Gier

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malashon

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Frauen waren, derer nackte, um ihn her, die er einst wollt’ begehren. Doch gärte in ihm wie so große Hoffnung, baldigst schaffe die Welt Institutionen, aus welchen ihm Richtlinien erwüchsen, von wannen dürfe er kommen, wes Wohnortes gereiche seiner zum Nutzen, daß solches Beginnen rechtens. Hinfort kam er nur dahin, die Heimatstadt für Unbill zu nehmen und diesen Zweck zu heil’gen: Fleisch sei, ohne daß es bedecket, Freimut, dafür er belohnet und Freiheit, die gepreiset.

Aber dem Gerichtshof stünden jene vor, die nicht diese Ortung kannten, in der sich weiße Leiber an Geländerpfeilern wanden, beinahe als pfründete graublätterndes Eisengestänge weicher Häutung, wo Gliedrigkeiten eigene Brüste stützten und füreinander hielten, ehe noch Glas gesprenkelt mit köperichtem Schweiße, auf daß sie nämlich wieder und wieder gebrochen ihrer Natur, von der reine Empfindung spreche. Daselbst schamfüllig einhergehen Wonnigliche, die Lust so für selbstheischend hervortragend, infüreinander liegen sie auf Muriatischem, Bein bei Bein, das Geschlecht nahe, naheauf sitzend. Dawo er war mit denen, ihnen:
- Sie, darf ich einmal, oh, so gern mög’t ich, dafür hierselbst, mein Händchen geb’ ich Dir!
Mit jenen, die sich selbst genügten, daß im Hause Treppen als zum Sitzen, Liegen, Weilandmachen warten, wenn schon Lustsamkeit die eine mit der and’ren faßt, leichter sind sie nun zu zwei’n geblieben in dem Kreise ihrer Gier, wie das Streicheln, Küssen, Langen. Er sollte nur die Türe öffnen, von dem Atrium nach Drinnen: Schreie stöhnen, Atem keuchte, Fratzen hinter klaren Scheiben ziemten sich der Freude an, keine Schmerzen – Liebesschwere! – zeichnet die Gesichter auf, Mädchenblicke, Frauenäuglein und doch nur in seinem Maß.

Aber dem Gerichtshof stünden jene vor, welchen diese Antwort verlautbart, der Ton zwar streng und solchen Ernstes; im Treiben setzen Pausen sich fest, so nacheinander und manchmal dann, ein Kopf gereckt, das Knie gewinkelt, aus dem Schopfe nausgefahren:
- Ja, mein Herr, ich hätt’ es gern und würd’ so lieblich teilen, das Herz, des Grund mir ach so fremd, um nur nicht mein zu bleiben.
Warum, so fragt’ er sich, will mir das nicht gelingen, gleich ohne Regelwerk, im freien Umgebahren, dies Antwortgeberlein, das sanft und zart an unbelehnter Mauer kauert, für mich zu int’ressieren?
- Warum, der Herr, gelingt das nicht ’nem Einzelmensch, wie meinem?
- Nur ein Körper, der dich niederhebt? Auf die Roße, hoch zu Pferde und die Weibsen unbelaßt!
- Aber heute nur möchte ich doch bei ihr bleiben: Keine Sonne strahlt dem Morgen als nicht eher mir die Freude, höchste Wonne: nur kein Tadel! Ich bin später auch noch hier. Wenn dann nämlich Widernisse aus dem Leib sich ihrer winden, ist es doch nicht deren Schuld, aber meinem Ahnen trägt das Fleisch sich derbe ein.
- Niemand darf den Reiter stören, wenn er sich dem Dienste pflicht, keiner nahm dem Kürassiere auch ein wenig bloß der Ehre ab.
- Widerhin die hohlen Wangen eines Federhäuptelings, fahlen sie im feisten Winde einer Steppendraisinage nicht das mehr an Freiheit auf, die ein Ritt im schnellen Rauschen somit besterdings einer Gaukelei begleichen? In den Worten steckt der Sinn, daß bei aller Freundlichkeit, welche ich dem edlen Wesen eines Sattlungsdaseins messe, ein Indianer auf dem Tiere nie das Glück gewinnen wird.

...
 
@ malashon

Ist dieser Text von Dir erfunden, tatsächlich?

Ich misstraue dem Braten ein wenig, denn vor Jahren hatte ich mal ein Computerprogramm geschrieben, das aus einer Datenbank vorher eingegebener Phrasen mir auf Knopfdruck ähnliche Texte erschuf, die ich nachträglich dann nur noch von Hand ein wenig glätten musste, wonach sie völlig unverdächtig und "menschlich" ausschauten, obwohl kein Mensch sie geschrieben hatte.
Und je nach Phrasenpool in der vorher angelegten Datenbank waren damit natürlich auch verschiedene literarische Stilepochen zu simulieren.

Dein Text hier ist -als heute Ausformulierter- phantastisch, mich erinnerts an Th.Mann u.ä. -von heute her erlebt- Schwafelshänse aus vergangenen Zeiten (Reich-Ranitzki liebt die ja).
Aber: Das hat Stil, und der ist im gesamten Textverlauf weitestgehend durchgehalten, wenn auch vielleicht ein wenig zu dicht, was einen unbedarften Leser wohl ermüdet?, aber Du wolltest wahrscheinlich auch pointieren? = "wenn schon, denn schon" = "in die Vollen".

