I'll die young, but it's like kissing God

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Kjascar

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In der Mitte des Zimmers ein Tisch. Schwarze Stühle. Die Uhr zeigt 11. An der Wand neben der Vase ein Plakat. In einer Bodenvase hinter der geöffneten Tür ein Baseballschläger. Unzählige Zeitungen auf dem dunklen Parkett. Ein Fernglas liegt auf der Fensterbank, daneben ein ungeöffneter Brief. Und mittendrin liegst du. Wie ein gefallener Engel zwischen all den Scherben, ich hab Angst dich zu berühren, so zerbrechlich siehst du aus. Die Begierde frisst mich fast auf. Wie oft hab ich dich berührt...geküsst... geliebt...gefickt.
Die ganze Nacht lagst du in meinen Armen, so friedlich, so wunderschön dass es weh tut.
Freude, Schmerz, Liebe und Hass, alles liegt so nah beieinander dass es fast eins wird.
Je mehr man einen Menschen braucht, desto wünschenswerter wäre es einem, dass er einfach verschwindet. Genauso sehr will man ihn mit Haut und Haar besitzen, man will ihn nicht weiterziehen lassen, selbst wenn man das mit Gewalt erzwingen muss. Man verabscheut diesen einen auserwählten Menschen, genauso wie man sich nach ihm verzehrt. Menschen sind schmutzig ...sie sind eine Fehlkonstruktion Gottes oder von wem auch immer... Wolltest du es so, Javier? Hast du es dir so vorgestellt? Das es so zu Ende geht? Ich habe dir alles gegeben was ich hatte.
Aber es war nie genug, nicht wahr? Nie genug, was der alte Sack dir gegeben hat. Ich wäre für dich untergegangen. Doch du warst immer was Bessres. Dein Lachen brennt in meiner Seele... so hässlich und doch.... Es hätte alles anders sein können, wir hätten ein richtig schönes Leben haben können, Javier, ja das hätten wir. Wir hätten alles haben können.... Ich hör sie schon kommen, Javier. Hörst du sie auch? Sie kommen um mich zu holen. Weg von dir... das Schönste und das Hässlichste in meinem Leben. Aber das werden sie nicht schaffen, ich bleibe bei dir...

...Polizeibericht. Stuttgart. Doppelmord. Nach einem anonym eingegangen Anruf, öffnete die Polizei Samstagmittag eine Wohnung in der Schillingstrasse und fand die Leichen zweier Männer: Die des 19jährigen Javier S. und die seines mutmaßlichen Mörders Egon B. Tathergang ist noch unbekannt. Für sachdienliche Hinweise melden sie sich bitte unter der folgenden Nummer...


Hoffend, dass kein Kontrolleur in der Bahn ist, hopse ich ins menschenleere Abteil und lasse mich auf einen Sitz fallen. Ich blicke aus dem Graffiti verpinselten Fenster, Regen nichts als Regen.
Ach Fuck, sieht heut wohl nicht allzu rosig aus für mich.....
Die nächste muss ich raus. Ich rappele mich auf, schnell Kapuze drüber und - zack rüber zum Bahnhof.
Fast angekommen werde ich von jemandem oder etwas seitlich angesprungen und fast umgeworfen.
„Javier!“
Zwei wunderbare Äuglein blicken mich an, „Hey Emi“. Ihr schwarzes Haar ist klatschnass, genau wie ihr entzückender Körper. „ Javier du siehst verdammt beschissen aus.“
„Danke genau das wollte ich hören“ erwidere ich und drücke ihr einen dicken Kuss auf den Mund.
„Ich muss weiter ... wir sehen uns, okay?“ Und weg ist sie wieder, die Frau meiner feuchten Träume.
Egal ich muss eh weiter. Ich merk’s schon wie ich meine Zitterer kriege. Muss sehen, dass ich wieder an dass Zeug rankomme.... Fide hatte wohl dieselbe Idee.
„Hey J. was geht? Auch mal wieder dabei deinen Hintern hin zu halten?“ „Hey du weißt, ich bin jung und brauch das Geld. Wie isses? Läuft's einigermaßen?“ „Ich kann mich nicht beklagen.“
Kein Wunder diese perversen Säcke stehen ja auch immer mehr auf kleine Kinder, mit 18 kannstes fast stecken. Zum Glück kommt mir da, wie schon so oft mein Babyface zu Gute.
Genau wie heute, als der schwarze Toyota neben mir hält.
„Wie viel?“ tönt es aus der runter gekurbelten Fensterscheibe. „10 mit der Hand, 20 mit dem Mund, 50 fürs ficken.“ „Steig ein.“ Ich geb Fide kurz Bescheid und steig ein, is schon so viel Scheisse passiert,
dass es besser ist wenn sich jemand die Kennzeichennummer merkt.
Der Wagen setzt sich in Bewegung, das Radio dudelt irgendeinen das-Leben-ist-schön-Schwachsinn
und ich schaue aus dem Fenster wohl wissend, dass er mich angafft und es kaum erwarten kann.
Ich hab's mir abgewöhnt sie anzuschauen, mich vor ihnen zu ekeln, macht eh keinen Sinn. Er hält an
und drückt mir 20 € in die Hand und öffnet sich die Hose.
Wenigsten kennt er die Regeln. Ich beuge mich zum Fahrersitz rüber, zwischen seine Beine und sehe nur kurz seinem zu einem Grinsen verzogenen Mund. Ich hasse Schwänze, alle außer natürlich meinen Eigenen. Sie sind einfach hässlich, vor allem wenn sie schlaff sind. Frauen sind ganz anders, jeder Teil ihres Körpers hat einen bestimmten Reiz, man kann alles betrachten, berühren, kosten und man empfindet Freude keinen Ekel, es sei denn die Tussi gefällt einem nicht. Frauen sind von Natur aus Verführer, Männer nicht.
Männer sind praktisch gemacht, wie Tiere.
Er atmet schneller und legt seine schwitzige Hand auf meinen Hinterkopf und drückt ihn runter bis es mir fast hochkommt. Ich unterdrücke den Würgereiz und bewege meinen Kopf schneller.
Ich spüre wie sich seine Muskeln in meinem Rachen zusammenziehen und versuche meinen Kopf
wegzuziehen. Doch er drückt ihn mit aller Gewalt runter, bis ich die ganze Scheisse im Mund hab.
Am liebsten würd ich’s ihm ins widerlich zufrieden aussehende Gesicht spucken.
Ich stürze aus dem Wagen raus und spucke den Inhalt meines Mundes auf den vom Regen nass glänzenden Asphalt. Der Wagen hinter mir fährt mit quietschenden Reifen weg. „ Scheisskerl!“ brülle ich ihm hinterher, aber mit der Sicherheit dass er mich eh nicht mehr hören wird. Wenigstens hab ich das verfickte Geld in meiner Hosentasche. Ich zittere und versuche mein schnell schlagendes Herz mit dem Gedanken an mein Treffen mit Emi heut Abend zu beruhigen.....Emi....


