Generation Smartphone -

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GENERATION SMARTPHONE - "Ich wische, also bin ich"

René Descartes schrieb: „Ich denke, also bin ich.“ Lange ist’s her. Heute, bei den Smartphone-Nutzern, heißt es: „Ich wische, also bin ich.“ In erster Linie bei den Jugendlichen, aber auch viele Erwachsene sind von dem Wisch-Virus infiziert. Über viele Stunden am Tag beschäftigen sich Intensivnutzer mit dem „smarten Telefon“, schauen bzw. lesen, tippen, sprechen, lauschen, aber vor allem wischen sie eben auf dem Display herum.

Man erkennt die Smartphone-Adepten, die „Smartphonies“, daran, dass sie, stets das Smartphone in der Hand oder am Ohr, stehen, sitzen oder gehen, die Augen starr auf das Display gerichtet. Oft laufen sie mit irgendwie entrücktem Bick, manchmal einem grenzdebilen Lächeln herum, den Kopf nach vorne gebeugt, nach unten hängend wie eine alte Hängelaterne.

Ab und zu knallen sie gegen einen Laternenpfahl, eine Ampel oder gegen einen rollatorbewegten Senior. Mal überrennen sie auch ein plärrendes Kleinkind oder treten einen kläffenden Zwergpudel platt, ohne es überhaupt zu merken. Wenn Außerirdische diese Leute sehen könnten, wie sie wie stoned durch die Straßen wanken und auf einen kleinen Bildschirm starren, sie würden vermuten, es gibt keine Intelligenz auf der Erde.
Und Descartes würde die Smartphone-Jünger wohl nur als „res extensa“ (Körper) bezeichnen, nicht als "res cogitans" (denkendes Ich).

Wenn mich jemand vor kurzem gefragt hätte, ob ich an Zombies glaube, hätte ich – natürlich – nein gesagt. Aber ich habe mich wohl geirrt. Es gibt Zombies, nämlich die sogenannten Pokémon Go-Jäger. Sie bilden die Spitze der Smartphone-Abhängigen. Wie Zombies stolpern sie durch die Straßen und Parks, unbeeindruckt von der wirklichen Wirklichkeit, nur in der Gier, Pokémons zu kriegen. Sie behaupten, dass sie Monster fangen, und begreifen nicht, dass die eigentlichen Monster sie selbst sind. Diese „walking Pokémons-Jäger“ sind mindestens so gefährlich wie „the walking Dead“, denn sie laufen vor Autos und Straßenbahnen und riskieren dabei nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch dass der anderen Verkehrsteilnehmer.

Außer den Smartphone-Anhänger selbst freut sich kaum einer über diese Freaks. Doch, es gibt Ausnahmen: Die Orthopäden werden sich freuen, diese Kundschaft wird ihnen jahrelange Einnahmen sichern. Um nur ein Smartphone-Krankheitsbild zu nennen, den sogenannten Smartphone-Nacken, vom ständigen Beugen des Kopfes im 60-Grad-Winkel, denn das belastet die Halswirbelsäule so, als habe man ein 30 kg schweres Kind im Nacken sitzen.
Auch die Augenärzte kaufen sich schon mal eine größere Brieftasche. Nach ein paar Jahren werden all die jungen Leute, die ständig auf den kleinen Bildschirm gucken und sich dabei ihre Augen verderben, kurzsichtig wie eine Blindschleiche in ihre Praxis stürmen, wenn sie die denn finden (aber sicher gibt es ja eine App für Sehbehinderte).
Und auch der ganz gewöhnliche Allgemeindoktor kann hoffen: Denn auf dem Display eines Smartphones tummeln sich mehr Bakterien als auf der Klobrille in der Bahnhofstoilette. Da holt man sich gerne den einen oder anderen Erkältungs- oder Magen-Darm-Virus.

Schlimmer aber noch, als wenn diese Junkies zu Fuß gehen, ist es, wenn sie Auto fahren. Ich bekomme immer einen Schreck, wenn ich im Rückspiegel einen Wagen hinter mir sehe, dessen Fahrer offensichtlich – natürlich verbotener Weise – nicht auf die Straße, sondern auf sein Phone starrt. Ich hupe dann schon mal vorsorglich bzw. fürsorglich, ich will bloß nicht, dass so ein „Smarti“ (oder besser Dummie) auf mich auffährt und ich dann unendliche Scherereien habe. Schade, dass mein Auto nach hinten keine Lichthupe hat.

Smartphone? So heißen die Dinger zwar, aber das ist eine arglistige Täuschung. Das soll den häufig „geistig limitierten“ Benutzern, die ständig mit diesem Teil herumhampeln, das Gefühl geben, sie wären clever. Besser hieße das Ding „Idiophone“ oder „Hirnophone“.

Was Generationen von Müttern über Jahrzehnte vergeblich versucht haben, nämlich ihre Zöglinge zum Wischen anzuhalten, zum Tisch wischen, Geschirr wischen oder Spiegel wischen, das tun die jetzt freiwillig, nur weil sie ein kleines plattes Kästchen sie dazu zwingt. Und was früher spießig und lästig war, das ist auf einmal cool.

Hast du mal ‘ne App für mich? Apps sind der Inbegriff der geistigen Unmündigkeit, für Leute, die für alles eine Anleitung brauchen: für die Parkplatzsuche, für das Braten eines Speigeleis, für die Auswahl, was sie lesen sollen, für das Wetter in ihrem Wohnviertel - dafür könnten Sie genauso gut mal aus dem Fenster gucken. Demnächst wird es bestimmt auch Apps geben, die sagen, wie man unter die Dusche geht und sich die Haare wäscht (oder gibt es das schon?).

Die meisten Apps sind kostenlos oder billig, aber das ist oft damit erkauft, dass man gnadenlos ausspioniert wird. Manche Apps sind allerdings auch mit teuren Abos verbunden, aber das stellt man natürlich erst fest, wenn die erste Rechnung fällig ist. Der Gipfel ist die App, die mir sagt, wie abhängig ich von meinem Smartphone bin. Ich bewundere den Zynismus und Geschäftssinn der Erfinder dieser App.
Aufklärung? Kant – bediene dich deines eignen Verstandes? Vergiss es! Den eigenen Verstand ersetzt doch heute die App, wozu noch selbst denken?

Warum hängen die vor allem die jungen Leute an dem Smartphone wie der Junkie an der Spritze? Diese Smartphone-Süchtigen sind Narzissten reinsten Wassers. Sie finden sich selbst unheimlich wichtig, daher posten sie mit dem Smartphone ständig Selfies – ich vor einer Sehenswürdigkeit, ich neben einem Prominenten – aber sie blasen auch ständig Bilder aus ihrem Alltagsleben in den Äther, hier mein Mittagessen, hier mein Kaffee, hier mein Kuchen – Bilder, die die Welt nicht braucht.

Anders aber als der klassische Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebte und sich an sich selbst erfreute, sind die Smartphone-Narzissten außerordentlich bedürftig, ohne Anerkennung, ohne „Likes“ sind sie nichts. Sie müssen ständig Bestätigung ihrer Facebook-„Freunde“, ihre Twitter-Follower und ihrer Peergroups erhalten, sonst fühlen sie sich erbärmlich, sonst bricht die Fassade der Selbstbewusstheit zusammen. Es sind kollektivistische Individualisten oder individualistische Kollektivisten. Sie wollen einerseits unbedingt dazugehören (wozu auch immer), andererseits wollen sie aber auch aus der Masse hervorragen, die anderen überragen – ein unlösbarer Konflikt.

Es gibt aber auch ein Risiko mit den Dauer-Posts und Ego-Trips. Plötzlich kann die Netzgemeinde genervt reagieren, und dann ist sie gnadenlos in ihrem Mobbing. Z. B. Cathy Hummels, früher Cathy Fischer, Frau des Fußballstars Mats Hummels. Sie hat es übertrieben mit der Selbst-Zurschaustellung. Mit drastischen Folgen für sie: Ganz egal, was sie heute in den sozialen Netzwerken postet, sie wird fast immer nur angiftet.
Und das kann für zustimmungssüchtige Smartphone-Dauerposter zur Existenzkrise werden. Wenn sie mit ihren ständigen Posts nerven und immer mehr böse Kommentare kriegen, droht ihre Welt zusammenzubrechen. Sie können dann in eine Depression fallen, sind sogar suizidgefährdet. Allerdings, so schnell bringt sich ein Smartie dann doch nicht um. Denn der Tod als Vernichtung des eigenen Selbst ist für den Smartie die ultimative Kränkung, außerdem, dann hätte er
Sendepause, und das geht gar nicht.

