Das erste was Marlon hörte, war das Rauschen des Windes und das Schlagen der Wellen.
Die Luft roch nach Meer. Wasser umspülten seinen Körper und er wurde von einem Husten geschüttelt. Ein Schwall von Salzwasser schoss aus seinem Mund. Seine Lunge brannte wie Feuer. Bei jedem Husten verliess wieder ein wenig von dem salzigen Wasser seinen Körper.
Er konnte nichts sehen. Seine Augen waren verklebt von Salzwasser und Sand.
Durst.
Langsam versuchte er sich zu bewegen. Es war so ungewohnt und jeder Teil seines Körpers tat ihm weh. Vorsichtig tastete er mit einer Hand zum Kopf und kratze die Krusten die sich um die Augenränder gebildet hatten ab. Schmerzlich zuckte er zusammen, als er sich dabei einige Wimperhärchen ausriss.
Er öffnete die Augen und blinzelte vom grellen Licht geblendet. Dann endlich sah er etwas. Sandstrand, Palmen und Meer soweit sein Auge reichte.
Wieder dieser quälende Durst.
Mühsam versuchte er aufzustehen. Er rappelte sich auf und taumelte auf eine Palme zu.
Schreie...plötzlich hörte er Schreie in seinem Kopf. Verzweifeltes Rufen. Das Tosen des Sturms. Das Aufschlagen der herunterlassenden Rettungsboote. Das Brausen des Windes. Ein Kind das weinend nach seiner Mutter rief. Das unheilvolle Aufklatschen des riesigen Wellenberges.
Wendy!
Wo war Wendy?! Er wusste noch genau, dass er sie an der Hand gepackt hatte, bevor sie von einer hohen Woge über Bord gespült worden waren. Doch an das was danach geschehen war konnte er sich nicht mehr erinnern.
„Wendy!“ schrie er und brach erschöpft zusammen.
Josh Stone, Marlons Vater, war im Krieg gestorben. Seine Frau Christina beschloss nach dem sie von seinem Tode erfuhr, mit ihren zwei Kindern; Marlon und seiner kleinen Schwester Wendy zu ihren Verwandten nach Amerika zu ziehen.
Als sie an Bord des Schiffes stiegen, das sie alle nach Amerika bringen sollte, und beim Auslaufen, ein letztes Mal auf ihre Heimat zurückblickten, ahnten sie nicht, dass sie Amerika nie erreichen würden.
Nach drei Tagen auf See, wurde das Meer unruhig. Und am Abend des vierten Tages brach ein Gewitter heran. Es blitzte und donnerte. Der Wind fegte alles was nicht niet- und nagelfest war über die Planken ins tosende Meer. Unter den Passagieren an Bord, breitete sich Unruhe aus. Der Kapitän des Schiffes war durch eine Nahrungsmittelvergiftung ans Bett gefesselt und die Hälfte der Mannschaft war zum ersten Mal auf hoher See.
Die meisten wussten nicht was zu machen war und irrten ratlos herum. Die erfahrenen Matrosen machten die Rettungsboote bereit, für den Falle eines Falles.
Einige der Männer sassen hinter dem Steuerrad und versuchten das Schiff so gut es ging durch den Sturm und die Wellenberge zu lenken.
Der Regen erschwerte dies zunehmend. Deshalb sahen sie das Riff erst als es schon zu spät war. Wasser drang ins Schiff ein. Es würde sinken, das war sicher. Die Passagiere gerieten in Panik. Eiligst versuchten die Mannschaftsmitglieder die Passagiere zu beruhigen, was ihnen nur teilweise gelang. Schwimmwesten wurden ausgeteilt. Die Rettungsboote bis auf den letzten Platz besetzt und zu Wasser gelassen. Und sogleich dem Spiel der Wellen übergeben.
In dem grossen Menschengewühl suchte und rief Christina verzweifelt nach ihren Kindern. Doch diese konnten sie durch das tosen des Sturmes nicht hören.
Marlon griff nach Wendys Hand und zerrte sie auf eines der Rettungsboote zu. Doch bevor sie es erreichten wurden sie von einer riesigen Woge über Bord gerissen. Christina sah nur noch wie ihre Kinder im tobenden Meer verschwanden.
So schnell sie konnte lief Wendy dem Strand entlang.
Wo bin ich, und wo ist Marlon? Fragte sie sich die ganze Zeit.
