Imagepflege
Machen wir uns nichts vor - das Image der Lkw-Fahrer in Deutschland ist ziemlich am Boden.
Nun ist es aber so, dass der Mensch sieht, was er sehen will und hört, was er nicht hören soll; manchmal sogar die Flöhe oder Schlimmeres husten.
Und vieles beruht einfach nur auf Missverständnissen.
Am Ortsausgang von Herdecke Richtung Wetter am östlichen Rand des Ruhrpotts befindet sich eine Firma, die unter anderem Vliesstoffe veredelt. Diese Bude fahren wir als Spedition seit Jahren mit manchmal zwei Zügen pro Tag an.
Eines frühen Abends im Hochsommer kam ich dort an und durfte mich bis zum nächsten Morgen auf die Stellfläche der dortigen Hausspedition einparken. Dusche konnte ich auch benutzen, Kühlschrank war gut gefüllt und da es kurz nach dem Urlaub war, hatte ich auch einen exzellenten Wein am Start. Ich bastelte mir ein paneuropäisches Abendmahl mit griechischem Schafskäse, Schwarzwälder Schinken, spanischen Oliven, deutschem Vollkornbrot mit Vogelfutter auf der Kruste und eben dem französischen Weinchen.
Die vorbeiführende Strasse ist nächtens total ruhig, denn gleich hinter der Firma kommt, glaub ich, nur noch ne Gartenanlage. Jedenfalls ist dort kaum Durchgangsverkehr. Vielleicht zog ich aus diesem Grund zur Bettruhe die Gardine nur halbherzig zu.
Mitten in der Nacht träumte mir von einem altertümlichen Brunnen mit Natursteinsockel bis in Hüfthöhe. Ich kam grad aus der Wüste - weiß der Geier, was ich dort zu tun hatte - und hatte Brand wie weiland der Dornbusch. Ich beugte mich über den Rand des Brunnens, sah unten, ganz tief unten das bleiern glänzende Nass und konnte die Kühle des Wassers spüren. Aber kein Eimer oder ähnliches Schöpfgerät war zur Hand.
Im Traum kommt man ja mitunter auf die dussligsten Ideen, also sprang ich kopfüber hinein. Ich fiel und fiel und fiel und dabei fiel mir auf, dass ich schon viel zu lange fiel. Das war der Moment, wo ich bemerkte, dass ich in einem Traum fest hing. Träume, in denen man gefährliche Situationen erlebt, sind ja oftmals nur Versuche des Unbewussten, den Schläfer auf eine körperliche Ausnahmesituation hinzuweisen. In meinem fall lag die Ursache in den kräftig gewürzten Oliven, dem gut abgehangenen Schinken und dem in Salzlake gereiften Käse meines Betthupfers.
Ich erwachte.
Wegen der auch nachts hohen Temperaturen schlief ich nackt und nur ein Laken bedeckte teilweise meinen Körper. Träge schob ich meine Beine über den Rand der Matratze, setzte mich auf, knipste das Licht an und fingerte mir einen O-Saft aus der sanft vor sich hin brummenden Kühlbox. Beim Trinken verblasste auch langsam die Vision des Brunnens.
Weil ich ja nun so ganz allein für mich dort saß, kratzte ich mir ungeniert den Sack und kam mir dabei mit den Fingern ins Gewölle. Plötzlich war da etwas, was da nicht hingehörte. Mit spitzen Fingern klaubte ich den Störenfried heraus, hielt ihn in Augenhöhe vors Gesicht und sah erstmal gar nichts.
Wer einen Volvo der FH-Reihe fährt wird mir zustimmen, dass die originale Innenbeleuchtung als grenzwertig einzustufen ist. Zumindest wenn man im Alter der ersten Brille ist, diese nicht aufhat und wenn man etwas erkennen will, was gefühlte zwei Millimeter klein ist. Näher ran an die Pupille bringt da auch nichts, weil die Fähigkeit zu fokussieren einfach nicht mehr handbreit- sondern nur noch armlängenkompatibel ist. Ich setzte mir die Brille auf.
