Indische Kartoffeln und andere Scherze

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flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Indische Kartoffeln und andere Scherze

Sophie, meine Enkelin, war schon seit ihrer Geburt ein entzückendes Geschöpf. Das süße kleine Mündchen, die himmelblauen Augen, die langen Wimpern, die rosigen Wangen und die goldblonden Kringellöckchen – es fehlten nur die Flügel zum Engel.
Aber es heißt ja, Kinder sind Engelein, deren Flügel schwinden, während die Beine wachsen.
Sophie konnte eher laufen als reden, das merkte man auch später. Während andere Kinder schon ganze Sätze bildeten, war sie noch damit beschäftigt, die Welt nach der nur ihr eigenen Logik zu ordnen. Der Henkelkorb war für sie ein Armbangel, weil er am Arm baumelte, die Türklinke ein Anfässer, weil man sie ja anfassen musste, um die Tür zu öffnen, das Fahrrad ein Fahfahr, ein Unfall ein Umfall und der Luftballon ein Pustalon, völlig logisch.
Unsereiner hat sich ja in der frühen Jugend auch mit kuriosen Sprüchen unterhalten wie z.B.: „Ich bin auch mal auf de Unität und Akamie gewesen und habe drei Silvester Mathetik und Filiosophie stubiert!“ oder „Nu sei mal nich so prementiv und werde familionär, sonst gibbet n Choas“, aber da wusste jeder sofort, dass das nur ein Scherz war. Sophie aber meint all ihre tollen Worte völlig ernst.
Dabei sollte man sich doch bei so einem kleinen Kind gar nicht darüber wundern. Man sollte nur darauf achten, dass sich diese Dinge nicht verfestigen, sonst redet sie später genau wie eine frühere Nachbarin von mir. Die hörte ich mal reden: „Der is ne Konifere auf seinem Gebiet!“ und ich antwortete scherzhaft: „Sie meinen Konfitüre?“, darauf sie: „Aber nein, das ist doch das Vorspiel in der Oper. Ich meine schon, was ich sage, Sie! Und antiquittierte Auffassungen habe ich auch nicht, wie Sie immer behaupten!“
Da konnte ich nur grinsend abziehen.
Später rief sie einer anderen Nachbarin zu: „Ich hab s furchtbar eilig, muss zu die Aptheke! Mein Mann hatte nämlich gar kein Harzinfekt, nur n kleen Schlacheinfall, da brauch er ne janz andere Meditation, als wat die Doktersche verschrieben hat!“
Außerdem notierte ich von ihr noch: „Den hab ich auch mal arrangiert (engagiert)“, „Ich hab das Fleisch mit Buttermilch maniriert“, „Nach der co2 Mission (Emission) waren sie alle kontraminiert
und dehydriliert. Danach natürlich indispioniert und einer bekam einen eleptischen Anfall“, „Da wird alles mit in Leidenschaft gezogen (in Mitleidenschaft)“ und maltränieren statt malträtieren sowie „adiporös“. Bei dem Wort dauerte es eine Weile, ehe ich begriff, dass sie adipös meinte.
Neben solchen Schnitzern ist es völlig harmlos, wenn meine Enkelin in ein „Marinettentheater“ geht und das o in dem Wort völlig außer Acht lässt.
Mal was ganz anderes – letztens fragte sie mich, ob alle Bierbrauerein so wun – der – schö – ne Kantinen haben wie die vom Radeberger? Auch hier dauerte es ne Weile, ehe ich begriff, dass sie die in der Fernseh - Werbung verwendete Semperoper für die Kantine der Brauerei vom Radeberger hielt.
Apropos Fernsehen. Gestern beobachtete ich sie beim Spiel mit einem gleichaltrigen Jungen. Sie gab Anweisungen: „Du musst mich abservieren, also hinter mir her laufen. Dann drehe ich mich plötzlich um und schreie: „Infizieren Sie sich!“
Darauf greifst du in deine Jackentasche und willst deinen Ausweis vorholen. Der muss aber ne Fehlerkanone sein“.
Soso, da hatte das kleine Engelchen also heimlich den utopischen Film mit angesehen, der am Vorabend lief. Wie hatte sie das nur wieder angestellt? Sie hatte sich doch nicht etwa hinter den Ofen gestellt? Na ja, schlank genug wäre sie schon dafür. Aber die raue Wand muss sie doch pieken! Aber daraus mache sich vielleicht so kleine Kinder nichts.
Heute beim Mittagessen gab es den nächsten Zwischenfall. „Die Kartoffeln sind aus Indien!“, behauptete sie. Ich aber wusste es besser, hatte ich sie doch selber beim Bauern gekauft. Sophie beharrte auf ihrer Behauptung und bekräftigte: „Das hat unsere Lehrerin gesagt!“
Ehe ich diesen Zwischenfall vergessen konnte – alte Leute vergessen ja schnell mal was – traf ich die Lehrerin und fragte nach. Da stellte sich heraus, dass sie den Kindern erzählt hatte, dass Kolumbus ursprünglich auf dem Seeweg nach Indien wollte und dann aus Amerika die Kartoffeln und den Kürbis nach Europa brachte . . .
 