Diese Wohnung spiegelt mich wieder, hässlich und leblos. Wieso bin ich hier überhaupt? Eigentlich sollte ich zuhause bei meiner Frau und meinen Kindern sitzen, ihnen ein guter Vater sein, im Gegensatz dazu sitze ich in einer frisch erworbenen Wohnung, von deren Existenz sie nicht einmal etwas ahnen.
Die kahlen Wände erdrücken mich, klagen mich an, ich habe das Gefühl kaum atmen zu können.
Überstürzt gehe ich aus der Wohnung in den Wagen und fahre los, ohne Ziel. Ich fühle mich fremd.
Ich weiß gar nicht, was ich hier will. Mein Herz schlägt wie wild und ich merke wie mir der Schweiß runter läuft. Bin ich einer dieser perversen alten Säcke die man immer mit verpixelten Gesicht in Straßenkinder Reportagen auf Rtl 2 sieht? Die den Kindern die Drogen finanzieren, indem sie ihre Sucht ausnützen?
Ich stelle das Radio an, um meine Gedanken zu übertönen. Wie oft bin ich schon mit dem Gedanken vorbeigefahren einfach hinzugehen und es zu tun?
Ich weiß es nicht. Ich bremse und schalte zurück in den ersten Gang.
Da stehen sie, starren alle mein Auto an in der Hoffnung bei mir Einsteigen zu können.
Ihre Gesichter pressen sich fast an die Scheibe, wie sie sich anbieten, wie rohes Fleisch.
Ekel steigt in mir hoch. Ich unterdrücke den Impuls einfach wieder wegzufahren, wie schon so oft, nach Hause zu meinen Kindern zu meiner Frau, mit einem Lächeln auf den Lippen ihr einen Kuss zu geben und so zu tun als wäre nichts gewesen.
Ich bin ein mieses Schwein, denke ich während ich das Autofenster runterlasse vor einem schlaksigen Jungen mit rasierten Haar. Er lehnt sich an meine Autotür und blickt mich mit kalten Augen an.
„Sie wünschen?“ fragt er und zieht eine Augenbraue hoch, ein wenig irritiert von der Situation.
Er räuspert sich „10 mit der Hand, 20 mit dem Mund, 50 fürs ficken“
Verdattert sehe ich ihn an und merke wie mir die Röte in die Wangen steigt. „N-n-n-ei... äh...I-ich hab ne Wohnung h-hier um die E-e-ecke...“ Ich könnte im Boden versinken, er wiederrum ist sichtlich amüsiert.
Er winkt kurz irgendwem zu und springt in mein Auto.
„Is wohl dein erstes Mal was?“ sagt er und gibt ein heiseres, zu alt für ihn wirkendes Lachen von sich.
Ich starte den Wagen und fahre los. Die Stille beklemmt mich.
„Wie heißt du?“ frage ich zitterig um ein Gespräch anzufangen. Ich merke wie er mich anstarrt
„ J.“ gibt er ausdruckslos zurück
Den Rest der Fahrt er schweigt er und sieht aus dem Seitenfenster raus.
Ich komme mir vor wie ein pubertierender Jungendlicher
„Ich bin Egon.“ sage ich und komme mir noch dümmer vor als zuvor.
Bis zu meiner Wohnung konzentriere ich mich nur noch auf die Strasse, obwohl ich sie schon mindestens 1000-mal entlang gefahren bin. Unsicher schließe ich mein Auto ab und die Tür zum Treppenhaus auf, und fühle während ich die Treppe zum zweiten Stock hochsteige, wie sich seine Augen in meinen Hinterkopf bohren. Ich lasse ihn zuerst in mein neu erstandenes Reich und schließe langsam die Tür.
Mein Herz schlägt wie wild und ich zittere während er sich bei ihm keine einzige Emotion im Gesicht zu erkennen gibt. Er läuft wie selbstverständlich in die Wohnung, zieht sich sogar die Schuhe aus.
Ich renne ins Bad und spritze mir eiskaltes Wasser in mein Gesicht und schaue in den Spiegel.
Ein mir unbekannter Mann blickt mich aus ihm an.
Seine weiß-graue Haut glänzt schweißig, vor allem dort wo eigentlich noch Haare sein sollten.
Sein Mund zeigt wie ein U nach unten und gibt ein wenig seine weiß-gelben Zähne frei,
sein leichtes Doppelkinn ist perfekt rasiert.
Seine glanzlosen Augen sind umgeben von Fältchen und liegen tief in fahler Haut eingebettet.
Er widert mich an, am liebsten würde ich den Spiegel einschlagen, um ihn nie wieder sehen zu müssen.
Ich ziehe meine Jacke aus und laufe ins Schlafzimmer.
Und da steht er vor mir nackt, wie Gott ihn geschaffen hat.
Seine sehnigen Muskeln überziehen seinen Rücken, der von der Sonne leicht gebräunt ist.
Sein breites Kreuz geht über zu einer schmalen Hüfte.
Sein Hintern ist weiß, wie der eines Kindes. Er hat mich bemerkt und dreht sich um.
Seine flache, ein wenig eingefallene Brust hebt und senkt sich schnell.
Seine Rippen stehen ein wenig raus, sein flacher Bauch bewegt sich im selben Takt wie die Brust.
Eine schmale dunkelblonde Haarspur führt zu seinen Lenden hinunter.
Ich blicke meines Atems beraubt in sein Gesicht, seine vollen Lippen sind leicht geöffnet doch sein Blick...Ich kann ihm nicht standhalten.
So traurig, so wütend, so leblos, so tot.
Ich wende mich ab, mein Puls rast und ich japse nach Luft. Ich merke wie mir die Tränen kommen.
„Zieh dich an.“ quetsche ich heraus und stürze so schnell wie möglich aus dem Zimmer,
als ich merke dass mich eine Erektion überkommt.


