Göttliche Schlussfolgerungen

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Die Menschheit ist ein riesiger Käfig voller Narren, von denen jeder einzelne meint, nicht in diesem Käfig zu leben, während alle anderen Menschen darin ihren Verrücktheiten nachgehen. Zudem braucht das außerhalb lebende Individuum einen Gott, der es zu höherem weniger närrischen Bewusstsein beruft und ewig leben lässt. Doch da vermutlich ausschließlich Narren an ein Leben nach dem Tod glauben, kann nur ein allmächtiger und allwissender Gott einem Nicht-Narren unendlich lebensverlängernde Garantien abgeben. Dennoch kann ich zum endgültig tödlichen Schluss voraussichtlich nicht mehr schlussfolgern und muss mich bemühen, vorher die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Um nicht ganz allein verantwortlich zu sein, werde ich lieber nicht als Ich-Erzähler über mich sondern über ihn berichten und mich aus Gründen meiner Befreiuung aus dem Narrenkäfig vorläufig oder auch endgültig von ihm trennen.
Walther nenne ich den Abgetrennten. Dieser Narr wird für mich alles das tun, was mir zu peinlich, zu schwierig und zu schmerzhaft wäre. Immerhin habe ich eine äußerst empfindsame Seele. Außerdem muss ich, so wahr mir Gott helfe, bescheiden die Grenzen meiner Macht anerkennen.
Walther kann ich machen lassen. Er ist robuster, mutiger unvorsichtiger und vor allem skrupelloser.
Seit gut drei Jahren lebten wir als gemeinsamer Rentner in unserer Nach-Büro-Berufs-Phase. Schon zu deren Beginn fürchtete sich Walther, allen positiv das Leben verstärkenden Seniorenberatern zum Trotz, vor einem besonders leidvollen Ableben.
Stets plagte ihn von Zeit zu Zeit mehr Rheuma, von Jahr zu Jahr mehr Atemnot und Herzklopfen bei längeren hastigen Bewegungen und sein alterndes Gedächtnis wies zunehmend weitere Schwächen auf. Bei allem verlor er die Lust. Nicht nur beim Sex. Und obwohl von robuster Natur, depremierte es ihn.
Dennoch ist Walther ist einfach leidensfähiger. Wollte er doch immer ein äußerst aktiver Alter sein, der bis zum letzten Atemzug – und am liebsten darüber hinaus - selbstverantwortlich lebt und niemandem (außer sich selbst) zur Last fällt.
Stets war er bemüht, sich und seine Macken zu verspotten und besonders laut darüber zu lachen. Das gelang ihm nicht immer, aber in den Hochzeiten seines Ablebens immer häufiger. Diese Hochzeiten fielen vor allem in die grauen Monate November und Februar, wenn alte Freunde und Bekannte das Zeitliche segneten und er den Triumph des Überlebens zu genießen versuchte.
Manchmal wünschte er sich heimlich, bereits alles hinter sich zu haben, besonders jenes, über das er so lauthals lachte.
Walther wurde als Christ geboren, katholisch erzogen und in seiner ersten Ehe katholisch verheiratet. Dennoch war er nie sicher, ob am Schluss die christliche Zukunftsplanung wirklich hält, was Gottes Bodenpersonal für die Ewigkeit versprach. So lebte er zumeist außerhalb katholischer Hoffnungen, ließ sie sich aber immer wieder erneuern, wenn er Beerdigungen und andere festliche Anlässe besuchte, bei denen Gottesdienste unvermeidllich waren.
Im Himmel wäre es vermutlich gar nicht übel, wenn es darin nicht so fürchterlich fromm und damit langweilig zuginge. Bisher hatten vorwiegend Sünden kurzweilige Spannung in sein Leben gebracht. Die Hölle wäre ohnehin zu qualvoll. Walther und seinem Kreislauf machte hier auf Erden die zunehmende Hitze der klimaveränderten Sommer schon genug zu schaffen. Und das Fegefeuer mit seinen vorübergehenden Leiden und Belästigungen unterscheidet sich sowieso kaum vom seinem derzeitigen Erdaufenthalt.

Da Walther mit den Machtspielen der Würdenträger der Amtskirche und deren Doppelmoral schon in jüngeren Jahren Mühe hatte, trat er nach seiner ersten Ehe aus der „una sancta catholica“ aus, heiratet zum zweiten Mal nur standesamtlich und kann als Geschiedener und Wiederverheirateter kaum noch mit der Nach-Altersversorgung zu katholischen Bedingungen Art rechnen.