Einer der Gründe für den Smartphone Exzess ist also dieser Dauerkontakt: sich ständig verbreiten und ständig erreichbar sein. Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marshall McLuhan sagte vor vielen Jahren über das Radio, „Das Medium ist die Botschaft“, und das gilt auch für das Smartphone. Es ist kaum von Bedeutung, was man sendet oder postet, oft genug sind das langweilige Trivialitäten oder öde Bilder, wichtig ist nur, dass man postet.

Das könnte den Eindruck erwecken, der ständige Kontakt, dieser Kreislauf der Botschaften, habe etwas mit Lebendigkeit zu tun. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist eine Abwehr von Leben und Lebendigkeit, von echtem Erleben, von realen Kontakten. Teenager sitzen im Cafe nebeneinander, und jeder guckt auf sein Smartphone. Oder sie schicken sich WhatsApps, anstatt direkt miteinander zu reden. Es ist ein groteskes Vermeiden von Nähe, von Intimität, ein Leben aus zweiter, elektronischer Hand. Man könnte von einer „Zombisierung“ der Gesellschaft sprechen, aber auch von einer Infantilisierung, weil der ständige Drang zu spielen ein Ausweichen vor dem „Ernst des Lebens“ bedeutet.

Ein Weiser antwortete mal auf die Frage „Wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben?“: „Der Mensch, der mir in diesem Augenblick gegenübersitzt.“ Er wollte damit natürlich auf die Wichtigkeit des Lebens im Hier-und-Jetzt hinweisen, wirklich leben tut man immer nur im jetzigen Augenblick. Für einen „Smartphonie“ ist der Mensch, der ihm gerade übersitzt, der unwichtigste Mensch auf der Welt. Viel wichtiger sind die „Freunde“ an der Strippe, die abstrakten Personen hinter irgendwelchen SMS, die er gerade erhält, oder die die gänzlichen ungreifbaren Profile aus den sozialen Netzwerken einer Cyberworld.

Hinter dieser Ignorierung, ja Verachtung der unmittelbaren Wirklichkeit steht wohl die Abwehr alles Bedrohlichen: Einsamkeit, Kränkungen, Niederlagen, Alter, Krankheit und letztlich der Tod. Durch das ständige Gequassel wird der Fluss des Lebens übertönt, er wird unhörbar. Die Tiefendimensionen, die Leidensdimensionen des Lebens werden ausgegrenzt, man wischt wie idiotisch auf seinem Ding herum, wischt damit quasi alles Wichtige, Authentische, Existentielle weg.

Ich will hier nicht den Hammer der Kulturkritik schwingen oder sogar – mal wieder – den Untergang des Abendlandes an die Wand malen. Aber ich finde es traurig, ärgerlich, auch besorgniserregend, wie diese Smartphones unser Leben entfremden, verflachen und entwerten.

O.k., bestimmt habe ich das Thema übertrieben und überspitzt, um es auf den Punkt zu bringen. Aber eine Satire darf überspitzen, sie muss es sogar. Sicher ist es ein berechtigtes Bedürfnis, sich kommunikativ auszudrücken, auszutauschen und Anerkennung zu erhalten. Natürlich kann das Smartphone auch ein paar nützliche Dinge, wenn es mit Verstand und Maß anwendet – geschenkt. Darum geht es hier nicht. Ich bin auch kein Technikfeind oder Maschinenstürmer, ich weiß moderne Technologien sehr wohl zu nutzen, aber ich verwende sie mit Sinn und Selektion, versuche das jedenfalls.

So, jetzt will ich mal über mein Smartphone ein Selfie von mir posten, wie ich an meinem Tablet diese Satire schreibe. Und dann werde ich in die Welt hinausposaunen, dass ich einen neuen Text geschrieben habe. – Nein, das war nur ein Scherz!
 

molly

Mitglied
Hallo Stefan

ich lese nicht oft Satire, aber Deine musste ich einfach fertig lesen. Neulich hat ein Komiker gesagt: "Demnächst werden Babys mit einem Smartphone am Ohr geboren."

Liebe Grüße

molly
 
GENERATION SMARTPHONE - "Ich wische, also bin ich"

René Descartes schrieb: „Ich denke, also bin ich.“ Lange ist’s her. Heute, bei den Smartphone-Nutzern, heißt es: „Ich wische, also bin ich.“ In erster Linie bei den Jugendlichen, aber auch viele Erwachsene sind von dem Wisch-Virus infiziert. Über viele Stunden am Tag beschäftigen sich Intensivnutzer mit dem „smarten Telefon“, schauen bzw. lesen, tippen, sprechen, lauschen, aber vor allem wischen sie eben auf dem Display herum.

Man erkennt die Smartphone-Adepten, die „Smartphonies“, daran, dass sie, stets das Smartphone in der Hand oder am Ohr, stehen, sitzen oder gehen, die Augen starr auf das Display gerichtet. Anders als bei dem hundsgemeinen Handy spielt das Telefonieren beim Smartphone nur noch eine untergeordnete Rolle. Aber wenn die „Smartphonisten“ telefonieren, dann gerne in aller Öffentlichkeit und schön lautstark, damit auch alle Menschen in der Nähe etwas davon abkriegen. Sie lauschen dann in ihr Smartphone mit irgendwie entrücktem Bick, manchmal einem grenzdebilen Lächeln.

Mit dem Smartphone in der Hand, kommt man durch das ganze Land. Oder auch nicht. Wenn die Smartphone-User gehen, dann den Kopf nach vorne gebeugt zum Display, nach unten hängend wie eine alte Hängelaterne.

Ab und zu knallen sie gegen einen Laternenpfahl, eine Ampel oder gegen einen rollatorbewegten Senior. Mal überrennen sie auch ein plärrendes Kleinkind oder treten einen kläffenden Zwergpudel platt, ohne es überhaupt zu merken. Wenn Außerirdische diese Leute sehen könnten, wie sie wie stoned durch die Straßen wanken und auf einen kleinen Bildschirm starren, sie würden vermuten, es gibt keine Intelligenz auf der Erde.
Und Descartes würde die Smartphone-Jünger wohl nur als „res extensa“ (Körper) bezeichnen, nicht als "res cogitans" (denkendes Ich).

Wenn mich jemand vor kurzem gefragt hätte, ob ich an Zombies glaube, hätte ich – natürlich – nein gesagt. Aber ich habe mich wohl geirrt. Es gibt Zombies, nämlich die sogenannten Pokémon Go-Jäger. Sie bilden die Spitze der Smartphone-Abhängigen. Wie Zombies stolpern sie durch die Straßen und Parks, unbeeindruckt von der wirklichen Wirklichkeit, nur in der Gier, Pokémons zu kriegen. Sie behaupten, dass sie Monster fangen, und begreifen nicht, dass die eigentlichen Monster sie selbst sind. Diese „walking Pokémons-Jäger“ sind mindestens so gefährlich wie „the walking Dead“, denn sie laufen vor Autos und Straßenbahnen und riskieren dabei nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch dass der anderen Verkehrsteilnehmer.

Außer den Smartphone-Anhänger selbst freut sich kaum einer über diese Freaks. Doch, es gibt Ausnahmen: Die Orthopäden werden sich freuen, diese Kundschaft wird ihnen jahrelange Einnahmen sichern. Um nur ein Smartphone-Krankheitsbild zu nennen, den sogenannten Smartphone-Nacken, vom ständigen Beugen des Kopfes im 60-Grad-Winkel, denn das belastet die Halswirbelsäule so, als habe man ein 30 kg schweres Kind im Nacken sitzen.
Auch die Augenärzte kaufen sich schon mal eine größere Brieftasche. Nach ein paar Jahren werden all die jungen Leute, die ständig auf den kleinen Bildschirm gucken und sich dabei ihre Augen verderben, kurzsichtig wie eine Blindschleiche in ihre Praxis stürmen, wenn sie die denn finden (aber sicher gibt es ja eine App für Sehbehinderte).
Und auch der ganz gewöhnliche Allgemeindoktor kann hoffen: Denn auf dem Display eines Smartphones tummeln sich mehr Bakterien als auf der Klobrille in der Bahnhofstoilette. Da holt man sich gerne den einen oder anderen Erkältungs- oder Magen-Darm-Virus.

