anbas
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Grüßen auf Amrum
Ich bin auf Amrum, und hier sagt man, so, wie in vielen anderen Regionen Norddeutschlands auch, zur Begrüßung "Moin". Einfach nur "Moin". Nicht etwa "Moin, moin" – das ist eher die Hamburger Variante. Man sagt es zu jeder Tages- und Nachtzeit. Meine Pensionswirtin hat sogar bei ihren E-Mails und Briefen an mich das "Sehr geehrter Herr" weggelassen, und stattdessen mit einem kurzen, knappen "Moin" begonnen.
Jetzt bin ich also auf Amrum. Ein Feriengast unter vielen. Wenn man sich hier bei Spaziergängen über den Weg läuft, ist es üblich zu grüßen – so, wie ich es auch von anderen Urlaubsregionen her kenne. Ich mache das ebenfalls, meistens zumindest. Manchmal bin ich allerdings so in Gedanken versunken, dass ich es vergesse, und manchmal habe ich einfach keine Lust zu grüßen.
Grundsätzlich, so meine Theorie, kann man auf Amrum am Grüßen erkennen, ob es sich um einen Anfänger-Feriengast, fortgeschrittenen Feriengast oder erfahrenen Stammgast handelt.
Der Anfänger-Feriengast grüßt von sich aus gar nicht. Wenn er selber gegrüßt wird, reagiert er oft sehr überrascht oder irritiert, grüßt aber in der Regel zurück – allerdings nicht mit "Moin", sondern so, wie er es gewohnt ist zu grüßen. Manchmal hält er aber auch inne, da er denkt, man wolle ihn etwas fragen oder ein Gespräch mit ihm beginnen. In Einzelfällen habe ich es sogar erlebt, dass Frauen sich leicht pikiert abwandten, weil sie dachten, ich wollte sie auf diese Art und Weise anmachen.
Selbstverständlich gibt es auch Ausnahmen. Man kennt sie ja von überall her: Die Gruß-Muffel. Oder solche Leute wie mich – Menschen, die dermaßen tief in ihren Gedanken versunken sein können, dass sie alles andere um sich herum gar nicht wahrnehmen. Bei Paaren oder Gruppen kommt es auch gelegentlich vor, dass einer stellvertretend für alle grüßt, oder dass man so in einem Gespräch vertieft ist, dass an das Grüßen gar nicht gedacht wird. Auf dieses Phänomen soll hier aber nicht näher eingegangen werden.
Beim Übergang vom Anfänger-Feriengast zum fortgeschrittenen Feriengast, wird gegrüßt, aber eben nur auf die Art und Weise, wie es in der Heimatregion üblich ist. So kommt es vor, dass der eine Feriengast mit "Moin" grüßt und der andere mit "Grüß Gott" antwortet – oder umgekehrt. Sehr typisch ist auch, dass ein "Moin" mit "Morgen" oder "Guten Morgen" beantwortet wird. Völlig falsch, aber das weiß der fortgeschrittene Anfänger-Feriengast geschweige denn der Anfänger-Feriengast natürlich nicht.
Auch hier gibt es Ausnahmen. So kann es durchaus einem fortgeschrittenen Feriengast passieren, dass er in Gedankenlosigkeit mit "Hallo", "Guten Tag", "Grüß Gott", "Servus" oder wie auch immer grüßt. Es gibt aber auch Menschen, die so eng mit ihrer Heimat und den dortigen Begrüßungsritualen verbunden sind, dass sie sich an ein einfaches "Moin" – es wird übrigens einsilbig ausgesprochen – nicht gewöhnen können und es daher auch nicht über die Lippen bekommen. Ob solch ein Tourist überhaupt die Chance hat, jemals als fortgeschrittener Feriengast oder gar erfahrener Ferienstammgast anerkannt zu werden, ist eine Frage, die hier nicht weiter erörtert werden soll.
Die fortgeschrittenen Feriengäste, zu denen ich mich auch zähle, grüßen mit "Moin" – zumindest bemühen sie sich darum. Hin und wieder rutscht ihnen dann aber doch noch ein "Guten Tag", "Hallo" oder etwas Ähnliches aus dem Mund. Dies geschieht vor allem dann, wenn sie einem fortgeschrittenen Anfänger-Feriengast begegnen, der ihnen sein heimisches "Grüß Gott" oder "Guten Tag" entgegenschmettert. Doch insgesamt hat man als fortgeschrittener Feriengast die hiesigen Gruß-Spielregeln verstanden und übernommen.
Der erfahrene Ferienstammgast verplappert sich nie. Er grüßt mit "Moin", egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Dieser Meister unter den Feriengästen lässt sich weder von Sturm noch Regen, gleißender Sonne, schreienden Kindern, kreischenden Möwen oder Anfänger-Feriengästen ablenken – er sagt zur Begrüßung "Moin".
