Heidemond

4,20 Stern(e) 12 Bewertungen

pablo

Mitglied
Heidemond

Hörst du´s klopfen leis´ ans Fenster?
Wie es glimmt am Haselstrauch!
Schatten tanzen und Gespenster,
Nebel dreh´n am Moor sich auch.

Du willst nicht glauben, was geschieht
im Mondschein auf der Heide?
Dann warte, bis das Irrlicht glüht
und folge mir zur Weide.

Komm zum verwunsch´nen Hollerbusch.
Es raschelt hinterm Ginster.
Dort spuken Geister, husch, husch, husch.
Die Nacht wird kalt und finster.

Sieh da, sieh da, der Henker Veit!
Weh ihm, dass Gott erbarme!
Er trägt für heut und allezeit
den Kopf unter dem Arme.

Am schwarzen Tor der Höllenhund
verbrennt im Auge Kohlen.
In seinem blutgetränken Schlund
will er dich lautlos holen.

Flieh schnell, flieh schnell, du bist verlor´n.
Gleich packt er deine Beine.
Ein Freudentag, als du gebor´n.
Jetzt stirbst du hier alleine.
 
N

nachtlichter

Gast
Lieber Pablo,

schön schrecklich - schrecklich schön gruselig, Deine Sprache malt die Bilder so wunderbar anschaulich, dass mich ich jetzt am hellichten Tag durch den dunklen Nebel irren sehe, den heißen stinkenden Atem des Höllenhundes in meinen Kniekehlen spüre und hoffe, dass es nur ein Alptraum ist. Die unheimliche Stimmung hat mich fest im eiskalten Griff, einfach Klasse.

nachtlichter
 

pablo

Mitglied
Liebe Regina,

es freut mich, dass du die unheimliche Stimmung nachempfinden kannst.
Don´t go out tonight, when the bad moon is rising!

Vielen Dank für Kommentar und Bewertung.

Liebe Grüße
Pablo
 
N

nachtlichter

Gast
Pablo,

Du kennst mich nicht - wenn ich nachts den Mond anheule,
gruselt es nicht nur kleine Poltergeister, sondern auch den fadenscheinheiligsten Untoten :)

Darum auch ->

nachtlichter
 

La Luna

Mitglied
Tagchen Pablo,

ein Gedicht, wie ich es mag. Habe noch nicht mal was zu meckern.
Tolle Stimmung, schön schaurig! :)


Lieber Gruß
Julia


P.S.: Über den "bad moon" sollten wir noch mal reden! ;)
 
M

Melusine

Gast
Hi pablo,
nett gruselig, nett gereimt, aber ... hm. Die erste Strophe passt nicht ins Reimschema und - ähm, teilweise ist es halt schon arger Nonsense bloß um des Reimes willen.
Macht nix. Erzählte doch schon einst ein Mondkalb (ganz still und leise noch dazu) von einem raffinierten Wiesel, das sich nur deshalb auf einen Kiesel setzte. ;)
LG Mel
 

pablo

Mitglied
Liebe Regina,

Respekt, wenn du Poltergeister und Untote in die Flucht zu schlagen vermagst :), mir gelingt das leider nicht immer.


Herzlichst
Pablo
 

pablo

Mitglied
Hallo Julia,

es freut mich, dass du mein Gedicht magst.

Natürlich ist nur der "Heidemond" gemeint. La Luna sehe ich als freundliche Nachtgefährtin an, der man gern sein Innerstes offenbahrt :).

Vielen Dank für deinen Kommentar.

Liebe Grüße
Pablo
 
N

nachtlichter

Gast
Ach Pablo,

ich vermag lediglich die dunklen Gestalten der Nacht zu erschrecken. Meine Fähigkeiten reichen leider (noch) nicht aus, sie ultimativ in die Flucht zu schlagen; daher nehmen die Panikgespenster gern immer mal wieder als ungebetene Gäste auf meiner Bettkante Platz, wenn ich wehrlos schlafe.

