Höchstes Lob

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Vera-Lena

Mitglied
Höchstes Lob

Graf Willibald ein Lorbeerblatt
aus seinem Kranz gebrochen hat;
er bot es mir, der Rührung Träne
hing fest an seiner Wimpernmähne.

Er sprach: Du schreibst zwar ohne Musen,
hast trotzdem mir bewegt den Busen.
Dein Dichterwort: „Du, Welt, bist Schein
und ich darin so ganz allein“,

hat mir die Seele aufgewühlt.
Jahrhundertlang blieb unterkühlt
mein Herz und auch das meiner Ahnen,
doch lauscht es pochend deinem Mahnen.

Er reichte mir das Lorbeerblatt,
das wirklich gut gerochen hat;
entzückt tat ich es in die Suppe,
die Scheinwelt war mir plötzlich schnuppe.
 

Sonnenkreis

Mitglied
Liebe Vera-Lena;

Dein Gedicht habe ich mir kopiert und wieder und
wieder gelesen. Nun; ich weiß nicht ob ich dabei
unkonzentriert war oder ob es wirklich ein wenig
schwierig ist, da wirklich dahinter zu kommen.

Das Schwierige daran, das meine ich -nicht- ent-
wertend; im Gegenteil, ich selber werde eigentlich
erst richtig wach, wenn mich etwas fordert.

Als ich Dein Gedicht dann für mich gelöst habe,
das stellte sich ein Schmunzeln ein: Aha, dachte
ich mir, ist vielleicht eine ganz köstliche Beigabe
dieses Lorberblatt.

Und diese Suppe, es scheint mir als ob die ma-
gische Kräfte entfaltet: Wenn man sie ißt, wird
das Spüren nicht nur etwas realer; es wächst so-
gar über das Ich hinaus....

Toll!

Dir einen schönen zweiten Advent und

von Herzen

Alles Liebe;))
Sonnenkreis
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Sonnenkreis,
als ich den Text schrieb, da dachte ich eigentlich, ich wüsste, was ich da geschrieben habe, aber jetzt , da ich es wieder lese, kommt es mir so neu vor, als wäre es gar nicht von mir. Schon komisch!
Ich muss mir jetzt meinen eigenen Text interpretieren.
Ich versuche es einmal:

Da ist also ein Dichter, der immerhin einen gewissen Ruf genießt, wenn er von einem adeligen Herren, (der Text scheint in früheren Jahrhunderten zu spielen,) ein Ruhmesblättchen erhält. Der Geber scheint selbst ein berühmter Mann zu sein und schenkt dem Dichter also sozusagen etwas von seinen eigenen Ehrungen.

Der Dichter hat einen Text geschrieben: "Du, Welt bist Schein und ich darin so ganz allein". Das scheint mir doch eine sehr negative Wahrnehmung zu sein. Wenn er hinter dem Schein wenigstens sich selbst entdecken würde, aber nein, er lässt eine Klage über seine Einsamkeit folgen.
Was hat den Grafen Willibald dazu gebracht, von diesen Worten derartig berührt zu sein? Also das wird hier nicht enthüllt.

Der Dichter nimmt die Ehrung entgegen, aber nicht als Ehrung, sondern ihm bedeutet das Lorbeerblatt eben das, was es ist, nämlich ein Gewürz und so gibt er es ohne viel Federlesen in die Suppe.
Und siehe, die Suppe war gut und deshalb war die Welt auf einmal auch gut, denn mit einer warmen Suppe im Magen, kann man sich einfach nicht mehr so furchtbar schlecht fühlen und die Ehrung, die er sich nun in aller Einfachheit einverleibt hatte, nahm ihm dann auch für Augenblicke das Gefühl der Einsamkeit hinweg. Er kam sich nicht mehr so nutzlos vor und er hatte mit seinem Schmerz das Herz eines vielleicht auch einsamen und verhärteten Menschen berühren können.

Also so furchtbar humorvoll ist das nicht. Ich würde sagen, das ist eher ein skurriler Text, und deshalb ist er in diesem Forum vielleicht doch richtig untergebracht.

Wenn ich mir jetzt noch einmal Deine Antwort durchlese, dann haben wir , glaube ich, den Text auf die gleiche Weise "verstanden". Schade, dass man ihn nicht einfach so auf Anhieb genießen kann, denn das hatte ich beim Schreiben doch gedacht.