Die einzigen, aber sehr selten vorkommenden Ausnahmen, sind Anfänger-Feriengäste und fortgeschrittene Feriengäste, die das hiesige Begrüßungsprozedere sehr schnell gelernt und für sich übernommen haben. Hierbei handelt es sich entweder um Naturtalente oder Streber.
Wenn überhaupt, dann kann man ansonsten den erfahrenen Ferienstammgast nur noch an seiner Kleidung und dem eventuell mitgeführten Rucksack von den Einheimischen unterscheiden. Zumindest so lange, wie er nur "Moin" sagt. Spricht er weiter, kann ihn natürlich sein Dialekt oder etwas von dem, was er erzählt, verraten. Abgesehen davon besteht nur noch die Gefahr, ihn mit zugereisten Insulanern zu verwechseln. Wenn diese lange genug auf der Insel leben, haben sie natürlich in der Regel das "Moin" übernommen. Gerade war ich beispielsweise zum Essen in einer Pizzeria. Sie wird von einem Inder betrieben, der schon lange auf Amrum lebt. Er begrüßt seine Gäste, zumindest die einheimischen, mit einem akzentfreien "Moin". Der allgemeine Verlauf der Integration von Zugereisten sowie den dabei möglichen Schwierigkeiten und Hindernisse soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.
Nach dem eben erwähnten Essen machte ich noch einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Es war nach zweiundzwanzig Uhr und schon sehr dunkel. Den Tag über hatte es ununterbrochen geregnet, auch jetzt war die Luft noch sehr feucht, und weder Sterne noch der Mond waren zu sehen. Ein älteres Ehepaar im typischen Schlecht-Wetter-Feriengast-Outfit – also mit Regenhose und, möglichst leuchtend roter, Regenjacke bekleidet (übrigens: Nur Feriengast-Anfänger sind auf Amrum mit einem Schirm unterwegs) – kam mir entgegen. Im schwachen Licht an einer Stelle zwischen zwei Straßenbeleuchtungen begegneten wir uns. Ich war in meinen Gedanken mit der Verarbeitung meines Ärgers über den verregneten Tag beschäftigt. Darum dachte ich erst im letzten Moment daran, die beiden zu grüßen.
" 'n Abend!", rutschte es aus mir heraus.
"Moin!", antwortete der Mann wie aus der Pistole geschossen, und ich merkte natürlich sofort, was geschehen war.
– Ach ja, es wird noch dauern, bis ich zu dieser Elite der Feriengäste gehöre – den Stammgästen auf der Nordsee-Insel Amrum.
Ich bin auf Amrum, und hier sagt man, so, wie in vielen anderen Regionen Norddeutschlands auch, zur Begrüßung "Moin". Einfach nur "Moin". Nicht etwa "Moin, moin" – das ist eher die Hamburger Variante. Man sagt es zu jeder Tages- und Nachtzeit. Meine Pensionswirtin hat sogar bei ihren E-Mails und Briefen an mich das "Sehr geehrter Herr" weggelassen, und stattdessen mit einem kurzen, knappen "Moin" begonnen.
Jetzt bin ich also auf Amrum. Ein Feriengast unter vielen. Wenn man sich hier bei Spaziergängen über den Weg läuft, ist es üblich zu grüßen – so, wie ich es auch von anderen Urlaubsregionen her kenne. Ich mache das ebenfalls, meistens zumindest. Manchmal bin ich allerdings so in Gedanken versunken, dass ich es vergesse, und manchmal habe ich einfach keine Lust zu grüßen.
Grundsätzlich, so meine Theorie, kann man auf Amrum am Grüßen erkennen, ob es sich um einen Anfänger-Feriengast, fortgeschrittenen Feriengast oder erfahrenen Stammgast handelt.
Der Anfänger-Feriengast grüßt von sich aus gar nicht. Wenn er selber gegrüßt wird, reagiert er oft sehr überrascht oder irritiert, grüßt aber in der Regel zurück – allerdings nicht mit "Moin", sondern so, wie er es gewohnt ist zu grüßen. Manchmal hält er aber auch inne, da er denkt, man wolle ihn etwas fragen oder ein Gespräch mit ihm beginnen. In Einzelfällen habe ich es sogar erlebt, dass Frauen sich leicht pikiert abwandten, weil sie dachten, ich wollte sie auf diese Art und Weise anmachen.
Selbstverständlich gibt es auch Ausnahmen. Man kennt sie ja von überall her: Die Gruß-Muffel. Oder solche Leute wie mich – Menschen, die dermaßen tief in ihren Gedanken versunken sein können, dass sie alles andere um sich herum gar nicht wahrnehmen. Bei Paaren oder Gruppen kommt es auch gelegentlich vor, dass einer stellvertretend für alle grüßt, oder dass man so in einem Gespräch vertieft ist, dass an das Grüßen gar nicht gedacht wird. Auf dieses Phänomen soll hier aber nicht näher eingegangen werden.
