Gewinnmich

Raniero

Textablader
Gewinnmich

Sie staunten nicht schlecht, am Morgen, die Passanten der Bahnhofshalle,
Mitten im Eingangsbereich stand ein glanzlackiertes Auto, ein hochkarätiger Sportwagen der Luxusklasse, und auf den Nummernschildern vorne und hinten war statt der polizeikenntlichen Angaben der verführerische Aufdruck ‚Gewinnmich‘ zu lesen. Um dieses Gewinnobjekt befanden sich Stehtische, bestückt mit Schreibstiften und Gewinnkarten, die man ausfüllen und in einen dafür vorgesehenen Behälter aus dunklem Glas einwerfen konnte. Es reichte jedoch nicht aus, nur Namen und Adresse auf die Karten zu schreiben, darüber hinaus musste man noch drei hochintellektuelle Fragen beantworten, in der Art wie, liegt Paris in Frankreich, ja oder nein?
Fragen, die so manch einen in Verlegenheit bringen konnten.
Seitens des Veranstalters hatte man bereits Vorsorge getroffen, und so standen in der Nähe vier Herren in vornehmen Outfits bereit, die nicht nur die Aufgabe hatten, die Vorzüge des Superwagens anzupreisen, sondern auch bei Bedarf diskret Hilfe zu leisten, bei der Beantwortung der schwierigen Fragen.

Der Nachmittag war angebrochen, und das Gewinnspiel hatte bereits Erfolg zu verzeichnen, wie an dem gutgefülltem Kartenbehälter abzulesen war, als sich zwei schwarz gekleidete jüngere Männer dem Fahrzeug näherten und zielbewusst auf einen der Repräsentanten des Autohauses zusteuerten. Dieser war ein wenig überrascht, handelte es sich um die beiden Schwarzgekleideten offensichtlich um zwei Priester, wie sich unschwer an deren Kleidung erkennen ließ. Was wollten die denn mit einem solchen Auto, noch dazu mit einem, das man praktisch nicht auf dem rechten Wege erstehen konnte, sondern nur durch Zuhilfenahme des Zufalls, durch ein Gewinnspiel?
„Werter Herr“, sprach ihn auch schon einer der beiden, die sich als Kaplan R...und Kaplan S... vom Bischöflichen Generalvikariat der Nachbarstadt vorstellten, an, „wie wir unschwer bemerken, stellen Sie hier ein schönes Automobil zur Schau; nein, wahrlich, ein solch schönes Auto haben wir ja noch nie gesehen, nicht wahr Bruder Georg?“
Der so angesprochene Bruder im Geiste nickte zustimmend: „In der Tat, Bruder Franz, so ist es, aber wir sollten dem freundlichen Herrn auch nicht verschweigen, dass wir bisher eher beiläufig auf diese Gegenstände ausschweifenden Luxus achteten, da wir uns in der Vergangenheit doch im Wesentlichen mehr der Kontemplation hingaben, statt mit dieser Art von Nebensächlichkeiten zu beschäftigen“.
„Natürlich, Bruder Georg. Eigentlich wussten wir bis zum heutigen Tage nur, dass ein solches Auto vier Räder hat.“
„Fünf!“ korrigierte der freundliche Herr, der sich vom ersten Schock, hervorgerufen durch die salbungsvolle Sprache der beiden Geistlichen, erholt hatte.
„Wie meinen Sie, bitte?“ fragte Bruder Franz ungläubig.
„Ach so, ich verstehe, Sie haben das Lenkrad mitgezählt. Bruder Georg, er hat das Lenkrad mitgezählt!“
Der freundliche Herr, der eigentlich ein anderes Rad mitgezählt hatte, war verärgert, dass ihm zwei Kleriker, die nichts von Autos verstanden, auf diese Art seinen Lieblingsscherz zunichte gemacht hatten: „Nun ja, meine Herren, wenn Sie auch nicht viel von Autos verstehen, wie Sie selbst geruhten, zu sagen“, bemühte er sich, an die erhabene Sprache der Geistlichkeit anzupassen, „wollen Sie sich nicht ein Herz fassen, dieses prachtvolle Stück einmal näher in Augenschein zu nehmen? Dieses Auto ist sozusagen für manche der Himmel auf Erden.“
„Aber nur für manche,“ riefen die Kapläne aus, unisono, „für uns nicht! Aber wir wollen Ihnen den Gefallen tun, dieses Gefährt einmal aus der Nähe zu betrachten“.
Der freundliche Herr öffnete die beiden Einstiegstüren des ‚Gefährts‘ sowie die Klappe zum Kofferraum, in welchem sich der Reservereifen, das Rad seines running gags , befand und gab den geistlichen Herren das gesamte Fahrzeug zur Besichtigung frei, sozusagen zu einer ersten Inspektion von höherer Warte.

