Geschwisterkrieg

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Schlossbeere - Geschwisterkrieg

An einem sonnigen Samstagmorgen saß Svenja am offenen Zimmerfenster und übte auf ihrer Blockflöte. Die Töne traf sie noch nicht wirklich gut aber Übung machte ja bekanntlich den Meister.
„Oh Man, Svenja! Kannst du nicht wo anders deine Flöte quälen? Ich muss noch für Mathe lernen. Du weißt doch, dass ich am Montag eine Schulaufgabe schreibe!“ schrie Julia ihre Schwester genervt an.
„Quälen? Quälen! Ich übe! Du hast gar kein Kunstverständnis!“ Svenja schnaubte beleidig.
„Nein! Auf alle Fälle nicht, wenn ich mich konzentrieren muss!“
„Ha! Und was soll ich sagen! Du nimmst auch nie Rücksicht auf mich, wenn ich mal lernen muss! Meinst du mich regt es nicht auf, wenn ich Hausaufgabe mache und du deine dämliche Musik hörst!“ Svenja funkelte ihre Schwester wütend an.
„Dämliche Musik? Kann ich was dazu, dass du nur Schnulzenlieder hörst?“ Julia reckte ihrer Schwester eingeschnappt das Kinn entgegen.
„Ach! Über meinen Musikgeschmack werde ich mit dir bestimmt nicht streiten! Davon verstehst du sowiso nichts!“ Svenja hob wütend ihre Blockflöte.
Mit einem Satz sprang Julia vor und schnappte sich die Flöte. „Heute wirst du mich auf alle Fälle nicht mehr nerven!“ demonstrativ hielt Julia ihre Eroberung in die Höhe.
„Gib die sofort zurück, du miese Ratte!“ Svenja sprang auf ihre Schwester zu und schaffte es tatsächlich ihr die Flöte zu entreißen. Leider hatte sie zuviel Schwung und als sie das Instrument nach hinten zog, schlug es an die Kommode und zerbrach.
„Meine Flöte!“ Svenja kniete auf dem Boden und hielt die Reste in den Händen. „Das ist alles deine Schuld!“ wütend stand sie auf und ging auf ihre Schwester zu.
„Aber ich habe sie doch nicht zerbrochen! Das warst du selber! Was kann ich dazu, wenn du zu doof bist sie festzuhalten!“ Julia ging in Angriffsstellung.
„Wenn du sie mir nicht weggenommen hättest, wäre das gar nicht passiert! Das wirst du bereuen!“ Svenja zog an einer Haarsträhne ihrer Schwester.
„Aua! Lass los!“ Julia griff mit ihrer Hand in die Haare ihrer Gegnerin und zog kräftig daran.
„Ahhh!“ Svenja wand sich aus dem Griff und biss ihrer Schwester in den Arm.

Mama stand in der Küche und schälte Kartoffeln als sie das Geschrei ihrer Töchter aus dem zweiten Stock hörte. Genervt schmiss sie eine Kartoffel in das Wasser und lief zum Treppenhaus!
„Svenja und Julia Schmunzel! Hört sofort auf euch zu streiten und kommt herunter!“
Verlegen kamen die beiden Mädchen langsam die Treppe hinunter.
„Oh nicht schon wieder!“ Mutter schlug sich hilflos mit der Hand gegen die Stirn.
Julias Kleid fehlte eine Tasche, ihr linker Arm war verkratz und wies Zahnabdrücke auf. Svenja hatte Nasenbluten, ihre Backe glühte und ihr linker Ärmel war zerrissen. Bei beiden Mädchen waren die Haare wild zerzaust.
„Kann man euch keine fünf Minuten alleine lassen! Worum ging es diesmal schon wieder?“ Mama sah ihre Kinder wütend an.
„Svenja hat angefangen! Sie nimmt überhaupt keine Rücksicht auf mich!“ Julia zeigte mit ihrem Finger auf ihre Schwester.
„Gar nicht war! Du hast meine Flöte zerbrochen!“ Svenja hielt wütend die Reste ihres Instruments hoch.
„Ruhe!“ Mutter schloss genervt die Augen. „In Ordnung! Also hat mal wieder keiner angefangen! Gut! Wer hat die Blockflöte zerbrochen?“ fragte Frau Schmunzel ihre Töchter.
Die beiden Mädchen sahen sich unentschlossen an.
„Das war ein Unfall! Svenja ist hingefallen und da ist das Ding gegen die Kommode geknallt und zersprungen!“ Julia stupste ihre Schwester an.
„Äh, ja! Es war wirklich ein Unfall! Tut mir leid um die Flöte Mama!“ Svenja senkte den Kopf und warf Julia einen dankbaren Blick zu.
„Na dann! Da kann man nichts machen. Und nun vertragt euch wieder!“
„Ja, Mama!“ antworteten die Mädchen im Chor.
„Ab ins Bad mit euch!“ Mutter schob ihre Mädchen Richtung Badezimmer.

