Glück

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Frage steht hier tatsächlich: ist es Lyrik?

Joneda hat es als solche eingeordnet. Davon müssen wir ausgehen.

Vor 20 Jahren hätte ich abgelehnt, es Lyrik zu nennen. Heute bin ich mir nicht mehr sicher.

Klassifizierung ist schwierig.

Was fehlt: Bildhaftigkeit. Metapher.

Es ist ein sehr kurzes Werk, hat keine zu erkennende feste Form.

Das Werk ist in zwei Zeilen geteilt, das gibt eine gewisse Richtung zu Lyrikformen. Es ist sehr kurz, das sind Haiku auch.

Ich kann es formal nicht völlig zuordnen, aber auch nicht völlig ausschließen.

Man könnte es vielleicht unter "Aphorismus" (eine Prosaform) einordnen.

Dabei sagen Zuordnungsfragen wenig über Qualität aus.

Vielleicht ist die Einordnung in Lyrik ein Reibungspunkt.

---
Bei so einem kurzen Werk gibt es auch die Frage: War das nicht schon mal da?

Google sag nichts.

"ist wie eine zweite Chance" gibt es. Dazu kommt das Glück.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
PS:

Wenn da stände:

Eine Eisblume
ist wie eine neue Chance.

- dann wäre ein poetisches Bild anstelle der abstrakten Symbolik getreten.
 
P

Prosaiker

Gast
"am fuß des berges" - "diese frau ist eine bombe" - "rabeneltern" - celans "schwarze milch" -
mich irritiert deine frage. "glück" jedenfalls ist keine metapher, denn dazu müsste es wengistens für einen relativ sicher definierten begriff stehen. das tut's aber nicht.
vg,
Prosa.
 

Sonnenkreis

Mitglied
Lieber Prosaiker:

Pech,

ist schwarz und klebrig. Und Glück,
nur weil man es nicht anfassen kann
nicht fassbar? Oder doch?

Eine Metapher, ein Bild; darf das nur
eine Bedeutung haben? Oder sind nicht
die Bilder am interesantesten, die viele
Bedeutungen beinhalten?

Zum Beispiel im Surealismus?

Liebe Joneda,

in Deinem Text würde ich das "wie" heraus-
nehmen; vielleicht durch ein "mindestens"
ersetzen. Damit würde der Text noch bild-
hafter?



Liebe Grüße
Sonnenkreis
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Joneda,

zuerst dachte ich auch, dass dein Text ein Aphorismus sei und deswegen nach den Regeln der LL ins Forum Lupanum gehöre.

Aber dann fiel mir noch allerlei ein. Zunächst das Märchen "Hans im Glück". Zuerst hatte er den Goldklumpen, der war ihm aber zum Tragen zu schwer, und so ergriff er die Chance, als er ihn gegen etwas Leichters eintauschen konnte. So ging es dann immer weiter, er tauschte immer wieder, ergriff wieder eine neue Chance und deswegen heißt das Märchen "Hans im Glück". Der Titel dieses Märchens hat zwar einen ironischen Unterton, aber ich finde man kann ihn auch ganz ernsthaft sehen.

Ich würde Dir vorschlagen, um vom Aphorismus weg zu kommen, das Glück zu personifizieren. Das könnte sich dann so anhören.

Das Glück ergriff mich
als ich die zweite Chance
ergriff

Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, dass man solche Texte nicht gerne verändert. Außerdem ist Deine Aussage jetzt auch inhaltlich etwas verändert, denn nun bleibt nichts mehr im Ungefähren, wie bei Deinem Text, sondern hier werden die Dinge konkret.

So weit meine Gedanken zu Deinem Kurztext.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Sonnenkreis

Mitglied
Liebe Joneda,

Dein Gedicht und die Kommentare wecken in mir weitere
Neugier. Was ist Lyrik; im weiteren Sinne was ist Glück
und die Chancen dazu?

Lyrik = gefühlsbetonte Dichtung

sagt mein Wörterbuch. Ich denke das diese notwendige
Bedingung erfüllt ist. Aber auch die von Prosaiker genannte,
vielleicht könnte man es als hinreichende Bedingung sehen,
sehe ich erfüllt:

Metapher: bildlicher Ausdruck
(zum Beispiel Segler der Lüfte -statt- Wolken).

Mit Metaphern weiten wir also Begriffe aus. Und genau das
passiert doch hier im Gedicht: Das Glück wird auf eine
zweite Chance ausgeweitet. Es bekommt eine bildhafte
Bedeutung. Und noch etwas passiert dabei: Es tritt eine
Gefühl zu Tage: Bei mir im lesen spüre ich Freude und
Hoffnung. Sicher ließe sich noch mehr finden.

So wird also meiner Meinung nach nicht nur die notwendige
Bedingung der gefühlsmäßigen Verdichtung, sondern auch
die von Prosaiker geforderte bildhafte Darstellung hinreichend
erfüllt.

Soviel zur Form.

Inhaltlich würde ich das Bild des Glückes noch etwas er-
weitern:

Glück
ist mehr als eine Chance

;)). Diese Veränderung erweitert das Bild ohne die (Ver-)
Dichtung zu beeinträchtigen.

Aber hier liebe Joneda schließe ich mich Vera-Lena an:
Es würde Dein Ursprungsgefühl vielleicht verändern:)).

Von mir auf jeden Fall eine glatte 7 mit Tendenz zur 8!

Liebe Grüße
Sonnenkreis
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Joneda,

Respekt! Ohne irgendeine Form der Bewusstseinserweiterung kommt man nicht auf solche "Sinn"sprüche - das kenne ich aus eigener Erfahrung. Dichten unter Vollmond-Einfluss soll auch nicht ganz ungefährlich sein, habe ich mir sagen lassen.
Wieauchimmer - das, was angesichts des Inhaltes in Deine Zeile hinein interpretiert wird, ist mehr als erstaunlich. Ich persönlich halte die tiefschürfenden Kommentare in diesem Thread für die eigentlichen Kunst-Stücke.

Gruß, NDK
 



 
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