Ein seelenloses Überleben würde ihm allenfalls die Erdbestattung ermöglichen, bei der Teile von ihm in den Stoffwechsel von Würmern und danach als Dünger für Pflanzen in den Natur- und allgemeinen Nahrungskreislauf geraten könnten, bis schließlich beim Untergang der Erde seine kreisenden Überbleibsel als andere Energieformen im All verschwinden, ohne dort – wie Physiker zu wissen glauben - wirklich verloren zu gehen.
Doch welche Schlüsse sollte Walther daraus für sein jetziges Leben und den Fall ziehen, dass irgendwann mit dem allzu Menschlichen Schluss sein könnte und Seelenwanderungen – wohin auch immer – nur in Sackgassen des Alls oder des Nichts enden, obwohl es aus rein logischen Erwägungen dort gar keine Sackgassen geben kann.
Verewigen geht also irgendwie nur in niederen Daseinsformen. Doch Walthers besondere Überlebenswünsche lassen ihn hoffen, dass wenigstens ein paar seiner mühsam erdachten Gedanken ihn als aufgreifbar und nachdenkenswert überleben.

Natürlich kann die heutige Medizin menschliches Leben durchaus um ein paar Jahre verlängern. Aber sollte Walther etwa als Süchtiger mit zunehmender Abhängigkeit von Arzneien, Ärzten, Physio- und Psychotherapeuten sowie Altenpflegern schließlich doch – wenn auch später – ins Jenseits hinüberdämmern?
Walther ist – wie ich übrigens auch – Freiheitsfanatiker und will einer bleiben, bis der Tod ihn davon scheidet.
Zwangsläufig kam er dabei auf den Gedanken, den Freitod zu wählen, um nicht qualvollen und entwürdigenden Wartereien auf natürliche Todesarten ausgeliefert zu sein. Nicht jedem wird schließlich die Gnade eines plötzlichen Herztodes zuteil.
Und nach unserem tödlichen Ende werden weder Walther noch ich schlussfolgern können. Schluss ist Schluss.
Ließe ich Walther entscheiden, den Freitod zu wählen, könnte er sich für mich schon einmal im Jenseits umsehen, damit ich kurz vor Lebensende zu den richtigen Schlüssen komme.
Selbst auf dem Sterbebett könnte ich mich, so glauben Katholiken, noch schnell wieder zum katholischen Glauben zurück bekehren.
Durch Walther, ein mit Hilfe meiner Fantasie abgetrennter Teil von mir, wäre ich schon einmal teilweise und vorläufig ewig.
Aber kann es eine geteilte Ewigkeit geben?
Ewig ist ewig und Schluss Schluss.
Nun, wenn etwas nicht vorstellbar ist, neigt der Mensch dazu, es zum göttlichen Geheimnis zu erklären. Und mein Gott Walther würde mich ganz bestimmt verewigen.
Ansonsten kann ich ihn immer noch zum Teufel jagen, auf dass er für mich und meine Sünden in der Hölle schmort.
Hauptsache, ich habe noch etwas von meinem Leben. Und selbst wenn Walther und ich doch nur Narren sein sollten, bleibt mir die Narrenfreiheit zu glauben, im Jenseits nach meinen Wünschen selig zu werden. Die werde ich allerdings nicht verraten, denn in meinem Jenseits bleiben persönliche Geheimnisse persönliche Geheimnisse.
 

wirena

Mitglied
Wagnis Korr.

Hallo Karl Feldkamp

mein Gott Walther....:)

Da ich mich Schritt um Schritt auch in die Prosa einarbeiten möchte, habe ich mir erlaubte "4 Korrekturen" vorzunehmen, die mir beim Lesen aufgefallen sind. Ich hoffe, Du verstehst dies nicht falsch - bei jeder einzelne, bin ich sogar gar nicht sicher, ober "Einzelne" wirklich gross zu schreiben ist - ich würde dies und wenn nötig mich auf die neue Rechtschreibung berufen :)

Den Inhalt des Textes muss ich erst noch verdauen - ich hab ihn gerne gelesen und die Redewendung

Zitat: "Und mein Gott Walther" würde mich ganz bestimmt verewigen"

zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht, was wohltat.

