Ich bin 12 Jahre alt

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Cora Horn

Mitglied
Ich bin 12 Jahre alt


Ich bin 12 Jahre alt.
Von meinem Fenster aus kann ich dir verdorrten Bäume sehen. Ihre Äste recken sich in den Wind empor, wie die Arme von Schulkindern, die eine Antwort geben wollen.
Mein Zimmer hat vier Wände. In den Regalen stehen meine Spielsachen. Wir sind nicht arm, ich habe eine Menge. Die Barby-Puppen sind meine liebsten. Sie sitzen in einer Glasvitrine neben meiner Tür und sehen mir immer zu, wenn ich in meinem Bett gegenüber schlafe.
Ich bin 12 Jahre alt.
Der Keller ist kalt, doch ich liege auf einer Decke und umarme meine Lieblingsbarbypuppe und erzähle ihr kleine Geschichten. Wenn sie einschläft, bin auch ich bald eingeschlafen.
Ich bin 12 Jahre alt.
In der Schule sitze ich ganz vorne und die Lehrerin redet mit mir, wenn die anderen Aufgaben machen und sie keine Lust hat, Arbeiten zu korrigieren. Sie ist jung und hat Sommersprossen und ich finde sie sehr schön. Sie sagt immer, die Brille “deformiere” ihr Gesicht. Ich lache dann immer leise und sage, dass ich das nicht finde. Ich höre an ihrem Tonfall, dass es etwas Schlechtes sein muss, aber ich frage sie nie, was “deformiert” ist.
Unser Schulhof ist sehr klein und von einer hohen Mauer umgeben. Wir sollen nicht an der Mauer spielen, meistens sind wir in der Mitte des Hofes und spielen Murmeln. Nach der Hofpause gehen wir in den Keller und dort ist die nächste Stunde. Als wir wieder nach oben kommen, fällt der Nachmittagsunterricht aus.
Ich bin 12 Jahre alt
Es ist Sonntag. Meine Mutter trägt das Sonntagsessen auf. Dabei lächelt sie, aber ich sehe, dass ihre Augen nicht so leuchten, wie sie immer leuchten, wenn sie lächelt. Sie lächelt weiter und stellt das Sonntagsessen auf den Tisch. Sie lächelt immer noch, als mein Vater sagt, das sei doch nicht nötig gewesen. Das “nicht nötig” sagt er mit einer Stimme, die erhoben ist und irgendwie ein bisschen böse klingt. Nein, nicht böse, sie klingt... sie klingt einfach nur so, und meine Mutter lächelt immer noch.
Ich bin 12 Jahre alt.
Ich gehe Milch kaufen. Der Laden liegt auf dem gleichen Weg, den ich zur Schule gehe. Die Straße sieht anders aus und ich überlege auf dem Weg, wieso. Auf dem Rückweg klettere ich über die großen Steine, ohne dass es mir eingefallen ist. Der Staub kitzelt mich in der Nase und ich setze meine kleine weiße Maske aus Papier auf. Als ich zu Hause bin, nimmt meine Mutter mir die Milch weg und umarmt mich. Sie hat Tränen in den Augen.
Ich bin 12 Jahre alt.
Als ich erwache, höre ich den Ton viel deutlicher. Das kommt wohl, weil ich ihn jetzt lauter höre, weil ich nicht mehr schlafe. Draußen ist es nacht und die verdorrten Bäume schlafen. Früher waren es mehr Bäume, jetzt sind ein paar nicht mehr da. Aber die anderen schlafen trotzdem weiter, so wie sie immer geschlafen haben. Den Ton höre ich jetzt nicht mehr. Ich stehe aber auf, nehme meine Decke und möchte mir meine Barbypuppe aussuchen. Aber vom Flur ruft meine Mutter, dass ich mich beeilen soll, weil die Sirenen schon aufgehört habe zu heulen. Ich lächele meine Lieblingspuppe an und hebe die Schultern, um mich bei ihr zu entschuldigen. Den anderen Puppen winke ich im Vorübergehen zu und lasse hinter mir die Tür offen.
