Ich begrabe dich auf einer Insel

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H

Hakan Tezkan

Gast
Hallo Eve,

ein sehr bedrückender Text, wie ich finde.
Das lyr.Du soll begraben werden, sogar auf einer Insel, die für sich schon eine große Einsamkeit ausdrückt. Dazu kommt, dass das lyr.Ich eine Insel mit "tiefen Wassern" sucht, wodurch dieser Eindruck noch stärker wird.
Der Akt des Begrabens stellt sich für mich als ein Abschied-Nehmen dar.
So handelt dein Gedicht vermutlich davon, dass das lyr.Ich in einer Beziehung war, diese aber zu Bruch ging, wahrscheinlich war hier das lyr.Du aktiv, das würde das Begraben unterstützen, und nun will es seinen ehemaligen Partner wegsperren. Jedoch leuchtet auch durch die Zeilen, dass das lyr.Du sehr wohl noch dem lyr.Ich eine Menge bedeutet, denn schließlich handelt es sich um ein "Mal", das begraben werden soll.
Das Ende ist großartig, die Pointe wirklich gut gelungen.
Nirgendwo ist ein Platz für dieses Mal, es muss im eigenen Innern eingesperrt werden.
Mir hat dein Gedicht sehr gefallen und ich hoffe, dein Mal ist in deinem Innern gut aufgehoben...

Liebe Grüße,
Hakan
 

Eve

Mitglied
Hallo Hakan,

danke schön für deine Interpretation ... mit der du ganz gut liegst ;-) es ist ein Akt des Abschiednehmens. Das LyrIch will aber nichts verbrennen oder vernichten, denn das wäre ihm selbst gegenüber nicht gerecht. Schließlich steckt immer auch eigenes Leben in einer geteilten Vergangenheit, die man nicht einfach streichen sollte. Viel eher soll sie begraben sein ... und auf den Wegen, die das LyrIch zu gehen hat, wartet irgendwann die Erkenntnis, dass es nur einen Platz für das Grabmal gibt: im Innern seiner selbst.

Es freut mich, dass dir der Text gefällt!

Liebe Grüße,
Eve
 

Eve

Mitglied
Trauerweben über deinem Grab


Ein Schleier,
gewoben aus Schmerz,
umhüllt den Stein,
unter dem du liegst.

Ich weiß, der Wind wird Löcher
in das feine Geflecht reißen,
das Dumpfe nach und nach
mit sich nehmen.

Und irgendwann,
wenn die Trauerfäden verschlissen sind,
wird aus deiner Erde
die Spitze eines zarten Triebes sprießen.
 

Eve

Mitglied
Im Regen


Kalte Tropfen
rinnen über meine Schultern,
wärmen sich auf.

Mit geschlossenen Augen
spüre ich die Frische auf
meinen Lidern,

sauge die feuchte Luft
in meine verklebte Lunge,
atme.

Und lebe.
 

Eve

Mitglied
Bitterzart


Wenn die Blätter
des Rosenbaums fallen
und du das Singen der Vögel
nicht mehr hörst

Wenn die Wolken sich über
deinem Himmel zuziehen
und das Gras
am Wegrand verwelkt

Wenn dein Tag dir
so grau erscheint
dass die Nacht
willkommene Gnade ist

Dann zieh in den Garten
deines Herzens
und sähe neue Samen.
 
K

KaGeb

Gast
Bei so viel Traurigkeit bleibt nur zu wünschen, dass es nicht wirklich "Tagebuch" ist.
Sehr gern gelesen, obwohl ich jetzt deprimiert bin ;)

LG, Karsten
 

Eve

Mitglied
Ups, das kann ich natürlich im Grunde nicht verantworten, dass du deprimiert aus meinen Texten hervorgehst! ;-)

Aber manchmal ist Traurigkeit erleben auch heilsam - auf dass nachher dem Winter der Frühling wieder folgt!

Vielen Dank fürs Lesen und für die tolle Bewertung,

viele Grüße,
Eve
 

Eve

Mitglied
Kennst du ...

... die Tage,
wenn deine Zweige sich beugen
im Spiel des Windes?

... die Stunden,
wenn deine Tränen still regnen
wie ein steter Fluss?