Was ich dann zwischen meinen Fingerspitzen erkannte, ließ mich grinsen. Ich zerknackte es und schnipste die Reste in den Bodenraum vor dem Beifahrersitz. Dann schaute ich auf die Uhr. Herrliche fünf Stunden Schlaf standen mir noch bevor, bis um Sechs der Wecker klingeln würde. Ich löschte wieder das Licht.
Sanft umfingen Morpheus zärtliche Arme wieder meinen nun nicht mehr dürstenden Körper. Kurz fragte ich mich noch, was wohl den alten Mann um diese Zeit aus dem Bett getrieben haben mochte, der da auf der anderen Straßenseite unter der Bogenlampe stand und den ich erst gesehen hatte, als es im Lkw schon wieder dunkel war.
Es war gegen Mitternacht, als der Rentner Erwin Michalski in einem Anfall seniler Bettflucht vom Schlafzimmer in die Küche tappte. Seine Frau wälzte sich stöhnend und vor sich hin schnorchelnd im gemeinsamen Bett, aber das war es nicht gewesen, was in auf die Beine gebracht hatte. Was ihn in den letzten Tagen - genauer seit dem Laubenpieperfest am vergangenen Samstag - an seiner Frau störte, waren eher die seit langem nicht mehr gehörten kleinen, spitzen Untertöne in ihren alltäglichen Bemerkungen.
Was hatte er denn Böses getan?
Seit seine Herta so mit dem Wasser in den Beinen zu kämpfen hatte, grade bei dieser Hitze, und seit sich die Hüfte wieder gemeldet hatte vor zwei Jahren, hatte er nicht ein einziges Mal mehr mit ihr getanzt. Gelegenheiten gab es eigentlich oft - Gartenanlage, Kleintierzüchterverein, Seniorentreff, Frühlingsfest - die üblichen Sachen halt. Dabei hatten sie früher nie was anbrennen lassen. Aber sie konnte eben nicht mehr so. Das akzeptierte er und respektierte es und seiner Meinung nach war da überhaupt nichts bei, wenn er, Erwin Michalski - rüstig und mit einem göttlichen Taktgefühl ausgezeichnet (wie Ida beim Walzen gesagt hatte) - mit anderen Frauen tanzte.
Mein Gott, sie waren Beide achtundsiebzig, seine Herta und er, da ist doch Tanzen nur noch eine schwache Erinnerung an den Bewegungsdrang früherer Jahre.
Gut, die Ida - die "rassige Ida", wie sein alter Kumpel Willi sie beim Skat unter der Hand genannt hatte - ist noch recht jung.
Gerade mal dreiundsechzig - sagt Willi - und zweimalige Witwe. Der alte Schweinigel war dann immer gleich mit Bemerkungen dabei wie: kann mir schon vorstellen, wie sie ihren Männern die Gesundheit zerritten..äähh..zerrüttet hat.
Aber deswegen braucht doch seine Herta nicht gleich eifersüchtig werden.
Denn das war sie.
Ganz eindeutig.
Die Gedanken darüber hatten ihn also nicht schlafen lassen und so hatte er sich seine Sommerhose in Rentnerbeige angezogen, die hellbraune Windjacke übergeworfen und die taubenblaue Mütze auf den kahlen Schädel gesetzt. Dann wurde der Dackel Steiger an die Leine geklinkt und nun wackelte Erwin Michalski mit Hund und Mütze rüber zu seinem Garten. Vielleicht warf ja die braune Zibbe heute Nacht.
Die letzten paar hundert Meter zum Garten führte die Straße steil nach oben. Als er an der Vliesbude vorüber ging, wurde es in dem großen Lkw, der dort geparkt stand, hell.
Neugierig und etwas außer Atem blieb Erwin stehen.
Drinnen im Fahrerhaus, das konnte er gut durch die nur halbherzig zugezogene Gardine beobachten, saß ein Mann mit nacktem Oberkörper. Er trank aus einer Saftflasche und sah sehr verschlafen aus. Die haben es auch nicht leicht, die armen Kerls, in diesen Blechbüchsen bei der Hitze. dachte Erwin.
Plötzlich stand der Mann auf und man sah, dass er völlig nackt war. Obwohl Erwin Michalski gewiss kein prüder Mensch ist, fand er das doch schon ein wenig seltsam, so nackig am beleuchteten Fenster.