Der Flur ist dunkel, genauso wie das Treppenhaus, die Vorhänge sind alle schwarz und lassen niemals Licht durch. Ich finde den Weg, indem ich an einem Eisengeländer entlanglaufe.
Im Keller ist es heute dunkel und ich finde den Platz für meine Decke nicht. Oben höre ich das Pfeifen und die Einchläge. Mal sind sie in der Nähe, mal sind sie weit weg. Manchmal dringt ein helles, gelbes oder weißes Licht durch die schwarzen Vorhänge, wie bei einem Gewitter. Aber das Donnern klingt anders.
Ein Streichholz wird angezündet. Die Leute bei uns im Keller sitzen stumm auf ihren Bänken an den Wänden oder hocken auf dem Boden und sehen jeder auf einen Fleck vor seinen Füßen. Mit den Geräuschen heben sich auch ihre Augen. Sie sehen die Decke an, als würden die Geräusche da oben, neben der nackten Glühbirne kleben, die aber heut nicht angeschaltet ist.
Mein Vater sagt mir, ich solle mich schlafen legen, und ich nehme mir einfach eine andere Stelle, um meine Decke auszubreiten. Mit geschlossenen Augen klingen die Geräusche und das Knallen anders. Das laute Pfeifen ist manchmal ganz leise und wird manchmal auch ganz laut. Aber ich kenne die Geräusche schon und schlafe langsam wieder ein.
Ich bin 12 Jahre alt.
Als ich erwache, sind wir immer noch im Keller, und die Sonne scheint ganz leise durch die schwarzen Vorhänge und beleuchtet den Staub, der in der Luft über mir schwebt. Ich stehe auf und gehe zu dem Platz, wo immer das Wasser ist, um mich zu waschen. Aber mein Vater ist da und sagt mir, ich darf das Wasser nur zum Trinken nehmen, und dass wir den ganzen Tag im Keller bleiben. Ich nehme mir eine Tasser Wasser und gehe zurück zu meiner Decke. Mein Vater bleibt bei der Wasserstelle und gibt den anderen das Wasser - immer nur ein bisschen, nie soviel wie alle wollen. Später sagt er mir, dass meine Tasse Wasser für den ganzen Tag sein soll. Ich hebe mir die Hälfte auf und warte bis zum Schluss, um sie zu trinken.
Irgendwann am Tag werde ich wieder müde. Ich schlafe sehr oft, meine Mutter sagt immer, dass ich viel zu viel schlafe in meinem Alter. Bevor die Nacht hereinbricht, bin ich wieder eingeschlafen.
Ich bin 12 Jahre alt.
Mein Zimmer hat drei Wände. Das Regal mit meinen Kuscheltieren ist jetzt weg und ich kann über die ganze Straße sehen. Die Bäume sind auch alle weg, und einige von den Häusern, die ich sehe, wenn ich aus der Haustür gehe, sind jetzt nur noch Steine auf der Straße. Die Laternen brennen, aber es ist trotzdem dunkel und die Luft scheint zu leben, sie bewegt sich ständig und in verschiedenen Schattenfarben.
Ich liege in meinem Bett. In meinem Zimmer ist es jetzt viel kälter, aber ich habe noch eine Decke. Meine Mutter hat sie mir gebracht, mir meinen Gutenachtkuss gegeben und ist rausgegangen. Sie hat nichts gesagt, mich nur geküsst und ist gegangen. Die Tür war offen, deshalb kann meine Mutter sie jetzt zumachen.
Mein Zimmer hat drei Wände, und ich bin 12 Jahre alt.
