Gewitterstimmung (Elegie)

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HerbertH

Mitglied
Finstere Wolken am Himmel bedrängen die heitere Stimmung.
Noch glimmt die Kohle im Grill, noch verbreitet sich Duft.

Köstliches mampfend geht traurig mein Blick in die Höhe.
Finde ich Asche am Fleisch, spucke ich einfach nur aus.

Schwüle bringt Dicke und Schlanke zu gleichem störenden Schwitzen.
Rinnt nur die Achsel vom Schweiß, tropft auch die Soße vom Kinn.

Nicht der leiseste Windhauch befächelt die trüben Gemüter.
Kaum noch verrinnt die Zeit. Zeitig ziehn Gäste nach Haus.
 

kakadu

Mitglied
Hallo Herbert!
Schön, auch von Dir eine Elegie zu entdecken! Da schau ich doch gleich mal vorbei. Die Gewitterstimmung liegt beim Lesen förmlich in der Luft, das hast Du gut hingekriegt. Was Du Dir vielleicht noch überlegen könntest, wäre folgendes

Noch glimmt die Kohle im Grill
Wer nicht weiß, dass er hier einen Pentameter zu lesen hat, würde wahrscheinlich auf "glimmt" betonen. Ich persönlich hab kein Problem damit. Kannst ja mal schauen.

Rinnt nur die Achsel vom Schweiß
Die Achsel rinnt, finde ich etwas unglücklich. Entweder: rinnt aus der Achsel... oder aber, was ich passender zum Kinn empfinden würde:

Rinnt der Schweiß von der Stirn, tropft auch die Soße vom Kinn.(o.ä.)

Sehr gelungen finde ich Deine Z-Formation im letzten Vers. Da zucken wohl die ersten Blitze am Himmel, dann aber nichts wie weg.:D Kompliment!


Liebe Grüße
Claudia
 
Lieber Herbert,

deine Gewitterstimmung gefällt mir. Da kann man so viel hineindenken:

Finde ich Asche am Fleisch, spucke ich einfach nur aus.

Nicht der leiseste Windhauch befächelt die trüben Gemüter.
Dies ist es, was mich besonders anspricht.


Ich befasse mich jetzt erst mal mit dem Thema "Elegie", hab schon gegoogelt. Melde mich, wenn ich schlauer bin. :)

Lieben Gruß,
Estrella
 

kakadu

Mitglied
Hallo Herbert,
mir ist gerade noch was aufgefallen: "noch verbreitet sich Duft" geht nicht als zweite Vershälfte im Pentameter wegen des Trochäus.

Lieben Gruß
Claudia
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Claudia,
danke für die Hinweise. Ich werde da noch mal "rübergehen" :)

Hallo Estrella,

viel Spass mit den Distichen.

lG

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Finstere Wolken am Himmel bedrängen die heitere Stimmung.
Noch glimmt Kohle im Grill, noch verbreitet sich Duft.

Köstliches mampfend geht traurig mein Blick in die Höhe.
Finde ich Asche am Fleisch, spucke ich einfach nur aus.

Schwüle bringt Dicke und Schlanke zu gleichem störenden Schwitzen.
Rinnt nur die Achsel vom Schweiß, tropft auch die Soße vom Kinn.

Nicht der leiseste Windhauch befächelt die trüben Gemüter.
Kaum noch verrinnt die Zeit. Zeitig ziehn Gäste nach Haus.
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Claudia,

ich habe eine kleine Änderung eingebaut. In Z2 verzichten jetzt beide Hälften auf den führenden Daktylus: Also habe ich dort statt

_ v v

jeweils ein

_ _ (zweite Länge etwas leichter, man könnte fast _ v schreiben)


im Pentameter. Ich bin mir nicht 100%ig sicher, aber in der Antike müsste es dafür eigentlich Beispiele geben.

Sonst wäre es vielleicht tatsächlich ein Formfehler.

Die "Achsel vom Schweiß" Formulierung habe ich absichtlich so gewählt, damit eine total glatte Lesart vermieden wird, die immer die Gefahr des Überlesens in sich birgt.

Aber ich denke noch weiter über Deine Hinweise nach.

Vielen Dank nochmal dafür.
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Estrella,

viel Erfolg mit den Distichen. Es ist eine schöne Form, die heute allerdings nicht mehr so oft benutzt wird, zu Unrecht, wie ich finde.
Aber ich bin ja auch noch ein altsprachliches Urgestein ;)

Danke für den Kommentar!

lG

Herbert
 

kakadu

Mitglied
Hallo Herbert,
nochmal kurz zu
... noch verbreitet sich Duft
Nach der Zäsur, also in der zweiten Hälfte des Pentameters
darf m.W. nicht gekürzt werden, da müsstest Du beide Daktylen
drin haben.

