Ich gebe Laut (Sonett)

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Walther

Mitglied
Ich gebe Laut vom großen Wunderwort,
Wo doch am Straßenrand der Schnitter wartet.
Der Bux ist schon zu Wildgestrüpp entartet.
Der Rotmilan übt sich im Hasenmord.

Mein Atem streicht die leere Stundentafel,
Der letzte Hoffnungstraum kommt aufs Schafott.
Vom Blasorchester bleibt noch das Fagott.
Die große Absicht war nichts als Geschwafel.

Du zeigst mir wenigstens ein kleines Lächeln,
Das diesen Übergang mit Glanz versieht.
Da will ein leiser Hauch mich zart umfächeln,

Will kühlen, was alsbald ins Licht entflieht.
Ich wollte jetzt die rechte Saite schlagen,
Die eine Antwort hat auf alle Fragen.
 

Walther

Mitglied
Ich gebe Laut vom großen Wunderwort,
Wo doch am Straßenrand der Schnitter wartet.
Der Bux ist schon zu Wildgestrüpp entartet.
Der Rote Milan übt den Hasenmord.

Mein Atem streicht die leere Stundentafel,
Der letzte Hoffnungstraum kommt aufs Schafott.
Vom Blasorchester bleibt noch das Fagott.
Die große Absicht war nichts als Geschwafel.

Du zeigst mir wenigstens ein kleines Lächeln,
Das diesen Übergang mit Glanz versieht.
Da will ein leiser Hauch mich zart umfächeln,

Will kühlen, was alsbald ins Licht entflieht.
Ich wollte jetzt die rechte Saite schlagen,
Die eine Antwort hat auf alle Fragen.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Gedicht steht für den Tod, denke ich. Genauer für den Todesprozess. Es ist ein Schnitter, der heißt Tod. Er wartet schon.

"Hasenmord" ist wohl dem Reim geschuldet. Der Milan wird vermenschlicht. Für die Natur ist es kein Mord, denn es steht kein Vorsatz, kein Verbrechen dahinter, sondern Hunger, Natur. Aber es ist ein poetisches Bild, das den Tod veranschaulicht und seine Irrationalität, die zugleich die letzte Rationalität darstellt.

In meiner Version stünde lapidar: Der Rote Milan trägt den Hasen fort.

Die Stundentafel ist leer - die Lebenskerze abgebrannt - eine traditionelle Betrachtung. Es gibt nichts, was man tun kann oder tun muss. Man hat völlige Freiheit innerhalb extrem enger Grenzen.
Das Konzert ist fast am Ende, der letzte Ton ist nah, vom Fagott, welches eine wehmütige Klangfärbung erzeugt.
Es ist jemand da, der tröstet. Fern ist eine Verbindung.
Es wird allmählich alles abgeschaltet, bis nichts mehr bleibt. Oder? Dieses Oder zieht sich durch.
Und einer der letzten Gedanken: Mache ich es richtig? Ist es der richtige Ton? Oder erzeuge ich noch eine Dissonanz, nachdem das Fagott verklungen ist?
Das Orchester hat ausgespielt. Jetzt bin ich dran, der Gaukler mit seiner Laute, der Sänger mit seiner Gitarre, der sie nur noch in Gedanken bewegt, wie Woody Guthrie in seinen letzten Stunden, schon fast bewegungsunfähig, Bob Dylan war bereits da, Gaukler bei Gaukler, Prophet bei Prophet.
 

Walther

Mitglied
Ich gebe Laut vom großen Wunderwort,
Wo doch am Straßenrand der Schnitter wartet.
Der Bux ist schon zu Wildgestrüpp entartet.
Der Rote Milan trägt den Hasen fort.

Mein Atem streicht die leere Stundentafel,
Der letzte Hoffnungstraum kommt aufs Schafott.
Vom Blasorchester bleibt noch das Fagott.
Die große Absicht war nichts als Geschwafel.

Du zeigst mir wenigstens ein kleines Lächeln,
Das diesen Übergang mit Glanz versieht.
Da will ein leiser Hauch mich zart umfächeln,

Will kühlen, was alsbald ins Licht entflieht.
Ich wollte jetzt die rechte Saite schlagen,
Die eine Antwort hat auf alle Fragen.
 

Walther

Mitglied
Lb Bernd,

vielen lieben Dank für Deine ausführliche Widmung dieses Texts. In der Tat ist die Vanitas Ebene eine der Themen, die das Sonett behandelt. Es gibt jedoch noch eine zweite, die dem Text im Laufe seiner Komposition zugewachsen ist. Du hast sie mit der Begrifflichkeit der Laute (= Lyra) angedeutet. Es geht also um mehr als den einen Tod.

Nun sollten Gedichte dieser Art keine Antworten liefern. Sie sollen, wie ich meine, auch nicht weinerlich sein. Vielmehr sollen sie Spuren legen, Straßenpfosten einschlagen, Denkrichtungen andeuten. Meine Lyrik soll das tun, daher ist sie so lapidar. Denn nichts ist schlimmer, als sich um Erkenntnis zu betrügen.

Daher habe ich Deinen Vorschlag für die Neuformulierung von S1V4 auch übernommen. Sie verstärkt das nüchtern Beschreibende, schafft mehr Distanz zwischen Autor und Protagonist.

Das Du ist das, ohne das kein gutes Leben möglich ist. Dessen sollten wir uns, bei allem momento mori, uns immer bewußt sein, und zwar bevor es von uns gegangen ist, das Du.

Danke und lieber Gruß W.

Lb. Herbert,

wie immer danke für Deine klugen Hinweise. Und natürlich Deine Wertung. Wie Du siehst, bin dem Hinweis von Bernd und Dir gefolgt.

Ich dachte schon, dieser Text ginge unter wie so viele meiner jüngsten Versuche. Schön daß ich mich täuschen durfte! ;)

LG W.
 



 
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