Schlimmer aber noch, als wenn diese Junkies zu Fuß gehen, ist es, wenn sie Auto fahren. Ich bekomme immer einen Schreck, wenn ich im Rückspiegel einen Wagen hinter mir sehe, dessen Fahrer offensichtlich – natürlich verbotener Weise – nicht auf die Straße, sondern auf sein Phone starrt. Ich hupe dann schon mal vorsorglich bzw. fürsorglich, ich will bloß nicht, dass so ein „Smarti“ (oder besser Dummie) auf mich auffährt und ich dann unendliche Scherereien habe. Schade, dass mein Auto nach hinten keine Lichthupe hat.

Smartphone? So heißen die Dinger zwar, aber das ist eine arglistige Täuschung. Das soll den häufig „geistig limitierten“ Benutzern, die ständig mit diesem Teil herumhampeln, das Gefühl geben, sie wären clever. Besser hieße das Ding „Idiophone“ oder „Hirnophone“.

Was Generationen von Müttern über Jahrzehnte vergeblich versucht haben, nämlich ihre Zöglinge zum Wischen anzuhalten, zum Tisch wischen, Geschirr wischen oder Spiegel wischen, das tun die jetzt freiwillig, nur weil sie ein kleines plattes Kästchen sie dazu zwingt. Und was früher spießig und lästig war, das ist auf einmal cool.

Hast du mal ‘ne App für mich? Apps sind der Inbegriff der geistigen Unmündigkeit, für Leute, die für alles eine Anleitung brauchen: für die Parkplatzsuche, für das Braten eines Speigeleis, für die Auswahl, was sie lesen sollen, für das Wetter in ihrem Wohnviertel - dafür könnten Sie genauso gut mal aus dem Fenster gucken. Demnächst wird es bestimmt auch Apps geben, die sagen, wie man unter die Dusche geht und sich die Haare wäscht (oder gibt es das schon?).

Die meisten Apps sind kostenlos oder billig, aber das ist oft damit erkauft, dass man gnadenlos ausspioniert wird. Manche Apps sind allerdings auch mit teuren Abos verbunden, aber das stellt man natürlich erst fest, wenn die erste Rechnung fällig ist. Der Gipfel ist die App, die mir sagt, wie abhängig ich von meinem Smartphone bin. Ich bewundere den Zynismus und Geschäftssinn der Erfinder dieser App.
Aufklärung? Kant – bediene dich deines eignen Verstandes? Vergiss es! Den eigenen Verstand ersetzt doch heute die App, wozu noch selbst denken?

Warum hängen die vor allem die jungen Leute an dem Smartphone wie der Junkie an der Spritze? Diese Smartphone-Süchtigen sind Narzissten reinsten Wassers. Sie finden sich selbst unheimlich wichtig, daher posten sie mit dem Smartphone ständig Selfies – ich vor einer Sehenswürdigkeit, ich neben einem Prominenten – aber sie blasen auch ständig Bilder aus ihrem Alltagsleben in den Äther, hier mein Mittagessen, hier mein Kaffee, hier mein Kuchen – Bilder, die die Welt nicht braucht.

Anders aber als der klassische Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebte und sich an sich selbst erfreute, sind die Smartphone-Narzissten außerordentlich bedürftig, ohne Anerkennung, ohne „Likes“ sind sie nichts. Sie müssen ständig Bestätigung ihrer Facebook-„Freunde“, ihre Twitter-Follower und ihrer Peergroups erhalten, sonst fühlen sie sich erbärmlich, sonst bricht die Fassade der Selbstbewusstheit zusammen. Es sind kollektivistische Individualisten oder individualistische Kollektivisten. Sie wollen einerseits unbedingt dazugehören (wozu auch immer), andererseits wollen sie aber auch aus der Masse hervorragen, die anderen überragen – ein unlösbarer Konflikt.

Für den meist Ich-schwachen Dauernutzer ist das Smartphone – mit seinen gespeicherte Informationen und vielfältigen Verknüpfungen – eine Ergänzung seines Ichs, eine Ich-Prothese, ja schon mehr ein Teil seines Ichs und zwar der dominante. Der Nutzer ist eigentlich nur noch die Schnittstelle der vielfältigen sozialen Netzwerke bzw. der Datenströme, die von und zu seinem Smartphone fließen. Ohne sein Smartphone würde er nicht funktionieren. Da er immer weniger den direkten Kontakt zur Realität sucht, ist das Smartphone sein Tor zur Welt. Pointiert gesagt: indem er auf dem Smartphone wischt und sich so in die virtuelle Welt einlinkt, erschafft er erst sein Ich oder stabilisiert es wenigstens: „Ich wische, also bin ich“.

Es gibt aber auch ein Risiko mit den Dauer-Posts und Ego-Trips. Plötzlich kann die Netzgemeinde genervt reagieren, und dann ist sie gnadenlos in ihrem Mobbing. Z. B. Cathy Hummels, früher Cathy Fischer, Frau des Fußballstars Mats Hummels. Sie hat es übertrieben mit der Selbst-Zurschaustellung. Mit drastischen Folgen für sie: Ganz egal, was sie heute in den sozialen Netzwerken postet, sie wird fast immer nur angiftet.
Und das kann für zustimmungssüchtige Smartphone-Dauerposter zur Existenzkrise werden. Wenn sie mit ihren ständigen Posts nerven und immer mehr böse Kommentare kriegen, droht ihre Welt zusammenzubrechen. Sie können dann in eine Depression fallen, sind sogar suizidgefährdet. Allerdings, so schnell bringt sich ein Smartie dann doch nicht um. Denn der Tod als Vernichtung des eigenen Selbst ist für den Smartie die ultimative Kränkung, außerdem, dann hätte er
Sendepause, und das geht gar nicht.

Einer der Gründe für den Smartphone Exzess ist also dieser Dauerkontakt: sich ständig verbreiten und ständig erreichbar sein. Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marshall McLuhan sagte vor vielen Jahren über das Radio, „Das Medium ist die Botschaft“, und das gilt auch für das Smartphone. Es ist kaum von Bedeutung, was man sendet oder postet, oft genug sind das langweilige Trivialitäten oder öde Bilder, wichtig ist nur, dass man postet.

Das könnte den Eindruck erwecken, der ständige Kontakt, dieser Kreislauf der Botschaften, habe etwas mit Lebendigkeit zu tun. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist eine Abwehr von Leben und Lebendigkeit, von echtem Erleben, von realen Kontakten. Teenager sitzen im Cafe nebeneinander, und jeder guckt auf sein Smartphone. Oder sie schicken sich WhatsApp-Botschaften, anstatt direkt miteinander zu reden. Es ist ein groteskes Vermeiden von Nähe, von Intimität, ein Leben aus zweiter, elektronischer Hand. Man könnte von einer „Zombisierung“ der Gesellschaft sprechen, aber auch von einer Infantilisierung, weil der ständige Drang zu spielen ein Ausweichen vor dem „Ernst des Lebens“ bedeutet.

Ein Weiser antwortete mal auf die Frage „Wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben?“: „Der Mensch, der mir in diesem Augenblick gegenübersitzt.“ Er wollte damit natürlich auf die Wichtigkeit des Lebens im Hier-und-Jetzt hinweisen, wirklich leben tut man immer nur im jetzigen Augenblick. Für einen „Smartphonie“ ist der Mensch, der ihm gerade übersitzt, der unwichtigste Mensch auf der Welt. Viel wichtiger sind die „Freunde“ an der Strippe, die abstrakten Personen hinter irgendwelchen SMS, die er gerade erhält, oder die die gänzlichen ungreifbaren Profile aus den sozialen Netzwerken einer Cyberworld.

