Idealisches Welterbe-Sonett

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HerbertH

Mitglied
Schon lang' ist's nicht mehr Polis, nein, nicht mehr,
Es geht um and're Größen, Dimensionen,
Obwohl wir alle fast in Städten wohnen,
Geht uns're Sorge weiter, weit bis übers Meer.

Wie kleinlich ist es, über Renten Dich
Zu streiten, da in and'ren Weltregionen
Der Hunger wütet, Aids, Gewaltschwadronen
In Blutgier morden. Bilder, widerlich,

Doch bunt, beflimmern täglich matte Scheiben,
Bedrängen uns, doch uns're Augen bleiben

Geschlossen oft, gerichtet auf's Daneben,
Auf uns're kleinen Welten, unser Leben.

Doch wenn wir aufschrei'n, uns am Leiden reiben,
Besteht noch Hoffnung auf ein Welterbeben.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo HerbertH

Das ist kein Sonett und es klingt auch nicht. Mir ist auch nicht klar, wie man fast in der Stadt wohnen kann.. ;)

Stilistisch und metrisch ist das Gedicht überhaupt höchst unsauber und selbst die Kommata sind nicht immer dort, wo sie hingehören.

Allein der Versuch, ein Sonett zu schreiben, ist anerkennenswert. Drei Punkte.

Gruss

J.
 

HerbertH

Mitglied
@JoteS

Werd mal bitte genauer, was soll denn da falsch sein. Jamben? 14 Zeilen? Reine Reime? Quintessenz in den letzten beiden Versen? Für mich klingt es, hängt vielleicht davon ab, wer es wie liest :). Welches Komma ist denn Deiner Meinung nach falsch?

Ich lerne gern hinzu ...

Beim fast musst Du übrigens nur den Bezug auf alle lesen, so weit weg ist das nicht ;).

@Sta.tor

idealisch gibt es schon und war - bezogen auf das Welterbe - auch gemeint:

ide|a|lisch <zu → ideal>: einem Ideal entsprechend od. angenähert

LG

Herbert
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Herbert

"Doch bunt[red],[/red] beflimmern täglich matte Scheiben"

"Geht uns're Sorge weiter, weit bis übers Meer"

Hier hast Du einen sechshebigen Jabus statt des sonst verwendeten fünfhebigen eingebaut. Zwei Silben zuviel. Man kommt aus Takt und drum klingt's nicht. Klingt nicht? Kein Sonett. :p

Was das "fast" angeht: Ich muss gar nichts. Der Satz wurde für den Reim verdreht und der Bezug ist unsauber. Schlecht formuliert nennt man das.

Noch (?!) bist Du ein wenig zu sehr von Dir überzeugt, werter Kollege. ;)

LG

Jürgen
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Jürgen,

Noch (?!) bist Du ein wenig zu sehr von Dir überzeugt, werter Kollege.
Das gebe ich gern zurück.

Ich wollte nur etwas genauer wissen, was Dich denn konkret gestört hatte. Denn - mit Verlaub gesagt - die etwas pauschale Art, in der Du das Gedicht abqualifiziert hast, hat mich schon gestört.

Ich bin durchaus fähig Kritik anzunehmen, was ich durch mein
Ich lerne gern hinzu ...
schon andeutete.

Kritik ja, Runterputzen nein.

Nun zu den sachlichen Einwänden:

Über den 6-Jambus habe ich auch nachgedacht, es wäre sehr einfach, daraus

Geht uns're Sorge weit bis übers Meer.
zu machen. Ich habe mich für die Fassung im Gedicht entschieden, um eine Art Echoeffekt zum wiederholten nicht mehr der ersten Zeile zu erzielen. Auch passte für mein Sprachgefühl die 5er Lösung nicht so recht von der Länge.

Dass es immer gleiche Jambenzahl sein muss, ist das denn ein ehernes Gesetz des Sonettes?

Mich würden hier auch weitere Meinungen interessieren.

Ich nehme an, dass Dich das Komma nach bunt stört? Auch hier habe vorher darüber nachgedacht. Es mag sein, dass das Komma nicht ganz Dudenkonform ist (Anmerkung siehe unten). Warum habe ich es gesetzt? Mir ging es darum, eine gewisse Betonung des bunt zu erzielen, auf Kosten eines leichten Stockens des Textflusses.

