Steve tanzt mal wieder. Aus seinem Zimmer höre ich seit zwei Stunden immer dieselben Kommandos: And one, two, three and rock and close and one, two..... Er hat sich „eine deutsche Fraulein“ eingeladen, der er Westcoast-Swing und Südstaaten-Blues und was weiß ich nicht alles beibringen will. Es ist Sonntag, zwölf Uhr, und ich bin kurz vorm Durchdrehen. Vor allem, weil die Fraulein wohl nicht ganz so gelehrig ist wie ihre Vorgängerin gestern.
Steve, oder auch „Panzer“, wie er sich gerne nennt, seit er vor nunmehr zwanzig Jahren für drei Monate in Idar-Oberstein stationiert war, wohnt vorübergehend bei mir. Panzer (im übrigen beschreibt dieser Name sein durch tägliche Besuche in der Muckibude gestähltes Äußeres mehr als zutreffend) möchte sich in Deutschland niederlassen. Wegen der Geschichte. Und der Kultur. Und der Menschen. Und überhaupt. Im Moment scheint er vor allem wegen des guten Bieres hier zu sein. Er genießt sein Dasein und Hier sein im wahrsten Sinne des Wortes in vollen Zügen und ist keine Nacht zu hause.
Es sei ihm ja gegönnt. Aber trotzdem frage ich mich: Müssen deshalb, wenn ich früh morgens schlecht gelaunt aus dem Bett krieche, alle Türen offen stehen und alle Lichter brennen? Muss er, ohne anzuklopfen, in mein Zimmer platzen und mir genauestens berichten, wohin er geht und wie lange er zu bleiben gedenkt? Das interessiert mich nicht. Warum redet er lautstark dazwischen, wenn ich telefoniere? Warum stellt er immer das falsche Programm an der Waschmaschine ein? Warum wischt er nie nie nie den Kaffee auf, den er verschüttet hat? Und vor allem: Warum lässt er immer den Klodeckel offen?! Gibt es in Bethlehem / Pennsylvania keine Klodeckel?! Morgen werde ich überall in der Wohnung kleine Zettel verteilen: Hey, du blöder Ami! Sprich leiser, setz dich hin beim Pinkeln, bleib aus meinem Zimmer raus, wann gehst du zurück nach Bethlehem? Und jetzt fängt’s auch noch an zu regnen.
Als ich das Fenster schließe, sehe ich einen alten Golf mit dem Kennzeichen ausgerechnet dieser kleinen Provinzstadt vor meiner Türe stehen. Der Stadt, aus der ich heute vor einer Woche heulend weg gefahren bin, für immer; weil "er" mich nicht mehr will. Meine Stadt hat sechshunderttausend Einwohner und ich weiß nicht, wie viele Häuser. Und diese hässliche rote Karre fährt Hunderte von Kilometern und sucht sich dann ausgerechnet mein Haus aus, um davor zu parken? Das kann doch kein Zufall sein. Aber was ist es dann? Häme? „Ätsch, morgen fahr ich zurück, und du darfst nicht mit“? Die bittere Pille, die mir verabreicht wird, um den Abschiedsschmerz noch ein wenig auszudehnen, hinüber zu retten in die Nacht? Vielen Dank. Ich weiß auch so, dass es vorbei ist. Ich hätte solche Lust, die Spiegel abzubrechen, die Antenne zu verbiegen und mit meinem Schlüssel tiefe Kratzer in den Lack zu ritzen. Aber dann bekäme ich Ärger mit dem Besitzer der Rostlaube, und der ist bestimmt ganz nett. Außerdem kann er ja auch nichts dafür.
Eine Freundin ruft an und erzählt mir eine Stunde lang von ihrer neuen Liebe. Komisch – heute fehlt mir irgendwie die Geduld, alle zwei Minuten „ach wie schön ich freu mich so für dich“ zu murmeln. Ich lege einfach auf und werde morgen behaupten, der Akku habe den Geist aufgegeben.
Es hat sich schon mal Einer von mir getrennt, weil an einem Sonntag kein Toilettenpapier mehr da war. Nun ja. Wenigstens das kann mir heute nicht mehr passieren. Ist ja keiner da, der sich trennen könnte. Glück gehabt. Panzer und seinem Fraulein, die von dieser Situation völlig überfordert sind, mache ich den Vorschlag, zum Zwecke der Darmentleerung doch in die nächste Kneipe zu gehen. Frohen Herzens und dankbar für diese wirklich gute Idee ziehen sie ihrer Wege. Himmlischer Frieden kehrt in meinen vier Wänden ein. Und der Klodeckel bleibt zu. Sieg! Triumph! Zum ersten Mal für heute bin ich richtig glücklich. Ja.
Es regnet immer noch. Ende Juli. Letzten Sonntag schien die Sonne. Und heute wieder : grau in grau... Irgendwie kleben die Zeiger der Küchenuhr am Zifferblatt fest. Das werde ich morgen gleich mal nachsehen.
Ich könnte ja... Ich müsste eigentlich... Ich sollte wirklich... Ach nein, das mach ich auch morgen.