Als Frau Schmunzel wieder in die Küche gehen wollte, sah sie Niklas aus dem Hinterzimmer mit einem Farbeimer in der Hand kommen.
„Niklas, warte mal! Wie weit seit ihr?“ Der Knecht kam schlurfend näher.
„Also mit streichen sind wir fertig. Die Fester und der Teppich sind auch drin. Fehlen eigentlich nur Vorhänge und Möbel!“ antwortete Niklas und stellte seinen Farbeimer ab.
„Gut! Die Möbel kommen morgen und die Vorhänge habe ich schon fertig. Dann hat diese Streiterei hoffentlich endlich ein Ende!“ Mutter seufzte und ging durch die Tür in die Küche.

Julia lag die halbe Nacht wach. Sie konnte den nächsten Tag einfach nicht erwarten. Endlich hatte sie Geburtstag. Ihr Blick klebte am Wecker fest und die Sekunden erschienen ihr wie Stunden.
Sie malte sich in allen Einzelheiten aus was sie alles möglicherweise geschenkt bekommen könnte und starrte zur Decke.
Irgendwann schien sie dann doch eingeschlafen zu sein, denn als sie die Augen öffnete, war es schon hell. Sie huschte ins Badezimmer, wusch sich, putzte ihre Zähne und zog sich in Windeseile an.
Als sie im Treppenhaus stand, hörte sie leise die Töne ihres Lieblingsliedes aus einem Zimmer am Ende des Ganges schallen. Vorsichtig ging sie näher. Sie wollte die Hand gerade auf die Klinke legen, da öffnete sich die Tür von alleine.
Alle restlichen Mitglieder der Familie Schmunzel und die Belegschaft von Schlossbeere standen in dem für Julia unbekannten Raum und sangen ihr ein Geburtstagsständchen.
Im ersten Moment verstand Julia nicht so ganz, warum der Tisch mit ihren Geschenken in diesem Zimmer aufgebaut war. Doch dann fiel ihr Blick auf ihr Bild von iher Stute Lorena, das auf dem Schreibtisch unter einem weit geöffneten Fenster stand.
„Ich bekomme ein eigenes Zimmer? Für mich ganz alleine?“ Julia war fassungslos.
„Ja, mein Liebes! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ Mutter gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Wange.
Julia wirbelte glücklich durch das Zimmer und umarmte ihre Eltern. Sie konnte es immer noch nicht fassen und betrachtete die vielen neuen Möbel in dem Zimmer.
„Boa! Das Bett ist total weich!“ Svenja ließ sich nach hinten sinken.
„Das ist gemein! Julia kann immer auf die Obstwiese schauen! Ich sehe von meinem Zimmer aus nur den Wald!“ Svenja stand am Fenster und berührte einen Zweig voller Kirschblüten der davor hing.
„Tja! Pech gehabt! Jetzt habe ich das bessere Zimmer!“ Julia reckte ihrer Schwester stolz das Kinn entgegen.
„Pfff! Dafür ist meines größer!“
„Hört auf euch zu streiten!“ rief Mutter.
„Wir streiten doch gar nicht!“ Julia warf ihrer Schwester einen finsteren Blick zu.
„Liebes, willst du nicht auch deine anderen Geschenke auspacken?“ Mama reichte ihrer Tochter ein großes rechteckiges Paket.
„Von Oma und Opa!“ Julia riss das Geschenkpapier von dem Karton. Ihre Großeltern konnten leider selten zu den Geburtstagen kommen, weil sie weiter weg wohnten. Aber sie dachten immer an ihre Enkeltöchter und schickten Geschenke und Grüße.
„Oh ja! Es ist das Bastelset, dass ich mir gewünscht habe!“ das Mädchen zerrte den Deckel ab und überflog den Inhalt.
Von Julia bekam sie die neue CD die sie wollte und Niklas schenkte ihr einen Malblock und neue Bundstifte

Philips Geschenk bekam sie erst am Nachmittag. Ihr Freund besuchte sie in ihrem neuen Zimmer und staunte nicht schlecht über die schöne Aussicht.
„Du kannst ja fast bis Tannenhof schauen! Man! Das sieht so schön aus wenn die Kirschbäume blühen!“ Philip knipste einen kleinen Zweig des Baumes ab und reichte ihn Julia mit seinem Geschenk.
„Ich dachte mir, weil dir meine Comics immer so gut gefallen haben!“
Julia schlug das Heft auf „Ja danke! Das ist super, auf die Fortsetzung warte ich schon seit langem!“ sie umarmte ihren Freund und zog ihn dann durch das Treppenhaus in den Garten zum Kuchenessen.
 



 
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