Ich gehe einen anderen Weg zur Schule. Mein gewohnter Schulweg ist gesperrt. Mein Vater hat gesagt, ich solle nicht zur Schule gehen, ich solle zu Hause bleiben. Aber meine Mutter hat mit ihm gesprochen und gesagt, ich müsse in die Schule gehen, sonst wäre es doch das alles nicht wert. Ich habe den Satz nicht verstanden, aber ich gehe zur Schule .
Ich bin 12 Jahre alt.
Der Unterricht des Vormittags fällt heute aus. Ich gehe mit zwei Freunden durch die Stadt und schaue mir die Straßen an. Sie sehen jede Woche anders aus, aber wir haben sie uns lange nicht mehr angesehen, weil wir nicht nach draußen zum Spielen gehen sollten. Ich habe in meinem Zimmer mit meinen Barbys gesessen und sie Autos fahren lassen durch die Landschaft, voller Kuschelt...- nein, nicht voller Kuscheltiere! Welche Kuscheltiere? Ich habe doch keine Kuscheltiere!
Wir schauen uns das Loch in der Mauer unseres Schulhofs an. Der Unterricht fällt aus, weil unsere Lehrerin nicht kommen konnte und Ersatz am Nachmittag erst aus der nächsten Stadt kommt. Das Loch ist gar nicht so groß, wie ich es mir vorgestellt habe. Es ist sogar ziemlich klein für so einen großen Einschlag. Aber der Einschlag war ja auch nicht in der Mauer, das Geschoss hat ja das Haus nebenan getroffen! Eine Freundin hat in diesem Haus gewohnt, sie war nicht in der Schule. Wir überlegen, ob wir sie besuchen gehen, aber das Krankenhaus ist am Ende der Stadt und dann verpassen wir den nächsten Unterricht. Außerdem wissen wir ja gar nicht, ob wir sie dort finden werden.
Wir sind wieder in der Schule. Ich sitze ganz hinten und der neue Lehrer sieht mich überhaupt nicht an. Mein Bein tut weh, wo ich vorhin an einem Eisenträger eines Hauses angestoßen bin. Ich glaube, dass es blutet, aber das ist nur ein Kratzer und wird irgendwann auch wieder aufhören damit. Von der Bank hinten kann ich aus einem der Fenster sehen. Das Loch in der Mauer macht den Blick frei auf das Haus von meiner Freundin - nein, den Rest davon. Es ist überhaupt kein Haus zu sehen. Und doch konnte ich mich an einem der Träger verletzen, die die Wände zusammenhielten. Neben dem Loch hängt ein Bild von meiner Lehrerin, darunter Blumen. Meine Lehrerin hatte Sommersprossen und trug eine Brille, die sie deformierte. Ich weiß nicht mal, was das ist.
Ich bin 12 Jahre alt.
Der Heimweg ist verstaubt und meine weiße kleine Maske aus Papier ist schon ganz schmutzig. Ich habe zu meiner Mutter gesagt, dass ich sie waschen muss, aber mein Vater hat gesagt, das Papier würde sich auflösen, dann hätte ich keine mehr. Außerdem gibt er fürs Waschen kein Wasser mehr aus.
Ich bin 12 Jahre alt.
Vor einem Haus bleibe ich stehen, das noch da ist, als ich die Sirene höre. Ich überlege, wie ich hineinkomme und wo der Keller ist, und halte meine kleine Tasche mit den Heften fest umklammert. Als der Einschlag ist, bin ich noch immer vor dem Haus. Ich sehe die Steine auseinanderspritzen und überall auf dem Boden landen. Manche fliegen weiter durch die Luft und nehmen ein paar Eisenträger und mindestens eine Wolke Staub mit sich.
An einem Träger habe ich mir meine Wade aufgeritzt. Mein Zimmer hat drei Wände. Meine Lehrerin hängt an der Mauer. Sie ist deformiert. Das Haus ist nicht mehr da.
Ich war 12 Jahre alt.
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, Cora Horn