Immer wieder stolperte sie über Kisten und Teile des Schiffes, die vom Meer angeschwemmt wurden. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Nicht weinen! Befahl sie sich. Grosse Mädchen weinen nicht. Doch die Tränen rollten ihr trotzdem über die Wangen.
Vor einigen Tagen war sie zehn geworden. An dem Tag hatte ihnen Mutter verkündet, dass sie nach Amerika gehen würden. Zu Verwandten die dort lebten.
Mutti wo bist du jetzt...ich brauch dich! Dachte sie verzweifelt.
Da stolperte sie wieder über etwas hartes. Sie stürzte und schlug sich dabei das Knie an einem scharfen Gegenstand auf. Einer Muschel die doppelt so gross war wie die Hand eines Erwachsenen.
Wendy schrie auf und hielt sich das blutende Knie.
Erst jetzt sah sie über was sie gestolpert war. Es war Christinas Koffer. Sie erkannte den verbeulten Lederkoffer ihrer Mutter.
Sie wollte schon ihre Hand danach ausstrecken, als sie von weitem ihren Namen rufen hörte.
Das war doch Marlon...! „Marlon! Ich bin hier!“ schrie sie und rannte in die Richtung aus der das Rufen gekommen war.
Hallo Marlon. Wie aus dem Nichts tauchte in all der Dunkelheit eine helle Gestalt auf. Mutter? Bist du es? Die Frau lachte. Ja sicher bin ich es. Wen hast du denn erwartet? –Ich weiss nicht. Marlon wurde verlegen. Aber wie hast du mich denn gefunden? Die Frau schmunzelte. Ich bin in deinen Gedanken. -In meinen Gedanken? Heisst das du bist nicht real? Jetzt war er verwirrt und auch enttäuscht. Denn es war nicht wirklich seine Mutter die vor ihm stand. Sie war nur eine Täuschung. Ein Trugbild. Sie war nicht wirklich da. Was heisst für dich real? Ich bin bei dir, aber nicht im wirklichen Sinne, sondern in Gedanken. Meinst du das mit nicht real? Ihre Augen bekamen einen traurigen Ausdruck. Ja das habe ich damit gemeint. Denn wenn es real wäre, dann könnte ich dich anfassen, dich umarmen. Marlon streckte seine Hand nach ihr aus, doch da war nichts. Er konnte seine Hand gar nicht sehen. Das musste alles nur ein Traum sein. Ein schöner Traum.
„Marlon. Marlon wach auf!“ drang von unendlich weiter Ferne eine Stimme zu ihm. Die Stimme kam ihm so vertraut vor. Wendy? Ich muss dich jetzt verlassen Marlon. Denn deine Schwester braucht dich jetzt mehr als ich. Ich liebe dich. Sie lächelte ihn an und drehte sich um. Mutter so warte doch! Rief er ihr verzweifelt nach, doch sie war schon in der Dunkelheit verschwunden. Ich liebe dich auch. Flüsterte er. „Marlon so wache doch endlich auf!“
Langsam verschwand der dunkle Schleier vor seinen Augen und er nahm verschwommen das Gesicht seiner Schwester war. „Wendy?“ Ihr Gesicht wurde klarer, dann konnte er sie wieder richtig sehen. „Marlon! Na endlich!“ Sie umarmte ihn stürmisch. „Wo sind wir?“ Fragte er sie und befreite sich aus ihrer Umarmung. Er sah dass er unter einer Palme im Sand lag. Da viel ihm wieder alles ein. „Wir sind auf einer Insel!“ Hastig versuchte er sich aufzurichten. Doch sogleich wurde ihm wieder schwindlig und schwarz vor den Augen. Es dauerte einen Moment bis er wieder sehen konnte. Seine Kehle war wie ausgedörrt und seine Zunge klebte ihm am Gaumen. Und seine Lippen waren so trocken, dass er das Gefühl hatte als würde er mit der Zunge über ein zerfetztes Blatt lecken. „Ja ich denke auch dass wir auf einer Insel sind. Aber könnte es nicht möglich sein, dass wir uns an der amerikanischen Küste befinden, von der Mutti uns so vorgeschwärmt hatte?“ Fragte sie mit einem Anflug von Hoffnung. „Ich weiss es
nicht...es könnte sein. Dann wäre hier in der nähe sicher ein Haus.“ Er lehnte sich an die Palme die ihm notdürftig Schatten spendete. „Wir können doch rufen...vielleicht hört uns jemand.“ Meinte Wendy hoffnungsvoll. „Zuerst suchen wir mal Wasser. Sonst verdurste ich.“ Marlon zog sich am Stamm der Palme hoch und versuchte zu stehen. Seine Knie drohten ihm nachzugeben, doch er biss die Zähne zusammen und liess die Palme los. Wenn Wendy ihn nicht im letzten Moment festgehalten hätte, wäre er zusammengesackt. „Warte ich helfe dir. Stütz dich auf mich, dann geht es vielleicht.“ Sie fasste ihm um die Taille und er hielt sich an ihr fest. So liefen sie in Richtung Inselinneres. Sie kamen jedoch nur langsam voran. Und stolperten eher als dass sie gingen.
