Herr Achselscheuer II

pleistoneun

Mitglied
Herr Achselscheuer, der Bruder einer blinden Wäscherin und eines leidenschaftlichen Feldkochs ist - und da schwanken die Angaben - zwischen 61 und 67 Jahre alt. Er wuchs nach eigenem Wunsch getrennt von seinen Geschwistern auf einem einsamen Bauernhof in Russland auf. Sein Leben war geprägt von Einsamkeit und Nutzlosigkeit, obwohl er ein verstecktes Talent zu unnützen Tätigkeiten witterte. Wie alle seiner Altersgenossen wurde er im gebärfähigen Alter zum orthodoxen Ministrantismus gezwungen und kam später - als weitere Station eines streng kommunistisch geregelten Lebens - zur Landesverteidigung und später zur russischen Armee. Da es dort Pflicht war, sich um gute soziale Kontakte außerhalb der Armee zu kümmern, damit man nach einem möglichen Kriegseinsatz sofort wieder gesellschaftlich eingegliedert werden konnte, bemühte sich Herr Achselscheuer um brieflichen Kontakt mit seiner Schwester, die aber nie den Hörer abhob. Der bequeme und gesellschaftsfremde Achselscheuer war ein schlechter Soldat und war bei zahlreichen Ehrungen und Beförderungen immer nur derjenige, der das Ordenskästchen hinhalten durfte. Aber als Ordenskästchenträger kann man keine Beförderung erhoffen, nicht in Russland. Nach seiner Zeit beim russischen Bund schickte man ihn zur freiwilligen Feuerwehr Breslowsk, ein ärmliches Nest mit Holzhütten und Strohdächern. Ein Unfreiweilliger also bei der freiwilligen Feuerwehr. Kaum stiegen die Temperaturen im ansonsten recht kühlen Breslowsk über 5 Grad, brannten die Dächer lichterloh und Herr Achselscheuer hatte seinen Einsatz. Seine Tätigkeit lag im Halten des Schlauches, nicht gerade sehr verantwortungsvoll, aber gerade dafür wurde er ja regelmäßig entlohnt. Sein unspektakuläres Leben wird heute ein jähes Ende finden, wenn er um 14:11 Uhr auf offener Straße Opfer eines Attentates wird. Achselscheuer wird zufällig in die Schusslinie eines vorbeifahrenden Fahrzeuges mit den Schützen geraten, die einen Anschlag auf den russischen Präsidenten verüben wollen. Er wird einen schnellen, heldenhaften Tod finden. Wie bei solchen Anlässen üblich, wird man Herrn Achselscheuer mit vielen Orden als Grabbeigabe in eine Grube versenken. Und bald wird sich niemand mehr an ihn erinnern, weil man den Vorgang wie üblich vertuscht.
 



 
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