Ich wünsche Dir hiermit herzlich einen guten Sommernachtstraum - unbeeinflußt von störendem dunklem Gesindel.

nachtlichter
 

pablo

Mitglied
Hallo Melusine,

die erste Strophe ist ein Trochäus, der sich von den folgenden Strophen, die als Jambus geschrieben sind, abheben soll (ein gebräuchliches Stilmittel, wie es unter anderem zum Beispiel Friedrich von Schiller in seinem Lied von der Glocke in meisterlicher Vollendung verwendet hat).

Schade, dass du meinem Gedicht nichts Gutes abgewinnen kannst, aber es allen Leuten Recht zu tun, ist eine Kunst, die niemand kann :).

LG
Pablo
 
N

nachtlichter

Gast
Schade, dass du meinem Gedicht nichts Gutes abgewinnen kannst, aber es allen Leuten Recht zu tun, ist eine Kunst, die niemand kann :).

Hey Pablo,

I dare doubt it is your aim to be everybody's darling :cool:
 
M

Melusine

Gast
Hallo Pablo,
gar nichts Gutes abgewinnen...? Ups, so negativ war's eigentlich nicht gemeint, sorry, wenn es so rüberkam.
Stilmittel - das war mir schon klar, aber die einsame trochäische Strophe (übrigens ist es nicht ein Trochäus sondern deren 16, aber ich will ja keine Haare spalten) wirkt halt ein wenig verloren unter lauter Jamben. In der Regel wird ein Wechsel der Versfüße wiederholt eingesetzt. (So auch in der "Glocke", die ist ja recht lang.)

Nonsense mag ich durchaus (ich dachte, die Anspielung auf Christian Morgenstern sei verständlich... na ja); allerdings sollte er nach meinem Geschmack wohldurchdacht sein, auch wenn das auf den ersten Blick paradox wirken mag.

Was ich meine ist der Unterschied zwischen einem "ganz netten" und einem "wirklich guten" Gruselgedicht - einem, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt (wie z.B. Lewis Carolls "Jabberwocky" oder eben Morgenstern...).
Deins hätte meines Erachtens das Zeug dazu, wirklich gut zu werden - "mit etwas zusätzlicher Mühe", wie's in der Bewertungsskala so hübsch heißt ...

LG Mel
 

Inu

Mitglied
Hallo Pablo

Dieses Gedicht ist wirklich auf der guten Seite ( klar, Melusine hat Recht, es könnte noch viel besser sein!) Mir gefällt dieser 'Nonsens', weil dahinter auch eine Portion subtiler Humor steckt. Nur das mit dem Höllenhund find ich ein bisschen schwach. Aber der letzte Vers hat mirs wirklich angetan:

Flieh schnell, flieh schnell, du bist verlor´n.
Gleich packt er deine Beine.
Ein Freudentag, als du gebor´n.
Jetzt stirbst du hier alleine.
:):):)


Ein schönes Wochenende Dir
Inu
 

pablo

Mitglied
Liebe Regina,

nein, ich strebe nicht an, everybody´s darling zu sein, das hast du sehr richtig erkannt. Sonnyboy Pablo ist viel zu stark und eigenwillig, um sich verbiegen zu lassen.

Ich wünsche dir ein schönes Wochende mit recht viel Sonnenschein und noch mehr guter Laune.

Liebe Grüße
Pablo
 

pablo

Mitglied
Hallo Mel,

schön, dass du dich so intensiv mit meinem Gedicht beschäftigt hast. Die Anspielung auf Christian Morgensterns "ästhetisches Wiesel" ist mir natürlich nicht entgangen. Selbstverständlich ist auch für mich der Reim in einem konservativen Gedicht das A und O.
Liebe Mel, wenn du "Jabberwock" so gut findest, wie du schreibst, kann ich allerdings nicht verstehen, was du an meinem Gedicht auszusetzen hast. Ich kannte Lewis Carolls Werk bislang noch nicht, habe es mir jetzt aber durchgelesen und finde erstaunliche Parallelen.