Liebe Grüße
Claudia
 

HerbertH

Mitglied
Finstere Wolken am Himmel bedrängen die heitere Stimmung.
Noch glimmt Kohle im Grill, nochmals verbreitet sich Duft.

Köstliches mampfend geht traurig mein Blick in die Höhe.
Finde ich Asche am Fleisch, spucke ich einfach nur aus.

Schwüle bringt Dicke und Schlanke zu gleichem störenden Schwitzen.
Rinnt nur die Achsel vom Schweiß, tropft auch die Soße vom Kinn.

Nicht der leiseste Windhauch befächelt die trüben Gemüter.
Kaum noch verrinnt die Zeit. Zeitig ziehn Gäste nach Haus.
 

HerbertH

Mitglied
Da ich kein Beispiel gefunden habe, bei dem im zweiten Teil des Pentameters der erste Daktylus durch einen Spondäus ersetzt wurde, habe ich Z2 nochmals angepasst.
 
Lieber Herbert,

die Elegie hat mich stark gefordert. Ich habe doch lieber schnell zwischendurch ein Triolett geschrieben. :D

Ganz ehrlich, deine Gewitterstimmung finde ich super. Aber, ich mach doch lieber im Kleinen weiter - erst einmal. :)

Lieben Gruß,
Estrella
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist schon (oder erst) von 2010, aber ich beschäftige mich gerade mit Elegien.
Inhaltlich sind heute Elegien oft mit Trauer verbunden.
Im vorliegenden Werk sehe ich eine Trauergesellschaft, die einen lieben Menschen verloren hat. Man sitzt zusammen und ehrt ihn, geht dann bald. Das Wetter passt zur Stimmung.
Ich habe aber auch schon sehr schönes Wetter erlebt, das machte den Abschied fast noch schwerer. Und hier war es erst schön.
Wir haben ein Gedicht reich an Metaphern.
Damit haben aber die Bilder auch umfangreichere Bedeutung und die Deutung als Treffen von Freunden, die sich zerstreiten oder einander fremd werden, diese Deutung ist vordergründig immer da.
 
G

gitano

Gast
Lieber HerbertH, lieber Bernd!
Ich denke inzwischen wissen wir alle, daß ein paar wenige Distichen noch lange keine Elegien sind. "Elegische Distichen" wäre von daher als Gattungsbezeichnung in der Klammer hinter dem Titel zutreffender.

Viel interessanter erscheint mir der Aspekt des "elegischen Gestus".
Mit Ausnahme der sehr alten Erscheinungsformen als Weinlied, Liebeslyrik wurde elegisch häufig verstanden: wenn etwas das schon vergangen ist oder gerade am Vergehen ist nochmals durch seine Anrufung nahe ins Erleben rückt...oder so wie hier: Es gibt einen "Auslöser" für elegische Gedanken.

Dies sind meinens Wissens nach die am häufigsten benannten Bedeutungen von "elegisch"

das daktylische Metrum steht in Konflikt mit den alternierenden Betonungen der neuen deutschen Sprache. Von daher ist es sehr , sehr schwer schöne Distichen in zeitgemäßer Sprache zu schreiben. Die häufigsten Konzessionen sind dann; Sprachgestus (eher barock anmutend), Vernachlässigung der klangzeitlichen Metrik, Vernachlässigung der Zäsurregeln), Zusammenfallen der Versfußenden mit den Wörtern.
All dies finden wir auch in diesem Text hier wieder...
Es ist eben nicht leicht...

Einzelheiten gern, aber nur wenn wenn wirklich gewünscht (ist auch Arbeit...).

Liebe Grüße
gitano
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
" ... Mit Ausnahme der sehr alten Erscheinungsformen als Weinlied, Liebeslyrik "

In gewisser Weise ist es hier eine Verbindung eines Gastmaals mit einer in Gewitterstimmung vorgehenden Trennung.
Inhaltlich passt es daher gut.

Bei der Betonung muss man den Sprachwandel mit beachten, der seit der Zeit von Voss stattgefunden hat, als er üner die Zeit und Betonung bei Elegien schrieb.

Eine Frage wäre, die würde aber die Diskussion zu dem Gedicht bei weitem sprengen, wie muss heute eine Elegie aussehen?
Wie ist heute die Betonung?
Wir "deklamieren" ja Gedichte meist nicht mehr.

Passt es heute?
Hat sich die Form weiter verändert?

Wie sieht es mit den Metaphern aus?
 



 
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