Marlons Blick begann sich schon wieder zu verschleiern und er stolperte beinahe blind weiter.
Die Palmen verschwammen vor seinen Augen und er konnte nur noch schemenhaft ihre Umrisse wahr nehmen. „Pass auf!“ schrie Wendy. Beinahe wären sie gegen einen Stamm dieser Palmen gelaufen. „Ich sehe nichts mehr...!“ stöhnte Marlon verzweifelt. Er sank auf die Knie und hielt sich den Kopf. Hinter seinen Augen stach ihn ein Schmerz wie Nadeln. „Es tut so weh!“ schrie er. „Was hast du denn...was ist mit deinen Augen? Wieso kannst du nichts mehr sehen?!“ fragte sie dem Weinen nahe. „Ich habe solchen Durst. Ich brauche Wasser sonst sterbe ich noch!“ flüsterte er. „ Warte ich hole dir welches!“ Und schon stürzte sie davon. „Nein warte, du kannst da nicht alleine hinein.“ Wollte er ihr hinterher rufen, doch er brachte nur ein schwaches krächzen hervor. Nein geh da nicht hinein, es ist zu gefährlich! Rief er im Stillen. Doch seine Schwester war schon in den dichten Sträuchern im Urwald verschwunden. Ohne dich sterbe ich doch so oder so. Dachte er und hätte geweint, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Doch er brachte nur ein trockenes Schluchzen zustande.
Ich schaffe es. Ich werde Wasser finden! Sprach Wendy sich zu. Wenn nicht, dann stirbt Marlon. Ich muss es einfach schaffen! Sie lief noch schneller und immer geradeaus. Denn sie wollte sich nicht verlaufen. Denn dann wäre es aus für Marlon. Aber wo finde ich hier Wasser? Fragte sie sich verzweifelt. Wie war das schon wieder mit dieser Rute aus einem bestimmen Holz, mit der man angeblich Wasser aufspüren kann? Ihr Vater hatte ihr einmal von so einer Rute erzählt, als sie im Wald spazieren waren, als er noch lebte. Da kamen ihr Tränen. Ihr Vater war tot, und wenn sie nicht bald Wasser fand würde sie auch noch Marlon verlieren. Nein! Ich will nicht dass er stirbt! Da stolperte sie plötzlich über eine dicke Baumwurzel die aus dem Boden ragte. Sie fiel hin und landete mit dem Gesicht auf feuchtem schlammigem Boden. Der Boden war feucht! Dann musste hier in der Nähe auch Wasser sein. Und da hörte sie leises Rauschen von Wasser. Wasser! Sie rappelte sich auf und stürzte in die Richtung aus der das Rauschen kam. Sie nahm keine Rücksicht auf Wurzeln und Gestrüpp. Sie rannte einfach auf das Wasser zu, dessen Rauschen immer stärker anschwoll. Stürzte durch ein Gebüsch und wäre beinahe in den kleinen See gefallen, wenn sie nicht in aller letzten Sekunde noch gebremst hätte.
Sie stand am Ufer eines Sees und vor ihr donnerte ein Wasserfall von einer mit Gestrüpp und allen möglichen Pflanzen überwucherten Felswand.
Das Wasser war so klar wie ein Spiegel und der Fall des Lichtes liess alles verzaubert wie in einem Märchen erscheinen. Wendy liess sich hingerissen von der Schönheit dieses Ortes auf den Boden gleiten und staunte über die schönen Pflanzen und Blumen die am Ufer des Sees wuchsen und die vielen kleinen und grossen Fische die sich unter der spiegelnden Oberfläche tummelten. Da fiel ihr plötzlich wieder ein, wieso sie sich hier befand. Marlon!
Aber wie sollte sie das Wasser zu ihm bringen? Sie hatte keine Gefäss dabei, das sie damit hätte füllen können. Sie schaute sich suchend nach etwas um was sie mit Wasser füllen könnte.
