Hat es Ihnen geschmeckt?

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Wünstler

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Hat es Ihnen geschmeckt?

Das war mir noch nie passiert. Eine Unmöglichkeit. Einfach unmöglich.
Sollte der doch froh sein, dass er hier überhaupt eine Stelle hat.
Der sah uns schon so komisch an. Er hat doch andere Aufgaben.
Bedienen muss er, nicht uns kontrollieren. Wo, wenn nicht im Gastgewerbe, existiert die vollkommene Dienstleistungsgesellschaft? (mit den entsprechenden Gehältern, von denen man eigentlich nicht überleben kann)

Heike (In diesem Zusammenhang ist die Assoziation mit heikel nicht beabsichtigt.) hatte, als sie den Loup de Mer (Französisch für Meerwolf, eine Fischart) auf der Speisekarte sah, natürlich Fisch gewollt (Falsch wäre hier „bestellt“, Kinder wollen.), da sie doch so gerne Meeresfrüchte isst, regelrecht versessen darauf ist.
Doch dann hatte sie auf einmal nicht mehr den richtigen Appetit.
(petit = französisch für klein, die Andeutung der französischen Sprache in diesem Zusammenhang ist beabsichtigt. Nach dem Motto „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“) Ein klein wenig probierte sie davon und schob darauf den Teller beiseite.
Da sah er schon so eigentümlich zu uns herüber. Seine Gesichtsfarbe wurde noch etwas dunkler, als sie schon war.
Er wartete sehr lange mit dem Abräumen der Teller. Er musste doch gesehen haben, dass ich bereits fertig war.
Erst als ich zu zahlen wünschte, kam er und nahm mein Geschirr in die Hand, ohne „Hat es Ihnen geschmeckt?“ zu fragen. Den noch vollen Teller von Heike, aber nun mit kaltem Essen, das niemand mehr essen wird, wollte er nicht anfassen. (Es war für ihn einfach unfassbar.)
Stattdessen sagte er:
„Wo ich herkomme, verhungern Menschen, aber Sie kommen schon satt zum Essen ins Restaurant - ohne jeden Hunger.“

(Zu der Version mit der in das kalte Essen ausgedrückten Zigarette konnte sich der Autor nicht durchringen.)
 

Ireen

Mitglied
In dem Text stecken mehrere Themen (Welternährungsprobleme, Kinderverhalten, schlechte Bezahlung in der Gastronomie, Wohlstandsverwahrlosung, Ausländerproblematik), für die meiner Meinung nach in einem so kurzen Text nicht genügend Platz ist. Die Kernaussage wird wohl klar. Aber die Figuren wirken auf mich wie Statisten, die nur zu diesem Zweck eingeführt werden. Interessant wäre vielleicht ein Gespräch zwischen zwei Kellnern hinter den Kulissen mit zwei verschiedenen Haltungen. Also einerseits Themen reduzieren, andererseits Personen detaillierter ausarbeiten, ist meine Idee dazu. Insgesamt ein Thema, das Raum lässt für Ausarbeitung.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die ausgedrückte Zigarette hätte den Text so richtig schön böse gemacht. Und die Kernaussage unterstrichen.
Am besten kürzen und nur das Wesentliche übriglassen! Plus Zigarette.
Gute Textidee findet
Doc
 

Wünstler

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Hat es Ihnen geschmeckt?

Das war mir noch nie passiert. Eine Unmöglichkeit. Einfach unmöglich.
Sollte der doch froh sein, dass so einer wie der hier überhaupt eine Stelle hat.
Der sah uns schon so komisch an. Als Kellner hat man doch andere Aufgaben. Bedienen muss man, nicht uns kontrollieren. Wo, wenn nicht im Gastgewerbe, existiert die vollkommene und kundenorientierte Dienstleistungsgesellschaft?

Heike - manchmal war sie doch etwas heikel, besonders beim Auswählen im Restaurant - hatte, als sie die große Fischauswahl auf der Speisekarte sah, natürlich den Loup de Mer gewollt, da sie doch so gerne Meeresfrüchte isst, regelrecht versessen darauf ist. Wie ein Kind, das einen Wunschzettel zu Weihnachten schreibt, stellte sie das Gericht auf der Karte nach ihren Wünschen um.
Doch als das Essen kam, hatte sie auf einmal nicht mehr den richtigen Appetit.
Nur ein klein wenig probierte sie davon und schob darauf den Teller lustlos beiseite, als wäre er ein Aschenbecher.
Da sah er schon so eigentümlich zu uns herüber. Seine Gesichtsfarbe wurde noch etwas dunkler, als sie schon war.Er wartete sehr lange mit dem Abräumen der Teller. Er musste doch bemerkt haben, dass ich mein Besteck wie Heike bereits auf den Teller gelegt hatte, um zu signalisieren, dass wir das Essen als beendet betrachteten.

Erst als ich zu zahlen wünschte, kam er und nahm mein Geschirr in die Hand, ohne „Hat es Ihnen geschmeckt?“ zu fragen. Den noch vollen Teller von Heike, aber nun mit kaltem Essen, das niemand mehr essen wird, wollte er nicht anfassen.
Fassungslos sagte er stattdessen:
„Wo ich herkomme, verhungern Menschen, aber Sie kommen schon satt zum Essen ins Restaurant - ohne jeden Hunger.“

(Zu der Version mit der in das kalte Essen ausgedrückten Zigarette konnte sich der Autor nicht durchringen.)
 



 
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