Hinter dieser Ignorierung, ja Verachtung der unmittelbaren Wirklichkeit steht wohl die Abwehr alles Bedrohlichen: Einsamkeit, Kränkungen, Niederlagen, Alter, Krankheit und letztlich der Tod. Durch das ständige Gequassel wird der Fluss des Lebens übertönt, er wird unhörbar. Die Tiefendimensionen, die Leidensdimensionen des Lebens werden ausgegrenzt, man wischt wie idiotisch auf seinem Ding herum, wischt damit quasi alles Wichtige, Authentische, Existentielle weg.

Ich will hier nicht den Hammer der Kulturkritik schwingen oder sogar – mal wieder – den Untergang des Abendlandes an die Wand malen. Aber ich finde es traurig, ärgerlich, auch besorgniserregend, wie diese Smartphones unser Leben entfremden, verflachen und entwerten.

O.k., bestimmt habe ich das Thema übertrieben und überspitzt, um es auf den Punkt zu bringen. Aber eine Satire darf überspitzen, sie muss es sogar. Sicher ist es ein berechtigtes Bedürfnis, sich kommunikativ auszudrücken, auszutauschen und Anerkennung zu erhalten. Natürlich kann das Smartphone auch ein paar nützliche Dinge, wenn es mit Verstand und Maß anwendet – geschenkt. Darum geht es hier nicht. Ich bin auch kein Technikfeind oder Maschinenstürmer, ich weiß moderne Technologien sehr wohl zu nutzen, aber ich verwende sie mit Sinn und Selektion, versuche das jedenfalls. Natürlich gilt das auch für viele andere Nutzer des Smartphones, aber es gibt eben noch mehr, die ihr Smartphone exzessiv gebrauchen bzw. missbrauchen.

So, jetzt will ich mal über mein Smartphone ein Selfie von mir posten, wie ich an meinem Tablet diese Satire schreibe. Und dann werde ich in die Welt hinausposaunen, dass ich einen neuen Text geschrieben habe. – Nein, das war nur ein Scherz!
 
Hallo molly,
über dein positives Feedback habe ich mich sehr gefreut. Schön, nach langer Zeit mal wieder von dir zu hören. Denn ich war über viele Monate nicht mehr bei der LL, aus tausend Gründen. Und ich werde die LL leider auch in Zukunft nur selten besuchen können.
Liebe Grüße Stefan
 
GENERATION SMARTPHONE - "Ich wische, also bin ich"

René Descartes schrieb: „Ich denke, also bin ich.“ Lange ist’s her. Heute, bei den Smartphone-Nutzern, heißt es: „Ich wische, also bin ich.“ In erster Linie bei den Jugendlichen, aber auch viele Erwachsene sind von dem Wisch-Virus infiziert. Über viele Stunden am Tag beschäftigen sich Intensivnutzer mit dem „smarten Telefon“, schauen bzw. lesen, tippen, sprechen, lauschen, aber vor allem wischen sie eben auf dem Display herum.

Man erkennt die Smartphone-Adepten, die „Smartphonies“, daran, dass sie, stets das Smartphone in der Hand oder am Ohr, stehen, sitzen oder gehen, die Augen starr auf das Display gerichtet. Anders als bei dem hundsgemeinen Handy spielt das Telefonieren beim Smartphone nur noch eine untergeordnete Rolle. Aber wenn die „Smartphonisten“ telefonieren, dann gerne in aller Öffentlichkeit und schön lautstark, damit auch alle Menschen in der Nähe etwas davon abkriegen. Sie lauschen dann in ihr Smartphone mit irgendwie entrücktem Bick, manchmal einem grenzdebilen Lächeln.

Mit dem Smartphone in der Hand, kommt man durch das ganze Land. Oder auch nicht. Wenn die Smartphone-User gehen, dann den Kopf nach vorne gebeugt zum Display, nach unten hängend wie eine alte Hängelaterne.

Ab und zu knallen sie gegen einen Laternenpfahl, eine Ampel oder gegen einen rollatorbewegten Senior. Mal überrennen sie auch ein plärrendes Kleinkind oder treten einen kläffenden Zwergpudel platt, ohne es überhaupt zu merken. Wenn Außerirdische diese Leute sehen könnten, wie sie wie stoned durch die Straßen wanken und auf einen kleinen Bildschirm starren, sie würden vermuten, es gibt keine Intelligenz auf der Erde.
Und Descartes würde die Smartphone-Jünger wohl nur als „res extensa“ (Körper) bezeichnen, nicht als "res cogitans" (denkendes Ich).

Wenn mich jemand vor kurzem gefragt hätte, ob ich an Zombies glaube, hätte ich – natürlich – "nein" gesagt. Aber ich habe mich wohl geirrt. Es gibt Zombies, nämlich die sogenannten Pokémon Go-Jäger. Sie bilden die Spitze der Smartphone-Abhängigen. Wie Zombies stolpern sie durch die Straßen und Parks, unbeeindruckt von der wirklichen Wirklichkeit, nur in der Gier, Pokémons zu kriegen. Sie behaupten, dass sie Monster fangen, und begreifen nicht, dass die eigentlichen Monster sie selbst sind. Diese „walking Pokémons-Jäger“ sind mindestens so gefährlich wie „the walking Dead“, denn sie laufen vor Autos und Straßenbahnen und riskieren dabei nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch dass der anderen Verkehrsteilnehmer.

Außer den Smartphone-Anhänger selbst freut sich kaum einer über diese Freaks. Doch, es gibt Ausnahmen: Die Orthopäden werden sich freuen, diese Kundschaft wird ihnen jahrelange Einnahmen sichern. Um nur ein Smartphone-Krankheitsbild zu nennen, den sogenannten Smartphone-Nacken, vom ständigen Beugen des Kopfes im 60-Grad-Winkel, denn das belastet die Halswirbelsäule so, als habe man ein 30 kg schweres Kind im Nacken sitzen.
Auch die Augenärzte kaufen sich schon mal eine größere Brieftasche. Nach ein paar Jahren werden all die jungen Leute, die ständig auf den kleinen Bildschirm gucken und sich dabei ihre Augen verderben, kurzsichtig wie eine Blindschleiche in ihre Praxis stürmen, wenn sie die denn finden (aber sicher gibt es ja eine App für Sehbehinderte).
Und auch der ganz gewöhnliche Allgemeindoktor kann hoffen: Denn auf dem Display eines Smartphones tummeln sich mehr Bakterien als auf der Klobrille in der Bahnhofstoilette. Da holt man sich gerne den einen oder anderen Erkältungs- oder Magen-Darm-Virus.

Schlimmer aber noch, als wenn diese Junkies zu Fuß gehen, ist es, wenn sie Auto fahren. Ich bekomme immer einen Schreck, wenn ich im Rückspiegel einen Wagen hinter mir sehe, dessen Fahrer offensichtlich – natürlich verbotener Weise – nicht auf die Straße, sondern auf sein Phone starrt. Ich hupe dann schon mal vorsorglich bzw. fürsorglich, ich will bloß nicht, dass so ein „Smarti“ (oder besser Dummie) auf mich auffährt und ich dann unendliche Scherereien habe. Schade, dass mein Auto nach hinten keine Lichthupe hat.

Smartphone? So heißen die Dinger zwar, aber das ist eine arglistige Täuschung. Das soll den häufig „geistig limitierten“ Benutzern, die ständig mit diesem Teil herumhampeln, das Gefühl geben, sie wären clever. Besser hieße das Ding „Idiophone“ oder „Hirnophone“.

Was Generationen von Müttern über Jahrzehnte vergeblich versucht haben, nämlich ihre Zöglinge zum Wischen anzuhalten, zum Tisch wischen, Geschirr wischen oder Spiegel wischen, das tun die jetzt freiwillig, nur weil sie ein kleines plattes Kästchen sie dazu zwingt. Und was früher spießig und lästig war, das ist auf einmal cool.

Hast du mal ‘ne App für mich? Apps sind der Inbegriff der geistigen Unmündigkeit, für Leute, die für alles eine Anleitung brauchen: für die Parkplatzsuche, für das Braten eines Speigeleis, für die Auswahl, was sie lesen sollen, für das Wetter in ihrem Wohnviertel - dafür könnten Sie genauso gut mal aus dem Fenster gucken. Demnächst wird es bestimmt auch Apps geben, die sagen, wie man unter die Dusche geht und sich die Haare wäscht (oder gibt es das schon?).