Beim Übergang vom Anfänger-Feriengast zum fortgeschrittenen Feriengast, wird gegrüßt, aber eben nur auf die Art und Weise, wie es in der Heimatregion üblich ist. So kommt es vor, dass der eine Feriengast mit "Moin" grüßt und der andere mit "Grüß Gott" antwortet – oder umgekehrt. Sehr typisch ist auch, dass ein "Moin" mit "Morgen" oder "Guten Morgen" beantwortet wird. Völlig falsch, aber das weiß der fortgeschrittene Anfänger-Feriengast geschweige denn der Anfänger-Feriengast natürlich nicht.
Auch hier gibt es Ausnahmen. So kann es durchaus einem fortgeschrittenen Feriengast passieren, dass er in Gedankenlosigkeit mit "Hallo", "Guten Tag", "Grüß Gott", "Servus" oder wie auch immer grüßt. Es gibt aber auch Menschen, die so eng mit ihrer Heimat und den dortigen Begrüßungsritualen verbunden sind, dass sie sich an ein einfaches "Moin" – es wird übrigens einsilbig ausgesprochen – nicht gewöhnen können und es daher auch nicht über die Lippen bekommen. Ob solch ein Tourist überhaupt die Chance hat, jemals als fortgeschrittener Feriengast oder gar erfahrener Ferienstammgast anerkannt zu werden, ist eine Frage, die hier nicht weiter erörtert werden soll.
Die fortgeschrittenen Feriengäste, zu denen ich mich auch zähle, grüßen mit "Moin" – zumindest bemühen sie sich darum. Hin und wieder rutscht ihnen dann aber doch noch ein "Guten Tag", "Hallo" oder etwas Ähnliches aus dem Mund. Dies geschieht vor allem dann, wenn sie einem fortgeschrittenen Anfänger-Feriengast begegnen, der ihnen sein heimisches "Grüß Gott" oder "Guten Tag" entgegenschmettert. Doch insgesamt hat man als fortgeschrittener Feriengast die hiesigen Gruß-Spielregeln verstanden und übernommen.
Der erfahrene Ferienstammgast verplappert sich nie. Er grüßt mit "Moin", egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Dieser Meister unter den Feriengästen lässt sich weder von Sturm noch Regen, gleißender Sonne, schreienden Kindern, kreischenden Möwen oder Anfänger-Feriengästen ablenken – er sagt zur Begrüßung "Moin".
Die einzigen, aber sehr selten vorkommenden Ausnahmen, sind Anfänger-Feriengäste und fortgeschrittene Feriengäste, die das hiesige Begrüßungsprozedere sehr schnell gelernt und für sich übernommen haben. Hierbei handelt es sich entweder um Naturtalente oder Streber.
Wenn überhaupt, dann kann man ansonsten den erfahrenen Ferienstammgast nur noch an seiner Kleidung und dem eventuell mitgeführten Rucksack von den Einheimischen unterscheiden. Zumindest so lange, wie er nur "Moin" sagt. Spricht er weiter, kann ihn natürlich sein Dialekt oder etwas von dem, was er erzählt, verraten. Abgesehen davon besteht nur noch die Gefahr, ihn mit zugereisten Insulanern zu verwechseln. Wenn diese lange genug auf der Insel leben, haben sie natürlich in der Regel das "Moin" übernommen. Gerade war ich beispielsweise zum Essen in einer Pizzeria. Sie wird von einem Inder betrieben, der schon lange auf Amrum lebt. Er begrüßt seine Gäste, zumindest die einheimischen, mit einem akzentfreien "Moin". Der allgemeine Verlauf der Integration von Zugereisten sowie den dabei möglichen Schwierigkeiten und Hindernisse soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.
Nach dem eben erwähnten Essen machte ich noch einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Es war nach zweiundzwanzig Uhr und schon sehr dunkel. Den Tag über hatte es ununterbrochen geregnet, auch jetzt war die Luft noch sehr feucht, und weder Sterne noch der Mond waren zu sehen. Ein älteres Ehepaar im typischen Schlecht-Wetter-Feriengast-Outfit – also mit Regenhose und, möglichst leuchtend roter, Regenjacke bekleidet (übrigens: Nur Feriengast-Anfänger sind auf Amrum mit einem Schirm unterwegs) – kam mir entgegen. Im schwachen Licht an einer Stelle zwischen zwei Straßenbeleuchtungen begegneten wir uns. Ich war in meinen Gedanken mit der Verarbeitung meines Ärgers über den verregneten Tag beschäftigt. Darum dachte ich erst im letzten Moment daran, die beiden zu grüßen.
" 'n Abend!", rutschte es aus mir heraus.
"Moin!", antwortete der Mann wie aus der Pistole geschossen, und ich merkte natürlich sofort, was geschehen war.
– Ach ja, es wird noch dauern, bis ich zu dieser Elite der Feriengäste gehöre – den Stammgästen auf der Nordsee-Insel Amrum.