Heute so zu schreiben, ja, das ist eine wahre Kunst! (oder Computer?)

Eine Korrektur, wenn ichs recht sehe?:

[Wenn dann nämlich Widernisse aus dem Leib sich ihrer winden, ist es doch nicht deren Schuld, aber meinem Ahnen trägt das Fleisch sich derbe [strike]ein[/strike] an.]
- antragen? - eintragen? -

Auf jeden Fall: Eine klare schöpferische Spitzenleistung!
 

malashon

Mitglied
Lieber Waldemar!

Dieses eine Gefühl, worum es hier geht, daß einen so sehr angreifen kann, ich habe davon schon bei Homer gelesen. Wenn Achilleus streitet und alle anderen dawider - und das ist nun wirklich von Thomas Mann! - sind, überall ein Lechzen und Geifern ist - um Frauen, Stolz, eine gewiße Ehre.

Davon ist vieles in den Worten. Ich weiß nicht, ob es so sein muß, daß man jedem Gefühl immer eine zeitgemäße, wie auch immer beschaffene, modische Farbe geben muß. Vielleicht doch!

Bist Du eigentlich ein gleichmütiger Mensch? Mir scheint's so.

Vielen Dank!

malashon
 
@ malashon

... ob man jedem Gefühl jeweils eine modische Farbe geben muss/soll

Hm, darüber muss ich nachdenken. Emotionen selbst sind jedenfalls archaisch, d.h. "immer gleich".
Andrerseits, wenn man über sie "gültig" kommunizieren will, hinreichend verstanden zu werden, muss man sich derjenigen Codes bedienen, die zur entsprechenden Zeit/Epoche gängig sind, würde heißen, dann sie doch jeweils "modern" ausdrücken?

Das sagt aber jetzt nichts gegen den von Dir verwandten wirklich EINMALIGEN Stil oben. Das ist ne erstaunliche Fähigkeit: bewundernswert!, und auszubauen ...

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"Entelechie" = das Ding hat seinen Sinn und Zweck in sich selbst.
Um dies aber angeben zu können, bedarf es eines Beobachters, und der ist derjenige, der interpretiert, nämlich dass seiner Ansicht nach eine Entelechie vorliegt.

Semiotisch klarer ausgedrückt dann: das Ding wird interpretiert als Zeichen für sich selbst.

Dies kollidiert eigentlich mit dem Satz von Peirce: "Nothing is sign, unless it ist interpreted as a sign." = Nichts ist Zeichen (samt Bedeutungen), solange es nicht von einem Interpreter entsprechend als Zeichen interpretiert wird. Das heißt, Zeichen sind nicht, sondern sie werden durch die Interpretation als Zeichen erst konstruiert.
Und dies heißt, dass jede "Entelechie" eine unechte, eine Schimäre ist, ein Beobachter-abhängiges Epi-Phänomen, ein Artefakt, und kein (eigenständiges) Phänomen.

In einer Wechselwirkungswelt, in der wir real leben, und in der jedes Ding wechselwirken muss um überhaupt dabei zu existieren, wobei jede einzelne WW ebendieses Ding verändert, sodass es für "Dinge" keine Selbstidentiät geben kann, ist der Begriff "Entelechie" gar nicht anwendbar.

Der phil. Fehler in der Begriffsbildung "Entelechie" steckt darin, dass Dingen überhaupt Sinn zugeschrieben wird - natürlich von den Interpreten eines Dinges. Und dies ist magisches Erleben.
Moderne (naturwissenschaftliche) Lesart ist deshalb, dass "Dinge an sich" weder sinnvoll noch sinnlos sind, sondern sinnfrei (natürlich somit auch zweckfrei).
Damit aber entfällt der Begriff "Entelechie", weil es dann nichts mehr gibt, auf das er anwendbar wäre.

Aufs Literarische übersetzt, heißt das dann: Auch wenn man einen Text schreibt, der wie eine eigene Welt um sich selbst rotiert (das ist Kunst, und Du hast sie hier demonstriert), dann ist der Zweck der Übung dennoch Kommunikation = Leser als Interpretierende, und insofern ist die Entelechie im Text nur eine scheinbare. (anders gesagt: ein Text, der sich wirklich selbst genügen würde, brauchte gar nicht erst geschrieben zu werden, weil er keines Interpreten bedürfte).

Dein Text ist indes dennoch eine Annäherung an eine Entelechie, wenn Du so willst, und dieser Eindruck eines selbständigen und Leser-unabhängigen "Planeten" entsteht hpts. durch das verwendete Stilmittel, welches im Hinblick auf moderne/übliche Codierungen "fremdartig" = unüblich ist.
Und dies unterstützt vollkommen den Titel "Gier", denn auch diese hat ihren Sinn und Zweck nach landläufiger Lesart ausschließlich in sich selbst ( = egoistisch).

Aufgrund dieser Überlegungen halte ich Deinen Text ja eben für außerordentlich gekonnt.
 



 
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