Ach ja, früher unterhielt uns nur das Kino mit Filmen aus fernen Ländern, mit Menschen fremder Kulturen, mit malerischen Landschaftsbildern, es verblüffte durch die Präsentation urwüchsiger Sitten und Gebräuche, - kurzum, das Kino vermochte es, Exotisches in Reinkultur zu bieten.
Heute kennt man (fast) alles... Das Fernsehen berichtet täglich aus Moskau, New York, London, aus Irland, Indien, Kirgisien, Australien, vom Nordpol – wie von nebenan und da ist es fast so, als wäre man überall schon mal dort gewesen. Wer vermag es, uns noch wirklich zu überraschen?
Na, das Fernsehen natürlich mit seinen Serien! - Wen erst die Dauerseher-Schizophrenie gepackt hat, der ist verloren. Er kennt alles, weiß im Voraus, wie es weitergeht und glaubt schließlich, mit in dieser Welt zu leben und im Endstadium gar, diese Welt selbst erfunden zu haben. Übertrieben? - Aber nein, hier ein Beispiel:
Hinter den sieben Bergen – also gar nicht weit von uns entfernt – flimmert eine wahrhaft exotisch-erotisch sonnenverwöhnte Bergwelt, - weit unterhalb des bayerischen Weißwurst-Äquators, dort wo es noch wahre Engel gibt und wo ein studierter Engel, eben der Dr. Engel als Tierarzt in Freuden lebt, in Schmerzen liebt und wie ein Wunderheiler schafft, behütet nur von seiner echt lieben Schwiegermutter, dieweil ihn sein ebenso nettes wie leicht bedeppertes Apotheker-Weib verließ, da sein Edelmut und Anstand wohl auf Dauer nicht länger auszuhalten waren. Man bedenke diese schmerzvolle Tragik, die sich bisher schon von Folge zu Folge wälzte, - bis da plötzlich ein brutaler, instinktloser und unsensibler Fernsehgewaltiger der Produktion das Licht ausdrehte... Ein Paradies verlöschte.
Aber das Paradies wurde wieder eingeschaltet. Eine neue Staffel nennt man das. Nun erfahren wir auch, wer diese Monate der Finsternis als Mensch und Tier überlebt hat. Und mit wehmütiger Erinnerung begleiten wir ihn wieder, den guten Dr. Engel...
Er, den man bergauf bergab nur den Viechdoktor nennt, ist ein heiter-liebevoller Vater seiner beiden Kinder; doch wie er die geschafft hat, bleibt ein Rätsel – weil jedes Mal das Handy läutet, wenn der Doktor sich einer Frau nähert... Ist dies Fügung des Himmels, - ein Mahnruf der anderen Engel aus dem Jenseits zu bajuwarisch-himmlischer Keuschheit? - So ruft denn statt irdischer Liebesfreuden das Handy in Kuh- oder Pferdeställe, zu Katze, Papagei oder Haus-Maulwurf. – Auch kleinere Zwistigkeiten in tierreichen Familien behandelt Dr. Engel mit der Routine eines erfahrenen Berg-Psychologen; er ist eben ein promovierter Engel...
Und er ist ein urwüchsiges Mannsbild von Viechdoktor, - ein Wahnsinns-Sympathieträger trotz Verständigungs- Schwierigkeiten; denn sein Handeln versteht seine Umwelt nicht, und seine Sprache versteht der Zuschauer nicht, da die Sendungen in Bajuwarisch ausgestrahlt werden. Auf Untertitel wurde verzichtet, um die Aufmerksamkeit von dem bewegenden Handlungsablauf nicht abzulenken. Aber so ein Kerl auch! - Der braucht wirklich nur so da zu stehen, - man muss ihn nicht auch noch verstehen... Und ein Auto fährt der! - Landrover aus Willy Werkels Bastelbude. What a man, and what a car!
Aber Neid und Intrigen umgeben den selbstlosen Viechdoktor. – Da ist die böse Konkurrenz in Gestalt des blasierten Nichtskönners Dr. Molfenter, dem ausgerechnet die sympathische neue Flamme des Viechdoktors assistiert. – Doch damit der Dramatik nicht genug: auch die Engel ganz oben sabotieren jedes neue Glück - wie erwähnt - immer wieder per Handy... Neueste Technik bei den himmlischen Heerscharen!
Die übrige irdische Gemeinde besteht aus vertrackten Familienverhältnissen mit lustvoll ausgetobten Vorurteilen gegen alles und jeden, angeführt vom korrupten und zu Hause pantoffeligen Bürgermeister mit seinem fies-geltungsbedürftigen Eheweib und deren Affenliebe zu einem putzigen Woll-Hündchen mit Namen Putzi, - na wie auch sonst...
