Herbstlaub

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Traum

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Helene und Martin sitzen auf der Parkbank. Sie lassen ihre Blicke über den See, die Insel und das Schweizer Ufer schweifen, hinter dem sich majestätisch die Berge erheben, die Gipfel bereits leicht verzuckert. Der See ist giftgrün aufgeschäumt. Der Wind reißt noch die letzten Blätter von den Bäumen, wirbelnd fallen sie zu Boden.

Es ist Herbst geworden. Und herbstlich ist es auch bei Helene und Martin. Sie sind bereits über 50 Jahre verheiratet, haben ihre Kinder groß werden sehen, Selbst die Enkel sind zum Teil schon erwachsen, ein Urenkelchen schreit in der Wiege.

"Mein Gott, wie die Zeit vergeht, Martin, ich kann´s einfach nicht fassen, wo ist sie nur geblieben?" wundert sich Helene.- Martin schaut hinaus auf den bewegten See. Drückt seinen Hut noch tiefer ins Gesicht, damit er nicht wegfliegen kann. "Hmm" sagt er, "früher hab´ich Drachen um diese Zeit steigen lassen, bin ihnen nachgewetzt, wie ein Wiesel!"- "Brauchst du nicht mehr, Martin, hast ja deinen Drachen nun ständig im Haus, oder?!" Helene knufft ihren Martin liebevoll in die Seite. Sie weiss, dass er in seiner Aktivität durch das Alter gebremst wurde. Er lehnt auch einen Spazierstock ab. Er doch nicht! Und: wie schaut das denn aus? Was sollen die Leute dazu sagen?

"Siehst du die Blätter am Boden, Martin? Ist doch schön, der goldene Herbst - und das Licht ist so weich, so samtig!" - "Hmm" brummt Martin, "aber der Nebel, der jetzt über den See kommt, Helene, den siehst du nicht! Alles ist schön bei dir, egal was!" - "Na und? Martin, ist das ein Fehler, ist es denn falsch, aus jeder Situation das Beste zu machen?" Es ist schon zum Verzweifeln mit diesem Miesepeter, denkt Helene, aber sie kennt ihn ja. Kennt ihn schon so lange. Er ist nun mal, wie er ist.

Die Nebelschwaden werden dichter. "Komm" sagt sie, "wir haben nun genug gesessen - wir gehen weiter." Sie schlagen den Weg durch den Park ein. Gefallenes Laub bedeckt den Weg. Helene hat die Idee. "Weisst du was, Martin, wir rascheln jetzt mit den Füßen durch das Laub wie die Kinder!" - Und schon pflügt sie mit ihren Schuhen wie eine Lokomotive durch das dichte Laub.

"Helene! Du benimmst dich wieder unmöglich!" bemerkt Martin dazu. Helene dreht sich nach ihrem Mann um, der etwas zurück geblieben ist, gerade so, als wenn er jetzt nicht zu ihr gehören möchte.

"Was ist los?" fragt sie, "wieso ist durch das Laub rascheln nur Kindern vorbehalten? Hast du das früher nicht gern getan?" Provozierend pflügt Helene weiter durch die herbstgoldenen Blätter am Boden. "Wir sind doch schon zu alt dafür, kapier´das doch mal, Helene!"

"Jetzt hör´ aber auf," sagt sie, "das ist ja nicht zum aushalten mit dir! Denk´einfach, du kannst deine Füße nicht mehr so anheben und nur noch schlurfend laufen- das würden die Leute bestimmt akzeptieren und Verständnis dafür aufbringen!"

Martin drehte sich verstohlen um. Niemand zu sehen. Ja, warum sollte er nicht auch mal...? - denkt er. Warum eigentlich nicht noch einmal das Gefühl haben, wie es früher war - ob es heute noch so schön ist, mit den Füßen raschelnd durch dichtes Laub zu pflügen?!

Zögernd beginnt er - und es geht! Sehr gut sogar, macht Spass! Immer schneller, immer heftiger rauscht er mit seinen Füßen durch das Laub am Boden. Holt seine Frau ein, gleicht sich den Schritten von Helene an. "Na siehst du, Männe" sagt Helene, "Ich hab´s doch gewußt, dass es dir Spass macht! Wieso ist es denn so ein Problem, noch einmal jung zu sein?!"
 

Traum

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leider kann ich kein Taschentuch durch den Äther schicken, liebe Flammarion, aber raschel Du für mich mit durch das herbstliche Laub, es ist an kein Alter gebunden.

Danke, wünsche Dir einen schönen Abend-

Traum
 



 
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