lg wirena

********

Die Menschheit ist ein riesiger Käfig voller Narren, von denen jeder E[strike]e[/strike]inzelne meint, nicht in diesem Käfig zu leben, während alle anderen Menschen darin ihren Verrücktheiten nachgehen. Zudem braucht das außerhalb lebende Individuum einen Gott, der es zu höherem weniger närrischen Bewusstsein beruft und ewig leben lässt. Doch da vermutlich ausschließlich Narren an ein Leben nach dem Tod glauben, kann nur ein allmächtiger und allwissender Gott einem Nicht-Narren unendlich lebensverlängernde Garantien abgeben. Dennoch kann ich zum endgültig tödlichen Schluss voraussichtlich nicht mehr schlussfolgern und muss mich bemühen, vorher die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Um nicht ganz allein verantwortlich zu sein, werde ich lieber nicht als Ich-Erzähler über mich sondern über ihn berichten und mich aus Gründen meiner Befrei[strike]u[/strike]ung aus dem Narrenkäfig vorläufig oder auch endgültig von ihm trennen.
Walther nenne ich den Abgetrennten. Dieser Narr wird für mich all[strike]es[/strike] das tun, was mir zu peinlich, zu schwierig und zu schmerzhaft wäre. Immerhin habe ich eine äußerst empfindsame Seele. Außerdem muss ich, so wahr mir Gott helfe, bescheiden die Grenzen meiner Macht anerkennen.
Walther kann ich machen lassen. Er ist robuster, mutiger unvorsichtiger und vor allem skrupelloser.
Seit gut drei Jahren lebten wir als gemeinsamer Rentner in unserer Nach-Büro-Berufs-Phase. Schon zu deren Beginn fürchtete sich Walther, allen positiv das Leben verstärkenden Seniorenberatern zum Trotz, vor einem besonders leidvollen Ableben.
Stets plagte ihn von Zeit zu Zeit mehr Rheuma, von Jahr zu Jahr mehr Atemnot und Herzklopfen bei längeren hastigen Bewegungen und sein alterndes Gedächtnis wies zunehmend weitere Schwächen auf. Bei allem verlor er die Lust. Nicht nur beim Sex. Und obwohl von robuster Natur, depremierte es ihn.
Dennoch ist Walther [strike]ist[/strike] einfach leidensfähiger. Wollte er doch immer ein äußerst aktiver Alter sein, der bis zum letzten Atemzug – und am liebsten darüber hinaus - selbstverantwortlich lebt und niemandem (außer sich selbst) zur Last fällt.
Stets war er bemüht, sich und seine Macken zu verspotten und besonders laut darüber zu lachen. Das gelang ihm nicht immer, aber in den Hochzeiten seines Ablebens immer häufiger. Diese Hochzeiten fielen vor allem in die grauen Monate November und Februar, wenn alte Freunde und Bekannte das Zeitliche segneten und er den Triumph des Überlebens zu genießen versuchte.
Manchmal wünschte er sich heimlich, bereits alles hinter sich zu haben, besonders jenes, über das er so lauthals lachte.
Walther wurde als Christ geboren, katholisch erzogen und in seiner ersten Ehe katholisch verheiratet. Dennoch war er nie sicher, ob am Schluss die christliche Zukunftsplanung wirklich hält, was Gottes Bodenpersonal für die Ewigkeit versprach. So lebte er zumeist außerhalb katholischer Hoffnungen, ließ sie sich aber immer wieder erneuern, wenn er Beerdigungen und andere festliche Anlässe besuchte, bei denen Gottesdienste unvermeidllich waren.
Im Himmel wäre es vermutlich gar nicht übel, wenn es darin nicht so fürchterlich fromm und damit langweilig zuginge. Bisher hatten vorwiegend Sünden kurzweilige Spannung in sein Leben gebracht. Die Hölle wäre ohnehin zu qualvoll. Walther und seinem Kreislauf machte hier auf Erden die zunehmende Hitze der klimaveränderten Sommer schon genug zu schaffen. Und das Fegefeuer mit seinen vorübergehenden Leiden und Belästigungen unterscheidet sich sowieso kaum vom seinem derzeitigen Erdaufenthalt.

Da Walther mit den Machtspielen der Würdenträger der Amtskirche und deren Doppelmoral schon in jüngeren Jahren Mühe hatte, trat er nach seiner ersten Ehe aus der „una sancta catholica“ aus, heiratet zum zweiten Mal nur standesamtlich und kann als Geschiedener und Wiederverheirateter kaum noch mit der Nach-Altersversorgung zu katholischen Bedingungen Art rechnen.