Die meisten Apps sind kostenlos oder billig, aber das ist oft damit erkauft, dass man gnadenlos ausspioniert wird. Manche Apps sind allerdings auch mit teuren Abos verbunden, aber das stellt man natürlich erst fest, wenn die erste Rechnung fällig ist. Der Gipfel ist die App, die mir sagt, wie abhängig ich von meinem Smartphone bin. Ich bewundere den Zynismus und Geschäftssinn der Erfinder dieser App.
Aufklärung? Kant – bediene dich deines eignen Verstandes? Vergiss es! Den eigenen Verstand ersetzt doch heute die App, wozu noch selbst denken?

Warum hängen vor allem die jungen Leute an dem Smartphone wie der Junkie an der Spritze? Diese Smartphone-Süchtigen sind Narzissten reinsten Wassers. Sie finden sich selbst unheimlich wichtig, daher posten sie mit dem Smartphone ständig Selfies – ich vor einer Sehenswürdigkeit, ich neben einem Prominenten –, aber sie blasen auch ständig Bilder aus ihrem Alltagsleben in den Äther, hier mein Mittagessen, hier mein Kaffee, hier mein Kuchen – Bilder, die die Welt nicht braucht.

Anders aber als der klassische Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebte und sich an sich selbst erfreute, sind die Smartphone-Narzissten außerordentlich bedürftig, ohne Anerkennung, ohne „Likes“ sind sie nichts. Sie müssen ständig Bestätigung ihrer Facebook-„Freunde“, ihrer Twitter-Follower und ihrer Peergroups erhalten, sonst fühlen sie sich erbärmlich, sonst bricht die Fassade der Selbstbewusstheit zusammen. Es sind kollektivistische Individualisten oder individualistische Kollektivisten. Sie wollen einerseits unbedingt dazugehören (wozu auch immer), andererseits wollen sie aber auch aus der Masse hervorragen, die anderen überragen – ein unlösbarer Konflikt.

Für den meist Ich-schwachen Dauernutzer ist das Smartphone – mit seinen gespeicherte Informationen und vielfältigen Verknüpfungen – eine Ergänzung seines Ichs, eine Ich-Prothese, ja schon mehr ein Teil seines Ichs und zwar der dominante. Der Nutzer ist eigentlich nur noch die Schnittstelle der vielfältigen sozialen Netzwerke bzw. der Datenströme, die von und zu seinem Smartphone fließen. Ohne sein Smartphone würde er nicht funktionieren. Da er immer weniger den direkten Kontakt zur Realität sucht, ist das Smartphone sein Tor zur Welt. Pointiert gesagt: indem er auf dem Smartphone wischt und sich so in die virtuelle Welt einlinkt, erschafft er erst sein Ich oder stabilisiert es wenigstens: „Ich wische, also bin ich“.

Es gibt aber auch ein Risiko mit den Dauer-Posts und Ego-Trips. Plötzlich kann die Netzgemeinde genervt reagieren, und dann ist sie gnadenlos in ihrem Mobbing. Z. B. Cathy Hummels, früher Cathy Fischer, Frau des Fußballstars Mats Hummels. Sie hat es übertrieben mit der Selbst-Zurschaustellung. Mit drastischen Folgen für sie: Ganz egal, was sie heute in den sozialen Netzwerken postet, sie wird fast immer nur angiftet.
Und das kann für zustimmungssüchtige Smartphone-Dauerposter zur Existenzkrise werden. Wenn sie mit ihren ständigen Posts nerven und immer mehr böse Kommentare kriegen, droht ihre Welt zusammenzubrechen. Sie können dann in eine Depression fallen, sind sogar suizidgefährdet. Allerdings, so schnell bringt sich ein Smartie dann doch nicht um. Denn der Tod als Vernichtung des eigenen Selbst ist für den Smartie die ultimative Kränkung, außerdem, dann hätte er
Sendepause, und das geht gar nicht.

Einer der Gründe für den Smartphone Exzess ist also dieser Dauerkontakt: sich ständig verbreiten und ständig erreichbar sein. Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marshall McLuhan sagte vor vielen Jahren über das Radio, „Das Medium ist die Botschaft“, und das gilt auch für das Smartphone. Es ist kaum von Bedeutung, was man sendet oder postet, oft genug sind das langweilige Trivialitäten oder öde Bilder, wichtig ist nur, dass man postet.

Das könnte den Eindruck erwecken, der ständige Kontakt, dieser Kreislauf der Botschaften, habe etwas mit Lebendigkeit zu tun. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist eine Abwehr von Leben und Lebendigkeit, von echtem Erleben, von realen Kontakten. Teenager sitzen im Cafe nebeneinander, und jeder guckt auf sein Smartphone. Oder sie schicken sich WhatsApp-Botschaften, anstatt direkt miteinander zu reden. Es ist ein groteskes Vermeiden von Nähe, von Intimität, ein Leben aus zweiter, elektronischer Hand. Man könnte von einer „Zombisierung“ der Gesellschaft sprechen, aber auch von einer Infantilisierung, weil der ständige Drang zu spielen ein Ausweichen vor dem „Ernst des Lebens“ bedeutet.

Ein Weiser antwortete mal auf die Frage „Wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben?“: „Der Mensch, der mir in diesem Augenblick gegenübersitzt.“ Er wollte damit natürlich auf die Wichtigkeit des Lebens im Hier-und-Jetzt hinweisen, wirklich leben tut man immer nur im jetzigen Augenblick. Für einen „Smartphonie“ ist der Mensch, der ihm gerade übersitzt, der unwichtigste Mensch auf der Welt. Viel wichtiger sind die „Freunde“ an der Strippe, die abstrakten Personen hinter irgendwelchen SMS, die er gerade erhält, oder die die gänzlichen ungreifbaren Profile aus den sozialen Netzwerken einer Cyberworld.

Hinter dieser Ignorierung, ja Verachtung der unmittelbaren Wirklichkeit steht wohl die Abwehr alles Bedrohlichen: Einsamkeit, Kränkungen, Niederlagen, Alter, Krankheit und letztlich der Tod. Durch das ständige Gequassel wird der Fluss des Lebens übertönt, er wird unhörbar. Die Tiefendimensionen, die Leidensdimensionen des Lebens werden ausgegrenzt, man wischt wie idiotisch auf seinem Ding herum, wischt damit quasi alles Wichtige, Authentische, Existentielle weg.

Ich will hier nicht den Hammer der Kulturkritik schwingen oder sogar – mal wieder – den Untergang des Abendlandes an die Wand malen. Aber ich finde es traurig, ärgerlich, auch besorgniserregend, wie diese Smartphones unser Leben entfremden, verflachen und entwerten.

O.k., bestimmt habe ich das Thema übertrieben und überspitzt, um es auf den Punkt zu bringen. Aber eine Satire darf überspitzen, sie muss es sogar. Sicher ist es ein berechtigtes Bedürfnis, sich kommunikativ auszudrücken, auszutauschen und Anerkennung zu erhalten. Natürlich kann das Smartphone auch ein paar nützliche Dinge, wenn es mit Verstand und Maß anwendet wird – geschenkt. Darum geht es hier nicht. Ich bin auch kein Technikfeind oder Maschinenstürmer, ich weiß moderne Technologien sehr wohl zu nutzen, aber ich verwende sie mit Sinn und Selektion, versuche das jedenfalls. Natürlich gilt das auch für viele andere Nutzer des Smartphones, aber es gibt eben noch mehr, die ihr Smartphone exzessiv gebrauchen bzw. missbrauchen.

So, jetzt will ich mal über mein Smartphone ein Selfie von mir posten, wie ich an meinem Tablet diese Satire schreibe. Und dann werde ich in die Welt hinausposaunen, dass ich einen neuen Text geschrieben habe. – Nein, das war nur ein Scherz!
 