Was für eine Tour de force!

Der Text ist zu gut, um neidisch zu sein, dass ich ihn nicht geschrieben habe.

Neidlos applaudiert

blaustrumpf
 
M

mako

Gast
Hallo, Cora,

eigentlich wollte ich Deine Geschichte einfach "überfliegen", nun las ich sie schon zum dritten Mal.

Mir bleibt auch nur zu sagen:
WOW, was für eine Geschichte.

Die Aktualität Deiner Geschichte vor dem Hintergrund des Irak-Krieges hat mir zusätzlich kalte Schauer über den Rücken gejagt.

Ich hoffe, Du musstest das nicht wirklich erleben.

Gruss
Mako
 
P

Parsifal

Gast
Hallo Cora,

schön für Dich, daß Du diese Zeit nicht erlebt hast! Vom Alter her müßtest Du dann etwa 72 Jahre alt sein und wüßtest auch, daß es damals keine Barbypuppen gab.

Ansonsten hast Du Dich recht gut in die Zeit der Bombennächte eingefühlt, wenn es auch wesentlich grauenhafter war, als Du es schilderst.

Aber (ohne Überschrift) zwölfmal der Satz "Ich bin zwölf Jahre alt" dient kaum noch der Steigerung oder Intensivierung, und der Satz "Mein Zimmer hat drei Wände, und ich bin 12 Jahre alt" kommt mir vor wie "Der Löwe ist gelb und großmütig". Was haben diese beiden Feststellungen miteinander zu tun?

VG
Parsifal
 
C

caruso

Gast
ciao cora,

in der Sache muss ich Parsifal recht geben, in der Drammatik jedoch bin ich von Deinem Schreibtstil fasziniert.

Gut erzählt, LG caruso
 

Cora Horn

Mitglied
mhm, hab ich das jetzt doch so geschrieben?

Dankeschön für eure Antworten und euer Lob :)!

Das kommt davon, wenn man zu viele Dinge auf einmal macht. Ich gebe euch beiden völlig recht, das klingt echt komisch. Also machen wir zwei Sätze draus.
Der Satz Ich bin 12 Jahre alt soll einfach nur die Zeitsprünge abgrenzen, er kommt immer dann, wenn zum Beispiel ein neuer Tag beginnt. Er sollte also eigentlich nicht in dem Sinne zur Steigerung beitragen, sondern wird sozusagen einfach als Motiv mitgeschleppt. Aber wenn ihr der Meinung seid, dass er zu oft vorkommt und stört, guck ich noch einmal rein, wo ich ihn eventuell streichen könnte.

Und ich wollte noch hinzufügen, dass ich nicht 72 bin, glücklicherweise keinen Krieg erlebt habe, aber auch die Handlung nicht direkt in den Irak-Krieg gesetzt habe, auch wenn dieser Auslöser für die Überlegung war. Es ging darum, Krieg in einem industrialisierten Land zu thematisieren, (wo es Barbies gibt) an einem Ort, an dem er noch deplacierter und abstrakter erscheint, als an einem Ort der allgemeinen Armut. Ich denke hier zum Beispiel an Israel im gegensatz zu Afghanistan.

Aber ich bin doch "froh", dass ich das mit den Bombennächten einigermaßen hingekriegt habe, Parsifal, denn wie gesagt kann ich mich "nur" hineinfühlen und ich hatte etwas Sorge, dass ich das nicht ordentlich geschafft habe. Ich kann mir auch denken, dass das Ganze noch grauenhafter war. Aber ich wollte keine Actionstory machen, die Geschichte sollte einen allgemein surrealen Charakter haben.

Also dankeschön noch mal und eine wunderschöne Nacht noch.

Cora
 

Andrea

Mitglied
Wirklich eine gute Geschichte, nur der Anfang ist etwas sehr langatmig. Da solltest du ein wenig straffen und kürzen. Die Häufung von „Ich bin 12 Jahre alt“ ist wirklich sehr störend, und bis auf drei oder vier davon solltest du die Sätze durch Absätze ersetzen. Vielleicht sogar alle bis auf das erste und das letzte. Außerdem schläft deine Ich-Erzählerin für ihr Alter wirklich viel – will heißen: das beschreibst du übermäßig oft und hältst dich daran auch immer etwas länger auf (übrigens auch das v.a. im ersten Teil).