Ein seelenloses Überleben würde ihm allenfalls die Erdbestattung ermöglichen, bei der Teile von ihm in den Stoffwechsel von Würmern und danach als Dünger für Pflanzen in den Natur- und allgemeinen Nahrungskreislauf geraten könnten, bis schließlich beim Untergang der Erde seine kreisenden Überbleibsel als andere Energieformen im All verschwinden, ohne dort – wie Physiker zu wissen glauben - wirklich verloren zu gehen.
Doch welche Schlüsse sollte Walther daraus für sein jetziges Leben und den Fall ziehen, dass irgendwann mit dem allzu Menschlichen Schluss sein könnte und Seelenwanderungen – wohin auch immer – nur in Sackgassen des Alls oder des Nichts enden, obwohl es aus rein logischen Erwägungen dort gar keine Sackgassen geben kann.
Verewigen geht also irgendwie nur in niederen Daseinsformen. Doch Walthers besondere Überlebenswünsche lassen ihn hoffen, dass wenigstens ein paar seiner mühsam erdachten Gedanken ihn als aufgreifbar und nachdenkenswert überleben.

Natürlich kann die heutige Medizin menschliches Leben durchaus um ein paar Jahre verlängern. Aber sollte Walther etwa als Süchtiger mit zunehmender Abhängigkeit von Arzneien, Ärzten, Physio- und Psychotherapeuten sowie Altenpflegern schließlich doch – wenn auch später – ins Jenseits hinüberdämmern?
Walther ist – wie ich übrigens auch – Freiheitsfanatiker und will einer bleiben, bis der Tod ihn davon scheidet.
Zwangsläufig kam er dabei auf den Gedanken, den Freitod zu wählen, um nicht qualvollen und entwürdigenden Wartereien auf natürliche Todesarten ausgeliefert zu sein. Nicht jedem wird schließlich die Gnade eines plötzlichen Herztodes zuteil.
Und nach unserem tödlichen Ende werden weder Walther noch ich schlussfolgern können. Schluss ist Schluss.
Ließe ich Walther entscheiden, den Freitod zu wählen, könnte er sich für mich schon einmal im Jenseits umsehen, damit ich kurz vor Lebensende zu den richtigen Schlüssen komme.
Selbst auf dem Sterbebett könnte ich mich, so glauben Katholiken, noch schnell wieder zum katholischen Glauben zurück bekehren.
Durch Walther, ein mit Hilfe meiner Fantasie abgetrennter Teil von mir, wäre ich schon einmal teilweise und vorläufig ewig.
Aber kann es eine geteilte Ewigkeit geben?
Ewig ist ewig und Schluss Schluss.
Nun, wenn etwas nicht vorstellbar ist, neigt der Mensch dazu, es zum göttlichen Geheimnis zu erklären. Und mein Gott Walther würde mich ganz bestimmt verewigen.
Ansonsten kann ich ihn immer noch zum Teufel jagen, auf dass er für mich und meine Sünden in der Hölle schmort.
Hauptsache, ich habe noch etwas von meinem Leben. Und selbst wenn Walther und ich doch nur Narren sein sollten, bleibt mir die Narrenfreiheit zu glauben, im Jenseits nach meinen Wünschen selig zu werden. Die werde ich allerdings nicht verraten, denn in meinem Jenseits bleiben persönliche Geheimnisse persönliche Geheimnisse.
 
Liebe wirena,
danke für deine Korrekturarbeit.
einzelne bezieht sich auf Narren und wird daher klein geschrieben. alles das und all das ist beides richtig. Aber "all das" klingt besser. Die anderen beiden sind Flüchtigkeitsfehler.
Ich bin natürlich jetzt noch gespannt auf dein Urteil über den Inhalt.
Herzliche Grüße
Karl
 