Fortsetzung folgt...
Die Luft roch nach Meer. Wasser umspülten seinen Körper und er wurde von einem Husten geschüttelt. Ein Schwall von Salzwasser schoss aus seinem Mund. Seine Lunge brannte wie Feuer. Bei jedem Husten verliess wieder ein wenig von dem salzigen Wasser seinen Körper.
Er konnte nichts sehen. Seine Augen waren verklebt von Salzwasser und Sand.
Durst.
Langsam versuchte er sich zu bewegen. Es war so ungewohnt und jeder Teil seines Körpers tat ihm weh. Vorsichtig tastete er mit einer Hand zum Kopf und kratze die Krusten die sich um die Augenränder gebildet hatten ab. Schmerzlich zuckte er zusammen, als er sich dabei einige Wimperhärchen ausriss.
Er öffnete die Augen und blinzelte vom grellen Licht geblendet. Dann endlich sah er etwas. Sandstrand, Palmen und Meer soweit sein Auge reichte.
Wieder dieser quälende Durst.
Mühsam versuchte er aufzustehen. Er rappelte sich auf und taumelte auf eine Palme zu.
Schreie...plötzlich hörte er Schreie in seinem Kopf. Verzweifeltes Rufen. Das Tosen des Sturms. Das Aufschlagen der herunterlassenden Rettungsboote. Das Brausen des Windes. Ein Kind das weinend nach seiner Mutter rief. Das unheilvolle Aufklatschen des riesigen Wellenberges.
Wendy!
Wo war Wendy?! Er wusste noch genau, dass er sie an der Hand gepackt hatte, bevor sie von einer hohen Woge über Bord gespült worden waren. Doch an das was danach geschehen war konnte er sich nicht mehr erinnern.
„Wendy!“ schrie er und brach erschöpft zusammen.
Josh Stone, Marlons Vater, war im Krieg gestorben. Seine Frau Christina beschloss nach dem sie von seinem Tode erfuhr, mit ihren zwei Kindern; Marlon und seiner kleinen Schwester Wendy zu ihren Verwandten nach Amerika zu ziehen.
Als sie an Bord des Schiffes stiegen, das sie alle nach Amerika bringen sollte, und beim Auslaufen, ein letztes Mal auf ihre Heimat zurückblickten, ahnten sie nicht, dass sie Amerika nie erreichen würden.
Nach drei Tagen auf See, wurde das Meer unruhig. Und am Abend des vierten Tages brach ein Gewitter heran. Es blitzte und donnerte. Der Wind fegte alles was nicht niet- und nagelfest war über die Planken ins tosende Meer. Unter den Passagieren an Bord, breitete sich Unruhe aus. Der Kapitän des Schiffes war durch eine Nahrungsmittelvergiftung ans Bett gefesselt und die Hälfte der Mannschaft war zum ersten Mal auf hoher See.
Die meisten wussten nicht was zu machen war und irrten ratlos herum. Die erfahrenen Matrosen machten die Rettungsboote bereit, für den Falle eines Falles.
Einige der Männer sassen hinter dem Steuerrad und versuchten das Schiff so gut es ging durch den Sturm und die Wellenberge zu lenken.
Der Regen erschwerte dies zunehmend. Deshalb sahen sie das Riff erst als es schon zu spät war. Wasser drang ins Schiff ein. Es würde sinken, das war sicher. Die Passagiere gerieten in Panik. Eiligst versuchten die Mannschaftsmitglieder die Passagiere zu beruhigen, was ihnen nur teilweise gelang. Schwimmwesten wurden ausgeteilt. Die Rettungsboote bis auf den letzten Platz besetzt und zu Wasser gelassen. Und sogleich dem Spiel der Wellen übergeben.
In dem grossen Menschengewühl suchte und rief Christina verzweifelt nach ihren Kindern. Doch diese konnten sie durch das tosen des Sturmes nicht hören.
Marlon griff nach Wendys Hand und zerrte sie auf eines der Rettungsboote zu. Doch bevor sie es erreichten wurden sie von einer riesigen Woge über Bord gerissen. Christina sah nur noch wie ihre Kinder im tobenden Meer verschwanden.
So schnell sie konnte lief Wendy dem Strand entlang.
Wo bin ich, und wo ist Marlon? Fragte sie sich die ganze Zeit.
Immer wieder stolperte sie über Kisten und Teile des Schiffes, die vom Meer angeschwemmt wurden. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Nicht weinen! Befahl sie sich. Grosse Mädchen weinen nicht. Doch die Tränen rollten ihr trotzdem über die Wangen.
