Griechische Episode/Hommage an U.J.

Episkopi

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Griechische Episode
(entstanden Weihnachten 2014).
Kann das alles Zufall sein? Vor zwei Wochen schmetterte ich bei einer Karaoke-Party:
„Griechischer Wein, ist so wie das Blut der Erde, komm schenkmir ein, und wenn ich dann traurig werde, liegt das daran, dass ich immer träume von daheim.....und die alt vertrauten Lieder, in dieser Stadt, werd ich immer nur ein Fremder sein und allein“. Ich sang auch die Stelle, wo Udo J. Nachts das Lokal betritt: „....da saßen Männer mit braunen Augen und mit schwarzem Haar.“, meine Lieblingsstelle., warum auch immer.
Udo J. war am Tage meiner Karaoke-Party bei den Aufnahmen für die Weihnachtsshow. Wo Udo J. jetzt ist, darauf gibt es sehr viele Antworten oder auch keine, nur eins ist klar: er ist nicht mehr unter uns.
Wäre er doch Chanson-Sänger gewesen. Vielleicht hätte man seinen „Griechischen Wein“ auch verstanden und nicht nur gegrölt. Ist es doch eigentlich ein Lied über Gastarbeiter, über Fremde hier. Im Nachhinein schäme ich mich etwas für meinen Party-Auftritt und stelle mir stattdessen vor, das Lied auf einer Demo zu singen, vielleicht sollte „Griechischer Wein“ die Hymne werden bei allen Demos und anderen Bestrebungen, die sich für Fremde in Deutschland, seien es Einwanderer oder Flüchtlinge, einsetzen, Udo, wäre das in deinem Sinne? Wo doch das Lied alle kennen?
Griechenland: zweimal bin ich dort gewesen, dieses Meer, diese weißen Häuser, diese blauen Kuppeln der Kirchen.
Zwei Jahre lang habe ich versucht, die Sprache zu lernen: kardio- das Herz, unranos- der Himmel, ilios- die Sonne- spiti- das Haus, ippobotamos- das Nilpferd, viele Wörter wir eigentlich kennen.
Griechisch und ein paar Brocken Italienisch, mit denen ich mich auf einer anderen Reise befasst habe, haben mir klar gemacht, wie vielschichtig das Deutsche ist: da die deutschen Wörter, und diese auch noch in den abenteuerlichsten Dialekten, und dann wider die wissenschaftliche oder Gelehrtenebene, so dass wir so allerlei Gegebenheiten hochdeutsch, mundartlich und verwoben mit Griechisch/Latein wiedergeben können, und gleich wissen oder mitteilen, für wen das Gesagte gedacht ist. Das hat mich im Deutschen nach hause gebracht.
Chelona-die Schildkröte, ich sah sie in Griechenland, im Wasser und an Land. Und Eulen sah ich auch in der Dämmerung in die Bäume fliegen und muss nun daran denken, wenn ich auf griechische Münzen treffe.
Aber ich sah auch viel Müll in Griechenland und es war kein Geheimnis, dass du nur einen Kapelle bauen musstest, um einen Baugenehmigung für dein Haus mit Pool, dass dann eben auch einen Kapelle hatte, bekommen wolltest, aber auch dass die Schulbücher kostenlos waren, bunte Schulbücher, aber keine Hochglanzausgaben.
Ist es Zufall? Ist es Zufall, dass es die Wiege Europas ist, die unter der Euro-Krise darbt, ist das nicht zum Schämen?
Ein bisschen schäme ich mich für meinen Auftritt auf der Karaoke-Party, aber auch wieder nicht:
wenn die Männer mit braunen Augen und schwarzem Haar erzählten, wieviel Zeit sie hier in Deutschland mit Nicht-Leben verbrachten, damit es irgenwann später für ein echtes griechisches Leben mit Familie und kleinem Haus am Meer reicht,
so fühle ich mich mich mit diesen Männern verbunden: nicht jeder strebt ein Haus am Meer an, für mich persönlich wäre es einen Option, aber überhaupt
dieses Gefühl des Nicht_Lebens , des Durchhaltens, des Sichselbstfremdwerdens auf irgendein Ziel hin, irgendeine Sehnsucht.....die Griechen sind vielleicht Meister der Sehnsucht.......
Theodorakis`Musik: das ist griechisch, das ist Musik die schäumt , die rast, die funkelt....ich höre sie wieder, aber das ist kein Zufall, das tue ich jeden Winter,
an Tagen wie heute, an Tagen mit langen S- Bahnfahrten. Ich hatte heute Theodorakis auf dem Ohr und das Herz voller Sehnsucht als ich einen Mann sah mit braunen Augen und grauem aber noch fast schwarzem Haar.Einen älteren Herren, wie ich sie oft in Griechenland im Kafenion gesehen hatte. Dieser nun saß in der S-Bahn und war Grieche, denn er las ein Buch mit den unverkennbaren griechischen Buchstaben. Ich hätte ihm einen meiner Ohrstöpsel mit der Musik von Theodorakis anbieten können. Ich habe es eine Weile sogar überlegt. Aber ich tat es nicht, und inzwischen schäme ich mich dafür. Wäre ich Grieche würde ich hier auch nur an zuhause denken.....“....in dieser Stadt werd ich immer nur ein Fremder sein, und allein“.
Immerhin weiß ich nun worum es geht: einem Griechen einen Ohrstöpsel reichen, wenn man zufällig gerade griechische Musik hört und vielleicht mit einem Rumänen mitsingen, wenn er „Oh Champs Elysee“ in der U-Bahn schmettert....mehr ist es nicht,
Mehr ist es nicht!
 



 
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