Und am Horizont dräuet Arges: Die Idylle soll durch den Bau einer Mülldeponie zerstört werden. Wo bleiben da die Proteste von den Grünen?! – Ich sehe schon, das Problem bleibt wieder ganz allein am edlen Viechdoktor hängen. Aber der schafft das souverän, da bin ich ganz sicher. Er hat schließlich längst mein schizophrenes Vertrauen... Also, Quirin, enttäusche mich nicht! - Quirin ist übrigens kein Aspirin-Ersatz , sondern der Name des Viechdoktors.
Um die Dramatik auf den schier nervenzerrüttenden Gipfel zu treiben, hat das Schicksal dem guten Dr. Engel eine ebenso aufrichtige, liebe und tüchtige weibliche Seele zur Seite gestellt, - und er bemerkt sie nicht! – Es ist zum Heulen, - jedes Mal, in jeder Folge. – Es handelt sich um seine verschmähte Liebe, die ihm selbstlos assistiert, obwohl sie arm ist wie eine Kirchenmaus, aber ein eigenes Alm-Tierheim unterhält, wo sogar ein Elefant seine Heimat gefunden hat. - Drumbo auf der Alm! – Das ist so echt aus dem Leben gegriffen! Dagegen sind Titanic und Dracula banale Nichtigkeiten!
Wirklich, ein wahrlich exotisches Paradies, zwar mit Intrigen, aber immer mit der beruhigenden Gewissheit: „Jo mei, dr Viechdokter wird’s am End‘ scho‘ richten!“ -
Ich muss das sehen, weil diese Serie mich persönlich in eine Identitätskrise gestürzt hat. Führe ich ein Doppelleben, ohne es zu wissen?? - Denn alles, was in diesen Serien passierte, wusste ich schon im voraus... Wie kann das sein? - Bin ich in meinem Doppelleben der wahre Autor dieser Serie...? - Scheint so...
Deshalb freue ich mich auf die nächsten Folgen; schließlich muss ich als möglicher Autor kontrollieren, ob diese Fernsehfritzen alles richtig gemacht haben...
Träumte ich doch letzte Nacht, der Viechdoktor habe in fröhlichem Rotwein-Rausch das Radio eingeschaltet, aus dem die Ansagerstimme ertönte: „Liebe Opernfreunde auf der Alm, Sie hören nun die Wahnsinns-Arie der Veterinäa ‚Großmutter trug am Bruchband ´nen Revolver‘ aus der tragischen Oper ‚Franz, du stinkst‘...“
Nein, da wusste ich es: Das ist nicht von mir! Von mir nicht...! - Bin ich erleichtert... Das ging ja gerade noch mal gut.
© Lambertus, Juni 2002
Heute kennt man (fast) alles... Das Fernsehen berichtet täglich aus Moskau, New York, London, aus Irland, Indien, Kirgisien, Australien, vom Nordpol – wie von nebenan und da ist es fast so, als wäre man überall schon mal dort gewesen. Wer vermag es, uns noch wirklich zu überraschen?
Na, das Fernsehen natürlich mit seinen Serien! - Wen erst die Dauerseher-Schizophrenie gepackt hat, der ist verloren. Er kennt alles, weiß im Voraus, wie es weitergeht und glaubt schließlich, mit in dieser Welt zu leben und im Endstadium gar, diese Welt selbst erfunden zu haben. Übertrieben? - Aber nein, hier ein Beispiel:
Hinter den sieben Bergen – also gar nicht weit von uns entfernt – flimmert eine wahrhaft exotisch-erotisch sonnenverwöhnte Bergwelt, - weit unterhalb des bayerischen Weißwurst-Äquators, dort wo es noch wahre Engel gibt und wo ein studierter Engel, eben der Dr. Engel als Tierarzt in Freuden lebt, in Schmerzen liebt und wie ein Wunderheiler schafft, behütet nur von seiner echt lieben Schwiegermutter, dieweil ihn sein ebenso nettes wie leicht bedeppertes Apotheker-Weib verließ, da sein Edelmut und Anstand wohl auf Dauer nicht länger auszuhalten waren. Man bedenke diese schmerzvolle Tragik, die sich bisher schon von Folge zu Folge wälzte, - bis da plötzlich ein brutaler, instinktloser und unsensibler Fernsehgewaltiger der Produktion das Licht ausdrehte... Ein Paradies verlöschte.
Aber das Paradies wurde wieder eingeschaltet. Eine neue Staffel nennt man das. Nun erfahren wir auch, wer diese Monate der Finsternis als Mensch und Tier überlebt hat. Und mit wehmütiger Erinnerung begleiten wir ihn wieder, den guten Dr. Engel...
