Herbst

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Auch ich bin ein Schweigen

Herbstliche Dunkelstunden
führen mich
auf die kleineren Pfade.
Im schwindenden Licht

setz' ich bedachtsam
Schritt vor Schritt.
Feucht ist das Laub
unter meinen Schuhen.

Allein zu gehen bin ich gewohnt.
Mich schreckt nicht die große Stille
zwischen den Bäumen.
Auch ich bin ein Schweigen.
 

Epkachan

Mitglied
hallo olaf,
ich denke, dass dein gedicht gute gedanken hat, die man lyrisch verpacken könnte. vielleicht kannst du mit meinem kommentar etwas anfangen, übernehmen oder auch lassen, ich habe nur deine worte aus dem gedicht genommen und sie anders zusammengesetzt.


1. strophe: wenn man schon im dunkeln ist, dann kann danach kein licht mehr schwinden, es ist ja keines mehr da,
mein vorschlag:

[blue]
es schwindet
das licht
auf kleinen pfaden

geh' ich alleine

schritt für schritt
auf feuchtem laub

dunkle stunden

zwischen den bäumen
stille
auch mein schweigen[/blue]


ich bin ein schweigen
kann ich mir schwer vorstellen.
und große stille ist eher nur eine theorie, ein vertrautes geräusch wird es immer geben.

lieber gruß, epkachan
 
hallo epkachan,

zunächst einmal: vielen dank für deine überlegungen zu meinem kleinen einstandstext. deine argumente sind nicht von der hand zu weisen, und ich verstehe wohl, was du sagst.
insbesondere bei der "großen stille" muss ich dir recht geben - das ist eine außerordentlich abgegriffene wendung, wenn ich ehrlich bin, eine leerformel. auf die "dunkelstunden" allerdings würde ich ungern verzichten, die scheinen mir doch eine gewisse originalität zu haben. ebenso verhält es sich mit "ich bin ein schweigen" - damit gebe ich dem gedicht einen gewissen kick richtung 'moderne romantische ironie und metapoesie', wenn du verstehst, was ich meine ...
ich lasse den text zunächst einmal so stehen wie er ist, denn ich denke, so kann die diskussion dazu nachvollzogen werden. falls mir eine passend veränderte version gelingen sollte, kann ich sie ja hier unten noch anhängen.

dankend grüßt

OM
 
B

Beba

Gast
Ich habe nichts zu meckern, wie ich in der Bewertung klargestellt habe. Ich finde den Text sehr gelungen und würde nichts ändern wollen. Besonders den letzten Absatz finde ich (herbstlich) gelungen. Auch ich bin ein Schweigen muss so stehen bleiben! Ich stelle mir z.B. eine Parkallee im Herbst vor. Jeder Baum ein Schweigen, und auch ich ...

Ciao,
Bernd
 
H

Heidrun D.

Gast
Der Mensch kann ein Schreien und ein Schweigen sein, alles.

Dein Gedicht spricht mich sehr an. - Aus morgendlichen Waldläufen ist mir das beschriebene Gefühl bekannt: die Auflösung der Persönlichkeit, die Verschmelzung mit der Natur.

Liebe Grüße
Heidrun
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Olaf,

ich schließe mich Epkachan an. Er hat seinen Vorschlag überzeugend begründet.

Nur seine letzte Zeile würde ich noch schlichter formuliern

zwischen den Bäumen
stille
[blue]und[/blue] mein Schweigen.

Ich habe die Vermutung, dass Du nicht weißt, was es bedeutet, ein Schweigen zu sein. Das gibt es tatsächlich, aber um das zu verwirklichen muss man viele Jahre seines Lebens daran gearbeitet haben. Ein Schweigen geworden sein, für anfangs eine Minute später vielleicht 10 minuten, bedeutet, alle Empfindungen und Gedanken in sich selbst zu absoluter Ruhe gebracht zu haben.

Auf andere Weise kann man kein Schweigen sein.

Epkachans Zeilen haben eine sichere ruhige Dynamik, die ich in Deinem Text vermisse. Sein Spannungsbogen läuft gleichmäßig auf ein Ziel zu, während Du Dich in Deinem Text verzettelst.

Bei Epkachan kann man die Dinge tiefer miterleben. Da ist die Dämmerung, die Enge, man riecht das feuchte Laub, schließlich gelangt man in Dunkelheit, und da offensichtlich nicht einmal mehr ein Vogellaut zu hören ist, auch in eine Stille.

Was dann kommt, ist sensationell: Es wird etwas vom lyrischen Ich abgelöst, hinweggetragen, es nistet sich ein zwischen den Baumstämmen und führt dort ein Eigenleben, nämlich das Schweigen des Lyri.

Dort befindet es sich nun und selbst Hase und Igel könnten es wahrnehmen das Schweigen des Lyri, weil es nämlich etwas Einmaliges, Individuelles ist mit keinem Schweigen eines anderen Menschen verwechselbar.

Siehst Du, die Schlichtheit schenkt dem Text die Tiefe und nicht der kleine "gewollte Schlenker" in die irgendwo abgeguckte Moderne.

Habe einfach mehr Mut, Du selbst zu sein, wenn Du schreibst und schau Dir mal an, wie man einen Spannungsbogen aufbaut.