Ab „Als ich erwache“ wird die Geschichte richtig gut, mein persönliches Highlight war „Meine Lehrerin hatte Sommersprossen und trug eine Brille, die sie deformierte. Ich weiß nicht mal, was das ist.“; das fand ich sehr packend. Auch den Schluß finde ich außergewöhnlich gelungen.

Es gab ein paar Stellen, an denen es etwas harkte (ihr Weg ist anders, aber sie weiß nicht warum.. der Weg ist noch derselbe, nur die Welt hat sich geändert; Barbie schreibt sich mit ie; wieso trinkt sie ihr Wasser nicht sofort aus, sollte der Vater ihr nicht sofort sagen, daß sie nicht alles trinken darf?..; wieso muß das arme Kind in einem Zimmer mit drei Wänden schlafen und spielen?), aber alles in allem sehr eindrucksvoll.
 

Cora Horn

Mitglied
Hallo

Sorry, dass ich erst jetzt antworte, aber ich war schon EWIG nicht mehr hier!

Der Schlaf ist einfach nur eine Reaktion auf ihr Umfeld, ne psychische Reaktion darauf in Form von Realitätsflucht, findet man häufig bei Depressiven. Es geht allgemein darum, dass sie nicht viel von den Geschehnissen um sie herum erlebt, auch beim Schulweg. Sie weiß natürlich, was sich an dem Weg verändert hat, aber das nimmt sie nicht bewusst war, weil sie es nicht wahrnehmen will.
Das mit dem wasser - weiß nicht - hab ich nie als so besonders wichtig gesehen. Das ist einfach nur eine sache von "das glas ist halb voll oder halb leer" - "ich trinke mein wasser jetzt oder hebe es mir bis zum Schluss auf".
Mehr ist das wirklich nicht, und ich habe das gar nicht als besonders auffällig gesehen.


Das mit dem "ie" in Barbie wusste ich nicht, ist nicht so mein Metier, aber ich werde das natürlich auch noch ändern.
Das mit den Sätzen habe ich jetzt auch geändert, danke für den Hinweis. :)

Viel Spaß noch
Cora
 

Ingwer

Mitglied
Hallo Cora,

gefällt mir sehr gut- Du schaffst es wirklich, mit einfacher Sprache Atmosphäre herzustellen. Wow.
Aber einige der "Ich bin 12 Jahre alt" würde ich streichen.
Und vielleicht den letzten Satz "Ich war 12 Jahre alt". Meiner Meinung nach ist er im Grunde überflüssig und ein wenig dick auftragend. Ein offenes Ende wirkt hier vielleicht noch verstörender und regt den Leser mehr zum Nachdenken an.
Nur eine Kleinigkeit.

Liebe Grüße
Ingwer
 
L

Lemberger

Gast
das ist einfach nur großartig ...

ich hab mich gleich am anfang an: "ihre äste recken sich dem wind empor" gestört. klingt ein wenig komisch, ansonsten (ich hab den text vor einiger zeit schon gelesen) hats einen nachhaltigen eindruck bei mir hinterlassen.
schaffen nicht viele texte. ;-))

lg
lemberger
 

roland

Mitglied
Hallo Cora, auch wenn ich ein wenig spät dran bin, ich habe die Geschichte des kleinen Mädchens gerade mit steigender Spannung, mit zunehmendem Blei in der Magengrube gelesen. Für mich (in meiner Vorstellung) wars eine Szene aus dem Krieg in Jugoslavien.
Ich bin beeindruckt, wie sehr Dein indirektes Beschreiben das Bild in mir farbiger, plastischer, realer macht. Also z.B. den Tod der Lehrerin durch Erwähnen eines Bildes mit Blumen darunter mitzuteilen...
Deine Geschichte ist so typisch und zugleich so traurig, wie nur die verdammte Realität sein kann. Das finde ich wichtiger als die Zuordnung zu einem bestimmten Krieg, zu bestimmten Daten, Jahreszahlen.
Es bleibt in mir nach dem Lesen der Wunsch: gäbe es doch nur das Töten und Sterben nicht.
danke von Roland
 

neonovalis

Mitglied
Hallo Cora Horn,

ich finde, dass Dir ein wunderbarer Text gelungen ist.:) Sehr ergreifend und in der sprachlichen Gestaltung sehr eindringlich.

