Im Auge des Betrachters

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Extra laut klapperte ich mit dem Plastikgeschirr aus dem Picknickkorb. Ich wollte auch etwas Aufmerksamkeit, schließlich waren sie angeblich meinetwegen hier.
Anja hatte mich angebettelt, dass wir zusammen irgendetwas machen. Sie wollte nicht mit ihm allein sein. Ja, hatte sie, die zarte Pflanze mit dünnem Stiel, doch jüngst erst eine Enttäuschung verkraften müssen. Und sie wollte sich nicht wieder verlieben, nicht schon wieder diese Trennungsschmerzen aushalten.

Ab einem gewissen Alter, so dachte ich immer, ist man alt genug, dass man über dieses pubertäre "frag du ihn doch bitte für mich" hinaus ist. Ich habe mich geirrt. Schließlich muss es einen Grund dafür geben – so denke ich heute -, dass dieses Büchleinchen "Mondscheintarif" so erfolgreich ist. Arme Frauen, arme Männer. Aber genau so sitzen sie jetzt da. Er sieht fast schon anmutig gönnerhaft auf sie herunter. Sie hat kokett die Beine vor sich gekreuzt, ihm den Rücken halb zu gedreht und den Oberkörper auf den Armen abgestützt zur Decke gekippt, den Kopf wirft sie dabei schief in den Nacken. Ihr Hals lag frei und die Haare baumelten an der anderen Seite herab. Völlig verdreht lacht sie ihn ohne Unterlass an.

Mit welchem Grund hätte ich ihn denn zum Picknicken einladen sollen, hatte ich sie gefragt, schließlich wollte ich sie nicht verärgern. Und was tat sie darauf hin? Sie rief ihn an und fragte, ob sie nicht gemeinsam meinen einsamen Geburtstag retten könnten, ich wäre ohne Freunde den ganzen Tag und ich würde so gerne Picknicken. Ich verdrehte die Augen, warnte mit Blicken und schüttelte energisch den Kopf, doch sie wischte mit der Hand in der Luft und wedelte mit leicht mit dem Kopf und lachte ins Telefon.

Ich hasste Picknicken, schon weil es mir viel zu englisch war; ich hatte auch noch nie im Frühjahr Geburtstag und ich war immer und gerne an diesem Tag meiner Geburt für mich allein. Heute bereute ich zum dritten Mal, dass diese Frau in unsere WG eingezogen war. So ein Fehler passierte mir sonst nicht, aber es war noch nicht zu spät.

Inzwischen hatte ich ebenfalls lautstark alle Innereien des Korbes auf der Decke verteilt, neben der Wassermelone lag das große scharfe Messer, im Salat steckten die Löffel und das Brot lag daneben. Mit einem lauten Plop ließ ich den Korken knallen, denn schließlich sollte ja auf meinen Nicht-Geburtstag-Tag auch angestoßen werden.
"Auf dein Wohl, Martin", säuselte Anja, ihr Blick richtete sich aber noch immer auf Bernd.
"Ja, auf dein Wohl!", er sah mich einen Moment an und wand dann seine Augen wieder auf Anja.
Ich will das alles zerstören, ja zerstören.
"Mhmm", brummte ich, "der schönste Nicht-Geburstag der Welt", grummelte ich weiter in meinen Plastikbecher. Die Ohren beider waren so verdreht, dass sie mir nicht mehr zuhörten.
Dann teilte ich die Melone mit dem Messer und stellte dabei ganz nebenbei fest, dass das Messer wirklich noch sehr scharf war. Im Wagen musste auch noch das Abschleppseil sein. Eine Decke hatte ich auch, fehlte nur noch ein Satz Wechselwäsche. Ich überlegte, wer davon wusste, dass wir zu dritt heute hier sein wollten. Niemand. Ich dachte nach, denn danach ist es zu spät – und noch mehr Fehler wollte ich nicht machen.