Vor einigen Tagen war sie zehn geworden. An dem Tag hatte ihnen Mutter verkündet, dass sie nach Amerika gehen würden. Zu Verwandten die dort lebten.
Mutti wo bist du jetzt...ich brauch dich! Dachte sie verzweifelt.
Da stolperte sie wieder über etwas hartes. Sie stürzte und schlug sich dabei das Knie an einem scharfen Gegenstand auf. Einer Muschel die doppelt so gross war wie die Hand eines Erwachsenen.
Wendy schrie auf und hielt sich das blutende Knie.
Erst jetzt sah sie über was sie gestolpert war. Es war Christinas Koffer. Sie erkannte den verbeulten Lederkoffer ihrer Mutter.
Sie wollte schon ihre Hand danach ausstrecken, als sie von weitem ihren Namen rufen hörte.
Das war doch Marlon...! „Marlon! Ich bin hier!“ schrie sie und rannte in die Richtung aus der das Rufen gekommen war.
Hallo Marlon. Wie aus dem Nichts tauchte in all der Dunkelheit eine helle Gestalt auf. Mutter? Bist du es? Die Frau lachte. Ja sicher bin ich es. Wen hast du denn erwartet? –Ich weiss nicht. Marlon wurde verlegen. Aber wie hast du mich denn gefunden? Die Frau schmunzelte. Ich bin in deinen Gedanken. -In meinen Gedanken? Heisst das du bist nicht real? Jetzt war er verwirrt und auch enttäuscht. Denn es war nicht wirklich seine Mutter die vor ihm stand. Sie war nur eine Täuschung. Ein Trugbild. Sie war nicht wirklich da. Was heisst für dich real? Ich bin bei dir, aber nicht im wirklichen Sinne, sondern in Gedanken. Meinst du das mit nicht real? Ihre Augen bekamen einen traurigen Ausdruck. Ja das habe ich damit gemeint. Denn wenn es real wäre, dann könnte ich dich anfassen, dich umarmen. Marlon streckte seine Hand nach ihr aus, doch da war nichts. Er konnte seine Hand gar nicht sehen. Das musste alles nur ein Traum sein. Ein schöner Traum.
„Marlon. Marlon wach auf!“ drang von unendlich weiter Ferne eine Stimme zu ihm. Die Stimme kam ihm so vertraut vor. Wendy? Ich muss dich jetzt verlassen Marlon. Denn deine Schwester braucht dich jetzt mehr als ich. Ich liebe dich. Sie lächelte ihn an und drehte sich um. Mutter so warte doch! Rief er ihr verzweifelt nach, doch sie war schon in der Dunkelheit verschwunden. Ich liebe dich auch. Flüsterte er. „Marlon so wache doch endlich auf!“
Langsam verschwand der dunkle Schleier vor seinen Augen und er nahm verschwommen das Gesicht seiner Schwester war. „Wendy?“ Ihr Gesicht wurde klarer, dann konnte er sie wieder richtig sehen. „Marlon! Na endlich!“ Sie umarmte ihn stürmisch. „Wo sind wir?“ Fragte er sie und befreite sich aus ihrer Umarmung. Er sah dass er unter einer Palme im Sand lag. Da viel ihm wieder alles ein. „Wir sind auf einer Insel!“ Hastig versuchte er sich aufzurichten. Doch sogleich wurde ihm wieder schwindlig und schwarz vor den Augen. Es dauerte einen Moment bis er wieder sehen konnte. Seine Kehle war wie ausgedörrt und seine Zunge klebte ihm am Gaumen. Und seine Lippen waren so trocken, dass er das Gefühl hatte als würde er mit der Zunge über ein zerfetztes Blatt lecken. „Ja ich denke auch dass wir auf einer Insel sind. Aber könnte es nicht möglich sein, dass wir uns an der amerikanischen Küste befinden, von der Mutti uns so vorgeschwärmt hatte?“ Fragte sie mit einem Anflug von Hoffnung. „Ich weiss es
nicht...es könnte sein. Dann wäre hier in der nähe sicher ein Haus.“ Er lehnte sich an die Palme die ihm notdürftig Schatten spendete. „Wir können doch rufen...vielleicht hört uns jemand.“ Meinte Wendy hoffnungsvoll. „Zuerst suchen wir mal Wasser. Sonst verdurste ich.“ Marlon zog sich am Stamm der Palme hoch und versuchte zu stehen. Seine Knie drohten ihm nachzugeben, doch er biss die Zähne zusammen und liess die Palme los. Wenn Wendy ihn nicht im letzten Moment festgehalten hätte, wäre er zusammengesackt. „Warte ich helfe dir. Stütz dich auf mich, dann geht es vielleicht.“ Sie fasste ihm um die Taille und er hielt sich an ihr fest. So liefen sie in Richtung Inselinneres. Sie kamen jedoch nur langsam voran. Und stolperten eher als dass sie gingen.