LG neonovalis
 

sapna

Mitglied
Ich finde es sehr gelungen. Auch die Einschübe des Satzes: Ich bin 12 Jahre alt. Haben für mich ihre Berechtigung. Ich finde, stilistisch passen sie einfach zum Text. Eine wirklich gute Idee.
 
S

suzah

Gast
hallo cora,
die geschichte ist gut geschrieben, der anfang mit den bäumen gefällt mir besonders und auch der schluß. die wiederholungen von "ich bin 12 jahre alt bzw am schluß "war" finde ich gut.
du hast versucht, dich in so eine kriegssituation einzufühlen, für dieses bemühen, hast du lob verdient.

allerdings ist nicht alles richtig beschrieben (ich habe es als ich 12/13 jahre alt war selbst erlebt.)
es gab keine "schwarzen vorhänge" im keller, aber schwarze verdunkelungsrollos in den wohnungen und im flur.
der vater müsste gleich bei der ausgabe sagen, dass die tasse wasser für den ganzen tag reichen muss.
die straßenlaternen brennen nicht mehr, wenn die häuser doch alle getroffen und auch im keller der strom ausgefallen war. überhaupt hat man keine straßenbeleuchtung nachts gehabt, s. verdunkelung.
meist ist die schule dann ganz ausgefallen, ein neuer lehrer kam sicherlich nicht so schnell, eher ohnehin eine frau oder sehr alter lehrer, da die männer alle beim militär waren.

da die glasvitrine neben der tür weg, diese ehemals vierte wand zerstört ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese tür noch funktioniert bzw überhaupt noch vorhanden ist.

wieso will sie wissen, dass es ein "großer einschlag" war?
das loch in der mauer stammt von einer granate, das haus jedoch wurde bestimmt von einer bombe getroffen.

liebe grüße suzah
 

Rodolfo

Mitglied
Wiederholungen oder nicht, Barbie oder Barbi - wichtig ist mir hier die Aussage. Ich habe mit "Ahmed ist Sieben" das selbe in kürzerer Form versucht, nämlich den Krieg aus der Sicht eines jungen Menschen, der ihn nicht begreift und doch zum Opfer wird.
Du hast den Text länger durchgehalten, und das macht diese Situation noch dramatischer als meine Kurzgeschichte. Bravo und danke, dass du dir solche Überlegungen machst.

"Ahmed ist Sieben" findet man hier:

http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=61029
 

ENachtigall

Mitglied
[red]Off topic[/red]

Sorry, dass ich das hier anmerken muss, Rodolfo; hast Du das nötig in einem Text des Monats Eigenwerbung zu platzieren? Ich halte das für schlechten Stil.

Grüße v. Elke
 

Clara

Mitglied
Hallo Cora

Gedanken danach:
bei dem Stichwort Barbie hab ich gleich gedacht: das ist nicht Deutschland - da gabs keine Barbies mit Krieg.

Ich bin zwölf Jahre alt - einige stören sich daran.
Aber es werden hier ja verschiedene Episoden in einem Krieg erzählt.
Das Kind denkt - bedenkt eigentlich nur seine eigene Welt -
hört evtl Erewachsene flüstern - und sieht selbst auch die Stadt, in der es sich kaum noch zurechtfindet. In der Rückschau beginnt jeder alte Mensch auch mit seinem Alter - ich empfand es überhaupt nicht Gebetsmühlenartig.

Das der Nachmittagsunterricht im Keller stattfindet hatte mich aufhorchen lassen - während der Bombardierung? Oder waren bereits Räumlichkeiten zerstört?
Und - Keller an sich. Gibt es sowas überhaupt im Ausland?

Sehr schön beschrieben empfand ich die Passage, wo sie sich schlafen legt, und das Pfeifen fern und doch wieder nah ist - also Kind nicht wirklich schläft sondern sich nur verkrochen hat und vor sich hindämmert.

