Horrorfilme

3,00 Stern(e) 2 Bewertungen
Meine Freundin Natasha sieht leidenschaftlich gerne Spielfilme. Und zwar vor allem die neuesten aus Hollywood. Wie es sich für eine Vertreterin des schönen Geschlechts gehört, liebt sie besonders Komödien, Liebesfilme und blutige Actionfilme, in denen sich die Leichen nur so tummeln, die Nebendarsteller dahingemeuchelt werden und attraktive Helden coole Sprüche zwischen einer Explosion, Schießerei oder der nächsten Sexszene auf den Lippen haben.

Manchmal allerdings, so ungefähr um Halloween, aber nicht später als Ostern, beginnt sie der Teufel zu reiten, wachsen ihr die Fingerkrallen und sie bekommt diesen diabolischen Blick.
Ohne weitere Vorwarnung plündert sie die Regale des Videoverleihs und schleppt einen Stapel Horrorfilme nach Hause. „Wir müssen uns diese Filme unbedingt ansehen!“, versichert sie mir dabei mit irrem Blick. Weder helfen vernünftige Argumente, noch Hinweise auf ihr zartes Nervenkostüm oder vorsichtige Andeutungen über die zweifelhafte Qualität des Filmes, Natasha bleibt standhaft.

Dabei ist vorherzusehen, was geschehen wird. Natasha durchleidet höllische Qualen beim Betrachten von Horrorfilmen. Sie sieht von ihnen zumeist nur die Ausschnitte, die aus unvermeidbaren Gründen zur Überleitung zwischen den einzelnen Horrorsequenzen reingeschnitten wurden. Den restlichen Film über hält sie entweder die Hand vor den geschlossenen Augen, oder sie lugt nur vorsichtig zwischen den Fingern hindurch auf den Bildschirm.

Es genügt das leiseste Quietschen der Türangel, die geringste musikalische Verdichtung von kreischenden Geigen oder der Anblick von öligem, schwarzem Haar auf dem Haupt einer entstellten Figur, um bei ihr unweigerliche folgende Reaktionsabfolge auszulösen:
Erste Minute, ein Schatten taucht hinter dem nichtsahnendem Opfer auf, die Musik wechselt von Banjo- und Reggaemusik zu einem Violinsolo: Natasha rutscht tiefer in die Sofakissen.
Dritte Minute, dekorativer Einsatz eines Totenkopfes oder anderer halbverwester Gebeine, die Geigen ertönen im leichten Stakkato: Natasha bedeckt das Gesicht mit ihren Haaren.
Siebte Minute, eine Tür krächzt, wurmähnliche Monster schnellen auf Schleimspuren hinter dem Vorhang hervor, die immer schriller sägenden Geigen werden von dumpfen Trommelschlägen und Zirpen begleitet: Natasha verdeckt wimmernd die Augen mit ihren Händen.
Siebte Minute, fünfte Sekunde: Natasha kreischt markerschütternd auf, sie schnellt wie ein Blitz aus ihrem Sitz. Was bin ich für ein Schuft. Habe ich sie doch gerade mit einer Feder im Nacken gekitzelt.

Das fuchsteufelswilde Funkeln in ihren Augen verrät, daß ich heute nicht mehr mit ihrer Wertschätzung für meine Person rechnen kann. Wenn Blicke pulverisieren könnten, wäre ich als Aschehäufchen nur mehr eine nette Herausforderung für ihren Staubsauger. Aber zu Halloween parkt sie den draußen vor dem Haustor.

Mich als abgebrühten Doktor der technischen Wissenschaften erschrecken Horrorfilme natürlich nicht. Ich habe im Laufe meines Lebens genug an Schrecken und Entsetzen auf dem Finanzamt oder in den Warteschlangen des Todes vor den Schaltern der staatlichen Behörden gesehen. Wissend lächelnd saß ich denn vor dem Fernseher und betrachtete amüsiert das Wechselspiel in Natashas verschrecktem Gesicht.

Ich mußte kurz eingeschlafen sein, denn als ich die Augen aufschlug, flackerte das Licht im dunklen Wohnzimmer, Natasha war nicht an meiner Seite, und eine heisere Stimme zischelte unverständliche Worte. „...Verluste ... Opfer bringen ... Halsabschneider ...“. Die Gänsehaut rieselte mir den Nacken hinunter und meine Finger krallten sich verkrampft in das Sofa. Eine dämonische Fratze tanzte vor meinem Gesicht und grinste mich gierig an. Vor Entsetzen schrie ich auf „Nein!!!“

Im selben Moment blitzte von hinten ein Feuerschein, Rauch verpuffte. Ich sah Natasha ihren Zauberstab schwingen und die heisere Stimme erlosch. Natasha legte die Fernbedienung beiseite, wischte sich die Lachtränen aus den Augen und sagte zu mir: „Laß uns zu Bett gehen. Mir reicht, wenn ich einmal täglich den Finanzminister in den Nachrichten sehe.“
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
also

diesem werk konnte ich nicht so recht folgen. wo kommt der finanzminister plötzlich her?
fragend guckt
 
D

Denschie

Gast
hallo,
ich habe es so verstanden, dass der finanzminister
derjenige ist, vor dem "er" angst hat.
und die beschreibungen
„...Verluste ... Opfer bringen ... Halsabschneider ...“. Die Gänsehaut rieselte mir den Nacken hinunter und meine Finger krallten sich verkrampft in das Sofa. Eine dämonische Fratze tanzte vor meinem Gesicht und grinste mich gierig an.
würden ja auch ganz gut passen.

ich finde es lustig, bis auf den schluss. da macht
es ein klitzekleines bisschen den eindruck, als
wäre dir nichts besseres mehr eingefallen.
die schilderunge des gemeinsamen fernsehens, überhaupt
die charakterisierung von natascha, fand ich sehr
kurzweilig.
wie gesagt, die pointe am ende kommt nicht ganz so
gut.
viele grüße,
denschie
 
Exakt. "Er" fürchtet sich vor gar nix - angeblich.
Aber mit dem Schluß bin ich auch noch nicht ganz zufrieden. Ich muß das noch glattpolieren, dann ist der Dreh mit dem Finanzminister vielleicht auch besser verständlich.

Marius
 



 
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