Herbstimpressionen (schüttelgereimt)

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Mit kaltem Atem schreckt der Herbst die Zecken.
Du nahst mit Macht und färbst in Zerbst die Hecken,
auch Wald und Flur. Ob deine Farbe hält
bis mich durch dich ein graues Haar befällt?

Dein Wind zerzaust im Nieselwetter Blüten,
lässt allerorts die Eichenblätter wüten.
Selbst Felder gleichen nassen, trüben Sümpfen.
Die Fäulnis nagt an Futterrübenstümpfen.

Ich schlingere auf Pfaden, weiter sinnend,
(seh Spinnen manchen Faden weiter spinnend):
Noch bergen eure leichten Weben Leichen.
Wann wird aus euch das Spinnenleben weichen?

Noch fängt im Teich ein letzter Reiher Fisch.
Ach, würden ihm allein die Eier frisch!
Wie letzten Herbst erwarten viele Knochen
jetzt Schlaf von mir, sie knarrten viele Wochen.

Die Nacht war feucht und ebenso der Morgen.
Oh Herbst, mir macht im Bett schon Moder Sorgen.
Wie könnte ich mich nachts aufs Töpfchen trauen,
wenn mir am Po vereiste Tröpfchen tauen?
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
natürlich wieder unschlagbar. Ist der Echoreim eigentlich von dir erfunden oder gibts da Vorbilder?

Viele Grüße
Thomas
 
Hallo Thomas,
ich danke dir für dein Lob und freu mich natürlich darüber. Allerdings ist das kein Echoreim sondern schüttelgereimt ;)
Schüttelreimer gab und gibt es einige, Heinz Erhardt oder auch G. Nehm, der tolle Schüttelreime verfasste. Der Echoreim (wie in dem Sonett, welches Bernd hervorkramte) ist leider viel seltener. Selbst die Definition ist hier nicht 100% ig beschrieben. Mein Verständnis ist: Man kann Homophone (z.B. Mutter) und Homonyme (bete-Beete) benutzen oder Worte trennen und neu zusammenbauen (z.B. seh gerade-See gerade), um sie in einen anderen Sinnzusammenhang zu bekommen. Am Ende müssen sie aber unbedingt gleich klingen und, wie gesagt, einen neuen Sinn ergeben.

VG
Steffen
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hallo Steffen,

Schüttelreime kenn ich, hatte auch schon welche reingestellt. Aber diese Echos waren mir neu. Musste ich gleich mal ausprobieren, sind aber ganz schön schwer. Das kam bisher dabei raus:

Ich frag, wer spielt schön Mundharmonika?
Die Antwort, mit Haut und Haar – Monika
Die will ich besuchen zu Weihnachten
und weiß, ich muss auf guten Wein achten

Doch die Monika hat auch schon Bier gebraut
sie ist halt nur manchmal `ne schwier`ge Braut
bleibt mitten im Gemenge qualmend stehen
und lässt dabei jede Menge Qualm entstehen.

Ist zwar völlig sinnfrei, aber vom Prinzip her wohl richtig, oder?

Viele Grüße
Thomas
 
Hallo Thomas,
Das freut mich aber, dass ich dein Interesse geweckt habe :) Ja, genau so ist das Prinizip. Neben der Schwierigkeit, die Worte zu finden und ihnen einen Sinn zu verpassen, muss das ganze auch noch möglichst ungezwungen klingen und die Metrik passen… Mir persönlich macht diese Tüftelei allerdings sehr viel Spaß. Die Mundharmonika hatte ich auch schon mal am Wickel. Im Augenblick habe ich das Gedicht nicht parat, deshalb spontan mal ein Siebenzeiler dazu:

Angenervt

Ach spielte endlich Monika
harmonisch Mundharmonika!
Ich sprach zu ihr: "Mensch, übe leis
und iss, das wär nicht übel, Eis!
Drauf drehte sich die Moni um,
erspähte das Harmonium.
Ich bringe gleich die Moni um!


Hallo Norbert,
danke :) Ich habe dich hier auch schon mitbekommen ;), kamen mir doch einige Überschriften sehr bekannt vor... :)

VG Steffen
 

dissidentin

Mitglied
Mir gefällt das Gedicht, sind gute Einfälle mit drin.

Ich schlingere auf Pfaden, weiter sinnend,
(seh Spinnen manchen Faden weiter spinnend):
Noch bergen eure leichten Weben Leichen.
Wann wird aus euch das Spinnenleben weichen?
Der Abschnitt gefällt mir sogar sehr gut, hat nen schönen Silbenklang und klingt verträumt.

Du nahst mit Macht und färbst in Zerbst die Hecken,
Oh Herbst, mir macht im Bett schon Moder Sorgen.
Die klingen etwas gezwungen, finde ich.
 

presque_rien

Mitglied
Hi Steffen,

unglaublich geil (anscheinend sogar so sehr, dass ich meine Begeisterung nicht erwachsensprachlich darstellen kann ;)) - ich verneige mich zutiefst!

@dissidentin: Versuch doch mal, ein längeres Gedicht mit Schüttelreimen zu schreiben!! Also ich finde, das Gedicht ist erstaunlich unbemüht! (Und an den bemühteren Stellen sehr witzig ;)...)

Lg presque
 
O

Orangekagebo

Gast
Schüttelreime empfinde ich als besonders schwierig.
Unglaublich, dass Du das Tempo über mehrere Strophen aufrecht gehalten hast.
Das Einzige, was ich persönlich nicht als rund empfinde:

auch Wald und Flur. Ob deine Farbe hält
bis mich durch dich ein graues Haar befällt?
Aber ich bin zu wenig Lyriker, um Besseres aufzeigen zu können.

Insgesamt stark geschrieben, Lachmalwieder

Gruß, Karsten

P.S.: Ich hoffe, Du verzeihst meine Unpässlichkeit.
 
Hallo Dissidentin, presque_rien und Orangekagebo,
ich danke euch herzlich für eure Kommentare.
Schüttelreime sind nicht unbedingt jedermanns Sache, nicht zuletzt, weil sie durch die strengen Regeln, das enge Korsett häufig auch recht gequält klingen, wenn man überhaupt mal welche zu lesen bekommt. Insofern wundert es mich auch nicht, dass ihr Hinweise, Kritiken in diese Richtung gebt. Ich habe mich bemüht, die Reime relativ entspannt und metrisch passend hinzubekommen. Was besseres ist mir bisher nicht eingefallen ;) obwohl mir persönlich die zitierten Zeilen recht gut gefallen. Gerade das Farbe hält - Haar befällt gefällt mir besonders. Am schwächsten ist sicherlich noch die Moder - Zeile, die aber für diese gewählte Pointe notwendig war. Vielleicht habe ich irgend wann noch mal eine zündende Idee für eine Verbesserung:)
Wie auch immer, letztlich bleibt es Geschmackssache und das ist gut so. Ich danke euch nochmals sehr herzlich!

VG und ein schönes WE wünscht
Steffen

P.S.: @ karsten: Welche Unpässlichkeit? ;)
 



 
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