... den Moment,
wenn dein Atem stockt
in einem letzten Ringen?

Wenn deine Zweige brechen,
Wasser deine Kiesel glatt schleift
und dein Staub zu verwehen beginnt –

dann lach noch einmal für einen mutigen Abgang.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
wenn deine Tränen still regnen
wie ein steter Fluss?

ein vorschlag.

lass die tränen fließen, wie den fluss.

alles liebe otto
 

Eve

Mitglied
Hallo Otto,

du hast recht ... regnen passt doch nicht so, ich wollte damit das leichte, aber dennoch stete fließen ausdrücken - dann nehme ich doch gleich "fließen" ;-)

Ich kanns leider nicht mehr ändern, daher stelle ich es hier rein:

Kennst du ...

... die Tage,
wenn deine Zweige sich beugen
im Spiel des Windes?

... die Stunden,
wenn deine Tränen still fließen
wie ein steter Fluss?

... den Moment,
wenn dein Atem stockt
in einem letzten Ringen?

Wenn deine Zweige brechen,
Wasser deine Kiesel glatt schleift
und dein Staub zu verwehen beginnt –

dann lach noch einmal für einen mutigen Abgang.
 

Eve

Mitglied
Rastlos


Mit dünnen Schritten setzen
sich Minuten
tickend eine vor die andere.

Schleichend tropft der
schwarze Zeiger
millimeterweise seine Runde.

Verloren zwischen den Stunden
sehne ich das Ende meiner
Rastlosigkeit herbei.
 

Eve

Mitglied
Das Band der Zeit


Von großer Rolle
spulen sich die Tage
legen eine Kette
deren Weg ich nicht zurück verfolge.

Entlang hangeln
an den einzelnen Gliedern
wäre eine Möglichkeit
- sich daran erhängen eine andere.
 

Eve

Mitglied
Ich trinke die Stille ...


Eine Wolke frisch gemähten Grases
über dem Fluss
verdurstend trinke ich
die Stille
fliege mit den
Möwen davon.

Der Tag sticht
in meinen Lungen
brennt ein Loch
in den Kopf.

Über das Viertel
dröhnen die Glocken von
St. Heribert Vertrauen.

Eine Wolke frisch gemähten Grases
in der Nase
aber nichts ist wie immer.
 

Eve

Mitglied
28.04.2008

Da liegt sie vor mir, breitet sich aus unter meinen Blicken, die Stadt – meine Stadt – die ich heute nicht haben will. Schön wäre es, könnte ich all das dröhnend Schmerzende der letzten Wochen und Monate zusammen schnüren, ihr fest auf den Rücken binden und sie einfach damit stehen lassen. Über die weit gewölbte Brücke fahren, ein letzter Blick zurück, und dann nur weiter geradeaus. "Du hast mir Kerben in den Körper getrieben, tief und brennend, stetig läuft das Wasser aus ihnen heraus. Immer noch. Vielleicht ist es auch Galle – und ich habe es nur noch nicht bemerkt." Ich rede mit ihr wie mit einem Gegner, sie antwortet nicht. Aber an Stille, in der Wortgedanken endlos verhallen, bin ich gewöhnt – "damit kannst du mich nicht mehr treffen" – ich schreie ihr das entgegen, dränge gegen den Wind, den Regen, bin zufrieden, von den Elementen berührt zu werden. "Ich werde dich verlassen, du wirst schon sehen!" Und auch das prallt an den Mauern des Hafenbeckens ab. Es spielt keine Rolle, weder für sie noch für mich. Vielleicht spielt es doch eine Rolle – für mich. Aber ändern wird auch das nichts.

Manchmal hasse ich sie, verabscheue ihre Straßen, ihren Namen, dass sie da ist – und ich mittendrin. Aber ich muss ehrlich sein und zugeben, dass ich sie auch schon lieben konnte, dass sie mir würdiger Rahmen an einem sonnigen Tag war.

Und ich ahne, dass sie mein Spiegel ist.
 

Eve

Mitglied
Bei dir


Der Morgen boxt mich in die Seite,
und das im Spiegel
bin nicht ich.

Irgendwas ist anders,
und auf einmal
wird mir klar:

Mein Lachen
hab ich neulich wohl vergessen,
als ich bei dir war.
 



 
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