Ich sah mir Anja nochmals genau an und überlegt, wie ich sie wohl positionieren würde, anschließend. Wie eine verdrehte Skulptur? Das Geflirte zwischen den beiden machte mich zunehmend aggressiver, es war einfach so kitschig und klischeehaft. Ich musste ihnen einfach wehtun. Es musste sein, damit meine Welt wieder gerade hing. Es gab hier in der Nähe einen alten morastigen See, schließlich sind hier auch Enten mit Brot zum Tode des Sees gefüttert worden. Waren wir noch zu weit weg?
"Ihr beiden Turteltäubchen, kennt ihr den romantischen See hier in der Nähe? Der muss doch hier irgendwo sein."
Bernd schüttelte abweisend den Kopf.
"Ja, aber der ist doch total verschlammt und mit Algen voll", der Tonfall passte so gar nicht zu diesem honigsüßen Lächeln, das sie Bernd schenkte.
Ein kalter Schauer des Ekels lief mir über den Rücken. Dann dachte ich, zuerst musste ich Bernd töten, ohne Überraschungsmoment war er mir einfach zu überlegen. Aber es musste schnell gehen. Schnell, sonst lief Anja noch weg und ich musste hinter her laufen; ich war nicht so durchtrainiert wie sie.
Plötzlich zogen sich dicke Gewitterwolken zusammen. Platzregen. Schnell räumten wir die Decke zusammen, schütteten den Sekt auf die Wiese, ein Glas zerbrach. Meines war noch heil, ich passte genau auf. Mist. Ich verdrehte die Augen. Mein Plan glitschte in den Matsch zu meinen Füssen, nun waren sie leider nicht mehr so schnell zu überwältigen.

Das Messer hatte ich vorsichtshalber in meine Tasche gesteckt und spielte etwas damit, als ich auf der Rückbank des Fiestas saß. Meine Finger begannen zu bluten, der warme Schmerz tröstete mich ein wenig.
---
Noch Tage und Wochen danach stellte ich mir abends vor, wie ich Anjas wohlgeformten Körper wie eine Skulptur verdrehte, bis das Rückgrat knackte. Ihre Arme zeigten Richtung See, in dem ihr Liebhaber moderte.
 

Zarathustra

Mitglied
Kritik:
sachlich ... ich will es versuchen!

Story: einwandfrei, hat charme ist sexy
Spannungsaufbau: rasant, beschleunigend bis zum Ende

Was mir das Lesen ein bisschen verleidet hat. Sind die langen Satzungetüme; gerade am Anfang..

Und was - jedenfalls für mich -
nicht so stark herauskam war:
Warum um alles in der Welt, wollte er sie töten.

L.G. Hans
 

San Martin

Mitglied
und wedelte mit leicht mit dem Kopf
und wand dann seine Augen wieder auf Anja
wandTE

Was mir das Lesen ein bisschen verleidet hat. Sind die langen Satzungetüme; gerade am Anfang..
Das kann ich nicht bestätigen. Lange Sätze, wo?

Die Geschichte ist unnötig/sinnlos gewalttätig. Der Leser erfährt kein rechtes Motiv, keinen Grund für die Gewaltphantasien des Protagonisten. Deshalb fiel es mir schwer, das ganze nachzuvollziehen. Die angedeutete Gewalt verfolgt kein Ziel, das ich greifen könnte, das ich verstehen und mit dem ich sympathisieren könnte. Sprachlich kann man an einigen Ecken noch feilen.

Martin
 
Lange Sätze sind nicht persé schlecht. Es kommt darauf an lange und kurze Sätze miteinander zu vermischen. Natürlich erforden lange Sätze mehr Aufmerksamkeit, aber auch kurze sind nciht einfach nur kurz! Ist einfach auch ein bisserl ne Stilfrage... jeder schreibt ja anders u das auch noch je nach Lebenserfahrung! :)

Ja, Fehler hab ich schon gesehen... danke nochmals für die Aufmerksamkeit ... werd ich noch korrigeren.