Du schriebst:

Was das "fast" angeht: Ich muss gar nichts. Der Satz wurde für den Reim verdreht und der Bezug ist unsauber. Schlecht formuliert nennt man das.
Wenn Dich das musst störte, gut, das war etwas harscher im Ton, das gebe ich zu, mich hatte da auch etwas gestört, siehe oben.

Mit dem für den Reim verdreht und der Bezug ist unsauber bin ich nicht so recht einverstanden. Erstens ist die Wortstellung wegen der Jamben zustandegekommen, nicht wegen des Reimes :). Und zweitens gehören mehrdeutige Bezüge zu den sprachlichen Mitteln gerade im Gedicht. Wenn Du es anders lesen willst, kannst Du auch den anderen Bezug nehmen und Dir zum Beispiel eine Anspielung auf die vielen Einwohner von Vorstädten darunter vorstellen.

Schade, dass Dir mein Gedicht so wenig gefallen hat.

Viele Grüße

Herbert


BeginnAnmerkung
Ginge es nach mir, würden alle Kommaregeln durch die folgende ersetzt:

Ein Komma kann gesetzt werden, um Sinnzusammenhänge zu verdeutlichen
EndAnmerkung
 

HerbertH

Mitglied
Schon lang' ist's nicht mehr Polis, nein, nicht mehr,
Es geht um and're Größen, Dimensionen,
Obwohl wir alle fast in Städten wohnen,
Geht uns're Sorge weiter, weit bis übers Meer.

Wie kleinlich ist es, über Renten Dich
Zu streiten, da in and'ren Weltregionen
Der Hunger wütet, Aids, Gewaltschwadronen
In Blutgier morden. Bilder - widerlich,

Doch bunt - beflimmern täglich matte Scheiben,
Bedrängen uns, doch uns're Augen bleiben

Geschlossen oft, gerichtet auf's Daneben,
Auf uns're kleinen Welten, unser Leben.

Doch wenn wir aufschrei'n, uns am Leiden reiben,
Besteht noch Hoffnung auf ein Welterbeben.
 

Walther

Mitglied
Hi HerbertH,

das Sonett hat in der Tat feste Strukturen. Dazu gehören durchgängige Metren. Punkt für JS. Außerdem haben wir in der Regel in den Endreimen wechselnde Kadenzen (mwwm wmmw mwm wmw). Punkt 2 für JS.

Ad 2: Das Sonett ist ein dialogisches Lehrgedicht ungefähr in der Form:

Strophe 1 = These = 4 Verse
Strophe 2 = Antithese = 4 Verse
Strophe 3 = Synthese = 3/4 Verse
Strophe 4 = Moral von der Geschicht (letztes Verspaar) = 2/3 Verse

Wenn Du die Form einmal ansiehst: Punkt 3 - 6 für JS.

Kurz: War wohl nix.

Nun ist das nicht so, als wäre das geheim, und dieserhalb hätte man das nicht wissen können. Das ist spätestens im Zeitalter des Internets kein Argument mehr, und es ist schließlich nicht so, als gäbe es in diesem Forum keine geradezu schulmäßigen Einträge, an denen man das hätte nicht ableiten können. Punkt 7 für JS.

Ergebnis: 7:0 für JS

Also ist vielleicht die Tonlage manchen kritischen Eintrags hier kritikfähig, aber nicht der Inhalt. Was ich damit sagen möchte: Wir sind hier durchaus nicht unter Anfängern, und Du hast selbst bereits mehr als bemerkenswerte Einträge hier eingestellt.

Sagen wir mal: 7:2 für JS, fußballerisch immer noch ein Kantersieg.

Umso verwunderlicher ist es, daß gerade Dir das alles so deutlich klar gemacht werden muß. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Und nun bitte ich ernsthaft um sachliches und respektvolles Umgehen mit einander. Das aber beginnt mit der Qualität des Eintrags. Es gibt nämlich auch so etwas wie Respekt vor dem Leser, etwas, das hier immer wieder und immer dreister mit Füßen getreten wird.

