Grundriß/Mäuse
Sie öffnet die Schlafzimmertür. Unbenutzte Luft schlägt ihr entgegen. Trocken. Kein Schlafensgeruch, eine leere Wohnung. Weiter nichts. Das Fenster ist geschlossen, die Gardinen aufgezogen. Ein wenig Sonnenlicht steht im Zimmer. Eine Ecke davon reicht bis auf das Bett. In ihrer Hand hält sie noch immer die Wohnungsschlüssel.
Sie nimmt das Telefon aus ihrer Gesäßtasche. Die Hose ist eng. Eben hatte sie die Jeans im Übermut gewählt, nun kommt sie sich billig vor. Sie wählt seine Nummer.
„Hallo?“
Wo bist du, denkt sie. „Was machst du?“, sagt sie hastig.
„Ich liege im Bett“, hört sie ihn müde sagen.
Sie schaut zum Fußende auf seiner Bettseite. „Und spielst mit den Zehen am Bettgestell?“
„Ja.“
Das macht er immer, wenn er mit einem Kater zu früh erwacht, nicht mehr Schlafen kann und aufstehen will, aber nicht kann, weil er fürchtet vornüber zu fallen, weil ihm schwindelig ist oder sich sein Zustand, der gerade noch so geht, in eine andere Richtung entwickeln würde; wohlmöglich schlagartig, auf jeden Fall schlechter.
Ihr schwindelt. Sie geht zum Bad.
„Wie lange wart ihr unterwegs?“, sagt sie.
„Puh! Ich weiß nicht genau. Am Ende waren es nur noch ich und Klaus.“
„Hast du nicht auf die Uhr geschaut, als du nach hause kamst?“
„Nein, ich bin der Länge nach aufs Bett.“ Er reckt sich hörbar. „Wie war das Wochenende bei deinen Eltern?“
„Wie immer, eigenartig.“
Sie läßt kaltes Wasser laufen. Sie hält die freie Hand mit dem Puls zum kühlen darunter.
„Was machst du?“, sagt er.
„Ich bin im Bad. Ich saß in meinem alten Nachthemd bei meinen Eltern am Frühstückstisch.“
„Hm.“
Sie hört einen Löffel in einer Tasse klirren, dann verschwindet der Ton für einen Moment gedämpft.
„Du hast Kaffee gemacht?“, sagt sie.
„Ja.“
Sie geht in den Flur, schaut zum offenen Wohnzimmer, dann zur offenen Küche. Sie lehnt sich an die Wand zwischen der Schlafzimmertür und der Tür zu seinem Arbeitszimmer - auf der Grundrißzeichnung der Wohnung hatte ‚Kind 1’ gestanden .
„Gehst du bitte mal in die Küche und schaust, ob der Stecker gezogen ist“, sagt sie.
„Was? Jetzt? Quatsch, hier brennt nichts!“
„Du wirst noch mal im Schlaf ersticken. Sie fangen auch zu brennen an, wenn sie nicht an sind. Bitte! Mir zu gefallen.“
„Mir passiert nichts! Wofür haben wir denn extra die mit der Thermoskanne gekauft.“
„Bitte!“
„Ja, ja.“
Sie schaut beschwörend zum Bett im Schlafzimmer, folgt den Flecken und Krümeln auf dem sandfarbenen Teppich – sie essen gern und oft im Bett – über den Flur bis in die Küche, den Fugen des blauen Fliesenbodens entlang bis zur Kaffeemaschine mit der Thermoskanne darunter. Der Stecker liegt daneben.
„Der Stecker ist gezogen“, sagt er.
„Das ist gut.“
Sie nimmt die Papiertüte mit den Croissants vom Küchentresen. Sie geht zur Haustür, macht sie vorsichtig auf. „Ich komme um zwei zurück.“
„Doch so früh“, sagt er und läßt Luft ab.
„Ja, gegen Zwei. Ich kaufe Croissants und wir Frühstücken ein zweites Mal.“
Sie zieht leise die Tür zu.
„Schön, ich hab mächtigen Hunger.“
Sie zögert. „Bis später.“
„Bis später Maus.“
Sie wird eine Weile ziellos durch die Strassen irren. Dann wird sie sich in ein Café setzen und warten. Wenn sie wieder kommt, wird er da sein, im Bett liegen, unter der Dusche stehen oder vorm Fernseher sitzen. Sie wird nichts sagen, denn alles bis hierhin ist ihr zu wertvoll.
Aber nichts wird so sein wie früher. Und er wird nicht wissen warum.