Ich hebe meinen Kopf in Richtung Duschkopf, das Wasser fällt auf mich herab und ich stelle mir vor wie es mich rein waschen würde von all dem Dreck und der Scheisse, die mich umgibt.
Wie es an mir runter läuft und einfach im Ausguss verschwindet. Der langsam kälter werdende Wasserstrahl holt mich zurück ins Diesseits. Ich stelle die Dusche ab und drücke mein Gesicht ins Handtuch.
Wie oft war ich schon in der scheiss beschissenen Wohnung? Ich wische den beschlagenen Spiegel mit der Hand frei und mein kaputtes Gesicht blickt mich an. Ich seh fast aus wie’n Totenkopf. Ich versteh ihn nicht. Wieso holt er mich her wenn er doch nichts will außer Reden? Könnte er auch viel billiger haben als von nem kaputten Stricher wie mir. Außerdem könnte ich mit dem Wohnungsschlüssel anstellen, was ich will. Könnte ihn bestehlen ohne Ende. Auch die neuen Klamotten...Als würde er’s Geld nur so scheissen.
Mir kann's ja egal sein. Ich dränge diese Gedanken aus meinem Kopf, bringt ja eh nichts.
Ich wickel mir ein Handtuch um die Hüfte und hole meine Klamotten aus dem Trockner,
schlüpfe schnell in meine Boxershorts, meine Jeans, mein T-Shirt und meinen grauen Pulli.
Ich laufe raus und zünde mir eine Zigarette an. Das dunkle Parkett ist kalt, hätte mir wohl doch Socken
anziehen sollen. Ich setzte mich auf einen schwarzen Stuhl an den Tisch in der Mitte des Zimmers.
Egon sitzt auf dem Sofa am Laptop.
Ich drücke die Zigarette im eigens für mich gekauften Aschenbecher aus.
„Wo ist meine Tasche?“ „Am Eingang irgendwo.“ Er weiß was ich vorhab.
Ich setzte mich wieder an den Tisch. Ich ziehe mein Spritzbesteck aus meiner zerfledderten Tasche.
„Wieso tust du das?“ Er blickt mich über seine Lesebrille hinaus an, während ich alles für meinen heiß
ersehnten Schuss vorbereite. Ich gebe ein krächzendes Lachen von mir.
Die Frage is so abgedroschen, wie aus nem schlechten Soap. Ich antworte trotzdem drauf, da ich heut gut drauf bin.
„Das erinnert mich an den Film mit Dustin Hoffman „Lenny“.
Der hat es ziemlich geil formuliert. "I'll die young, but it's like kissing God" sagte der.
Das ist Heroin. Du fühlst dich total ruhig und selbstsicher. Aber nicht selbstsicher auf die aggressive, absolut extrovertierte Kokain-Art, sondern du bist dabei ganz gelassen, easy-going.
Du weißt einfach: dir kann keiner was. Was auch immer auf dich zukommt, du kannst damit umgehen. Selbst wenn du stundenlang auf den Beinen bist, spürst du Deine Füße kaum, weil du glaubst zu schweben.“ Ich atme tief ein und schließe die Augen.
„Aufzuhören bedeutet für dich Schmerz, seelischen wie körperlichen. Meistens glaubst du irgendwie davon loszukommen, aber du schiebst es immer weiter auf. Drängst es erst irgendwann in deine ferne Zukunft.“
Ein bitteres Lachen kämpft sich aus meiner Kehle.
„Eine beschissene Zukunft, die es wahrscheinlich eh nie geben wird, weil du davor dran verreckst. “
Er schaut mich an und sagt nichts. Das ist es auch wohl, was mich dazu bewegt weiter zu reden.
„Ich weiß gar nicht mehr warum ich genau angefangen habe. Hat sich irgendwie so entwickelt.
Ich war noch nie abgeneigt von Drogen, selbst als ich noch zuhause war.
Gekifft hab ich regelmäßig. Ich war auch schon auf Speed. Auf allem möglichen.
Ich hab die Scheisse gebraucht. Es war Spaß, es war Geborgenheit, es war irgendwie auch wenn's krank klingt‘n Ersatz für fehlende Liebe. Ich war schon immer n verfickt schwacher Mensch.
Ich brauchte etwas zum Festhalten. Ich musste fliehen vor dem ganzen Dreck der mich umgab.
Ich glaub es war meine einzige Chance, ich wär sonst kaputtgegangen zu Hause, deshalb hab ich mich auch verpisst. “ Er macht sein Laptop zu und schaut mich an. Ich es sehe aus dem Augenwinkel.
Scheiss drauf, ich binde mir den Oberarm ab, suche die Vene und steche zu.



