Geschehnisse im Wald

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Rainer Lieser

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Geschehnisse im Wald

Das Waldwesen hielt ein Stöckchen in der Hand und zeichnete damit ein paar Figuren in den weichen Boden. Das tat es gerne. Es stellte sich dabei vor, die Figuren würden lebendig werden, wenn sie nur gut genug gezeichnet wären. Eines Tages würde das ganz bestimmt geschehen, da war sich das Waldwesen absolut sicher. Es musste nur eben lang genug üben. Wenn es so in der Mittagssonne auf dem Erdboden hockte und die vielen Geräusche des Waldes hörte und den Duft der Luft genüsslich in sich einsog, da fühlte es sich unendlich wohl und eins mit der Welt. Ein kaum wahrnehmbares ungewöhnliches Rascheln in weiter Ferne, ließ das Waldwesen kurz aufhorchen, doch dann konzentrierte es sich wieder auf seine Figuren. Heute war ein guter Tag. Denn die Figuren die entstanden, gefielen dem Waldwesen ganz besonders gut. Es zeichnete immer mehr davon. Jede sah vollkommen anders aus, als die zuvor erstellte. Bald schon hatte das Waldwesen die gesamte freie Fläche mit Zeichnungen übersät, die ihm an diesem Platz zur Verfügung stand. Es suchte sich dann ein neues Fleckchen unbedeckter Erde. Unterwegs bemerkte es einen näher kommenden Duft, der nicht in diesen Wald gehörte. Doch liess es sich davon nicht weiter stören. Das Waldwesen sang, hüpfte und tanzte übermütig und in bester Laune von einem Platz zum nächsten. Füllte Fläche um Fläche mit seinen Figuren aus. Eine Spur, die es der kleinen Gruppe von Jägern einfach machte, dem Waldwesen zu folgen. Schritt um Schritt kamen sie näher. Die Jäger führten nichts Gutes im Schilde. Schließlich kamen sie in Schussweite und legten mit ihren Gewehren auf das Waldwesen an. Aber das Waldwesen war schneller. Es zerfetzte die Jäger zu einer blutigen Masse aus Fleisch und Knochen. Das Fleisch frass es auf, die Knochen vergrub es. Danach suchte es sich ein neues Stöckchen und ein neues Fleckchen unbedeckter Erde und begann wieder zu zeichnen. Wenn es sich nicht stark täuschte, waren heute noch viele weitere Jäger im Wald unterwegs und ein bisschen Hunger hatte es schon noch.
 



 
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