Sie öffnet die Schlafzimmertür. Unbenutzte Luft schlägt ihr entgegen. Trocken. Kein Schlafensgeruch, eine leere Wohnung. Weiter nichts. Das Fenster ist geschlossen, die Gardinen aufgezogen. Ein wenig Sonnenlicht steht im Zimmer. Eine Ecke davon reicht bis auf das Bett. In ihrer Hand hält sie noch immer die Wohnungsschlüssel.
Sie nimmt das Telefon aus ihrer Gesäßtasche. Die Hose ist eng. Eben hatte sie die Jeans im Übermut gewählt, nun kommt sie sich billig vor. Sie wählt seine Nummer.
„Hallo?“
Wo bist du, denkt sie. „Was machst du?“, sagt sie hastig.
„Ich liege im Bett“, hört sie ihn müde sagen.
Sie schaut zum Fußende auf seiner Bettseite. „Und spielst mit den Zehen am Bettgestell?“
„Ja.“
Das macht er immer, wenn er mit einem Kater zu früh erwacht, nicht mehr Schlafen kann und aufstehen will, aber nicht kann, weil er fürchtet vornüber zu fallen, weil ihm schwindelig ist oder sich sein Zustand, der gerade noch so geht, in eine andere Richtung entwickeln würde; wohlmöglich schlagartig, auf jeden Fall schlechter.
Ihr schwindelt. Sie geht zum Bad.
„Wie lange wart ihr unterwegs?“, sagt sie.
„Puh! Ich weiß nicht genau. Am Ende waren es nur noch ich und Klaus.“
„Hast du nicht auf die Uhr geschaut, als du nach hause kamst?“
„Nein, ich bin der Länge nach aufs Bett.“ Er reckt sich hörbar. „Wie war das Wochenende bei deinen Eltern?“
„Wie immer, eigenartig.“
Sie läßt kaltes Wasser laufen. Sie hält die freie Hand mit dem Puls zum kühlen darunter.
„Was machst du?“, sagt er.
„Ich bin im Bad. Ich saß in meinem alten Nachthemd bei meinen Eltern am Frühstückstisch.“
„Hm.“
Sie hört einen Löffel in einer Tasse klirren, dann verschwindet der Ton für einen Moment gedämpft.
„Du hast Kaffee gemacht?“, sagt sie.
„Ja.“
Sie geht in den Flur, schaut zum offenen Wohnzimmer, dann zur offenen Küche. Sie lehnt sich an die Wand zwischen der Schlafzimmertür und der Tür zu seinem Arbeitszimmer - auf der Grundrißzeichnung der Wohnung hatte ‚Kind 1’ gestanden .
„Gehst du bitte mal in die Küche und schaust, ob der Stecker gezogen ist“, sagt sie.
„Was? Jetzt? Quatsch, hier brennt nichts!“
„Du wirst noch mal im Schlaf ersticken. Sie fangen auch zu brennen an, wenn sie nicht an sind. Bitte! Mir zu gefallen.“
„Mir passiert nichts! Wofür haben wir denn extra die mit der Thermoskanne gekauft.“
„Bitte!“
„Ja, ja.“
Sie schaut beschwörend zum Bett im Schlafzimmer, folgt den Flecken und Krümeln auf dem sandfarbenen Teppich – sie essen gern und oft im Bett – über den Flur bis in die Küche, den Fugen des blauen Fliesenbodens entlang bis zur Kaffeemaschine mit der Thermoskanne darunter. Der Stecker liegt daneben.
„Der Stecker ist gezogen“, sagt er.
„Das ist gut.“
Sie nimmt die Papiertüte mit den Croissants vom Küchentresen. Sie geht zur Haustür, macht sie vorsichtig auf. „Ich komme um zwei zurück.“
„Doch so früh“, sagt er und läßt Luft ab.
„Ja, gegen Zwei. Ich kaufe Croissants und wir Frühstücken ein zweites Mal.“
Sie zieht leise die Tür zu.
„Schön, ich hab mächtigen Hunger.“
Sie zögert. „Bis später.“
„Bis später Maus.“
Sie wird eine Weile ziellos durch die Strassen irren. Dann wird sie sich in ein Café setzen und warten. Wenn sie wieder kommt, wird er da sein, im Bett liegen, unter der Dusche stehen oder vorm Fernseher sitzen. Sie wird nichts sagen, denn alles bis hierhin ist ihr zu wertvoll.
Aber nichts wird so sein wie früher. Und er wird nicht wissen warum.