J. ist wie ein Straßenköter, manchmal lässt er es zu dass du ihn streichelst, ein anderes Mal beißt er dir in die Hand.... Er kommt und geht wann er will.
„Egon? Willst du noch wohin?“ reißt mich ihre Stimme aus den Gedanken.
Sie sagt es in einem vorwurfsvollen Ton, der mir meine Abwesenheit der letzten Wochen vorwirft.
Ich kann es verstehen, ich bin kein guter Ehemann.
„Ich hab noch ein Meeting wegen dem neuen Betriebssystem im Geschäft.“
Ich bin kein guter Lügner. Ich weiß es selbst. „ Schade, die Kinder hätten auch mal gern wieder was von dir.“ knallt sie mir vor den Kopf. Mir bleibt das Essen fast im Hals stecken.
„Bitte, Maria nicht vor den Kindern.“ murmele ich.
„ Wann denn sonst wenn ich dich nie zu Gesicht bekomme! Morgens rennst du so früh wie möglich aus dem Haus und nachts schleichst du dich wenn überhaupt ins Bett, wenn keiner mehr wach ist!!!“
Sie blickt mich erbost an, die letzten Worte hat sie geschrieen. Mit einer wütenden Geste streicht sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zerrt sie sich hinter ihren Ohren fest. Ich weiß nicht was ich sagen soll, ich kann ihr nichts entgegenbringen, der Kloß in meinem Hals ist zu groß.
Ich schlucke, doch er fühlt sich an wie ein riesiger Stein.
Sie atmet tief durch und steht auf, ihr Gesicht beginnt fleckig rot zu werden,
wie so oft wenn sie sich aufregt.
Sie schmeißt ihr Besteck auf den Tisch während ihr die Tränen runter laufen.
Sie schluchzt. „Du hast eine andere oder? Das ist es doch!
Du hast keine Meetings sondern einfach eine andere Frau!“ schreit sie hysterisch.
Plötzlich ist alles still um mich herum, bis auf das Rauschen in meinem Kopf,
ich sehe zwar wie sich ihr Mund bewegt, doch die Worte dringen nicht zu mir vor.
Ich schaue zu den Kindern, alles spielt sich in Zeitlupe vor mir ab. Maik schaut verängstigt auf zu mir und rührt sich nicht, seine kleine Schwester hat das Weinen angefangen.
Ihre Bäckchen sind ganz rot und der Rotz läuft ihr aus der Nase. Ihre verletzten Kinderseelen blicken mich direkt an. Ich möchte sie trösten, auf den Arm nehmen und auf die Stirn küssen, wie ich es so oft getan habe. Doch ich kann nicht.
Stattdessen lasse ich mein Besteck fallen und stehe auf. Ich drehe den Kopf zu meiner Frau, die wild gestikulierend vor mir steht, dränge mich an ihr vorbei und laufe zu Tür.
Noch nie ist mir der Weg so weit vorgekommen, noch nie so schmerzhaft. Ich packe meine Jacke und gehe aus dem Haus. Es sind noch zwei Schritte bis zum Auto als sie die Tür öffnet.
Ihre Stimme ist kalt wie Stein.
„Dir ist klar, dass du nicht wiederkommen brauchst, wenn du jetzt in dieses Auto steigst.“
Ich öffne die Wagentür ohne mich umzudrehen und steige ein. Ein Gefühl vollkommener Leere überkommt mich als ich den Motor starte und aus unserer Ausfahrt heraus fahre. Alle meine Gedanken sind bei ihm und ich hasse mich dafür. Ich fahre ohne es zu merken, als wäre jemand anderes am Steuer.
Ich stelle den Wagen vor dem Mehrfamilienhaus ab. Wie mechanisch steige ich zu der Wohnung hinauf. Meine Schritte hallen in dem kalten Treppenhaus wieder.
Unendlich laut.
Leise schließe ich die Tür auf und hoffe, dass er da ist. Während ich meine Jacke auf den Boden schmeiße, laufe ich ins Schlafzimmer. Da liegt er, leise und gleichmäßig atmend, er hat sich halb abgedeckt, seine Brust und seine Lenden sind entblößt.
Ich spüre eine Erregung in mir aufsteigen, wie ich schon lange nicht mehr gespürt habe. Ich setze mich ans Bett unfähig den Blick von ihm abzuwenden. Mein Mund ist trocken als ich mich ans Bett setze.
Mit zittriger Hand berühre ich sein Gesicht, seine Augenlider, seine Wangen und seinen Mund.
Lasse meine Hand weiter streichen zu seinem Hals, unter sein T-Shirt, hinauf zu seinem Brustbein, hinab zu seinen Lenden. Ich beuge mich vornüber bis seinen Atem im Gesicht spüre. Er ist so schön, dass ich es kaum aushalte. Ich drücke meine Lippen auf die seinen und lasse meine Zunge wandern.
Meine Begierde ist zu groß, als ich mich jetzt zügeln könnte. Ich entkleide mich und gerade als ich mich ihm wieder zuwende, sitzt er im Bett und blickt mich verschlafen an.
Er sagt nichts, sondern sieht mich nur an.
Es ist zu dunkel um diesen Blick zu deuten. Ich setze mich wieder hin und ziehe ihm sein T-Shirt über den Kopf. Er lässt mich gewähren, selbst als ich über ihn herfalle, wie ein ausgehungertes Tier über seine gerade gerissene Beute.