Ilona B

Mitglied
Hallo Stefan,
Du sprichst mir aus der Seele. Ich finde diese Entwicklung auch sehr erschreckend.
Die extremen Smartphone-Nutzer, denke ich, sind die jüngere Generation und für die Jugendlichen ist es leider vollkommen normal. Sie wachsen so auf und reagieren nicht auf unsere gutgemeinten Mahnungen. So wie wir in unserer Jugend. ;)
Ich befürchte der Ausspruch den Molly aufgeschnappt hat, "Demnächst werden Babys mit einem Smartphone am Ohr geboren.“ ist nicht so abwegig. Ich habe schon Gerüchte über Implantate gehört. :D
Herzliche Grüße
Ilona
 
Hallo Ilona,
da sind wir jetzt also schon 3, den der Smartphone-Dauerbetrieb auf die Nerven geht. Ich denke, es wird noch ein paar mehr geben, aber die meisten Smartphone-Intensivnutzer werden das Problem wahrscheinlich gar nicht als solches erkennen. Sicher, die ganz Jungen sind am meisten Smartphone-versessen oder -besessen; aber ich glaube, es ist nicht unbedingt eine Frage des Alters, sondern vorrangig, ob man sein Leben gerne selbstbestimmt, individualistisch und eigenständig gestaltet, oder ob man nur zu gerne im kollektivistischen, trendigen Strom („Mainstream“) mitschwimmt bzw. sich mittreiben lässt.
Herzliche Grüße
Stefan
 
GENERATION SMARTPHONE - "Ich wische, also bin ich"

René Descartes schrieb: „Ich denke, also bin ich.“ Lange ist’s her. Heute, bei den Smartphone-Nutzern, heißt es: „Ich wische, also bin ich.“ In erster Linie bei den Jugendlichen, aber auch viele Erwachsene sind von dem Wisch-Virus infiziert. Über viele Stunden am Tag beschäftigen sich Intensivnutzer mit dem „smarten Telefon“, schauen bzw. lesen, tippen, sprechen, lauschen, aber vor allem wischen sie eben auf dem Display herum.

Man erkennt die Smartphone-Adepten, die „Smartphonies“, daran, dass sie, stets das Smartphone in der Hand oder am Ohr, stehen, sitzen oder gehen, die Augen starr auf das Display gerichtet. Anders als bei dem hundsgemeinen Handy spielt das Telefonieren beim Smartphone nur noch eine untergeordnete Rolle. Aber wenn die „Smartphonisten“ telefonieren, dann gerne in aller Öffentlichkeit und schön lautstark, damit auch alle Menschen in der Nähe etwas davon abkriegen. Sie lauschen dann in ihr Smartphone mit irgendwie entrücktem Bick, manchmal einem grenzdebilen Lächeln.

Mit dem Smartphone in der Hand, kommt man durch das ganze Land. Oder auch nicht. Wenn die Smartphone-User gehen, dann den Kopf nach vorne gebeugt zum Display, nach unten hängend wie eine alte Hängelaterne.

Ab und zu knallen sie gegen einen Laternenpfahl, eine Ampel oder gegen einen rollatorbewegten Senior. Mal überrennen sie auch ein plärrendes Kleinkind oder treten einen kläffenden Zwergpudel platt, ohne es überhaupt zu merken. Wenn Außerirdische diese Leute sehen könnten, wie sie wie stoned durch die Straßen wanken und auf einen kleinen Bildschirm starren, sie würden vermuten, es gibt keine Intelligenz auf der Erde.
Und Descartes würde die Smartphone-Jünger wohl nur als „res extensa“ (Körper) bezeichnen, nicht als "res cogitans" (denkendes Ich).

Wenn mich jemand vor kurzem gefragt hätte, ob ich an Zombies glaube, hätte ich – natürlich – "nein" gesagt. Aber ich habe mich wohl geirrt. Es gibt Zombies, nämlich die sogenannten Pokémon Go-Jäger. Sie bilden die Spitze der Smartphone-Abhängigen. Wie Zombies stolpern sie durch die Straßen und Parks, unbeeindruckt von der wirklichen Wirklichkeit, nur in der Gier, Pokémons zu kriegen. Sie behaupten, dass sie Monster fangen, und begreifen nicht, dass die eigentlichen Monster sie selbst sind. Diese „walking Pokémons-Jäger“ sind mindestens so gefährlich wie „the walking Dead“, denn sie laufen vor Autos und Straßenbahnen und riskieren dabei nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch dass der anderen Verkehrsteilnehmer.

Außer den Smartphone-Anhänger selbst freut sich kaum einer über diese Freaks. Doch, es gibt Ausnahmen: Die Orthopäden werden sich freuen, diese Kundschaft wird ihnen jahrelange Einnahmen sichern. Um nur ein Smartphone-Krankheitsbild zu nennen, den sogenannten Smartphone-Nacken, vom ständigen Beugen des Kopfes im 60-Grad-Winkel, denn das belastet die Halswirbelsäule so, als habe man ein 30 kg schweres Kind im Nacken sitzen.
Auch die Augenärzte kaufen sich schon mal eine größere Brieftasche. Nach ein paar Jahren werden all die jungen Leute, die ständig auf den kleinen Bildschirm gucken und sich dabei ihre Augen verderben, kurzsichtig wie eine Blindschleiche in ihre Praxis stürmen, wenn sie die denn finden (aber sicher gibt es ja eine App für Sehbehinderte).
Und auch der ganz gewöhnliche Allgemeindoktor kann hoffen: Denn auf dem Display eines Smartphones tummeln sich mehr Bakterien als auf der Klobrille in der Bahnhofstoilette. Da holt man sich gerne den einen oder anderen Erkältungs- oder Magen-Darm-Virus.

Schlimmer aber noch, als wenn diese Junkies zu Fuß gehen, ist es, wenn sie Auto fahren. Ich bekomme immer einen Schreck, wenn ich im Rückspiegel einen Wagen hinter mir sehe, dessen Fahrer offensichtlich – natürlich verbotener Weise – nicht auf die Straße, sondern auf sein Phone starrt. Ich hupe dann schon mal vorsorglich bzw. fürsorglich, ich will bloß nicht, dass so ein „Smarti“ (oder besser Dummie) auf mich auffährt und ich dann unendliche Scherereien habe. Schade, dass mein Auto nach hinten keine Lichthupe hat.

Smartphone? So heißen die Dinger zwar, aber das ist eine arglistige Täuschung. Das soll den häufig „geistig limitierten“ Benutzern, die ständig mit diesem Teil herumhampeln, das Gefühl geben, sie wären clever. Besser hieße das Ding „Idiophone“ oder „Hirnophone“.

Was Generationen von Müttern über Jahrzehnte vergeblich versucht haben, nämlich ihre Zöglinge zum Wischen anzuhalten, zum Tisch wischen, Geschirr wischen oder Spiegel wischen, das tun die jetzt freiwillig, nur weil sie ein kleines plattes Kästchen sie dazu zwingt. Und was früher spießig und lästig war, das ist auf einmal cool.

Hast du mal ‘ne App für mich? Apps sind der Inbegriff der geistigen Unmündigkeit, für Leute, die für alles eine Anleitung brauchen: für die Parkplatzsuche, für das Braten eines Speigeleis, für die Auswahl, was sie lesen sollen, für das Wetter in ihrem Wohnviertel - dafür könnten Sie genauso gut mal aus dem Fenster gucken. Demnächst wird es bestimmt auch Apps geben, die sagen, wie man unter die Dusche geht und sich die Haare wäscht (oder gibt es das schon?).

Die meisten Apps sind kostenlos oder billig, aber das ist oft damit erkauft, dass man gnadenlos ausspioniert wird. Manche Apps sind allerdings auch mit teuren Abos verbunden, aber das stellt man natürlich erst fest, wenn die erste Rechnung fällig ist. Der Gipfel ist die App, die mir sagt, wie abhängig ich von meinem Smartphone bin. Ich bewundere den Zynismus und Geschäftssinn der Erfinder dieser App.
Aufklärung? Kant – bediene dich deines eignen Verstandes? Vergiss es! Den eigenen Verstand ersetzt doch heute die App, wozu noch selbst denken?

Warum hängen vor allem die jungen Leute an dem Smartphone wie der Junkie an der Spritze? Diese Smartphone-Süchtigen sind Narzissten reinsten Wassers. Sie finden sich selbst unheimlich wichtig, daher posten sie mit dem Smartphone ständig Selfies – ich vor einer Sehenswürdigkeit, ich neben einem Prominenten –, aber sie blasen auch ständig Bilder aus ihrem Alltagsleben in den Äther, hier mein Mittagessen, hier mein Kaffee, hier mein Kuchen – Bilder, die die Welt nicht braucht.

