Ich will, dass sie lacht. - Schmetterlingsflügel

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karlizi

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Du sagtest: „Wo bist du?“
Ich sagte: „Im Schlosspark.“
Du sagtest: „Was machst du da?“
Ich sagte: „Ich bin hier her gekommen um mit dir zu sprechen.“
Ich sagte: „Ich bin da.“
Du sagtest: „Ich bin in die Pfütze gefallen.“
Ich sagte: „Ich weiß.“
Ich werde nicht wegfliegen ohne dich.
Ich fragte: „Wie ist das Wetter bei euch, heiß?“
Da sagtest: „Na, es geht.“
Ich sagte: „Gib dich nicht auf.“
Ich sagte: „Ich melde mich wieder.“

Du fragtest: „Wo bist du?“
Ich sagte: „Ich bin im Schlosspark.“
Da sagtest: „Was machst du da denn immer?“
Ich sagte: „Nachdenken.“
Ich sagte dir nicht, dass ich heute einen toten Zitronenfalter sah. Er lag vertrocknet am Boden. Er hatte die Flügel zusammen, sie waren nicht gebrochen.
Ich sagte dir nicht, dass ich eben einem Schmetterlingsjäger einen Stich gab.
Nein, ich erzählte dir eine Geschichte und sagte, sie ist langweilig.
Leise, ganz leise hast du mir zugehört.
Ich setzte mich ganz vorsichtig an den Pfützenrand und blieb bei dir.
Du hörtest mir zu. Die kleine Raupe nahmst du in den Arm und lachtest.
Ich fragte: „Wie ist das Wetter bei euch?“
Du sagtest: „Na, bei euch ist heiß, 35 Grad.“
Ich sagte: „Ich weiß es nicht.“

Ich sagte: „Wenn ich kann, komme ich zu dir.“
Du sagtest: „Wenn ich könnte, käme ich nächste Woche.“

Du sagtest: „Du wieder in deiner schwarzen Hose, ne?“
Ich sagte: „Ja.“
Du sagtest: „Du Käse.“

Gerne würde ich dir sagen können, dass wir alle die Pfütze sehen.
Es ist keine Schande mal in eine Pfütze zu fallen.
Ich sagte dir nicht, du tust mir leid, denn so ist es nicht.
Ich sagte dir nicht, es tut mir weh, denn das konntest du merken.
Würde es dir helfen, so spränge ich für dich in die Pfütze.
Deine Flügel müssen trocknen. Du musst sie bewegen, sobald sie draußen sind.
Gerne würde ich dir sagen, erhebe dich, stehe auf, warte nicht, bis das Wasser dich lähmt.
Doch ganz ruhig setze ich mich an den Pfützenrand und warte, bis das Wasser still steht, bis du dich beruhigst.
Deine Flügel werden wir dir wieder trocknen, deinen Schmetterlingsflug darfst du NIE aufgeben, auch den Regen brauchst du nicht zu meiden. Du musst bloß lernen eine Pause zu machen, wenn die Flügel nass sind. Irgendwann fliegst du wieder zwischen den Regentropfen durch. Ich weiß es.
Ich sagte: „Schön dich zu hören.“

Gestern hatte ich dir gesagt:“ Wenn du fortschwebst, bleibt ein schwerer Hauch von Leere, der mich sehr traurig macht.“ Eben hast du mir ganz leise zugehört und diesen Hauch nicht hinterlassen. Danke.

Kolibri versucht meine Flügel trocken zu halten und kleiner schwarzer Vogel hält Ausschau und sagt: „Denk’ an die Schmetterlingsraupen.“

Deine Wut über all die, die es hätten sehen müssen und rechtzeitig geflüchtet sind, zeigst du nicht. Deine Wut über all die, die dir jetzt helfen könnten, lässt du nicht zu. Du weißt nicht, wer alles hinter dir steht, aber es bin nicht nur ich. Du hast die Kraft selbst aus der Pfütze zu fliegen. Was du getan hast für meine kleinen Raupen, wird für immer in ihnen sein. Es sind deine kleinen Raupen, das habe ich dir nicht gesagt.

Ich habe es dir gezeigt.
 



 
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