Geheimnis

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tinchen

Mitglied
Sie war ängstlich.
Aber nur manchmal. Meist dachten die Leute, das sie nichts aus der Ruhe bringen könnte. Das sie immer wieder mit Optimismus reagieren würde, egal, was auf sie zu kommen würde. Und falls sie dann doch mal schwach war, nicht wusste, wie sie ihre Welt wieder ins Lot bringen sollte, saßen die anderen hilflos da, konnten sie nicht aus ihrem Loch heraus ziehen. Wenn sie dann eine Bemerkung machte, die mit kleinen Hoffnungsschimmern besetzt war, atmeten die anderen auf, wandten sich ihr zu und bestärkten sie in ihrer Hoffnung.
Viel zu oft aber fühlte sie sich hilflos, wusste gerade nicht wie es weiter gehen, wie sie die Situation durch stehen sollte.

Manchmal war sie auch ruhig.
In den meisten Momenten aber war sie diejenige, die das Wort ergriff. Die Leute mochten sie, weil sie kein Blatt vor den Mund nahm. Wenn sie anfing Geschichten zu erzählen, sah man die Leute um sie herum an ihren Lippen hängen.
Man könnte denken, dass sie es liebte, Leute um sich zu scharren. Das sie gerne von Menschen umgeben war. Genau das war sie auch.
Ebenso gerne war sie aber alleine. Verkroch sich stundenlang in ihrer Wohnung. Nur sie, ihre Gedanken und die Möglichkeit, diese nicht aussprechen zu müssen. Dann genoss sie die Stille, schaltete manchmal sogar ihre geliebte Musik aus, um ganz in sich selbst zu ruhen.

Wenn sie dabei war, gab es immer etwas zu lachen. Sie lachte auch über sich und das gerne.
Dann und wann vermisste sie es, ernsthafte Gespräche zu führen, scheute zurück vor der Einfachheit und der Naivität der Menschen um sich herum. Dabei ging ihr so vieles durch den Kopf, über das sie genauso gerne mit den Leuten sprechen und diskutieren würde.

Wer sie kannte, würde sie als sehr realistisch bezeichnen.
Sie versuchte klar zu sehen. Manche, die sie nur kurz erlebten, bezeichneten sie als egoistisch. Das war sie. Aber sie nahm trotz allem Rücksicht auf die Menschen um sich herum.
Das sie auch eine Träumerin war, vermochten nur sehr wenige zu wissen. In manchen Stunden aber baute sie sich eine zweite Welt auf, in der sie das sein konnte, was sie wirklich war.

Sie war mehr als alle von ihr dachten: Wer wusste schon , dass sie einsam war.
Sie wurde geschätzt, weil sie nicht jammerte, dass sie keinen Freund hatte, sondern erkannt hatte, wie wichtig die Zeit für sie war. Ihre eigenen Bedürfnisse hatte sie dadurch besser kennen gelernt. Zugleich aber gab es Momente, in denen sie sich so sehr nach Nähe und Zärtlichkeiten sehnte, dass sie ihre Arme fest um ihren Körper schlang, um dem Schmerz zu entfliehen.

Sie war ein Geheimnis. Manche schafften es in ganz bestimmten Momenten, einen Blick mehr von ihr zu erhaschen.
Was sie traurig machte, war das Gefühl, dass keiner da war, der das ganze Bild sehen wollte.
 

Cleo

Mitglied
Kompliment, die Geschichte gefällt mir wirklich gut!

Du hast schön beschrieben, welche Gegensätze wohl in jedem Menschen schlummern und hast es dabei geschafft, die Ausführungen kurz zu halten. Dabei versteht aber doch jeder, was gemeint ist.

Mir hat es auf jeden Fall viel Spaß gemacht, den Text zu lesen.

LG
Cleo
 
E

Enza ost

Gast
Dem kann ich mich anschliessen, die Geschichte gefällt mir gut! Gruß von Enza ost
 



 
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