Anders aber als der klassische Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebte und sich an sich selbst erfreute, sind die Smartphone-Narzissten außerordentlich bedürftig, ohne Anerkennung, ohne „Likes“ sind sie nichts. Sie müssen ständig Bestätigung ihrer Facebook-„Freunde“, ihrer Twitter-Follower und ihrer Peergroups erhalten, sonst fühlen sie sich erbärmlich, sonst bricht die Fassade der Selbstbewusstheit zusammen. Es sind kollektivistische Individualisten oder individualistische Kollektivisten. Sie wollen einerseits unbedingt dazugehören (wozu auch immer), andererseits wollen sie aber auch aus der Masse hervorragen, die anderen überragen – ein unlösbarer Konflikt.

Für den meist Ich-schwachen Dauernutzer ist das Smartphone – mit seinen gespeicherte Informationen und vielfältigen Verknüpfungen – eine Ergänzung seines Ichs, eine Ich-Prothese, ja schon mehr ein Teil seines Ichs und zwar der dominante. Der Nutzer ist eigentlich nur noch die Schnittstelle der vielfältigen sozialen Netzwerke bzw. der Datenströme, die von und zu seinem Smartphone fließen. Ohne sein Smartphone würde er nicht funktionieren. Da er immer weniger den direkten Kontakt zur Realität sucht, ist das Smartphone sein Tor zur Welt. Pointiert gesagt: indem er auf dem Smartphone wischt und sich so in die virtuelle Welt einlinkt, erschafft er erst sein Ich oder stabilisiert es wenigstens: „Ich wische, also bin ich“.

Es gibt aber auch ein Risiko mit den Dauer-Posts und Ego-Trips. Plötzlich kann die Netzgemeinde genervt reagieren, und dann ist sie gnadenlos in ihrem Mobbing. Z. B. Cathy Hummels, früher Cathy Fischer, Frau des Fußballstars Mats Hummels. Sie hat es übertrieben mit der Selbst-Zurschaustellung. Mit drastischen Folgen für sie: Ganz egal, was sie heute in den sozialen Netzwerken postet, sie wird fast immer nur angiftet.
Und das kann für zustimmungssüchtige Smartphone-Dauerposter zur Existenzkrise werden. Wenn sie mit ihren ständigen Posts nerven und immer mehr böse Kommentare kriegen, droht ihre Welt zusammenzubrechen. Sie können dann in eine Depression fallen, sind sogar suizidgefährdet. Allerdings, so schnell bringt sich ein Smartie dann doch nicht um. Denn der Tod als Vernichtung des eigenen Selbst ist für den Smartie die ultimative Kränkung - außerdem, dann hätte er Sendepause, und das geht gar nicht.

Einer der Gründe für den Smartphone Exzess ist also dieser Dauerkontakt: sich ständig verbreiten und ständig erreichbar sein. Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marshall McLuhan sagte vor vielen Jahren über das Radio, „Das Medium ist die Botschaft“, und das gilt auch für das Smartphone. Es ist kaum von Bedeutung, was man sendet oder postet, oft genug sind das langweilige Trivialitäten oder öde Bilder, wichtig ist nur, dass man postet.

Das könnte den Eindruck erwecken, der ständige Kontakt, dieser Kreislauf der Botschaften, habe etwas mit Lebendigkeit zu tun. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist eine Abwehr von Leben und Lebendigkeit, von echtem Erleben, von realen Kontakten. Teenager sitzen im Cafe nebeneinander, und jeder guckt auf sein Smartphone. Oder sie schicken sich WhatsApp-Botschaften, anstatt direkt miteinander zu reden. Es ist ein groteskes Vermeiden von Nähe, von Intimität, ein Leben aus zweiter, elektronischer Hand. Man könnte von einer „Zombisierung“ der Gesellschaft sprechen, aber auch von einer Infantilisierung, weil der ständige Drang zu spielen ein Ausweichen vor dem „Ernst des Lebens“ bedeutet.

Ein Weiser antwortete mal auf die Frage „Wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben?“: „Der Mensch, der mir in diesem Augenblick gegenübersitzt.“ Er wollte damit natürlich auf die Wichtigkeit des Lebens im Hier-und-Jetzt hinweisen, wirklich leben tut man immer nur im jetzigen Augenblick. Für einen „Smartphonie“ ist der Mensch, der ihm gerade übersitzt, der unwichtigste Mensch auf der Welt. Viel wichtiger sind die „Freunde“ an der Strippe, die abstrakten Personen hinter irgendwelchen SMS, die er gerade erhält, oder die die gänzlichen ungreifbaren Profile aus den sozialen Netzwerken einer Cyberworld.

Hinter dieser Ignorierung, ja Verachtung der unmittelbaren Wirklichkeit steht wohl die Abwehr alles Bedrohlichen: Einsamkeit, Kränkungen, Niederlagen, Alter, Krankheit und letztlich der Tod. Durch das ständige Gequassel wird der Fluss des Lebens übertönt, er wird unhörbar. Die Tiefendimensionen, die Leidensdimensionen des Lebens werden ausgegrenzt, man wischt wie idiotisch auf seinem Ding herum, wischt damit quasi alles Wichtige, Authentische, Existentielle weg.

Ich will hier nicht den Hammer der Kulturkritik schwingen oder sogar – mal wieder – den Untergang des Abendlandes an die Wand malen. Aber ich finde es traurig, ärgerlich, auch besorgniserregend, wie diese Smartphones unser Leben entfremden, verflachen und entwerten.

O.k., bestimmt habe ich das Thema übertrieben und überspitzt, um es auf den Punkt zu bringen. Aber eine Satire darf zuspitzen, sie muss es sogar. Sicher ist es ein berechtigtes Bedürfnis, sich kommunikativ auszudrücken, auszutauschen und Anerkennung zu erhalten. Natürlich kann das Smartphone auch ein paar nützliche Dinge, wenn es mit Verstand und Maß anwendet wird – geschenkt. Darum geht es hier nicht. Ich bin auch kein Technikfeind oder Maschinenstürmer, ich weiß moderne Technologien sehr wohl zu nutzen, aber ich verwende sie mit Sinn und Selektion, versuche das jedenfalls. Natürlich gilt das auch für viele andere Nutzer des Smartphones, aber es gibt eben noch mehr, die ihr Smartphone exzessiv gebrauchen bzw. missbrauchen.

So, jetzt will ich mal über mein Smartphone ein Selfie von mir posten, wie ich an meinem Tablet diese Satire schreibe. Und dann werde ich in die Welt hinausposaunen, dass ich einen neuen Text geschrieben habe. – Nein, das war nur ein Scherz!
 

Quetzalcoatl

Mitglied
Ich finde es nicht das es groß etwas mit Satire gemein hat.

Es ist einfach nur erzkonservativ. Früher saßen die Leute mit Zeitungen rum, heute haben sie Smartphones. Sicher, es mag kritisch zu betrachten sein, wenn junge Menschen Suchtverhalten an den Tag legen, aber wenn man zum Beispiel in der Bahn sitzt ist es doch ganz nett eine Ablenkung zu haben? Und ob ich nun in einem E- oder normalen B0ok lesen ist irrelevant. Du weisst doch garnicht was die Leute mit ihren Smartphones machen?
Vielleicht verabreden sie sich gerade, oder sie schreiben auf Leselupe eine Kritik an einer Kritik?

Ausserdem darf ich anmerken das die virtuelle Realität, ebenfalls eine Realität darstellt. Zwar Körperlos, aber dennoch existent. Denn wieso sind Menschen verletzt, wenn sie im Internet gemobbt werden? oder jemand ihre Satire auseinander nimmt?

Ich weiss ja nicht was in dem Text wirklich deiner Meinug entspricht, es ist ja eine Satire, aber denkst du wirklich weil du keines hast, gehörst du zu einer geistigen Elite?
Oder hast du eins und machst dich lustig über die Leute, die sich der neuen Technik verweigern?

Das Smartphone ist ein modernes Werkzeug, wofür man es nutzt ist dem Bediener überlassen.
Nicht jeder muss "Pokemon Go" spielen, nur weil er im Park mit dem Dadelkasten sitzt. Ich würde auch lieber aus dem Fenster gucken und beobachte die Menschen und denke einfach mal über das Leben nach, aber es würde mich nicht im Traum einfallen einen derart riesigen Text zu verfassen nur um mal (WIEDER!) über die "Generation Handy" zu lästern...