Dein Potential ist nicht schlecht, und ich denke die LL ist ein Ort, der Dir helfen könnte, Deine Schreibe zu verbessern.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

NewDawnK

Mitglied
auf die "dunkelstunden" allerdings würde ich ungern verzichten, die scheinen mir doch eine gewisse originalität zu haben.
Stimmt. Die Dunkelstunden sind sehr originell - bei Rilke:

Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden,
in welchen meine Sinne sich vertiefen ...


... so lautet der Anfang eines seiner bekanntesten Gedichte aus "Das Stundenbuch/Das Buch vom mönchischen Leben"
http://rainer-maria-rilke.de/05a005dunkelstunden.html

Schöne Grüße, NDK
 
liebe/r epkachan, Beba, HerbertH, Heidrun D., Vera-Lena und NDK,

danke euch allen für das lesen und die beschäftigung mit diesem herbst-text. ich notierte ihn aus einer spontanen impression heraus, Heidrun hat das sehr unmittelbar aufgegriffen. weiter oben erwähnte ich ja bereits, dass ich epkachans argumente sehr gut nachvollziehen kann (und damit auch die deinen, Vera-Lena). in diesem zusammenhang bedanke ich mich besonders bei NDK, der (die? ich weiß es leider nicht) mir eine besondere freude machte, indem er/sie die "dunkelstunden" enttarnte: vielleicht ist ja nun klar, dass sie nicht ganz zufällig auftauchen, sondern so etwas wie ein kleiner schnörkel sind, eine art verweis ... deshalb möchte ich sie eben auch gerne "behalten" (stichwort noch einmal: metapoetik).

prinzipiell bin ich aber, wie gesagt, auch ganz einverstanden mit einer weiterbearbeitung im sinne von Vera-Lena oder epkachan, lasse dennoch die obige version stehen, die diskussion spricht ja für sich.
was die letzte zeile angeht, könnte ich mir gut vorstellen, auch das und noch zu streichen:

zwischen den Bäumen
stille
mein Schweigen

_____________

dann noch folgendes:

Ich habe die Vermutung, dass Du nicht weißt, was es bedeutet, ein Schweigen zu sein. Das gibt es tatsächlich, aber um das zu verwirklichen muss man viele Jahre seines Lebens daran gearbeitet haben. Ein Schweigen geworden sein, für anfangs eine Minute später vielleicht 10 minuten, bedeutet, alle Empfindungen und Gedanken in sich selbst zu absoluter Ruhe gebracht zu haben.
dies, Vera-Lena, läßt mich an dürckheim, exist-rütte, eventuell auch tich nathan, willigis jäger oder ilse middendorf/hertha richter denken - vielleicht unterschätzest du mich ... aber vielleicht ist es besser, unter- als überschätzt zu werden

nächtliche grüße, OM.
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Olaf,

ich habe nur geschrieben. Ich habe eine Vermutung, dass.... Ich habe Dir nichts unterstellt. Solltest Du Graf Dürckheim wirklich gekannt haben,oder zumindest seine Bücher gelesen haben, dann genügt mir das als Hinweis, dass Du schon weißt, wovon Du sprichst, wenn Du sagst:" Auch ich bin ein Schweigen".

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
hallo Vera-Lena, und: ja, einer verstehe des anderen hinweis, und todtmoos sei die mitte, aus der dieses verstehen erwächst.

herzliche grüße, OM.
 
B

Beba

Gast
So

dies, Vera-Lena, läßt mich an dürckheim, exist-rütte, eventuell auch tich nathan, willigis jäger oder ilse middendorf/hertha richter denken - vielleicht unterschätzest du mich ... aber vielleicht ist es besser, unter- als überschätzt zu werden
hatte ich das Schweigen eigentlich auch interpretiert ...

Ciao,
Bernd
 

llceres

Mitglied
Dunkelstunden - Atemholen, so wie die Bäume
sich erholen, wenn das Leben in ihren Kronen
still wird, lein Laut der Vögel, kein Rauschen
der Blätter usw. ... zur Besinnung kommen, wo
man ungestört seinen Gedanken freien Lauf
geben kann, jeder Schritt bewußt wird. Es ist sehr
schön, dieser Augernblick, wenn man zu sich selbst
findet, Schweigen wird, um zu horchen.

Die Zeilen berühren. Sie sind in einfachen Worten
und Sätzen geschrieben, sodaß man ohne groß darüber
nachzudenken, in die nächste Zeile geleitet wird,
langsam und behaglich, eher friedlich. Es ist
ein Wohlklang, bei dem der Autor nicht nur mit
dem Inhalt, sondern auch absichtlich mit seinem
Stil den Leser würdevoll zu einer Harmonie
führt.

Lest es einfach und lasst Euch tragen :)

Alles Liebe

Ceres
 
vielen dank, Ilceres, für deinen beitrag zum text.

herzliche grüße, OM.

@Beba: es war schon klar, dass du das schweigen richtig verstanden hattest. danke, OM.
 

Epkachan

Mitglied
metapoetik

hallo,

liebe vera-lena: danke für deine unterstützung.

nach ceres kommentar bin ich nun der meinung, dass sie vollkommen recht hat. ich entschuldige mich @OM und muss zugeben, dass ich sehr voreilig war. Warum soll man etwas kompliziert schreibem, was einem einfach erscheinen soll.
es erschliesst sich mir ein ganz anderes und ruhiges bild; ganz besonders schön finde ich "feucht ich das laub...", was für mich bedeutet so ähnlich wie, weiche erde.

das wollte ich noch sagen. wenn ich könnte, würde ich jetzt eine 8 geben, statt der 3, die ich schon gab.

lg, epkachan
 



 
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