Die weisse Papiermaske - ich dachte erst jemand der nicht wirklich lebt, nimmt an diesem Geschehen von oben teil - sie könnte evtl noch mal erklärt werden. Und, eine 12jährige weiss auch, dass Papier und Wasser sich nicht gut vertragen.


Etwas fehlt noch im Text: Das ist der Geruch.
Der Staub fiel ja mehrfach.

Der Absatz mit der Lehrerin, zu der Kind einen Bezug hatte,
war noch kindlicher als 12 Jahre - und wieso unterhalten die sich, während andere sich mit den Aufgaben abmühen?

Der Gedanke, das ein Zimmer meist vier Seiten hat, und nach der Bombardierung nur noch drei - ist echt ein fast lustiger Einfall, denn das Kind schläft weiterhin im 3 Wandzimmer, was ich mir nicht so vorstellen kann.

Aber was in einem Krieg und nach derZerstörung alles möglich ist, ich habe es auch nicht erlebt. Die Dunkelheit, das Donnern, das lese ich gut heraus und das man bemüht ist, seinen Alltag aufrecht zu erhalten.

naja, konstruktive Vorschläge in dem Sinne habe ich nicht, aber doch einige Marker die mir haften geblieben waren.

Insgesamt ein bedrückender Text und die Nachgeborenen könnten gerne über ihr Streben nachdenken, und bedenken, ob man dabei vielleicht auch wieder Kriege anzettelt.
 
S

suzah

Gast
hallo clara,
ich hatte das nicht extra erwähnt, aber barby gab es während des II. weltkrieg noch nicht, ist klar.
die schulen hatten auch luftschutzkeller, ob dort auch dann während eines angriffs unterrichtet wurde, weiß ich nicht, denn bei uns war meist nachts fliegeralarm bzw am tage kam der voralarm oft grad auf dem heimweg und wir schafften es noch bis nach hause.
dass die lehrerin sich mit ihr unterhält während die anderen ihre aufgaben machen? vielleicht nur einige worte und sie hatte ihre aufgaben schon fertig?
die leute haben tatsächlich in halb zerstörten häusern mit offenem dach oder einer fehlenden wand hausen müssen, s. auch meine vorherigen anmerkungen mit der tür etc.
keller gibt es teilweise im ausland, oft aber nicht, das hängt von dem jeweiligen land ab.
lg suzah
 

Rodolfo

Mitglied
ENachtigall; Interessant, dass du es so siehst. Eigenwerbung wäre es, wenn ich hier etwas verkaufen möchte. Meiner Meinung nach ist ein Forum dazu da, sich auszutauschen, auch über Inhalte, zu vergleichen, sich gegenseitig zu bestätigen oder zu helfen.
Mein Hinweis war auch mehr für die Autorin gedacht, die sich vielleich ebenso über "verwandte Gedankenn" freut, wie ich das beim Lesen ihres Beitrages getan habe.
Sollte ich mich irren und die Diskussion über Barbie-Puppen und Innenraumgestaltung von Luftschutzkellern das Wichtigste in diesem Forum sein, dann bin ich hier falsch.
Falls du jedoch damit nicht leben kannst, bin ich gerne bereit, meinen Beitrag hier zu löschen.
 

schreibhexe

Mitglied
Liebe Cora,
ich bin tief beeindruckt von Deiner Geschichte. Ich habe tatsächlich lange geglaubt, Du würdest hier eine eigene Kindheitserinnerung verarbeiten, so nah kommt einem das Geschehen. Nur die Barbiepuppe zeigte schließlich, dass Du das "nur!° nachempfunden hast. Aber wie!
Die Wiederholung "Ich bin 12 Jahre alt" als Stilmittel macht das "Erlebte" noch eindringlicher, denn in einer Kinderseele prägt sich so etwas fürs Leben ein. Und wie tapfer das Kind damit umzugehen versucht. Meine Hochachtung.
LG Schreibhexe
 



 
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