Jetzt mal Hand aufs Herz, was soll der Text bewirken?

In anbetracht dessen was in der Welt und Politik derzeit so passiert, kann Satire wesentlich mehr aussagen!
 
Aus traurigem Anlass - Stefans Ausscheiden - erst jetzt gelesen. Der Text ist geistreich, witzig und behandelt viele Aspekte, ist also auch noch abwechslungsreich. Man kann an diesem Text studieren, wie man lang sein darf, ohne zu langweilen. Dass man ein ernsthaftes Thema mit Ernst behandeln und zugleich den Leser amüsieren kann. Wie macht der Autor das? Er ist anschaulich, er stellt Thesen vor und belegt sie mit konkreten Beispielen, die oft komisch wirken. Doch der Effekt überwuchert nie das Anliegen, wie man es sonst oft beobachten kann.

Nebenbei wird auch deutlich, über welchen Bildungshorizont der Autor verfügt, doch ist es noch so dezent genug, dass Leser sich davon nicht eingeschüchtert oder belästigt fühlen muss. Da die richtige Dosierung zu finden, ist nicht immer leicht. Hier scheint es mir gelungen. Ein solcher geistiger Hintergrund ist, wenn er in einem Text aufscheint, kein Selbstzweck, sondern soll die Überzeugungskraft stärken.

Arno Abendschön
 

Vagant

Mitglied
Ich verstehe einfach nicht, wo hier für wen das Problem begraben liegt. Das muss man – wenn man es denn machen muss – an einer konkreten Begebenheit festmachen; aber so – gähhhn.
 

James Blond

Mitglied
Der Text versucht sich neben einer satirischen Betrachtung zugleich in einer ernsthafteren, tieferen Auseinandersetzung mit dem Phänomen.

Doch der Spagat gelingt meines Erachtens nicht: Zu lang, zu vieles aneinandergereiht, als dass der anfängliche satirische Schwung erhalten bliebe.

Mein Tipp: In zwei Texte aufteilen.

Grüße
JB

P.S. Ich weiß, dass Stefan Sternau diesen Kommentar vermutlich nicht mehr liest, aber es gibt ja - hoffentlich - auch noch andere Leser hier. ;)
 

Vagant

Mitglied
ja James,

ich habe es gestern abend erstmalig gelesen, ein spontanes 'gähn' hinterlassen und erst danach realisiert, dass der Stefan den Leselupenschuh ja längst an den Nagel gehängt hat.

Mir fehlt bei diesem Text einfach eine gehörige Brise Wortwitz. Das bisschen 'Wisch-Virus', 'walking- Pokomons-Jäger', ecetera reißt es nun wahrlich nicht raus.
Der Text setzt sich über weite Strecken aus Binsenweisheiten (Anders als bei dem hundsgemeinen Handy spielt das Telefonieren beim Smartphone nur noch eine untergeordnete Rolle.), Nichtigkeiten (Man erkennt die Smartphone-Adepten, die „Smartphonies“, daran, dass sie, stets das Smartphone in der Hand oder am Ohr, stehen, sitzen oder gehen, die Augen starr auf das Display gerichtet.) , bösen Kalauern (Mit dem Smartphone in der Hand, kommt man durch das ganze Land.), Behauptungen, einfach mal so in der Raum gestellt, und ein paar unhaltbaren Thesen, in denen er mir als Leser eine Abhängigkeit bescheinigt (Er spricht an einer Stelle vom WIR, Wir seinen abhängig, usw... leider finde ich die Textstelle gerade nicht) , zusammen.

Dagegen stehen allerdings auch ein paar klasse Absätze, das muss man hier schon mal ganz klar sagen. Lobend würde ich hier noch die Assoziationsgabe des Autors erwähnen, die es versteht, den Bogen vom jugendlichen Dauernutzer, über Kant und die Aufklärung, bis hin zu einem Absatz wie diesen hier zu spannen: Hinter dieser Ignorierung, ja Verachtung der unmittelbaren Wirklichkeit steht wohl die Abwehr alles Bedrohlichen: Einsamkeit, Kränkungen, Niederlagen, Alter, Krankheit und letztlich der Tod. Durch das ständige Gequassel wird der Fluss des Lebens übertönt, er wird unhörbar. Die Tiefendimensionen, die Leidensdimensionen des Lebens werden ausgegrenzt, man wischt wie idiotisch auf seinem Ding herum, wischt damit quasi alles Wichtige, Authentische, Existentielle weg..

Der Ton (der sich hier nicht so recht entscheiden kann – mal lockerer Plauderton, mal liest es sich, wie eine vom Bundesfamilienministerium beauftragte Studie) – sammelt beim zweiten Lesen gerade noch ein paar Bonuspunkte. Ich denke, dass ich mir dieses 'gähn' heute abend erspart hätte. Aber was soll's: spontan bleibt spontan.

Am Ende muss ich allerdings sagen, dass mir die paar handverlesenen satirischen Überspitzungen (die App für das Braten eines Speigeleis, z.B), dann doch einfach zu wenig waren. Es ist wohl letztendlich auch dieser moralinsauer-referierende Modus, der einem schon nach wenigen Absätzen aufstößt – mir ging es jedenfalls so.

Vagant.
 

molly

Mitglied
Hi, Vagant,

"ich habe es gestern abend erstmalig gelesen, ein spontanes 'gähn' hinterlassen und erst danach realisiert, dass der Stefan den Leselupenschuh ja längst an den Nagel gehängt hat."

Wenn Du schon weißt, dass Stefan hier im Moment nicht mitmacht, warum musst Du noch "nachtreten", bibt es nicht genügend andere Geschichten, die Du kommentieren kannst?

molly
 

Vagant

Mitglied
molly,

gute Frage. Aber ich sehe hier nirgends ein 'Nachtreten'. Ich finde deinen Einwand geradezu abwegig. Es geht hier nicht um Stefan, sondern den Text, der ja noch existent ist. Ich verstehe dies hier auch nicht als Kommentar, sondern als Replik auf @James, sowie eine Relativierung meines spontanen 'Gähn'-Postings von gestern abend.
Allerdings gebe ich dir insofern Recht: Ich hätte zu einem aktuellen Zeitpunkt etwas dazu sagen können. Das wäre zielführender gewesen. Allerdigs habe ich den Text damals nicht gelesen.
Trotzdem die Frage an dich: Was hat das hier bitteschön mit 'nachtreten' zu tun?

Vagant.
 

James Blond

Mitglied
Hmm - wie kann man nach jemandem treten, der schon längst nicht mehr anwesend ist? Und was spricht gegen ein spontanes Feedback eines Lesers?

Man tut sich hier sehr oft schwer mit Kritik, als wenn es einem Todesurteil gleichkäme! Dabei hilft sie dem Schriftsteller ins Leben! Vielleicht seltener dem von Allergien geplagten Autor, doch lesen vermutlich auch Unbetroffene hier Texte und Kritiken. Oft gelingt mit denen ein konstruktiveres Gespräch.

Der Text ist für sein Thema zu lang, dies ist auch seiner hybriden Struktur zu verdanken. Bevor die Satire Fahrt aufnehmen kann, wird sie von einer ernsthaften und sehr analytischen Betrachtung abgelöst; hier entwickelt der Text seine Stärken. Daher würde ich die satirischen Versuche besser weglassen.

Mein Tipp: Kürzen! Es könnte mindestens die Hälfte raus. Das ist übrigens für sehr viele Texte (nicht nur) hier ein guter Rat. Der Versuch, alles in einen Text zu packen, scheitert regelmäßig, doch dem Autor fällt die "Selbstverstümmelung" schwer; da ist's nur gut, wenn man eine "eiserne Harke" zu seinen Freunden zählen kann. :)

Grüße
JB
 

rag

Mitglied
Die Kritiken lesen sich manchmal besser als die Texte. Bei Generation Smartphone finde ich weder die Aktion, noch die Reaktionen besonders berauschend. Sorry, mein persönliches Empfinden.

Weglassen würde ich den letzten Satz: Nein, das war nur ein Scherz! Das müsste auch der unbedarfteste Leser erschlossen haben.
 



 
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