Gruß W.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Walther

Ach, hätte ich nur Deine Geduld..... Danke dafür, dass Du wieder mal das Wesentliche sauber auf den Punkt gebracht hast.

Hallo Herbert

Manchmal kann ich mich ja selbst nicht leiden...
Bei den sprachlichen Einwänden muss ich bleiben. Ein Gedankenstrich ist noch stärker als ein Komma und deshalb wohl eher eine Verschlimmbesserung.

Ansonsten kann ich Dir nur die Lektüre von Walthers vorbildlicher Kritik empfehlen.

Die allzu frechen Bemerkungen nehme ich hiermit zurück, hoffe aber immer noch darauf, dass Du sonett bist einzusehen, dass Dein Werk (noch?) nicht gerade für Qualität bürgt.

Euch beiden ganz liebe Grüsse *flöt* *flöt*

Jürgen
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Walther,

vielen Dank für die ausführlich Stellungnahme. Damit kann ich gut leben, trotz des Punktsieges für Jürgen :). Ich werde jetzt noch zwei kleine Änderungen vornehmen, und dann sind die Kritikpunkte aus meiner Sicht erledigt.

Die Schärfe kam nicht durch mich hinein, das möchte ich betonen.
Ich verwahre mich nur gegen Kommentare mit abwertenden Formulierungen.

Ich bin durchaus niemand, der hier leichtfertig einstellt.
Ich ziehe für mich mal ein Lehre: Selbst wenn ich glaube, ein Sonett geschrieben zu haben, werde ich es in der LL nie wieder so betiteln :)

LG

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Jürgen,

wie gesagt, mit Kritik kann ich leben ;). Ich reagiere nur manchmal empfindlich. Falls ich zu bös formuliert habe, bitte ich Dich um Entschuldigung.

Mal sehen, ob Dir die kommende Version etwas besser gefällt.
Die sollte zumindest einige der formalen Einwände entschärfen ;).

LG

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Schon lang' ist's nicht mehr Polis, nein, nicht mehr,
Es geht um and're Größen, Dimensionen,
Obwohl fast alle wir in Städten wohnen,
Geht uns're Sorge weit bis übers Meer.

Wie kleinlich ist es, über Renten Dich
Zu streiten, da in and'ren Weltregionen
Der Hunger wütet, Aids, Gewaltschwadronen
In Blutgier morden. Bilder, widerlich,

Bedrängen uns, doch uns're Augen bleiben
Geschlossen oft, gerichtet auf's Daneben,
Auf uns're kleinen Welten, unser Streben,
Bebildert flimmern täglich matte Scheiben.

Doch wenn wir aufschrei'n, "Tat, verhilf zum Leben",
Besteht noch Hoffnung auf ein Welterbeben.
 

Hieronymus

Mitglied
Hallo Herbert,

was Walther beschreibt, ist der Idealtypus eines Sonetts.
In der Reclam-Anthologie "Deutsche Sonette" findest Du etliche Exemplare, die von dem Schema abweichen.
So mischt z. b. Brecht in seinem "Sonett Nr. 1" zwei sechshebige Jamben unter 12 fünfhebige. Eine solche Abweichung stört natürlich den Lesefluss und muss gut begründet sein.

Jede vorgegebene strenge Form reizt dazu, von ihr abzuweichen. Die Abweichung wird dann selbst zur poetischen Aussage und sollte in starkem Zusammenhang mit dem Ganzen des Gedichts stehen, um nicht als "Kunstfehler" zu wirken.

Viele Grüße
Hieronymus
 
H

Heidrun D.

Gast
Mir gefällt`s!

Natürlich wäre es einfacher gewesen, du hättest von vornherein einen anderen Titel gewählt und dir damit viel Kritik erspart ...

Gleichwohl ist mir persönlich der Sinn eines Textes noch immer wichtiger als dessen Form. Und im Vergleich zu manch` anderen Schmonzetten, die es hier schon einmal zu lesen gibt, finde ich dein Gedicht ausgesprochen durchdacht. Zudem sind die Mängel inzwischen behoben.

Liebe Grüße
Heidrun
 



 
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