Jetzt griff sich dieses Ferkel auch noch an den Sack und kratzte sich ausgiebig.
Diese Angewohnheit war Erwin natürlich vertraut, aber in der Öffentlichkeit...?
Auf einmal nahm dieser Dreckskerl die Hand, mit der er sich gekratzt hatte, vors Gesicht. Dann schob er den Kopf nach hinten und streckte den Arm weit von sich wie Willi, wenn er beim Skat den Platz in der Ecke erwischt und seine Brille wieder mal vergessen hatte. Irgendwas Kleines hielt dieser Fahrer zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Jetzt setzte er eine Brille auf und fing sofort an zu grinsen. Die folgende Bewegung kannte Erwin nur zu gut aus der kurzen Zeit in dem belgischen Kriegsgefangenenlager, wo sie in verlausten und verwanzten Baracken mehr gehaust als gelebt hatten. Damals nach dem Krieg.
Und jetzt schnipste dieser verluderte Bursche - wo kam der eigentlich her?... PM… wer weiß, wo das ist… - seine Beute einfach so von sich, dass musste man sich mal vorstellen. Na das musste ja toll aussehen bei dem im Auto. Und zu Hause erst, wenn der überhaupt eins hat. wer weiß, was der noch alles mit sich rumschleppt mit seinen langen Haaren, der ist doch bestimmt voller Zecken und Gezücht.
Steiger zog an der Leine.
Hast recht, bloß weg hier, so was kann einem ja den Tag verderben, bevor er richtig angefangen hat, dachte Erwin. Er schüttelte den Kopf und verließ langsam den Lichtkegel der Laterne.
Dieses Bild, wie der alte Mann in der typischen Rentnerkleidung unter der Lampe steht, den Kopf schüttelt und sich dann irgendwie unzufrieden mit was auch immer wegdreht und losschlurft, dieses Bild begleitete mich in den zweiten Teil meines Nachtschlafes.
Ich hoffte noch so beim Wegduseln, dass nicht noch mehr Kümmelkörner vom Vollkornbrot auf dem Laken gelandet waren.
Machen wir uns nichts vor - das Image der Lkw-Fahrer in Deutschland ist ziemlich am Boden.
Nun ist es aber so, dass der Mensch sieht, was er sehen will und hört, was er nicht hören soll; manchmal sogar die Flöhe oder Schlimmeres husten.
Und vieles beruht einfach nur auf Missverständnissen.
Am Ortsausgang von Herdecke Richtung Wetter am östlichen Rand des Ruhrpotts befindet sich eine Firma, die unter anderem Vliesstoffe veredelt. Diese Bude fahren wir als Spedition seit Jahren mit manchmal zwei Zügen pro Tag an.
Eines frühen Abends im Hochsommer kam ich dort an und durfte mich bis zum nächsten Morgen auf die Stellfläche der dortigen Hausspedition einparken. Dusche konnte ich auch benutzen, Kühlschrank war gut gefüllt und da es kurz nach dem Urlaub war, hatte ich auch einen exzellenten Wein am Start. Ich bastelte mir ein paneuropäisches Abendmahl mit griechischem Schafskäse, Schwarzwälder Schinken, spanischen Oliven, deutschem Vollkornbrot mit Vogelfutter auf der Kruste und eben dem französischen Weinchen.
Die vorbeiführende Strasse ist nächtens total ruhig, denn gleich hinter der Firma kommt, glaub ich, nur noch ne Gartenanlage. Jedenfalls ist dort kaum Durchgangsverkehr. Vielleicht zog ich aus diesem Grund zur Bettruhe die Gardine nur halbherzig zu.
Mitten in der Nacht träumte mir von einem altertümlichen Brunnen mit Natursteinsockel bis in Hüfthöhe. Ich kam grad aus der Wüste - weiß der Geier, was ich dort zu tun hatte - und hatte Brand wie weiland der Dornbusch. Ich beugte mich über den Rand des Brunnens, sah unten, ganz tief unten das bleiern glänzende Nass und konnte die Kühle des Wassers spüren. Aber kein Eimer oder ähnliches Schöpfgerät war zur Hand.