Die Menschheit ist ein riesiger Käfig voller Narren, von denen jeder einzelne meint, nicht in diesem Käfig zu leben, während alle anderen Menschen darin ihren Verrücktheiten nachgehen. Zudem braucht das außerhalb lebende Individuum einen Gott, der es zu höherem weniger närrischen Bewusstsein beruft und ewig leben lässt. Doch da vermutlich ausschließlich Narren an ein Leben nach dem Tod glauben, kann nur ein allmächtiger und allwissender Gott einem Nicht-Narren unendlich lebensverlängernde Garantien abgeben. Dennoch werde ich zum endgültig tödlichen Schluss voraussichtlich nicht mehr schlussfolgern können und muss mich bemühen, vorher die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Um nicht ganz allein verantwortlich zu sein, werde ich lieber nicht als Ich-Erzähler über mich sondern über ihn berichten und mich aus Gründen meiner Befreiung aus dem Narrenkäfig verabschieden und von ihm trennen.
Walther nenne ich den Abgetrennten. Dieser Narr wird für mich all das tun, was mir zu peinlich, zu schwierig und zu schmerzhaft wäre. Immerhin habe ich eine äußerst empfindsame Seele. Außerdem muss ich, so wahr mir Gott helfe, bescheiden die Grenzen meiner Macht anerkennen.
Walther kann ich machen lassen. Er ist robuster, mutiger unvorsichtiger und vor allem skrupelloser.
Seit gut drei Jahren lebten wir als gemeinsamer Rentner in unserer Nach-Büro-Berufs-Phase. Schon zu deren Beginn fürchtete sich Walther, allen positiv das Leben verstärkenden Seniorenberatern zum Trotz, vor einem besonders leidvollen Ableben.
Stets plagte ihn von Zeit zu Zeit mehr Rheuma, von Jahr zu Jahr mehr Atemnot und Herzklopfen bei längeren hastigen Bewegungen und sein alterndes Gedächtnis wies zunehmend weitere Schwächen auf. Bei allem verlor er die Lust. Nicht nur beim Sex. Und obwohl von robuster Natur, depremierte es ihn.
Dennoch ist Walther einfach leidensfähiger. Wollte er doch immer ein äußerst aktiver Alter sein, der bis zum letzten Atemzug – und am liebsten darüber hinaus - selbstverantwortlich lebt und niemandem (außer sich selbst) zur Last fällt.
Stets war er bemüht, sich und seine Macken zu verspotten und besonders laut darüber zu lachen. Das gelang ihm nicht immer, aber in den Hochzeiten seines Ablebens immer häufiger. Diese Hochzeiten fielen vor allem in die grauen Monate November und Februar, wenn alte Freunde und Bekannte das Zeitliche segneten und er den Triumph des Überlebens zu genießen versuchte.
Manchmal wünschte er sich heimlich, bereits alles hinter sich zu haben, besonders jenes, über das er so lauthals lachte.
Walther wurde als Christ geboren, katholisch erzogen und in seiner ersten Ehe katholisch verheiratet. Dennoch war er nie sicher, ob am Schluss die christliche Zukunftsplanung wirklich hält, was Gottes Bodenpersonal für die Ewigkeit versprach. So lebte er zumeist außerhalb katholischer Hoffnungen, ließ sie sich aber immer wieder erneuern, wenn er Beerdigungen und andere festliche Anlässe besuchte, bei denen Gottesdienste unvermeidllich waren.
Im Himmel wäre es vermutlich gar nicht übel, wenn es darin nicht so fürchterlich fromm und damit langweilig zuginge. Bisher hatten vorwiegend Sünden kurzweilige Spannung in sein Leben gebracht. Die Hölle wäre ohnehin zu qualvoll. Walther und seinem Kreislauf machte hier auf Erden die zunehmende Hitze der klimaveränderten Sommer schon genug zu schaffen. Und das Fegefeuer mit seinen vorübergehenden Leiden und Belästigungen unterscheidet sich sowieso kaum vom seinem derzeitigen Erdaufenthalt.

Da Walther mit den Machtspielen der Würdenträger der Amtskirche und deren Doppelmoral schon in jüngeren Jahren Mühe hatte, trat er nach seiner ersten Ehe aus der „una sancta catholica“ aus, heiratet zum zweiten Mal nur standesamtlich und kann als Geschiedener und Wiederverheirateter kaum noch mit der Nach-Altersversorgung zu katholischen Bedingungen Art rechnen.