Marlons Blick begann sich schon wieder zu verschleiern und er stolperte beinahe blind weiter.
Die Palmen verschwammen vor seinen Augen und er konnte nur noch schemenhaft ihre Umrisse wahr nehmen. „Pass auf!“ schrie Wendy. Beinahe wären sie gegen einen Stamm dieser Palmen gelaufen. „Ich sehe nichts mehr...!“ stöhnte Marlon verzweifelt. Er sank auf die Knie und hielt sich den Kopf. Hinter seinen Augen stach ihn ein Schmerz wie Nadeln. „Es tut so weh!“ schrie er. „Was hast du denn...was ist mit deinen Augen? Wieso kannst du nichts mehr sehen?!“ fragte sie dem Weinen nahe. „Ich habe solchen Durst. Ich brauche Wasser sonst sterbe ich noch!“ flüsterte er. „ Warte ich hole dir welches!“ Und schon stürzte sie davon. „Nein warte, du kannst da nicht alleine hinein.“ Wollte er ihr hinterher rufen, doch er brachte nur ein schwaches krächzen hervor. Nein geh da nicht hinein, es ist zu gefährlich! Rief er im Stillen. Doch seine Schwester war schon in den dichten Sträuchern im Urwald verschwunden. Ohne dich sterbe ich doch so oder so. Dachte er und hätte geweint, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Doch er brachte nur ein trockenes Schluchzen zustande.
Ich schaffe es. Ich werde Wasser finden! Sprach Wendy sich zu. Wenn nicht, dann stirbt Marlon. Ich muss es einfach schaffen! Sie lief noch schneller und immer geradeaus. Denn sie wollte sich nicht verlaufen. Denn dann wäre es aus für Marlon. Aber wo finde ich hier Wasser? Fragte sie sich verzweifelt. Wie war das schon wieder mit dieser Rute aus einem bestimmen Holz, mit der man angeblich Wasser aufspüren kann? Ihr Vater hatte ihr einmal von so einer Rute erzählt, als sie im Wald spazieren waren, als er noch lebte. Da kamen ihr Tränen. Ihr Vater war tot, und wenn sie nicht bald Wasser fand würde sie auch noch Marlon verlieren. Nein! Ich will nicht dass er stirbt! Da stolperte sie plötzlich über eine dicke Baumwurzel die aus dem Boden ragte. Sie fiel hin und landete mit dem Gesicht auf feuchtem schlammigem Boden. Der Boden war feucht! Dann musste hier in der Nähe auch Wasser sein. Und da hörte sie leises Rauschen von Wasser. Wasser! Sie rappelte sich auf und stürzte in die Richtung aus der das Rauschen kam. Sie nahm keine Rücksicht auf Wurzeln und Gestrüpp. Sie rannte einfach auf das Wasser zu, dessen Rauschen immer stärker anschwoll. Stürzte durch ein Gebüsch und wäre beinahe in den kleinen See gefallen, wenn sie nicht in aller letzten Sekunde noch gebremst hätte.
Sie stand am Ufer eines Sees und vor ihr donnerte ein Wasserfall von einer mit Gestrüpp und allen möglichen Pflanzen überwucherten Felswand.
Das Wasser war so klar wie ein Spiegel und der Fall des Lichtes liess alles verzaubert wie in einem Märchen erscheinen. Wendy liess sich hingerissen von der Schönheit dieses Ortes auf den Boden gleiten und staunte über die schönen Pflanzen und Blumen die am Ufer des Sees wuchsen und die vielen kleinen und grossen Fische die sich unter der spiegelnden Oberfläche tummelten. Da fiel ihr plötzlich wieder ein, wieso sie sich hier befand. Marlon!
Aber wie sollte sie das Wasser zu ihm bringen? Sie hatte keine Gefäss dabei, das sie damit hätte füllen können. Sie schaute sich suchend nach etwas um was sie mit Wasser füllen könnte.
Fortsetzung folgt...