Ich danke Dir herzlich für Deine Antwort, die mich dazu gebracht hat, mir die Sache noch einmal genauer anzusehen.

Dir noch einen schönen Abend! :)

Ganz liebe Grüße von Vera-Lena
 

Udogi-Sela

Mitglied
Also, Vera-Lena, ich habe dein Gedicht auf Anhieb genossen, eben weil es etwas sofort erkennbar skurriles hat und das Thema auf der Hand liegt:

Dieser Graf kann nur eine imaginäre Figur sein, jahrhundertealt, (weil sein Herz „jahrhundertlang war unterkühlt“) Es handelt sich sozusagen um den alten Weisen im Dichter, der schon mindestens einen Sieg (welchen auch immer, jedenfalls besitzt er einen Lorbeerkranz) davongetragen hat und etwas überlegen und spöttisch auf den Dichter herabblickt, weil der noch lange nicht so toll ist, wie der lorbeerbekränzte Graf (Er sagt herablassend: „Du schreibst zwar ohne Musen, hast trotzdem...)
Und weil der Dichter eben jetzt EINMAL in Jahrhunderten(!) (Hinweis auf die „Ahnen“) das Herz des Grafen gerührt hat, überreicht der Graf EIN Lorbeerblättchen (anstatt den ganzen Kranz) an den Dichter. Das ist Spott und Hohn! Der Dichter aber erkennt das und antwortet mit gleicher Münze: Ich werde mir das Blättchen nicht in einem Goldrahmen an die Wand hängen, sondern in der Suppe verarbeiten, wo es seinen guten Zweck erfüllt und so kurz seiner Werterfüllung dient, wie es eben auch dem kurzen Lob des Grafen an den Dichter entspricht.

Zum Zweiten handelt es sich ja auch um ein imaginäres Lorbeerblatt aus einer Scheinwelt, das allerdings in einer imaginären Suppe landet, obwohl dem Dichter „die Scheinwelt plötzlich schnuppe war“. Der Dichter kocht sich weiter „seine Süppchen“ und geht mit Lob so um, wie es ihm am besten dient...

Das Gedicht spielt sich auf zwei Ebenen ab. Da ist einmal die Scheinwelt, in der der Graf lebt und zum anderen die, in der der Dichter seine imaginären Süppchen kocht. (Und eine dritte liegt im Kopf des Lesers.)

Auch der Titel „Höchstes Lob“ ist reinste Ironie.

Ich finde das Gedicht toll. Höchstes Lob.
Keine Ironie.

Herzlichst
Udo
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Udo,

danke für Deine Interpretation!

Ja, das hast Du schön herausgefiltert, wie man mit Herablassung gut zurecht kommen kann. Das steckt auf jeden Fall in diesem Text und es freut mich auch, dass Du Deinen Spaß daran hattest.

Dir noch einen schönen Abend! :)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

MDSpinoza

Mitglied
Mir gefällt dieser Dichter. Er zeigt Selbstbewußtsein, weil er seine eigenen Werte kennt und ihnen treu ist. Ehrungen sind nett, aber statt das Lorbeerblatt an die Wand zu hängen und es von anderen Bewundern zu lassen, die ihm sowieso wurscht sind, würzt er seine Suppe damit. Da ist es ihm, und nur ihm selbst, von direktem Nutzen. Das hat Stil, wie auch das Gedicht zu seinen Ehren. "9"!
Brecht sagte etwas kurzsichtig: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Dein Dichter, Vera-Lena, zeigt, daß Fressen und Moral sehr wohl etwas miteinander zu tun haben.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Ulrich,

bin immer noch am Lachen. :D

Danke für die Verschmelzung von Fressen und Moral. Ja, ich stimme Dir zu, dieser Dichter hier konnte das bestens in Einklang bringen.

Dir einen fröhlichen Abend! :)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Sonnenkreis

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

nun möchte ich aber, der Ausgewogenheit zuliebe
die Seite des Grafens beleuchten:

Jahrhunderte lang wurde dort übergeben, das Herz
habe kalt zu sein. Und Reichtum sei zu bewahren,
denn sonst gäbe es Reichtum im materiellen Sinne
gar nicht.

Hier ist also der Graf über seinen Schatten ge-
sprungen. Ausgelöst durch des Dichters Kunst, die
zwar (dem erlernten Verhalten nach) herabgewürdigt
wird; aber dennoch wirksam ist.