Im Traum kommt man ja mitunter auf die dussligsten Ideen, also sprang ich kopfüber hinein. Ich fiel und fiel und fiel und dabei fiel mir auf, dass ich schon viel zu lange fiel. Das war der Moment, wo ich bemerkte, dass ich in einem Traum fest hing. Träume, in denen man gefährliche Situationen erlebt, sind ja oftmals nur Versuche des Unbewussten, den Schläfer auf eine körperliche Ausnahmesituation hinzuweisen. In meinem fall lag die Ursache in den kräftig gewürzten Oliven, dem gut abgehangenen Schinken und dem in Salzlake gereiften Käse meines Betthupfers.
Ich erwachte.
Wegen der auch nachts hohen Temperaturen schlief ich nackt und nur ein Laken bedeckte teilweise meinen Körper. Träge schob ich meine Beine über den Rand der Matratze, setzte mich auf, knipste das Licht an und fingerte mir einen O-Saft aus der sanft vor sich hin brummenden Kühlbox. Beim Trinken verblasste auch langsam die Vision des Brunnens.
Weil ich ja nun so ganz allein für mich dort saß, kratzte ich mir ungeniert den Sack und kam mir dabei mit den Fingern ins Gewölle. Plötzlich war da etwas, was da nicht hingehörte. Mit spitzen Fingern klaubte ich den Störenfried heraus, hielt ihn in Augenhöhe vors Gesicht und sah erstmal gar nichts.
Wer einen Volvo der FH-Reihe fährt wird mir zustimmen, dass die originale Innenbeleuchtung als grenzwertig einzustufen ist. Zumindest wenn man im Alter der ersten Brille ist, diese nicht aufhat und wenn man etwas erkennen will, was gefühlte zwei Millimeter klein ist. Näher ran an die Pupille bringt da auch nichts, weil die Fähigkeit zu fokussieren einfach nicht mehr handbreit- sondern nur noch armlängenkompatibel ist. Ich setzte mir die Brille auf.
Was ich dann zwischen meinen Fingerspitzen erkannte, ließ mich grinsen. Ich zerknackte es und schnipste die Reste in den Bodenraum vor dem Beifahrersitz. Dann schaute ich auf die Uhr. Herrliche fünf Stunden Schlaf standen mir noch bevor, bis um Sechs der Wecker klingeln würde. Ich löschte wieder das Licht.
Sanft umfingen Morpheus zärtliche Arme wieder meinen nun nicht mehr dürstenden Körper. Kurz fragte ich mich noch, was wohl den alten Mann um diese Zeit aus dem Bett getrieben haben mochte, der da auf der anderen Straßenseite unter der Bogenlampe stand und den ich erst gesehen hatte, als es im Lkw schon wieder dunkel war.
Es war gegen Mitternacht, als der Rentner Erwin Michalski in einem Anfall seniler Bettflucht vom Schlafzimmer in die Küche tappte. Seine Frau wälzte sich stöhnend und vor sich hin schnorchelnd im gemeinsamen Bett, aber das war es nicht gewesen, was in auf die Beine gebracht hatte. Was ihn in den letzten Tagen - genauer seit dem Laubenpieperfest am vergangenen Samstag - an seiner Frau störte, waren eher die seit langem nicht mehr gehörten kleinen, spitzen Untertöne in ihren alltäglichen Bemerkungen.
Was hatte er denn Böses getan?
Seit seine Herta so mit dem Wasser in den Beinen zu kämpfen hatte, grade bei dieser Hitze, und seit sich die Hüfte wieder gemeldet hatte vor zwei Jahren, hatte er nicht ein einziges Mal mehr mit ihr getanzt. Gelegenheiten gab es eigentlich oft - Gartenanlage, Kleintierzüchterverein, Seniorentreff, Frühlingsfest - die üblichen Sachen halt. Dabei hatten sie früher nie was anbrennen lassen. Aber sie konnte eben nicht mehr so. Das akzeptierte er und respektierte es und seiner Meinung nach war da überhaupt nichts bei, wenn er, Erwin Michalski - rüstig und mit einem göttlichen Taktgefühl ausgezeichnet (wie Ida beim Walzen gesagt hatte) - mit anderen Frauen tanzte.