Ein seelenloses Überleben würde ihm allenfalls die Erdbestattung ermöglichen, bei der Teile von ihm in den Stoffwechsel von Würmern und danach als Dünger für Pflanzen in den Natur- und allgemeinen Nahrungskreislauf geraten könnten, bis schließlich beim Untergang der Erde seine kreisenden Überbleibsel als andere Energieformen im All verschwinden, ohne dort – wie Physiker zu wissen glauben - wirklich verloren zu gehen.
Doch welche Schlüsse sollte Walther daraus für sein jetziges Leben und den Fall ziehen, dass irgendwann mit dem allzu Menschlichen Schluss sein könnte und Seelenwanderungen – wohin auch immer – nur in Sackgassen des Alls oder des Nichts enden, obwohl es aus rein logischen Erwägungen dort gar keine Sackgassen geben kann.
Verewigen geht also irgendwie nur in niederen Daseinsformen. Doch Walthers besondere Überlebenswünsche lassen ihn hoffen, dass wenigstens ein paar seiner mühsam erdachten Gedanken ihn als aufgreifbar und nachdenkenswert überleben.

Natürlich kann die heutige Medizin menschliches Leben durchaus um ein paar Jahre verlängern. Aber sollte Walther etwa als Süchtiger mit zunehmender Abhängigkeit von Arzneien, Ärzten, Physio- und Psychotherapeuten sowie Altenpflegern schließlich doch – wenn auch später – ins Jenseits hinüberdämmern?
Walther ist – wie ich übrigens auch – Freiheitsfanatiker und will einer bleiben, bis der Tod ihn davon scheidet.
Zwangsläufig kam er dabei auf den Gedanken, den Freitod zu wählen, um nicht qualvollen und entwürdigenden Wartereien auf natürliche Todesarten ausgeliefert zu sein. Nicht jedem wird schließlich die Gnade eines plötzlichen Herztodes zuteil.
Und nach unserem tödlichen Ende werden weder Walther noch ich schlussfolgern können. Schluss ist Schluss.
Ließe ich Walther entscheiden, den Freitod zu wählen, könnte er sich für mich schon einmal im Jenseits umsehen, damit ich kurz vor Lebensende zu den richtigen Schlüssen komme.
Selbst auf dem Sterbebett könnte ich mich, so glauben Katholiken, noch schnell wieder zum katholischen Glauben zurück bekehren.
Durch Walther, ein mit Hilfe meiner Fantasie abgetrennter Teil von mir, wäre ich schon einmal teilweise und vorläufig ewig.
Aber kann es eine geteilte Ewigkeit geben?
Ewig ist ewig und Schluss Schluss.
Nun, wenn etwas nicht vorstellbar ist, neigt der Mensch dazu, es zum göttlichen Geheimnis zu erklären. Und mein Gott Walther würde mich ganz bestimmt verewigen.
Ansonsten kann ich ihn immer noch zum Teufel jagen, auf dass er für mich und meine Sünden in der Hölle schmort.
Hauptsache, ich habe noch etwas von meinem Leben. Und selbst wenn Walther und ich doch nur Narren sein sollten, bleibt mir die Narrenfreiheit zu glauben, im Jenseits nach meinen Wünschen selig zu werden. Die werde ich allerdings nicht verraten, denn in meinem Jenseits bleiben persönliche Geheimnisse persönliche Geheimnisse.
 

wirena

Mitglied
Göttliche Schlussfolgerung

Hallo Karl Feldkamp

Ich möchte mir nicht anmassen zu urteilen – wie auch....

Aber: Dein Essay (ist dies das rechte Wort dafür?) habe ich gerne und flüssig gelesen. Es gefällt mir gut. Jeder Satz, jedes Wort „sitzt“. Jeder Absatz abgerundet eine Einheit für sich. – klar die Aussagen, Gedanken - ; stimmt teilweise etwas nachdenklich. Doch Du weißt es aufzufangen, bevor frau ins „Grübeln“ kommt.

Jedenfalls habe ich es so erlebt.

Der Schluss, einfach grossartig.!
(Der Schluss ist einfach und grossartig.)

....bin irgendwie sprachlos.

Nur: Fragen:
- Gehört dieses Werk wirklich in die Rubrik Humor/Satire? Gemäss Titel passt's:)
- Wo ist der Unterschied von der 1. zur 2. Version? Was habe ich da überlesen...?
 
Liebe wirena,
die zweite Version ist ohne die von dir angemerkten Fehler.
Ja, ich wusste den Text nicht so richtig zuzuordnen. Ein richtiger essayistischer Text ist es eigentlich auch nicht. Und da ich ihn immer mit einem leichten Grinsen im Gesicht schrieb und natürlich nicht alles so ernst meine, habe ich ihn unter Humor eingesetzt. Eine Satire ist es gewiss nicht geworden.
Danke für deinen ausführlichen Kommentar
und herzlichen Gruß
Karl
 



 
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