Dennoch habe ich mir Gedanken gemacht und die fünfte Strophe ein wenig verändert. Was hältst du von der folgenden Fassung?

Huh! Cerberus, der Höllenhund,
schleicht an auf leisen Sohlen.
In seinem blutgetränkten Schlund
will er dich lautlos holen.

Wenn diese Variante besser ankommt, ändere ich das Gedicht dahingehend um.

Danke nochmals für die Mühe, die du dir gemacht hast.

Liebe Grüße
Pablo
 

pablo

Mitglied
Liebe Inu,

danke für Kommentar und Bewertung.

Ich freue mich, dass du den schwarzen Humor, der in fast allen meiner Gedichte unterschwellig vorhanden ist, sofort entdeckt hast.
Die Strophe mit dem Höllenhund kann ich umändern, falls die neue Variante besser gefällt (siehe meine Antwort auf Mels Kommentar).

Ich würde mich freuen, wenn du mir deine Meinung mitteilst.

Liebe Grüße
Pablo
 
N

nachtlichter

Gast
Lieber Pablo,

die neue Variante der Höllenhund-Strophe gefällt mir überhaupt nicht - in der 1. Version beeindrucken mich ganz besonders die glühenden Augen der Bestie; es wäre sehr schade, wenn sie das unheimliche Szenario nicht mehr illuminieren würden.

Liebe Grüße
Regina
 
@ pablo

Der Text ist fast einwandfrei gearbeitet, also eine handwerklich gelungene Sache (viel Mühe!).

Inhaltlich würde ich ihn einordnen in "norddeutsche Spätromantik" (weil: in Deutsch verfasst, und "Heide,Moor = norddeutsche Tiefebene), "Spätromantik", weil seine Bilder teilweise sich in nicht-Norddeutschem aufzulösen beginnen (zB der Anklang an "Hund v. Baskerville", und auch "Henker Veith" ist ein Fremdbild).
Original gehen eher die Moorhexe um, oder der Luderjan, der Kiepenklaus, usw. (lies mal Forensik, da ging vor ca 100 Jahren "der Sandmann" um in der nordeutschen Heide, aber der war echt und wegen seiner Tötungsart auch gespenstisch gleichzeitig)

Grob gelesen, könnte der Text ein Derivat zB von A.v.Droste-Hülshoff sein.
Aber mal den Unterschied betrachten zu zB: "Der Knabe im Moor":

http://www.kiekin.de/leute/annette/knabe/knabe.htm


Heidemond

[Hörst du´s klopfen leis´ ans Fenster?
Wie es glimmt am Haselstrauch!
Schatten tanzen und Gespenster,
Nebel dreh´n am Moor sich auch.]

"Gespenster" ist hier eine zu starke Andeutung, kommt im Text zu früh)

[Du willst nicht glauben, was geschieht
im Mondschein auf der Heide?
Dann warte, bis das Irrlicht glüht
und folge mir zur Weide.]

Statt "Mondschein" (ist zu freundlich) wäre "Mondlicht" oder "Fahllicht" besser, und "folge mir zur Weide" zerstört das Erschauern, welches ja aufgebaut werden soll, weil der Sprecher ja offenbar sich nicht ängstigt, denn "er geht anstandslos zur Weide". Wenn Sprecher Angst suggerieren will, muss er sich selbst auch entsprechend verhalten.

[Komm zum verwunsch´nen Hollerbusch.
Es raschelt hinterm Ginster.
Dort spuken Geister, husch, husch, husch.
Die Nacht wird kalt und finster.]

Hier ist ein Absturz des Bildes, das dreimalige "husch" verlächerlicht die Sache, und "Nacht kalt und finster" passt nicht zum bleichen Mondlicht "über" oder "auf" der Heide (über/auf: beachte den Unterschied!).

[Sieh da, sieh da, der Henker Veit!
Weh ihm, dass Gott erbarme!
Er trägt für heut und allezeit
den Kopf unter dem Arme.]