Mein Gott, sie waren Beide achtundsiebzig, seine Herta und er, da ist doch Tanzen nur noch eine schwache Erinnerung an den Bewegungsdrang früherer Jahre.
Gut, die Ida - die "rassige Ida", wie sein alter Kumpel Willi sie beim Skat unter der Hand genannt hatte - ist noch recht jung.
Gerade mal dreiundsechzig - sagt Willi - und zweimalige Witwe. Der alte Schweinigel war dann immer gleich mit Bemerkungen dabei wie: kann mir schon vorstellen, wie sie ihren Männern die Gesundheit zerritten..äähh..zerrüttet hat.
Aber deswegen braucht doch seine Herta nicht gleich eifersüchtig werden.
Denn das war sie.
Ganz eindeutig.
Die Gedanken darüber hatten ihn also nicht schlafen lassen und so hatte er sich seine Sommerhose in Rentnerbeige angezogen, die hellbraune Windjacke übergeworfen und die taubenblaue Mütze auf den kahlen Schädel gesetzt. Dann wurde der Dackel Steiger an die Leine geklinkt und nun wackelte Erwin Michalski mit Hund und Mütze rüber zu seinem Garten. Vielleicht warf ja die braune Zibbe heute Nacht.
Die letzten paar hundert Meter zum Garten führte die Straße steil nach oben. Als er an der Vliesbude vorüber ging, wurde es in dem großen Lkw, der dort geparkt stand, hell.
Neugierig und etwas außer Atem blieb Erwin stehen.
Drinnen im Fahrerhaus, das konnte er gut durch die nur halbherzig zugezogene Gardine beobachten, saß ein Mann mit nacktem Oberkörper. Er trank aus einer Saftflasche und sah sehr verschlafen aus. Die haben es auch nicht leicht, die armen Kerls, in diesen Blechbüchsen bei der Hitze. dachte Erwin.
Plötzlich stand der Mann auf und man sah, dass er völlig nackt war. Obwohl Erwin Michalski gewiss kein prüder Mensch ist, fand er das doch schon ein wenig seltsam, so nackig am beleuchteten Fenster.
Jetzt griff sich dieses Ferkel auch noch an den Sack und kratzte sich ausgiebig.
Diese Angewohnheit war Erwin natürlich vertraut, aber in der Öffentlichkeit...?
Auf einmal nahm dieser Dreckskerl die Hand, mit der er sich gekratzt hatte, vors Gesicht. Dann schob er den Kopf nach hinten und streckte den Arm weit von sich wie Willi, wenn er beim Skat den Platz in der Ecke erwischt und seine Brille wieder mal vergessen hatte. Irgendwas Kleines hielt dieser Fahrer zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Jetzt setzte er eine Brille auf und fing sofort an zu grinsen. Die folgende Bewegung kannte Erwin nur zu gut aus der kurzen Zeit in dem belgischen Kriegsgefangenenlager, wo sie in verlausten und verwanzten Baracken mehr gehaust als gelebt hatten. Damals nach dem Krieg.
Und jetzt schnipste dieser verluderte Bursche - wo kam der eigentlich her?... PM… wer weiß, wo das ist… - seine Beute einfach so von sich, dass musste man sich mal vorstellen. Na das musste ja toll aussehen bei dem im Auto. Und zu Hause erst, wenn der überhaupt eins hat. wer weiß, was der noch alles mit sich rumschleppt mit seinen langen Haaren, der ist doch bestimmt voller Zecken und Gezücht.
Steiger zog an der Leine.
Hast recht, bloß weg hier, so was kann einem ja den Tag verderben, bevor er richtig angefangen hat, dachte Erwin. Er schüttelte den Kopf und verließ langsam den Lichtkegel der Laterne.
Dieses Bild, wie der alte Mann in der typischen Rentnerkleidung unter der Lampe steht, den Kopf schüttelt und sich dann irgendwie unzufrieden mit was auch immer wegdreht und losschlurft, dieses Bild begleitete mich in den zweiten Teil meines Nachtschlafes.
Ich hoffte noch so beim Wegduseln, dass nicht noch mehr Kümmelkörner vom Vollkornbrot auf dem Laken gelandet waren.