Im Biergarten

Omar Chajjam

Mitglied
Im Biergarten am Postplatz

Biergärten gibt's nur in Bayern. Die Männer schleppen die Brotzeit in Körben mit, Emmentaler, Leberkäs, an Radi, Salzgebäck, damits an Durscht gibt, die Frauen tragen das Geschirr und decken den Holztisch, die Kinder spielen mit dem Dackel Fangen um die Kastanien. Die Kastanien strengen sich an, um einen guten Eindruck zu machen. Sie haben ihre Kerzen aufgesteckt und zwischen ihren Blättern blinzeln die Sonnenstrahlen in die Augen und auf die Nasen. „Haddschie, no aweng frieh heit, ober schee is.“ Die Maß gibt's drüben an der Theke, für die Kinder a Limonad, fürn Dackel a Wasser. Die Bedienung, eine Blonde in den Vierzigern, hat schon Hundeschüsseln bereit liegen. Ja soiss bei uns in Bayern, jawoii gradaso. Prost und gfeiert werd.

Anderswo in Dresden heißen die Biergärten auch Biergärten. Aber sie sind gar keine, sondern lediglich mühsam bewahrte Ruhepunkte auf einer Verkehrsinsel. Vereinzelt sitzen sie und beäugen sich mißtrauisch. Einige beobachten den Schreiberling, der mit den Krümmeln seiner Bemme den Spatzen ein kleines Festmahl bereitet. Vorbehalte und Mißtrauen machen sich breit „Des lockd doch egal die Veschl an“. Er trinkt stumm sein Schwarzbier und sie didschd s Breedschn in den Bliemschengaffee. Man hat ordentlich an den Rändern Platz genommen. Die echte Thüringer kann man sich drüben an der Bude holen. Für einen Sachsen ist ein Thüringer nur als Wurst zu gebrauchen. Spreewälder Gurken gibt's auch, aber Berliner mag man hier gar nicht. Und über den rohen, knarrenden Bretterboden sucht man seinen Weg an den lautstarken Amerikanern vorbei, die genau in der Mitte des Biergartens ihr Bier verteidigen. Das Radeberger lastet schwarz auf den Gemütern. Auf den Bierdeckeln steht, daß das Radeberger Bier schon das Hofbier von Seiner Majestät August dem Starken gewesen ist.

Der Biergarten am Postplatz ist noch ein Relikt aus der Zeit vor der Wiedervereinigung. Er rettet die Erinnerung an die Trümmermentalität und an die Provisorien nach dem Krieg in die Neuzeit. Die Nostalgie, die sich damit verbindet ist dem Sachsen allerdings fremd, darum wird er wohl auch bald einem Einkaufszentrum weichen. Der Biergarten hier erfüllte allerdings genau seine Ansprüche. Er will im Mittelpunkt des Verkehrs sitzen und die Bewegung beobachten. Er will immer aufspringen können, um dabei zu sein, dort, wo sich etwas ereignet. Da nützt ihm die Gemeinschaft mit anderen nichts. Man sitzt vereinzelt unter den Sonnenschirmen und wartet wie die Spatzen auf die Brotkrumen. Der nächste Brösel könnte ja noch größer sein und warum hat der andere ein Stückchen Kuchen erobert und nicht ich. Die Menschen im Biergarten am Postplatz sind hungrig geworden.

Im Augustiner in München sitzen die Leute satt über ihren Maßkrügen unter den alten Kastanienbäumen, die schon lange vor dem Ersten Weltkrieg hier gepflanzt wurden.
 



 
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