Ich zünde mir eine Zigarette an und ziehe den Rauch tief in meine Lunge. Und schon spüre ich das Nikotin, das meine Nerven beruhigt. Ich schaue die Bahnhofsstrasse auf und ab, in der Hoffnung ihr Gesicht endlich zu sehen. Bis mir plötzlich einer mit voller Wucht auf den Rücken schlägt.
„ J.! Lang nich mehr gesehen!“ Ich drehe mich um und blicke in das sommersprossige Gesicht von Fide, der bis über beide Backen grinst.
„Hey, Fide!“ Er stinkt nach Schweiß und Alk, außerdem sieht er ziemlich am Arsch aus.
Er läuft einmal um mich rum und pfeift so, als würde er einem Mädchen hinterher pfeifen.
„Hätt dich fast nich erkannt. Die Klamotten... haben doch ne Menge gekostet...“ Er streckt mir seine Nase ins Gesicht und schnüffelt. „...Und so frisch riechst du auch noch...“ sein Gesicht verzieht sich noch weiter, bis es mir entgegen grient wie eine Fratze.
„Kann es sein, dass du deinen persönlichen Zuhälter gefunden hast?“
Ich lasse meine Zigarette fallen und packe ihn am Kragen. „Was willst du mir damit sagen?“
Der verfluchte Wichser grinst immer noch. Seine Pupillen sind mega klein, keine Ahnung auf was für ‘n Zeug der ist. „ Javier?“ ertönt plötzlich Emi mit dünner stimme.
Ich lasse Fide los und packe sie wutschnaubend am Arm.
„Komm wir verpissen uns.“
Sie blickt mich erstaunt an, wehrt sich aber nicht. Fides Lachen tönt uns hinterher.
„Verdammt J., du wirst immer n kleiner Stricher sein, dem sie alle ihren Schwanz in den Arsch stecken!“ gröhlt er uns hinterher. Ich drehe mich nicht mehr um und ich versuche ihn zu ignorieren.
Merke wie mir die Tränen kommen.
Der Scheisskerl hat Recht.
„Javier du tust mir weh!“ Überrascht lasse ich ihren Arm los. „Was is’n los?“
Sie blickt mich verständnislos an. „Ich dachte Fide und du ihr könnt euch halbwegs leiden...“
Ich ziehe sie fest in meine Arme und vergrabe mein verweintes Gesicht in ihrer Schulter.
Überrumpelt legt sie die Arme um mich, während ich mir wünsche, dass dieser Moment voll Geborgenheit nie mehr endet. Sie stemmt mich zurück, bis sie mein Gesicht vor Augen hat.
Sie sagt nichts, aber ihr Blick sagt mehr als 1000 Worte. Sie küsst mich, voller Gefühl und ich würde sie jetzt am liebsten in mich einverleiben und nie wieder gehen lassen.
„Wieder besser?“ „Ja.“ schniefe ich und werde rot weil mir dieser beschissene Gefühlaussetzer irgendwie peinlich ist. Sie nimmt meine Hand „Scheiss auf Fide, der is grad übel am Sack, schmeißt sich nur noch Zeug ein…“
Ich nicke und lasse unsere Arme und Hände pendeln. „Und was machen wir heute?“
Meint sie nach einer Weile.
„Ich hab mir was ganz besonderes für heute ausgedacht….“ Sage ich geheimnisvoll und kann es kaum erwarten ihr Gesicht zu sehen wenn sie es weiß. „Was besonderes…? “ sie zieht eine Augenbraue hoch und blickt mich an. „ Jepp. Wart’s ab.“ sage ich und gebe mich dem Impuls hin sie zu küssen.
Als wir dann kurz vor Egons Wohnung sind, beschließe ich mein Geheimnis zu lüften.
„Der alte Sack is’n Wochenende sonst irgendwo…“ „ Echt? Was heißt wir können in die Wohnung?“ sagt sie strahlend. „Geil, geil, geil endlich mal wieder duschen, in nem Bett schlafen…“ kreischt sie und hüpft um mich rum. Ich versuche sie zu packen und bin so glücklich wie ich es schon lange nicht mehr war.
Als ich schließlich die Wohnungstür öffne, stürmt Emi rein und lacht wie ein kleines Kind.
Während ich mir die Schuhe ausziehe, stürmt sie ins Bad und ruft „ Javier, ich geh duschen!“ Ich zünde mir eine Zigarette an und setze mich auf einen der Stühle. Ich höre wie sie das Wasser anstellt und anfängt zu singen. Es brennt mir in den Fingern, diese Tür einfach zu öffnen und über sie herzufallen.
Ach, Scheiss drauf, ich ziehe meine Klamotten aus und öffne leise das Bad. Sie sieht mich an als hätte sie mich schon erwartet und ich muss erst mal Schlucken als ich sie in voller Pracht vor mir sehe.
Sie zieht den Duschvorhang beiseite, mehr der Einladung bedarf es nicht mehr. Ich steige hinein und ziehe sie fest an mich um sie zu küssen. Ich seife ihre wunderschönen Brüste ein, die sie immer zu groß findet,
ihren Bauch, der ein Speckröllchen unten hat, das sie hasst wie die Pest, ihren Arsch, der angeblich ein
wenig zu platt ist und sehe und fühle nicht den winzigsten Makel oder Fehler sondern spüre nur wie ich langsam nen Ständer kriege. Ich steige aus der aus der Dusche und ziehe sie mit ins Schlafzimmer nachdem wir uns abgetrocknet haben. Sie schmeißt mich auf’s Bett und beginnt mich mit ihren Fingerspitzen überall zu berühren. Ich drehe mich zu ihr und küsse sie und spiele ebenfalls an ihr rum. So langsam kriegt sie rote Bäckchen und ich muss grinsen, weil ich das so süß finde. Sie sieht mich an und spreizt die Beine
„Komm.“ flüstert sie heiser.
Das lass ich mir nicht zweimal sagen.


Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich öffne die Augen, schlage die Bettdecke zurück.
Die Uhr zeigt viertel nach zehn.
Ich fühle mich wirklich gut zum ersten Mal seit dem Drama mit meinerFrau.
Beseelt von diesem Gefühl stehe ich auf, summe irgendein Lied vor mich hin und mache Frühstück.
Alles wird gut.
Ich laufe kurz am Schlafzimmer vorbei und bleibe stehen um ihn zu betrachten.
Wie er da liegt, wie ein Embryo zusammengekrümmt, ich spüre, dass die Erregung, die ich diese Nacht befriedigt glaubte, wieder in mir hochsteigt. Ich wende mich schnell ab und laufe ins Bad und schließe die Tür. Ich greife nach dem Rasierer als ich in der Ecke hinter der Tür ein Kleidungsstück bemerke.
Ich lege den Rasierer wieder auf den Waschbeckenrand und laufe auf das Stück Stoff zu.
Langsam hebe ich es auf. Es ist ein BH. Ein Zittern durchläuft meinen Körper, das nicht mehr aufzuhören scheint. Ich stürze aus dem Bad.
J. sitzt am gemachten Frühstück und blickt mich fragend an.
„Was’n dir für ne Laus über die Leber gelaufen?“ fragt er kauend.
Ich schmeiße ihm den BH auf den Tisch.
„Was ist das?“ frage ich hysterischer als eigentlich geplant.
„Ein BH.“ „Das sehe ich auch!“ diesmal schreie ich.
„Was geht mit dir? Was schiebst du für nen Film?“ er sieht irritiert aus, was mich noch viel wütender macht. „Wessen BH ist das?“ quetsche ich heraus.
„Das geht dich einen Scheissdreck an.“ gibt er zurück ohne die geringste Emotion in der Stimme.
„Was heißt es geht mich nur einen „Scheissdreck“ an? Wi-i-rr…i-i-ich ..“jammere ich.
„Wir, du was?“ zischt er.
„Liebst du sie?“ ich versuche ihm mit der Hand über die Wange zu streichen.
Er schlägt sie mit voller Kraft weg.
„Was soll die Scheisse? Fass mich nicht an! Nur weil ich’s zulasse das du mich vögelst, heißt das nicht das du mich sonst irgendwie antatschen darfst!“ Er steht auf und schmeißt den Stuhl knallend um.
„ J-j-j. Ich liebe dich d-d-doch…“ sage ich weinerlich und hasse mich für diese quengelige Stimme.
Er fängt an zu lachen „ Was? Willst du damit sagen dass du dachtest wir seien zusammen? Fuck! Bei dir sind doch mehr Schrauben locker als ich dachte! Lieben? Weißt du überhaupt was das bedeutet? Du steckst doch nur deinen Schwanz irgendwo rein und denkst dass ist Liebe, schwuler alter Sack.“. zischt er mit schneidender Stimme.
Ich fühle mich wie betäubt und torkele in die Kücheecke.
Wieder höre ich nur das Rauschen in meinem Kopf, er sagt nichts mehr sieht mich nur an.
Ich kann diesem Blick voller Verachtung, voller Hass nicht standhalten. Ich wende mich ab versuche Halt zu finden und kann mich grade noch an der Küchenzeile festhalten.
Ohne Nachzudenken greife ich nach dem Küchenmesser und drehe mich um.
„Stich mich doch ab, los mach’s doch, komm schon.“
Er reißt sich sein T-Shirt vom Leib, bietet mir seine Brust dar.
„Schwuler alter Sack Los mach doch endlich!“ schreit er.
Ich beginne wieder zu Zittern.
„Oder willst du mich wieder ficken? Hmm? Wann hast du es eigentlich das erste Mal bemerkt, dass es dir Spaß macht? Als du dir das erste Mal deinen Sohn vorgenommen hast?“ schreit er überdreht und beginnt dröhnend zu Lachen.
Ich halte das nicht mehr aus, das Lachen trifft mich bis ins Mark.
„Hör auf!!!“ schreie ich mit zugekniffenen Augen und steche zu.
Das Lachen erstirbt und ich öffne die Augen. J. steht vor mir und grinst höhnisch.
Rasend vor Zorn steche auf ihn ein, wieder und immer wieder.
Als ich zu mir komme, bricht er zu Boden. Ich sehe das Blut auf das dunkle Parkett sickern, versuche es mit Zeitungspapier aufzuhalten, sehe ihn röchelnd atmen.
Will ihn halten, will ihm helfen.
Doch stattdessen sehe ich nur zu wie er stirbt, mit einem Lächeln auf den Lippen.
 