Danke auch für den positiven KOmmentar.

Oh, warum er sie töten wollte?
Also erstmal einfach so vielleicht, wie sucht sich jemand sein Opfer aus? Also er hat es einfach satt von ihr benutzt zu werden, hat die Süßlichkeit satt u hat es satt, Statist zu sein u hat sich dann in seine Gewaltphantasie hineingesteigert ... so wie uns das ja auch mal rausrutscht "Den bring ich um!" ... so vielleicht... zumindest war das so meins... denn diese Geschichte ist aufgrund eines übersüßlichen Bildes von einem Pärchen beim Picknicken entstanden...

Gruss
Scarlett
 
D

Denschie

Gast
also, so ganz nachvollziehen kann ich diese
tötungsabsichten auch nicht. erst war ich der
meinung, dass es sich um satire handeln soll.
aber die vorstellung des prot. eines knackenden
rückrads... na ja. geschmacksache.
ich weiß nicht, ob ich es "sinnlos gewalttätig"
nennen würde, die gedanken sind schließlich frei,
aber es kommt einfach nicht recht rüber, was du
ausdrücken willst. es ist weder fisch, noch fleisch.

im ersten abschnitt benutzt du sehr häufig "man".
da könntest du noch etwas dran feilen.
dann die formulierung "Büchleinchen" ist doppelt.
es kann nur eine verniedlichung geben. hier wohl
"büchlein".
Anja hatte mich angebettelt, dass wir zusammen irgendetwas machen.
... gemeinsam etwas zu unternehmen.

Er sieht fast schon anmutig gönnerhaft auf sie herunter.
Was ist anmutig gönnerhaft?

"Innereien des Korbes" ist auch keine schöne wendung.
vorschlag: den gesamten inhalt des korbes.

viele grüße,
denschie
 
Hallo Denschie.

Also gemeinsam unternehmen klingt tatsächlich sauberer ...

der Rest ist schon so beabsichtigt. U wenn es nur Menschen gäbe, die nicht wahnsinnige Ideen haben ... wie auch immer!

"Büchleinchen" ist tatsächlich eine doppelte Verniedlichung u dat is genau so auch Absicht. Als Stilmittel ist gerade Ironie jene, die oft verkannt und selten erkannt wird. Insofern wollte ich die Ironie mit der doppelten Verniedlichung deutlich machen. Scheinbar ist das noch immer nicht zu verstehen! ;) Nix für ungut, aber der Ich-Erzähler (also nicht ich selbst, denn ich bin schon mal ganz und gar weiblich u falle mit dem Erzähler meiner Geschichte nicht zusammen) ist ironisch! U das ist er die meiste Zeit - Ironie u Sarkasmus benutzt er hier. ;)

Sicher lässt sich noch einiges verbessern, aber in dem Fall sind "Anmutig gönnerhaft" u auch "Büchleinchen" Absicht!

Und der Inhalt ist sicher Geschmacksache. Wer weiß schon, was ihn treibt, Eifersucht oder Deppressionen oder oder oder ! :)

Danke fürs Lesen
Scarlett
 
D

Denschie

Gast
Hallo ScarlettMirro,
ich möchte eigentlich keine Grundsatzdiskussion
um Schreibstile beginnen, aber ein bisschen wundert
mich deine Antwort schon.
Mir war klar, dass "Büchlein" ironisch gemeint
sein sollte. Ich verstehe nicht, warum eine unkorrekte
Form diesen Eindruck noch verstärken soll. Es bringt
eher aus dem Lesefluss, einfach weil es falsch klingt.
Auch ist es nicht notwendig, Sarkasmus oder Ironie
durch Adjektivhäufungen auszudrücken. "Anmutig
gönnerhaft" ist meiner Meinung nach eine solche, noch
dazu eine, die ich bildlich nicht nachvollziehen kann.
Wie ist jemand anmutig-gönnerhaft?
Ich bin bloß der Meinung, dass ein satirischer Stil
sich auch in der gängigen Schreibweise ausdrücken lassen
sollte. Es wird deutlich, dass dieser Text nicht "ernst"
gemeint ist, allerdings an manchen Stellen inhaltlich nicht
gut nachvollziehbar.
Viele Grüße,
Denschie
 
