Glückliche Reise

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Estella

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Schon von Weitem hörte ich Blasmusik. Eine dichte Menschenmenge schob sich, an diesem sonnigen Sommertag, durch die engen Gassen der Hamburger Altstadt, hinunter zu den Landungsbrücken. Immer das Kopfsteinpflaster im Auge, das meinen Absätzen gefährlich werden konnte, folgte ich den lustigen Hüten, den farbenfrohen Taschen, den Rucksäcken und vor allem den Klängen der Musik, die immer lauter wurde, zum Hafen.
Hinter der letzten Häuserreihe tauchte, festlich geschmückt, mit bunten flatternden Wimpeln, die Wappen von Hamburg auf. Für eine Münchnerin wie ich es bin, schien das Schiff, mit dem ich zur Insel Helgoland fahren wollte, umwerfend groß und wunderbar. Eine Schulklasse versammelte sich vor den Musikern, die Trompeten glänzten in der Sonne, beschwingte Melodien begleiteten die Fahrgäste an Bord.
Unsicher schloß ich mich den vielen Beinen an, die behende, über steile Treppen, das Oberdeck erklommen. Ein kräftiger Windstoß brachte meine Haare in Schwung. Auf der Suche nach einem Sitzplatz, zog ich die Strickjacke fester um meine Schultern. Nahezu alle Plätze waren belegt. Schon wollte ich umkehren, da entdeckte ich einen freien Stuhl, auf dem ich mich blitzschnell niederließ. Entspannt wanderten meine Augen über das glitzernde Wasser der Elbe. Dann sah ich die endlos langen Hosenbeine, direkt vor mir, an die Reeling gelehnt, die in einer hellen Jacke und einer Schirmmütze endeten. Auf dem Stuhl, neben mir, lag eine Kamera, sie gehörte diesem Mann, der sich umdrehte, diese aufhob und mich fragend anschaute.

„Ich hoffe, dieser Stuhl ist frei? Ich habe mich einfach gesetzt.“ Sagte ich.

„Ja klar, der ist frei.“ Er ließ sich nieder und fragte:

„Sie machen den Ausflug auch alleine?“

Schnell verwickelte er mich in ein Gespräch.
Der Fremde war höflich und nett. Bald erfuhr ich, daß er geschäftlich unterwegs war. Er kam aus dem Rheinland und hatte die Messe in Hamburg besucht.

„Ich hatte auch beruflich hier zu tun. Ziemlich anstrengend für eine Bayerin, mit der Mentalität der Hamburger zurecht zu kommen“, lachte ich und freute mich, daß er verstand, wie ich es meinte.

Er sah verflixt gut aus, außerdem schien er wesentlich älter als ich zu sein, ich schätzte ihn auf 40. Sein herzliches Lachen gefiel mir genauso gut, wie seine Art zu sprechen. Ob er verheiratet war?
Gerade hatte ich eine Affaire beendet und war wieder Single. Daß die nettesten Männer in festen Händen waren, mußte ich leider viel zu oft erleben. Mit Ende 20 schien es Zeit für mich, eine Familie zu gründen. Jedenfalls dachten meine besorgten Eltern so.

„Ich muß auf meine Kamera aufpassen. Schon zwei Mal habe ich eine verloren“,
gestand er und fotografierte, quer durch die Menschen hindurch, das Schiff.

Ich witterte meine Chance.

„Was sagt denn Ihre Frau dazu, wenn Sie immer alles verlieren?“

„Ich bin nicht verheiratet.“

Bingo!

Von diesem Augenblick an pulsierte das Blut etwas schneller durch meine Adern. Auch war ich mir sicher, wäre es dunkel gewesen, man hätte die Funken gesehen, mit denen ich meinen Charme gnadenlos auf diesen armen Menschen verschoß.
Die Sonne prallte vom wolkenlosen Himmel auf uns nieder, schon schaukelte das Schiff weit draußen auf See, in Richtung Helgoland.

„Haben Sie Lust, die Insel mit mir gemeinsam zu erforschen?“
fragte er freundlich.

„Ja gerne!“ antwortete ich mit meinem schönsten Lächeln.

Beim Ausbooten reichte er mir seine Hand. Sie fühlte sich angenehm an.
Während wir auf der Insel spazieren gingen wurde mir bewußt, wieviel größer dieser Mann war, dem ich gerade bis zur Schulter reichte. Ihm schien es zu gefallen.

„Meine Mutter ist auch so klein,“ lachte er und schaute mir dabei direkt in die Augen.

Später bestellten wir Eisbecher vor einer Konditorei. Das bunt getupfte Tischtuch kämpfte mit dem Wind, während wir das Gefrorene auf der Zunge zergehen ließen. Wir saßen eng zusammen, lächelten erschrocken, wenn sich unbeabsichtigt unsere Knie berührten. Der Ton wurde lockerer, wir fragten nach unseren Vornamen, blieben aber beim Sie. Ich bemerkte sein volles Haar und seine sinnlichen Lippen. Er hatte schöne gepflegte Hände, lange schlanke Finger.
Er beeindruckte mich mit seinem Humor. Wir lachten oft.

„Darf ich Sie heute Abend an Bord zum Essen einladen?“, fragte er.

„Ja gerne! Danke schön.“

Vor der Rückfahrt bewegten wir uns Trepp auf Trepp ab, um den Felsen herum zu einer Gruppe kleiner, mit bunten Farben angemalten und von der Seeluft verwitterten, Häuser. Wir beobachteten und bestaunten viel, doch wirklich gesehen hatte ich nur den Mann neben mir, der es verstand, mein Blut so angenehm zum Köcheln zu bringen.

Er saß mir beim Abendessen gegenüber. Nachdem die erste Flasche Wein getrunken war, bestelle er die zweite. Mein Gesicht glühte von dem Roten, von der Sonne und vor Begeisterung. Wir redeten viel, doch hörten weder er noch ich jedem Satz bis zum Ende zu, vielmehr fielen wir uns immer häufiger ins Wort. Alles was wir sprachen schien zu zerfließen, hatte bald nur noch Klangwert. Wir rührten an verborgenen Gedanken, sahen uns in die Augen und redeten weiter.
Schließlich stießen seine Fingerspitzen an meine. Ein Funke sprang über. Dann wurde mir plötzlich übel.

Während das Schiff seinen Weg durch die sternenklare Nacht fortsetzte, hing ich kreidebleich über der Reeling und übergab mich pausenlos.
Zum Abschied tauschten wir Visitenkarten, bevor ich in einem Taxi zu meinem Hotel fuhr.

Noch im selben Jahr hielt er um meine Hand an. Die Art und Weise, wie ich über der Reeling hing, fand er faszinierend. Mein Mann ist ein begeisterter Seefahrer. Er hatte schon viele Frauen kotzen gesehen. Ich schaffte es am elegantesten. Das haute selbst ihn, den überzeugten Junggesellen um.
 

Zarathustra

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so lernten wir uns kennen.

Liebe Estrella,
bist du wirklich eine Münchnerin?
Dann gebe ich dir einen Rat von Münchner zu Münchnerin:

Veröffentliche diese Geschichte in einer Frauenzeitschrift. Ich mein das nicht anzüglich, auch nicht zynisch. Diese Geschichte ist allzu schön.

Mir hat sie gefallen.
Die Zartheit, die Zerbrechlichkeit in der sich die Beziehung anbahnt ist einfach wunderbar.
Gut, am Schreibestil kann man noch arbeiten, aber sonst ist es einfach gelungen.

Liebe Grüsse
Hans
 



 
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