Black

Mitglied
Sehr gut ! Spannender Titel, verschränkte Handlung,man will permanent wissen, wie's es weiter geht oder wie es zu diesem Ende kam. Top !
Gruß,
B.
 

sweetchilly

Mitglied
Gefällt mir auch sehr gut, sehr spannend geschrieben...
Ich liebe es, wenn Geschichten mit dem ende anfangen.
Und hier weiß man hier ganze zeit- es geht sowieso nicht gut aus, und trotzdem will man wissen, wie es ausgeht.
Ich find auch gut, wie es aus verschiedenen sichtweisen geschrieben ist...
 

Kjascar

Mitglied
Freut mich sehr dass es euch gefällt, obwohl ich dachte das sie eher abschreckt, weil es an sich eine eher sperrige Geschichte ist.

Thanks kjascar
 

plosiv

Mitglied
Sag' mal, wer hat Egon umgebracht?
Er sich selbst? (Wäre langweilig, ehrlich gesagt...)
Seine Ehefrau ihn?
Emi?
Oder vielleicht ein neidischer Fide, der mit Emi unter einer Decke steckt, die den vermuteten Missbrauch von Egons Sohn rächen will, weil sie die verschwundene Schwester von Egons Frau ist? (kleiner Scherz)

Alles andere sagt meine Wertung

Kompliment, bleibe normalerweise nicht bei langen Texten hängen

p.
 
D

Dominik Klama

Gast
Küchenmesser sind immer sehr fatal

> „Bin ich einer dieser perversen Säcke, die man auf RTL 2 sieht mit verpixelten Gesichtern? Die den Kindern die Drogen finanzieren, indem sie ihre Sucht ausnützen?“

Das ist irgendwie nicht logisch. „Kerle, die Kinder ausnützen, indem sie von ihrer Sucht profitieren“, würde eher hinkommen. Oder: „Typen, die auf Kinder stehen und sie in ihre Gewalt bekommen, weil sie ihnen die Knete für Drogen geben.“

Es gibt übrigens keine Schillingstraße in Stuttgart. Wohl aber („Der Schiller und der Hegel, der Schelling und der Hauff, die sind bei uns die Regel, das fällt uns gar nicht auf“) eine Schellingstraße. Welche allerdings eher nicht in der Wohngegend liegt. Es gibt in Stuttgart auch einen Freiluftstrich für Homosexuelle. Das ist aber keine Straße, an welcher entlang aufgereiht irgendwelche Jungs stehen.

> Ich schaue die Bahnhofstraße auf und ab, in der Hoffnung ihr Gesicht endlich zu sehen.

Die Straßen in Nähe des Stuttgarter Bahnhofs sind: Königstraße, Arnulf-Klett-Platz, Cannstatter Straße, Willy-Brandt-Straße, Lautenschlagerstraße.

> „Er winkt kurz irgendwem zu und springt in mein Auto.“

Zwar fuhr ich niemals im Leben einen Pkw und stand auch nie auf dem Strich. Aber vor Jahren stand ich nachts oft an der Straßenkante vor einem Park, der als Schwulentreffpunkt galt. (Ganz gratis quasi.) Grundsätzlich verhielten alle Männer, die in Autos pirschten, sich dort überaus ängstlich. So, zum Beispiel, dass sie meist erst zehn Mal um den Block geigten, bevor sie jemals anhielten. Und dass dann die Verriegelung an der Beifahrertür gesperrt war, stand felsenfest. Es war gerade dieses Klacken, auf das man dann mehr oder weniger lange noch warten musste. Erst danach war klar, dass (eventuell) überhaupt was ginge.

> „10 mit der Hand, 20 mit dem Mund, 50 fürs Ficken.“

Zumindest die ersten beiden Zahlen halte ich für etwas gar zu tief angesetzt, selbst im geizigen Schwabenland. Kenne mich da aber nicht aus, kann ja sein, dass momentan in Stuttgart ein hohes Junkie-Aufkommen herrscht und gnadenloses Preisdumping eingesetzt hat. Hinwiederum las ich neulich hier in der LL eine Geschichte, wo einer Prostituierten, die 300 Euro verlangt hatte, gesagt wurde, so billig müsse sie sich aber nicht hergeben. Die war dann allerdings drogenfrei, eine gut aussehende FRAU und das Ganze spielte in einem Luxushotel.

> „Zieh dich an!“, quetsche ich heraus und stürze schnell aus dem Zimmer, als ich merke, dass mich eine Erektion überkommt.“

Eine (zumindest für den Jungen) ganz wichtige Info unterschlägt der Text an dieser Stelle. Hat der Typ nun gezahlt oder nicht gezahlt? Das letzte Mal, als ich so eine Stelle las, wo ein älterer Mann einen ganz jungen Sexualpartner wollte, ihn auf dem Strich auflas und dann schamvoll (aber auch aufgegeilt) wegschickte, ohne eigentlich tatsächlich was zu tun mit ihm, da hat der Typ gezahlt. Der hat sogar das Doppelte gezahlt. [Ah-ha. Ich sehe, das kommt hier dann etwas weiter unten. Hilft nichts, die Info fehlt an der Stelle, wo das Problem sich erstmals stellte.]

