich und naja, gehört irgendwie bei mir dazu.
Ein wunderbares, besinnliches Weihnachtsfest wünsche ich dir und deiner Familie und auch alles Gute.
Astrid
 
I

inken

Gast
Hallo Astrid,

ich kann mich mit diesem Text nicht anfreunden.
Ich finde den Grundgedanken - in der Seele ein Kind zu bleiben - sehr schön. Aber in der Seele ein Kind zu sein und dennoch Erwachsen zu werden, das ist wohl die eigentliche Kunst. Menschen, die nur das eine wollen ohne das andere,
erscheinen mir manchmal kindisch.

Ich lese in diesem Text auch etwas heraus von "Nicht erwachsen Werden wollen", von einer Freundin, die der Protagonistin ab und zu in den Hintern treten muß, damit
sie sich bewegt, ich lese von Dingen heraus, die sie ständig vor sioh her schiebt. Von ihrer Kreativität, die sie vor sich herschiebt.

Und dann lese ich - und das ist mir richtig unsympatisch, dass die Freundin, die an Krebs erkrankt ist, der Protagonistin auch noch etwas von ihrer Energie abgibt,
weil die ja nicht erwachsen werden will.

Na, bravo!

Das Schöne und Optimistische an disem Text, finde ich, ist die Ehrlichkeit und die Lebendigkeit, man hat das Gefühl, solche Frauen zu kennen, und man erkennt auch ein Stück weit sich selbst. Ein Stück noch Kind bleiben - das ist ein schönes Ziel. Viele Erwachsene sind ja leider meist zu erwachsen, als dass sie das Kreative zulassen können.
Aber wenn dieses "Ein Stückchen noch Kind bleiben" immer damit einhergeht, dass man an die Hand genommen werden will und ein bißchen mit Jammern, wie krank man ist und ja eigentlich will und doch nicht so richtig kann,
dann ist es mir nicht sehr symphatisch :)

Gruß Ingrid
 

icheben

Mitglied
Hallo Astrid!
Ich gratuliere - ich finde den Text sehr ehrlich und so wunderbar wenig ausgerichtet auf einen positiven Helden!
Zeigt einen Menschen, mit seinen Schwächen, seinem Überlegen und der Suche nach einem Weg.
Viele Erwachsene sind in der Seele alt geworden, engstirnig, haben das Träumen verlernt und wollen nur noch positiven Realismus. Wo wäre die Weltliteratur, wenn wir die zerrissenen Helden nicht zulassen würden? Einen Werther würde niemand kennen, sogar der Faust steckt in diesem Konflikt.
Heldenepos, ok, das gibt es auch.
Und wenn jemand mit einem Text nichts anfangen kann, heißt es dann, der Text ist doof? Wobei ich vieles, was "Inken" herausliest, nicht finden kann. Meiner Meinung nach überintepretiert sie eine kleine, lebensechte Geschichte, eine Momentaufnahme eines Tages.
Kennt Inken nicht das Gefühl, wieder älter geworden? So alt fühle ich mich nicht! Also ich kenne es sehr sehr gut!

Da gibt es den berühmten Roman "Die Blechtrommel", da hörte wer auf sogar zu wachsen, weil er nicht erwachsen werden will.
In einer Zeit, in der Jugendlichkeit, Äußerlichkeit usw. viel Wichtiger ist, wo es unmöglich ist, älter zu werden - in einer Zeit des Jugendwahns zu sagen: Hei, ich bin 45. Dazu gehört schon Mut! Ich möchte gern einige Luftballons zum Geburtstag vorbei bringen. Vielleicht lassen wir sie gemeinsam zerplatzen?

Übrigens Inken, die Bemerkung zur Krebskranken läßt bei mir eine Wut-gänsehaut aufstehen. Wie ist das gemeint? Heißt Krebskrankzusein automatisch, der gehört in Watte oder kann nicht mehr an andere etwas weitergeben oder verstehe ich es als unverantwortlich von der Ich-Figur, von einem Kranken Kraft anzunehmen. Kraft, die man weiter reichen kann, wächst in einem um ein vielfaches nach.

Ich möchte eines bemerken, mir erscheint diese Rezension von Inken zu sehr eine VER-urteilung als eine BE-urteilung zu sein. Ich finde, man sollte einzig den Text analysieren und darf nicht so unterschwellig den Ich-Erzähler mit dem Autor auf eine Stufe stellen.
"ich kann mich mit diesem Text <b> nicht anfreunden</b>......Das Schöne und Optimistische an disem Text, finde ich, ist die Ehrlichkeit und die Lebendigkeit, man hat das Gefühl, solche Frauen zu kennen, und <b>man erkennt auch ein Stück weit sich selbst</b>.....Aber wenn dieses "Ein Stückchen noch Kind bleiben" immer damit einhergeht, dass man an die Hand genommen werden will und ein bißchen mit Jammern, wie krank man ist und ja eigentlich will und doch nicht so richtig kann,
dann ist es mir nicht sehr symphatisch " ??? Das scheint mir keinesfalls schlüssig - und das Jammern finde ich nirgends in Astrids Text.
 
H

HFleiss

Gast
Liebe Astrid, ein Tag, der nicht wiederkommt, ein Geburtstag, einer mit (fast) symbolischem Charakter: der 45. Es gibt symbolischere.
Eines wundert mich: Wie lax du mit den Zeiten umgehst, mal bist du im Präteritum, dann im Präsens, und wo Futur stehen müsste, steht Präsens. Gut, man versteht auch so, wie es gemeint ist, ich will nicht päpstlicher sein als der Papst. Sprachlich ist dieser Text nicht unbedingt überragend, aber gerade ein solcher Text verlangt eine ausgefeilte Sprache, er muss auf jede Nuance eingehen, wenn er wirken soll. Was mich aber wirklich stört, ist die Philosophiererei, sie ist hausbacken und klischeehaft. Das Ganze gehst du narzistisch an, und das, Astrid, mindert für meine Begriffe in jedem Fall die Aussage. Du entdeckst dich selbst, im Rahmen deiner Möglichkeiten, das ist jedem benommen, jeder macht das mal, aber nicht jeder stellt den Text auch gleich in die Leselupe. Ich nehme hiermit alles zurück, was nicht textbezogen ist. Vielleicht hilft dir die Textbezogenheit weiter, mit diesem Text und dem LI umzugehen.

Liebe Grüße
Hanna
 

ENachtigall

Mitglied
M O D E R A T I O N

Die Ausblendung des Beitrags wegen Netiquettenverstoßes ist im Zusammenhang mit der vorangegangenen Löschung eines Beitrags der Kommentatorin zu verstehen. Ich empfehle HFleiss endgültig, persönlich (unter Ausschluss der Öffentlichkeit) mit der Autorin zu kommunizieren, wenn ihr weiter daran gelegen ist.

ENachtigall
 
I

inken

Gast
wie es scheint, hatte ich recht

nun verfolge ich die diskussion zu diesem text schon eine
ganze weile und stelle fest, dass mein eindruck des "nicht-erwachsen-werden-wollens", den die schilderung dieses tages
interläßt, wohl doch so falsch nicht gewesen ist. hier setzen sich die kommentatoren auseinander. sogar die moderation wird bemüht. aber die autorin sagt nichts. ist sie vielleicht hinter den luftballons entschwebt und hat ganz aus versehen das moderatorenknöpfchen gestreift - fragt belustigt inken
 



 
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