Und was soll der Dichter mit dem ganzen Lorbeerkranz?
Die Suppe würde damit furchtbar schmecken :D))!

Liebe Vera-Lena; schön hier wieder zu schmunzeln. Nicht
nur über Dein Gedicht;)).

Dir von Herzen ganz viele

Liebe Grüße
Sonnenkreis
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Sonnenkreis,

brrrrrrrr....die Geschmacksnerven auf meiner Zunge haben sich augenblicklich gekräuselt. Ja, da hast Du Recht, gleich der ganze Kranz in der Suppe....aber das hätte er ja dann auch nicht getan, der Dichter. Den hätte er ja an die Wand gehängt, wenn er ihn nicht gerade auf dem Haupte trug, und ihn jährlich einmal entstaubt.

Dass der Graf innerhalb seiner Ahnenreihe zu einem ganz neuen Ansatz in seinem Verhalten verleitet wurde, ja, ich hoffe, dass die Regenbogenpresse davon Wind bekommen hat und trotz drohender Klagen, wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte, diese Herzumwandlung veröffentlichen wird.

Danke für Deine ergänzenden Anmerkungen! :)

Dir alles Liebe!
Vera-Lena
 

Herr Müller

Mitglied
Mir

Hallo Vera-Lena,

erst dachte ich, oh wie viele "mir" im Text. Dann dachte ich mir, das ist mit Absicht, beim Rezitieren wird es sogar ein kräftiges lautes "MIR". Gehe ich recht in der Annahme liebe Vera-Lena?
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Henrik,

dieses "mir" macht deutlich, dass da Menschen ein Bewusstsein dafür haben, was ihnen selbst gschieht. Nichts geht spurlos an ihnen vorbei. Beide, der Graf sowohl als auch der Dichter haben zwar ein Erleben, der eine durch die Handlungen des anderen, aber sie beziehen sich eben nur hauchdünn aufeinander, am liebsten würden sie gar nicht wahr haben wollen, dass ihr Erleben durch den anderen ausgelöst wird. Deshalb kann es gar nicht anders sein, als dass sie von sich selbst erzählen , was "mir", ihnen geschehen ist.

Dein Dichterwort hat mir die Selle aufgewühlt und nicht [blue]Du[/blue] [blue]hast mir die Seele aufgewühlt.[/blue]
Der andere wird einfach nur zur Hälfte wahrgenommen.

"Er reichte mir das Lorbeerblatt," Das hat hört sich schon richtig erstaunt an, fast ungläubig, dass nicht jemand Anderes das Lorbeerblatt bekommen hat. Denn der Graf hielt es ja lange in seiner Hand. Er bot es ja schon dar in der ersten Strophe, bis er es dann doch noch übergeben hat.

Der Graf redet den Dichter zwar direkt mit "Du" an, aber doch eher abfällig. Wenn er dann von seiner inneren Bewegtheit spricht sagt er nicht: [blue]Ich lausche deinem Mahnen[/blue], sondern er umschreibt: "Mein Herz lauscht pochend deinem Mahnen". Er bleibt auf Distanz.

Ich denke, das wird durch das "mir" deutlich, dass hier keine Ich-Du Beziehung besteht, obgleich Gewichtiges passiert. Insofern kann der Dichter gar nicht anderds als nonchalant mit dem Lorbeerblatt umzugehen.

Lieber Henrik, danke, dass Du wieder so genau gelesen hast.
Ich denke schon, dass man dem Text beim Vortagen durch eine verstärkte Betonung des "mir" einen speziellen inhaltlichen Akzent geben kann.

Ich freue mich, wieder einmal von Dir zu hören.
Dir einen schönen Tag! :)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Herr Müller

Mitglied
Hallo Vera-Lena

dann habe ich alles richtig verstanden. Danke für die ausführliche Erläuterung! Ich freue mich auch, wenn ich mal Zeit finde hier zu stöbern.

Henrik
 

Sonnenkreis

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

ganz plötzlich, wie aus einem Traum fiel mir der
Freud´sche Ansatz zu Deinem Gedicht ein:

Der Graf als die Braut, der Dichter als der Werbende.
Den Kranz als Symbol für weibliche Sexualität (der
begriff Kranzgeld erheitert Studenten jeder Generation!);
die Dichtkunst als das Liebeswerben.

