Griechischer Wein/ Neufassung

Episkopi

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Neufassung des Textes "Griechische Episode"
( in Erinnerung an Udo Jürgens)

Griechischer Wein
(entstanden Weihnachten 2014).
Es war Mitte Dezember 2014. Ich besuchte eine Karaoke-Party .Zum ersten Mal in meinem Leben, und ich bin Mitte vierzig. Udo Jürgens war an diesem Tage zu den Aufnahmen für die Weihnachtsshow mit Helene Fischer.Aber das erfuhr ich erst später. Die meisten Lieder, die mir die Karaoke-Maschine vorschlug, kannte ich nicht, oder wollte sie nicht singen. Als jedoch „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens auftauchte, zögerte ich nicht eine Sekunde. Ich mag das Lied und sang mit voller Inbrunst von den Männern mit braunen Augen und schwarzem Haar, die in einer deutschen Taverne von ihrem Nichtleben in Deutschland für die Erfüllung ihrer Sehnsucht nach dem wahren Leben in einem kleinem Haus am Meer erzählten:
„Griechischer Wein, und die altvertrauten Lieder, schenk noch mal ein, und ich spür die Sehnsucht wieder, in dieser Stadt, werd ich immer nur ein Fremder sein, und allein.“
Ich bin immerhin zweimal in Griechenland gewesen und habe mich in das Land verliebt: in dieses manchmal tintenblaue Meer, die weißen Häuser, die Olivenhaine, die Esel, und ich sah auch Männer mit braunen Augen und schwarzem Haar ihre alten Tage im Kafenion genießen. Ich verliebte mich in die Musik von Theodorakis, Musik die funkelt, Musik , die perlt , Musik, die schäumt und tanzt wie ein Derwisch. Ich habe sogar versucht, etwas griechisch zu lernen. Es reichte, um zu hören, dass in fast allen griechischen Liedern die Worte uranos (Himmel), asteria (Sterne) und fengari (Mond) vorkommen. Die Griechen sind Meister der Sehnsucht.
Wie stolz die Griechen auf ihre neuen Überland-Busse waren, die kurz vor der Olympiade erschienen. Wie sehr mich die griechischen Schulbücher, die ich sah, an die DDR erinnerten, bunt, durchdacht, aber nicht Hochglanz, und vor allem: kostenlos.
„Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde, komm schenk mir ein, und wenn ich dann traurig werde, liegt das daran, dass ich immer träume von daheim, du musst verzeihn....“
Ich sang, begleitet von der Karaoke-Maschine, den Text und spürte einen Dissonanz. Nein, ich habe nicht falsch gesungen. Ich habe einfach viel zu leidenschaftlich gesungen, fast als wäre ich selbst Griechin. Aber das bin ich nicht, und mein Heimatland wiederum, dass ich nicht sehr vermisse, ist verschwunden.Das aber macht es mir schwer, mit diesem Gefühl des Nichtlebens, dass mich in Deutschland immer wieder ereilt, zurecht zu kommen. Es gibt kein Zurück.
Und so war es ein Anflug von Selbstmitleid, der meinen Gesang etwas zu pathetisch werden ließ und das Gefühl fälschte. Aber das habe ich erst später verstanden.
Ich habe es noch nicht verstanden, als ich erfuhr, dass Udo Jürgens plötzlich gestorben war. Das war kurz vor Weihnachten 2014.
Ich habe es eigentlich erst gestern verstanden. Das war kurz nach Weihnachten 2014.
Gestern saß ich in der S-Bahn und hatte griechische Musik auf den Ohren. Mir gegenüber saß ein Mann mit braunen Augen und grauem Haar, doch ich konnte sehen, dass es einmal schwarz gewesen sein musste. Er las. Ich schaute auf sein Buch und erkannte die griechischen Buchstaben.
Ich überlegte, ob ich ihm einen meiner Ohrstöpsel mit der griechischen Musik anbieten sollte.
Ich überlegte solange, bis ich aussteigen musste.
Ich überlegte beim Laufen, ob es nicht einen tolle Idee wäre, das Lied „Griechischer Wein“ als Hymne für alle Bewegungen gegen Fremdenhass zu nutzen. So hatte Udo Jürgens es auch gemeint: ein Lied über griechische Gastarbeiter.Das wäre ganz sicher einen tolle Idee, aber wie anfangen, damit sich diese Idee durchsetzt.
Und überhaupt,Griechenland, empörte ich mich: ist es nicht beschämend, was aus der Wiege Europas geworden ist, und wie mit diesem Land umgegangen wird?
Nach kurzer Zeit erschien mir diese Art politischer Empörung abgenutzt. Auch die Art von tollen Ideen: ich war ihrer überdrüssig.
Und plötzlich verstand ich: einem Griechen, der zufällig neben einem sitzt, wenn man zufällig griechische Musik auf den Ohren hat, vor Freude über den Zufall einen Ohrstöpsel anbieten-
MEHR IST ES NICHT! ES IST GANZ EINFACH:Wir kriegen hier das Einfachste einfach nicht hin.
Da verstand ich, dass die Fremden uns nicht verstehen.Für sie können wir die einfachsten Dinge nicht:“.....in dieser Stadt werd ich immer nur ein Fremder sein, und allein.“
 



 
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