Inzwischen hatten seine Kollegen, von Neugier erfasst über das ungewöhnliche Interesse der beiden Priester an einer solch profanen Sache wie ein Fortbewegungsmittel auf vier Rädern, ihre Beratertätigkeit eingestellt und beobachteten mit Vergnügen, wie die hochgeistigen Herren mit fachmännischen Blicken den Wagen untersuchten, zuerst nur, obwohl die Türen einladend weit offen standen, von außen. Dann ließen sie zur Verblüffung der vier freundlichen Herren und der umstehenden Schaulustigen, die sich mittlerweile eingefunden hatten, - ein solches Spektakel gab es nicht alle Tage zu sehen - die Motorhaube öffnen, um einen Blick ‚ins Herz des guten Stücks‘, wie sie sich ausdrückten, zu tun.
„Dürfen wir uns auch einmal hineinsetzen?“ baten sie in aller Bescheidenheit, mit fast scheu zu nennenden Blicken.
„Aber natürlich“, antwortete mit galanter Geste der erste der freundlichen Herren und zwinkerte seinen Kollegen zu, „nehmen Sie Platz, Hochwürden. Wie Sie sehen, es steckt sogar der Schlüssel. Einer von Ihnen ist doch bestimmt im Besitz eines Führerscheins, nicht wahr, oder haben Sie gar beide eine Fahrerlizenz?“
„Aber nein, Gott behüte“, klang die Antwort, wiederum unisono.
Alle vier freundlichen Herren lachten, und viele der Umstehenden ließen sich davon anstecken.
„Na ja, dann kann ja nichts schief gehen, dann können Sie uns ja auch nicht davonfahren“, lächelte der zweite der netten Herren, „denn sonst hätte ich beinahe gesagt, fahren Sie mit Gott, aber flott.“
Das aber hätte er aber nicht sagen sollen, der freundliche Mensch, denn im gleichen Augenblick startete Bruder Georg, der am Fahrersitz Platz genommen hatte, das
PS - starke Fahrzeug und vollführte einen Kavalierstart in der Bahnhofshalle, wie man ihn von einem Autorennen her kennt, während Bruder Franz, so schien es, der auseinanderstiebenden Menschenmenge aus dem Beifahrerfenster seinen Segen erteilte. Schon brauste das Auto mit lautstarkem Motorengeräusch durch die geöffneten Eingangstüren der großen Halle nach draußen, über den Bahnhofsvorplatz und ward danach nicht mehr gesehen.

Die seltsame Mutation zweier Hochwürden zu Merkwürden wurde das Gesprächsthema, weit über die Stadtgrenzen hinaus. Am selben Abend saßen alle vier absolut nicht mehr freundliche Herren, Repräsentanten einer Autofirma für Sportwagen, in einem Vierbettzimmer eines schmucklosen Hotels; auch sie hatten eine Mutation hinter sich, vom vornehmen Luxushotel im Stadtzentrum in eine eher einer Jugendherberge ähnelnden Behausung am Stadtrand, und den Weg dahin mussten sie auf dem Schienenwege zurücklegen, da ihnen die Geschäftsführung noch am gleichen Nachmittag ihre Dienstwagen gestrichen hatte.
„Verdammt noch mal“, fluchte einer zum wiederholten Male vor sich hin, „warum haben wir nicht auf den Chef gehört und die Reservekarre ausgestellt, die mit dem Motorschaden; hätte eh doch keiner gemerkt, ohne richtige Gewinnlose“.
Die anderen ‚Repräsentanten‘ blickten ihn böse an.
„Nachher ist man immer schlauer“.

Im Hintergrund des eintönigen Raumes flimmerte der Fernseher, eine sehr populäre Suchsendung lief gerade, doch die Herren schauten gar nicht hin, da sie die Bilder schon kannten.
Auf dem Bildschirm konnte man deutlich die Phantombilder zweier schwarzgekleideter jüngerer Herren erkennen, darunter war in dicken Lettern zu lesen:
Gesucht werden.....; falsche Priester als Betrüger unterwegs.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
eine

recht nette geschichte. hoffentlich denken nicht auch alle anderen leser so wie ich sofort, dass die schweinepriester die karre klauen werden.
außerdem hat n auto 10 räder. das ersatzrad, das steuerrad, zwei vorderrräder, zwei hinterräder, zwei rechte und zwei linke. in gleicher weise hat auch jedes normale pferd 8 beine . . .
kalauer!
lg
 



 
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