> „Ich ziehe meine Jacke aus und laufe ins Schlafzimmer. Da steht er vor mir, nackt, wie Gott ihn geschaffen hat.“

Meine eigenen Strichererfahrungen halten sich zwar sehr in Grenzen und sind auch schon viele Jahre verjährt, aber das glaube ich nun wirklich nicht: Dass ein Stricher, der in einer fremden Wohnung erst mal eine Weile allein gelassen wird, sich von ganz alleine komplett nackt auszieht. Schon erst recht nicht glaube ich das von einem J., den wir vorhin beim Denken belauschen konnten, dass Männerkörper nicht erotisch seien und dass er seine Freier immer als Zumutung erlebe. So einer würde sich so wenig frei machen, wie nur geht. Bzw. halt erst auf entsprechende Anweisung und unter dem Druck, sonst das Geld nicht in vereinbarter Höhe zu erhalten.

> „Ein mir unbekannter Mann: ... weiß-graue Haut ... Mund zeigt wie ein U nach unten ... weiß-gelbe Zähne ... leichtes Doppelkinn ... glanzlose Augen liegen tief in fahler Haut ... Fältchen...“

Zuvor war erzählt worden, der Mann habe zu Hause Frau und Kinder. Ist das hier dann nicht ein etwas zu alter Mann? Eher einer, dessen Kinder schon aus dem Haus sind, weil sie erwachsen sind?

> „Ich weiß nicht mehr, warum ich angefangen habe. Hat sich so entwickelt. Ich war nie abgeneigt bei Drogen. Gekifft hab ich regelmäßig. Ich war auch auf Speed. Auf allem möglichen. Ich hab die Scheiße gebraucht. Es war Spaß, war Geborgenheit, irgendwie, auch wenn's krank klingt, ‘n Ersatz für fehlende Liebe. Ich war schon immer n verfickt schwacher Mensch. Ich brauch was zum Festhalten. Ich glaub, es war meine einzige Chance, ich wär sonst kaputt gegangen zu Hause.“

Auch mit Junkies habe ich nicht so sehr viel Erfahrung. Aber scheint mir schon außergewöhnlich, wenn einer solche Fensterreden hält, der sich grad einen Fix machen möchte. Und, wenn der hier nun mal so auskunftsfreudig ist, dann ist das zwar vielleicht nett für die Autorin, aber ich glaub’s eher weniger, dass der dann sagt: „Ich drück, weil mir’s das Geliebtsein ersetzt.“ Find ich ganz allgemein nicht so gut, wenn Figuren sich dem Leser selbst erklären – und zwar genau so, wie der Leser sich solche Figuren zu denken geneigt ist.

> „Da liegt er, leise und gleichmäßig atmend. Er hat sich halb abgedeckt, seine Brust und seine Lenden sind entblößt. Ich spüre Erregung in mir aufsteigen. Mit zittriger Hand berühre ich sein Gesicht, seine Augenlider, seine Wangen und seinen Mund. Lasse meine Hand weiter streichen zu seinem Hals, unter sein T-Shirt...“

Hm. Der Junge schläft also im T-Shirt. Die Bettdecke ist heruntergerutscht und man kann das Meiste von seinem Körper sehen. Der Mann wird erotisiert und steckt ihm die Hand unters Leibchen, um die nackte Brust zu spüren. Okay. Da würde ich oben aber nicht schreiben: „Seine Brust ist entblößt.“ Sofort sieht der Leser eine nackte Brust, wo es in Wahrheit eine T-Shirt-Brust ist.

> „Ich beuge mich vornüber, bis ich seinen Atem im Gesicht spüre. Er ist so schön, dass ich es kaum aushalte. Ich drücke meine Lippen auf die seinen.“

Nur mal so zwischendurch. Ich will hier gar nicht behaupten, dass alles „falsch“ sei in diesem Text. Das hier trifft die Sache zum Beispiel ziemlich gut. Genau so ist es nämlich. Solche schlafenden Jungs sind oft genau dies: „so schön, dass ich es kaum aushalte“. J. als Figur innerhalb der Geschichte, der hat uns vorher zwar erzählt, dass das Meiste an Männerkörpern überhaupt nicht so schön sei wie bei Frauen. Aber J., der ist eben nicht schwul. Und nicht verliebt. Und nicht verrückt vor Begierde. Ist man dies aber, so empfindet man es eher wie Egon: Da ist eigentlich keine einzige Stelle an seinem Körper, die nicht mindestens „ziemlich hübsch“ wäre. Jedenfalls viel schöner als bei Frauen.

> „Ich spüre wie sich seine Muskeln in meinem Rachen zusammenziehen und versuche, meinen Kopf wegzuziehen.“

Hab jetzt zwar schon paar Geschichten gelesen, bei welchen sich im männlichen Zeugungsorgan kurz vorm Kommen paar Muskeln zusammenziehen. Aber stimmt das denn überhaupt? Sind da überhaupt Muskeln drin in dem Ding?

Und definitiv: Man spürt es nicht, wenn man das Teil tief unten in der Kehle stecken hat und sich da drin was zusammenzieht. Man spürt aber natürlich schon, wenn das Kommen kommt. So insgesamt halt irgendwie.

> „Ihre verletzten Kinderseelen blicken mich direkt an.“
Mag jemand diesen Satz? Ich nicht.




Übrigens. Die Geschichte hieß früher „Carmen“ und geschrieben hat sie schon 1845 ein Monsieur Prosper Mérimée. Die Leute waren da aber auch nicht gescheiter als heut’.
 



 
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