Im Fernsehen läuft „Hurra, die Schule brennt“. Also, ich bin ja hart im Nehmen; aber das halte selbst ich nicht durch.
Ich glaub, ich werde noch ein bisschen heulen. Mal sehen, ob der rote Golf noch da steht...
Steve, oder auch „Panzer“, wie er sich gerne nennt, seit er vor nunmehr zwanzig Jahren für drei Monate in Idar-Oberstein stationiert war, wohnt vorübergehend bei mir. Panzer (im übrigen beschreibt dieser Name sein durch tägliche Besuche in der Muckibude gestähltes Äußeres mehr als zutreffend) möchte sich in Deutschland niederlassen. Wegen der Geschichte. Und der Kultur. Und der Menschen. Und überhaupt. Im Moment scheint er vor allem wegen des guten Bieres hier zu sein. Er genießt sein Dasein und Hier sein im wahrsten Sinne des Wortes in vollen Zügen und ist keine Nacht zu hause.
Es sei ihm ja gegönnt. Aber trotzdem frage ich mich: Müssen deshalb, wenn ich früh morgens schlecht gelaunt aus dem Bett krieche, alle Türen offen stehen und alle Lichter brennen? Muss er, ohne anzuklopfen, in mein Zimmer platzen und mir genauestens berichten, wohin er geht und wie lange er zu bleiben gedenkt? Das interessiert mich nicht. Warum redet er lautstark dazwischen, wenn ich telefoniere? Warum stellt er immer das falsche Programm an der Waschmaschine ein? Warum wischt er nie nie nie den Kaffee auf, den er verschüttet hat? Und vor allem: Warum lässt er immer den Klodeckel offen?! Gibt es in Bethlehem / Pennsylvania keine Klodeckel?! Morgen werde ich überall in der Wohnung kleine Zettel verteilen: Hey, du blöder Ami! Sprich leiser, setz dich hin beim Pinkeln, bleib aus meinem Zimmer raus, wann gehst du zurück nach Bethlehem? Und jetzt fängt’s auch noch an zu regnen.
Als ich das Fenster schließe, sehe ich einen alten Golf mit dem Kennzeichen ausgerechnet dieser kleinen Provinzstadt vor meiner Türe stehen. Der Stadt, aus der ich heute vor einer Woche heulend weg gefahren bin, für immer; weil "er" mich nicht mehr will. Meine Stadt hat sechshunderttausend Einwohner und ich weiß nicht, wie viele Häuser. Und diese hässliche rote Karre fährt Hunderte von Kilometern und sucht sich dann ausgerechnet mein Haus aus, um davor zu parken? Das kann doch kein Zufall sein. Aber was ist es dann? Häme? „Ätsch, morgen fahr ich zurück, und du darfst nicht mit“? Die bittere Pille, die mir verabreicht wird, um den Abschiedsschmerz noch ein wenig auszudehnen, hinüber zu retten in die Nacht? Vielen Dank. Ich weiß auch so, dass es vorbei ist. Ich hätte solche Lust, die Spiegel abzubrechen, die Antenne zu verbiegen und mit meinem Schlüssel tiefe Kratzer in den Lack zu ritzen. Aber dann bekäme ich Ärger mit dem Besitzer der Rostlaube, und der ist bestimmt ganz nett. Außerdem kann er ja auch nichts dafür.
Eine Freundin ruft an und erzählt mir eine Stunde lang von ihrer neuen Liebe. Komisch – heute fehlt mir irgendwie die Geduld, alle zwei Minuten „ach wie schön ich freu mich so für dich“ zu murmeln. Ich lege einfach auf und werde morgen behaupten, der Akku habe den Geist aufgegeben.
Es hat sich schon mal Einer von mir getrennt, weil an einem Sonntag kein Toilettenpapier mehr da war. Nun ja. Wenigstens das kann mir heute nicht mehr passieren. Ist ja keiner da, der sich trennen könnte. Glück gehabt. Panzer und seinem Fraulein, die von dieser Situation völlig überfordert sind, mache ich den Vorschlag, zum Zwecke der Darmentleerung doch in die nächste Kneipe zu gehen. Frohen Herzens und dankbar für diese wirklich gute Idee ziehen sie ihrer Wege. Himmlischer Frieden kehrt in meinen vier Wänden ein. Und der Klodeckel bleibt zu. Sieg! Triumph! Zum ersten Mal für heute bin ich richtig glücklich. Ja.
Es regnet immer noch. Ende Juli. Letzten Sonntag schien die Sonne. Und heute wieder : grau in grau... Irgendwie kleben die Zeiger der Küchenuhr am Zifferblatt fest. Das werde ich morgen gleich mal nachsehen.
Ich könnte ja... Ich müsste eigentlich... Ich sollte wirklich... Ach nein, das mach ich auch morgen.
Im Fernsehen läuft „Hurra, die Schule brennt“. Also, ich bin ja hart im Nehmen; aber das halte selbst ich nicht durch.
Ich glaub, ich werde noch ein bisschen heulen. Mal sehen, ob der rote Golf noch da steht...