Hallo,

tja, keine Grundsatzdiskussionen ... schwierig, denn schliesslich muss man ja doch oft erst mal Begriffe, die man gemeinsam verwendet, klären. :)

Büchlein muss nicht ironisch sein. U nicht alle kennen "Mondscheintarif", so dass ein unwissender Leser einfach nur denken könnte, es sei ein kleines oder ganz kurzes Buch! So zumindest sehe ich das! Wenn du das tolle bemerkenswerte und unglaublich spannende Buch "Mondscheintarif" kennst, dann war sicher Büchleinchen für dich zu viel u dir hätte Büchlein genügt! Büchlein ist kein ironisch besetzter Begriff. Die doppelte Versüssung jedoch ist dann deutlich zu süss u damit ist die Aussage klar! ;) So seh ich das, zumindest.

Und anmutig gönnerhaft ... so wirkte für mich das Bild. es hatte was leichtes, was graziles, was anmutiges in der Haltung u doch wirkte es insgesamt in der Mimik gönnerhaft! Nun, so hab ich dann frech diesen Ausdruck gewählt.

Anbei, ich denke schon, dass man auch bestimmte vielleicht nicht sofort passende oder stimmige Ausdrücke zusammenbringen kann um eventuell neue Metaphern oder Bilder zu entwerfen, wenn andere bereits abgegriffen, abgelegt und veraltet erscheinen. Zumindest scheint mir das durchaus als Literat angemessen, nicht nur Begriffe in einer konventionell festgelegten Form zu verwenden.

Sicher ist das aber auch eine Frage, wie man sein Schreiben versteht und was man mag! Also ist das kein Grundsatz sondern auch einfach mein Stil.

Grüsse
Scarlett

P.S. Grundsätze müssen ja auch mal verfasst werden! :) Und dann immer wieder neu und bearbeitet werden.
 

sohalt

Mitglied
Zitat:
"Wer weiß schon, was ihn treibt?"
Du als Autor solltest das wissen!
Du musst es mir als Leserin nicht bis ins kleinste Detail ausleuchten, aber dunkel erahnen lassen solltest du es mich schon.

Für mich wirkt dieses Abgleiten in den Wahn am Schluss auch nur wie ein aufgesetzter Knall-Effekt.

lg
sohalt
 
Kann sein, dass du das so siehst. Unbenommen. Wenn Wahn sich erklären liesse, wenn sich immer alles so leicht durchbuchstabieren liesse! :)

Ich empfehle Liebesromane, da ist immer alles schematisiert und ganz leicht zu verstehen.

Schließlich sollte jeder auch lesen, was er mag,was seiner Welt am nächsten kommt und womit er sich identifizieren kann.

Ansonsten noch nen Kommentar zum Wahnsinn und zur Psyche dieses ach so unlogischen Ich-Erzählers (mit dem ich nicht identisch bin, mit dem ich nicht identisch bin ...) --- bevor ich mein Lehramt studierte, hab ich ein paar Semester Psychologie hinter mich gebracht u einige Einblicke in die tiefen Abgründe der Psyche erhalten...

Wenn es nach dieser Kritik hier ginge, dürfte Jack der Ripper nicht existiert haben, geschweige denn das über ihn geschrieben worden sein dürfte...

U ... ja, ich fühle mich von dieser ganzen irrsinnigen Kritik nicht nur missverstanden sondern auch in meiner Schreibe reduziert!

Gruss
Scarlett
 



 
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