Die Braut erhört den Liebenden also nicht ganz, gibt ihm
nur einen Teil ihres Kranzes, woraus er eine Suppe kocht.
Das Essen (in der Symbolik steht Essen für Sex) findet
nun nicht mehr in der Scheinwelt statt, das bedeutet es
hat Begegnung stattgefunden. Da "der Graf" nicht den
ganzen Kranz hergab kann davon ausgegangen werden,
das es nicht zum "Äußersten" kam.

Meine Zeilen seien hier nur eine Kurzanalyse; eine nähere
Betrachtung gäbe sicherlich einiges mehr her. Würde aber
meiner Ansicht nach das Bild im Sinn nicht verändern, son-
dern lediglich detailierter darstellen.

Auch die angfügten Kommentare erscheinen mir nun in
einem neuen Licht. Dir Rubrik Humor also hier gut ge-
troffen; obwohl im tieferen Sinne nun auch die Rubrik Liebe
und Erotik sicherlich nicht unzutreffend wäre.

Dir liebe Vera-Lena ein höchstes Lob für einen Text, der
nicht nur wunderbar geschrieben ist; sondern einiges mehr
enthält als es offensichtlich ist. ;))

Dazu von Herzen ganz viele

Liebe Grüße
Sonnenkreis
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Sonnenkreis,

an das Kranzgeld kann ich mich auch noch dunkel aus meiner Schulzeit oder Studentenzeit erinnern :D

Jetzt hast Du den Text ja noch einmal ganz gründlich unter die Lese-und Interpretationalupe genommen! Alle Achtung! Ja, mir macht es auch immer Spaß, wenn ein Text mehrerlei Gedankenverbindungen zulässt.

Doch, so kann man es auch deuten, ohne dem Text Gewalt anzutun. Interessant! Natürlich stelle ich mir das jetzt vor, wie diese (halbe) Annäherung ausgesehen hat.....;) Wie auch immer, dem Dichter hat sie doch zunächst eine Entzückung gebracht.

So betrachtet müsste nun eigentlich, Fortsetzung folgt, angekündigt werden. Aber ich weiß leider nie im voraus, was ich als nächstes schreiben werde.

Dir einen schönen Tag in der diesjährigen Adventszeit! :)
Ganz liebe Grüße von Vera-Lena
 
R

rmdp

Gast
kann mich dem zauber deiner fröhlichen wortklarheit auch nach all den worten der anderen nicht entziehen...besteht

dein freund ralfi
 

Ecki

Mitglied
Hochstes Lob

Die eigentliche Idee finde ich gut, aber sprachlich noch nicht ausgereift. Ein Schönheitsfehler in der zehnten
Strophe. "Jahrhunderlang war unterkühlt". Hier würde ich "war" durch "wohl" ersetzen, so erhält dein Gedicht mehr Farbe, und so könnte das "war" in der letzen Zeile
deiner vier Strophen besser zur Geltung kommen.
Proplematischer scheint mir der Reim:
" Du schreibst zwar ohne Musen,
hast trotsdem mir bewegt den Busen."
Ist der Graf nicht doch eine Gräfin.
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Ecki,

in früheren Jahrhunderten sprachen auch die Männer davon, dass der Busen bewegt sei. Sie meinten die Seele damit. Im 17. Jahrhundert war das üblich.

Wenn ich Deinen Vorschlag übernehme und das "war" austausche in "wohl", dann hat man keinen vollständigen Satz mehr.
Ich könnte statt "war" schreiben "blieb" dann wäre die Sache auch rund.

Danke für Dein aufmerksames Lesen und Deine Hinweise!

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Ecki

Mitglied
Die eigentliche Idee finde ich gut, aber sprachlich noch nicht ausgereift. Ein Schönheitsfehler in der zehnten Strophe:" Jahrhundertlang war unterkühlt". Hier würde ich "war" durch "wohl" ersetzen., so erhält dein Gedicht mehr Farbe und so könnte das "war" in der letzten Zeile deiner vier Strophen besser zur Geltung kommen.
Problematischer scheint mir der Reim.
"Du schreibst zwar ohne Musen,
hast trotzdem mir bewegt den Busen."
Würd hier nicht der Graf zur Gräfin nur um eines Reimes willen.

Liebe Grüße, gute Einfälle,Ecki
 



 
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