Er, den man bergauf bergab nur den Viechdoktor nennt, ist ein heiter-liebevoller Vater seiner beiden Kinder; doch wie er die geschafft hat, bleibt ein Rätsel – weil jedes Mal das Handy läutet, wenn der Doktor sich einer Frau nähert... Ist dies Fügung des Himmels, - ein Mahnruf der anderen Engel aus dem Jenseits zu bajuwarisch-himmlischer Keuschheit? - So ruft denn statt irdischer Liebesfreuden das Handy in Kuh- oder Pferdeställe, zu Katze, Papagei oder Haus-Maulwurf. – Auch kleinere Zwistigkeiten in tierreichen Familien behandelt Dr. Engel mit der Routine eines erfahrenen Berg-Psychologen; er ist eben ein promovierter Engel...
Und er ist ein urwüchsiges Mannsbild von Viechdoktor, - ein Wahnsinns-Sympathieträger trotz Verständigungs- Schwierigkeiten; denn sein Handeln versteht seine Umwelt nicht, und seine Sprache versteht der Zuschauer nicht, da die Sendungen in Bajuwarisch ausgestrahlt werden. Auf Untertitel wurde verzichtet, um die Aufmerksamkeit von dem bewegenden Handlungsablauf nicht abzulenken. Aber so ein Kerl auch! - Der braucht wirklich nur so da zu stehen, - man muss ihn nicht auch noch verstehen... Und ein Auto fährt der! - Landrover aus Willy Werkels Bastelbude. What a man, and what a car!
Aber Neid und Intrigen umgeben den selbstlosen Viechdoktor. – Da ist die böse Konkurrenz in Gestalt des blasierten Nichtskönners Dr. Molfenter, dem ausgerechnet die sympathische neue Flamme des Viechdoktors assistiert. – Doch damit der Dramatik nicht genug: auch die Engel ganz oben sabotieren jedes neue Glück - wie erwähnt - immer wieder per Handy... Neueste Technik bei den himmlischen Heerscharen!
Die übrige irdische Gemeinde besteht aus vertrackten Familienverhältnissen mit lustvoll ausgetobten Vorurteilen gegen alles und jeden, angeführt vom korrupten und zu Hause pantoffeligen Bürgermeister mit seinem fies-geltungsbedürftigen Eheweib und deren Affenliebe zu einem putzigen Woll-Hündchen mit Namen Putzi, - na wie auch sonst...
Und am Horizont dräuet Arges: Die Idylle soll durch den Bau einer Mülldeponie zerstört werden. Wo bleiben da die Proteste von den Grünen?! – Ich sehe schon, das Problem bleibt wieder ganz allein am edlen Viechdoktor hängen. Aber der schafft das souverän, da bin ich ganz sicher. Er hat schließlich längst mein schizophrenes Vertrauen... Also, Quirin, enttäusche mich nicht! - Quirin ist übrigens kein Aspirin-Ersatz , sondern der Name des Viechdoktors.
Um die Dramatik auf den schier nervenzerrüttenden Gipfel zu treiben, hat das Schicksal dem guten Dr. Engel eine ebenso aufrichtige, liebe und tüchtige weibliche Seele zur Seite gestellt, - und er bemerkt sie nicht! – Es ist zum Heulen, - jedes Mal, in jeder Folge. – Es handelt sich um seine verschmähte Liebe, die ihm selbstlos assistiert, obwohl sie arm ist wie eine Kirchenmaus, aber ein eigenes Alm-Tierheim unterhält, wo sogar ein Elefant seine Heimat gefunden hat. - Drumbo auf der Alm! – Das ist so echt aus dem Leben gegriffen! Dagegen sind Titanic und Dracula banale Nichtigkeiten!
Wirklich, ein wahrlich exotisches Paradies, zwar mit Intrigen, aber immer mit der beruhigenden Gewissheit: „Jo mei, dr Viechdokter wird’s am End‘ scho‘ richten!“ -
Ich muss das sehen, weil diese Serie mich persönlich in eine Identitätskrise gestürzt hat. Führe ich ein Doppelleben, ohne es zu wissen?? - Denn alles, was in diesen Serien passierte, wusste ich schon im voraus... Wie kann das sein? - Bin ich in meinem Doppelleben der wahre Autor dieser Serie...? - Scheint so...
Deshalb freue ich mich auf die nächsten Folgen; schließlich muss ich als möglicher Autor kontrollieren, ob diese Fernsehfritzen alles richtig gemacht haben...
Träumte ich doch letzte Nacht, der Viechdoktor habe in fröhlichem Rotwein-Rausch das Radio eingeschaltet, aus dem die Ansagerstimme ertönte: „Liebe Opernfreunde auf der Alm, Sie hören nun die Wahnsinns-Arie der Veterinäa ‚Großmutter trug am Bruchband ´nen Revolver‘ aus der tragischen Oper ‚Franz, du stinkst‘...“
Nein, da wusste ich es: Das ist nicht von mir! Von mir nicht...! - Bin ich erleichtert... Das ging ja gerade noch mal gut.
© Lambertus, Juni 2002