Herr Fischer und seine Frau (Ein modernes Märchen)

MIO

Mitglied
Herr Fischer wohnt irgendwo in Deutschland. Er ist zufrieden mit seinem Leben. Nur manchmal beschleicht ihn die leise Ahnung, dass alles auch hätte ganz anders laufen können


Noch vor einem Jahr war Herr Fischer mit seiner Frau zusammen.
Moni war einzigartig, es gab sie nur einmal und das war auch gut,
auf jeden Fall für Herrn Fischer. Monis Körper war in den letzten Jahren zu weit geworden für den engen pinkfarbenen Jogginganzug.
Im Gesicht war alles am richtigen Platz, die zusammengekniffenen Augen, die Tränensäcke, und der grelle rosa Lippenstift.
Nur die Nase - Nein, die gefiel Moni überhaupt nicht.
Moni quasselte ununterbrochen, ohne Punkt und Komma.

"Wie oft habe ich dir schon gesagt, räum endlich deine Socken weg!
Triffst du dich schon wieder mit Harald, dem Suffkopp!
Wegen dir krieg ich noch einen Herzinfarkt! Bist du wirklich so dumm,oder tust du nur so! Der Müll steht immer noch hier!"
Den ganzen Tag rege ich mich auf, nur wegen dir!"

Herrn Fischer störte das schon lange nicht mehr. Er lebte unter einer Ganzkörperglocke und freute sich jedes Jahr auf den Frühling.

Dann holte er seine Angel heraus und zog los zum Baggersee.
Nun aber geschah etwas, das sein eingefahrenes Leben jäh beendete.
Sein Schicksal nahm eine unerwartete Wendung. Herr Fischer saß wie
so oft, auf seinem kleinen Hocker aus braunem Stoff. Er hielt die Angel, während die Schnur auf dem Wasser ruhte.
Mit einem tiefen Zug atmete er die neblige Morgenluft ein.
Der Raureif hatte eine weiße Decke über das grüne Gras gezogen.
Seine Augen schauten auf das Schilf, das sich im Wind sacht hin und her wog.
Die rote Sonne hob sich langsam zum Himmel und ließ die zarten Wellen auf dem See glitzern und funkeln.
Eine Entenfamilie schwamm vorbei, Vogelgezwitscher erklang.
Da, plötzlich und unerwartet zuckte es an der Angel.
Er zog hoch und ein kleiner, schillernder Fisch schaute ihm
ängstlich in die Augen. "Lass mich bitte frei, ich erfülle dir jeden Wunsch", blubberte der Fisch mit verzweifelter Stimme.
" Danke, aber ich bin zufrieden", sagte Herr Fischer.
Er warf den Fisch ins Wasser und machte sich auf den Heimweg.
Allerdings hätte er ahnen müssen, dass sich eine Katastrophe anbahnt, als er Moni die ganze Geschichte erzählte.
"Bist du denn verrückt geworden", schrie sie.
"Morgen gehst wieder hin, ich schreib inzwischen alles auf.
Und sie schrieb: Ein schmuckes Haus am Rande der Stadt, Pool,
ein schwarzes Cabrio, weiße Perserkatze, selbstfahrender
Staubsauger, Schönheitsoperation, Großbildfenseher, Geranien...
Am nächsten Morgen, machte sich Herr Fischer mit weichen Knien
auf den Weg zum See. Weil er den Namen des Fisches nicht wusste,
rief er einige Male einfach: "Fisch". Das Wasser fing an zu brodeln
es färbte sich seltsam lila, grün und schwarz. Dann sah er ihn.
"Meine Frau, die Moni", rief Herr Fischer," hat doch ein paar Wünsche. Er konnte das Herz in seiner Brust klopfen hören.
"Okey", sagte der Fisch. " Aber du darfst nur einmal kommen, ich
hatte hier schon Fälle da ist die Sache total ausgeufert."
"Ja",sagte Herr Fischer, zog mit zittrigen Fingern die Liste
aus der Tasche und fing an zu lesen...
Geh nur nach hause", sagte der Fisch."Es ist alles da."
Nun hätte alles so schön sein können -
Aber knapp sechs Wochen später, wollte Moni während der Fahrt
die weißen Katzenhaare vom Amaturenbrett des Cabrios entfernen.
Dabei verlor sie die Kontrolle über das Lenkrad.
Sie kam von der Fahrbahn ab und raste gegen einen Baum.
Moni war auf der Stelle tot, während ihr Liebhaber nur leichte
Verletzungen davontrug. Herr Fischer sitzt nun wieder in
seiner Neubauwohnung, er ist zufrieden.
 



 
Oben Unten