Da verließ Dich wohl die "gespenstische Einbildungskraft"? "Henker, Kopf unter'm Arm" ist inflationiertes Klischee. Da gibt's weit bessere Bilder, gerade zu "Moor", zB Moorleichen; das Hütekind, das im Kolk ertrank; der Brudermord auf der Geest, usw.

[Am schwarzen Tor der Höllenhund
verbrennt im Auge Kohlen.
In seinem blutgetränken Schlund
will er dich lautlos holen.]

Und hier geht's weiter stark darstellungs-bergab. "Höllenhunde" gibt's nicht im Moor, "blutgetränkter Schlund" ist bis zur Unwirksamkeit übertrieben (das Bild ist überstrapaziert)

[Flieh schnell, flieh schnell, du bist verlor´n.
Gleich packt er deine Beine.
Ein Freudentag, als du gebor´n.
Jetzt stirbst du hier alleine]

"Fliehen" und "verloren sein" passt thematisch nicht zusammen. Der Hund packt nicht beide Beine gleichzeitig, und "deine Beine" ist ein unabsichtlicher Reim, der hier deplaziert ist. "Freudentag" zerstört das gesamte Bild. Und das finale Sterben passt überhaupt nicht, weil das Gespenstische gerade aus dem Leben heraus nur funktioniert. In richtigen Gespenster-Events wird derjenige, der sich fürchten soll, nicht umgebracht. Gute Gespenster/filme/stories/darstellungen arbeiten ja gerade mit der Angst der Lebenden (sie drohen), hinter der der wirkliche Tod aber meist nicht steht, weil er die mühsam aufgebaute (Angst)Suggestion zerstören würde.

PS:
"Irrlicht" und Mondlicht haben Probleme miteinander, denn Irrlichter sind derart schwach, dass sie bei Vollmond unsichtbar bleiben, es sei denn, sie glimmen/irrisieren im Schatten. Und Irrlichter sind in sich instabil, sie flackern, zucken und wehen hin und her wie Fahnen (ähnlich den Nordlichtern übrigens), dazu muss man Windstille haben (bei Irrlichtern, nicht bei Auroras).
 
M

Melusine

Gast
@ Waldemar:

Puh, das ist fies. Ich ging eigentlich ganz im Gegenteil davon aus, dass Pablo das Gedicht vergnügt und fast in einem Zug niedergeschrieben hat, es klingt für mich völlig unverkrampft und gar nicht nach "großer Mühe". (Ein musikalischer Mensch mit Sprachgefühl kriegt mit etwas Übung saubere Reime auch ohne Krampf hin - und ohne das nötige Gefühl dafür nutzt m.E. sowieso auch die größte Mühe nix.)
Deine Detailanalyse finde ich aber bedenkenswert.


@ Pablo:
Die entschärfte Höllenhundvariante gefällt mir nicht so gut, da gebe ich nachtlichter Recht: Gerade die glühenden Augen machen den Reiz aus. Höllenhunde auf der Heide stören mich überhaupt nicht, auch wenn sie dort vielleicht nicht hinpassen *gg*. Es war mehr der "blutgetränkte Schlund", auch "verbrennt im Auge Kohlen" finde ich nicht so ganz geglückt.

An "Jabberwocky" gefällt mir die meisterhafte Sprachspielerei, die Wortschöpfungen, die, obwohl eigentlich unsinnig, doch klanglich verständlich sind und eine gruselige Atmosphäre schaffen. Die deutsche Übersetzung von Christian Enzensberger ("Der Zipferlake") wird dem Orignial m.E. beinahe gerecht. (Siehe z. B. http://www.carroll-jabberwocky.de/html/carroll4.html )

Damit will ich klarerweise nicht sagen, du solltest so schreiben wie Lewis Carroll!!
Ich würde mir einfach nur ein bisschen mehr Präzision bei den sprachlichen Bildern wünschen. Aber vielleicht bin ich ja auch zu kritisch.

Im Übrigen möchte ich festhalten, dass ich es selbst ganz bestimmt nicht besser könnte als du :).

Mel
 



 
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