Ich will noch nicht sterben

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Astrid

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„Bin wieder da!“ rufe ich in den Flur. Aber es antwortet nur das Gebrabbel des Fernsehers.
Brabbeln – sabbeln, du hast nichts gehört, hast dich verschanzt vor den flimmernden Bildern.
Wie gestern und wie am Tag zuvor und wie morgen auch.
„Sage jetzt nicht, du hast es nicht gewusst“, denke ich.

Du sitzt und glotzt auf die Scheibe, bist blind dabei geworden. Auch für mich.

Ich knalle den Einkauf auf den Küchentisch. Das Klappern der Flaschen lässt dich aufhorchen. „Bist ja schon da.“
Sprichst die Worte lasch gegen die Mattscheibe. Bewegst dich nicht dabei. Vielleicht bist du ja schon tot?

Sorgfältig lege ich die leeren Tüten zusammen, falte sie, doppelt und noch einmal, schleiche mich an dir vorbei und murmle – „Ich gehe noch mal los.“
Wut kocht mir im Bauch, Wut pocht mir im Hals. Ich zerre den Mantel vom Haken, die Tür knallt. Der Mantel ist eingeklemmt. Die Wut im Hals pocht lauter, die Wut im Bauch kocht über. Mein Atem fliegt, als ich den Schlüssel erneut im Schloss drehe und die Tür aufstoße: „Ich gehe!“ Werfe dir die Worte vor die Füße, wo sie liegen bleiben wie frisches Fleisch vor einem übersättigten Tier.
Ich will noch nicht sterben.
 



 
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