memo

Mitglied
Oh - meine süße Nichte heißt auch Sophie und ist ein ähnlich entzückendes, engelhaftes (verwirrend wortschöpferisches) Wesen wie deine Enkelin! Hab sehr gelacht! Danke!!!

memo
 

lapismont

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Teammitglied
Ich piek mich vor Lachen!

Kennste den Hobble Frank von Karl May? Der redet auch so verquer wie Deine Nachbarin.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

ihr lieben, vielen dank für s lesen und kommentieren.

ja, so kuriose wortverdrehungen sind meine neueste sammelleidenschaft . . .
oft fällt es dem redner gar nicht auf, was er so raushaut. meine chefin zb hatte eine "holle Helztapete" und konnte gar nicht begreifen, worüber wir lachen!
lg
 
D

Donkys Freund

Gast
Phänamentole Wortlongagen!

...und dennoch versteht man sie komischerweise!

Sehr schön!
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

donkys freund, das freut mich. dass du s verstehst und auch noch so nette wortschöpfungen anbei lieferst.
ganz lieb grüßt
 

Lisa König

Mitglied
Hallo flammarion,

ich sitze in meinem Büro in einem wunderschönen Ambinente und lach mich kringelich, was bei meiner Figur fast unmöglich ist. Deine Nachbarin scheint wirklich nicht zu wissen, dass die Auftaktmusik einer Oper die Ofentüre ist. Menschenskinder, wie dooof!
Mein Enkelchen (zweieinhalb Jahre) zeigte mir neulich seinen kleinen Akkuschrauber und fragte mich, was das denn sei. Ich antwortete: "Sag du es mir." Als Antwort kam nur: "Dapjap"! Später stellte sich heraus - alle seine "Baumeisterspielzeuge" heißen bei ihm dapjap und keine weiß warum.
Bitte mach weiter so!

Liebe Grüße
Lisa König
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

liebe lisa, vielen dank für s lesen und kommentieren.
japjag - is das jetzt richtig? - klingt sehr interessant. vielleicht machen die geräte so n geräusch? bei meinem jüngsten war jedwedes schießgerät ein "Pänger".
lg
 

Lisa König

Mitglied
Nee, "dapjap" - setz die Brille uff!

schönen Abend noch und liebe Grüße
Lisa König

P. S. Hab da leider einen Fehler zu spät entdeckt - es muss heißen " und keineR weiß warum.
 
S

suzah

Gast
hallo flammarion,
sooooo begeistert wie alle anderen bin ich nicht.
die wortschöpfungen von kleinkindern haben nach meiner meinung nicht viel mit den wortverdrehungen erwachsener aufgrund mangelnder bildung zu tun, das sind zwei verschiedene dinge,
und eigentlich themen für unterschiedliche geschichten.
liebe grüße suzah
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
vielen

dank für s lesen und kommentieren, liebe suzah.
du hast ja recht, aber es kam mir vor allem auf den amüsierfaktor an. ich wollte niemanden auf die schippe nehmen oder belehren.
lg
 
S

suzah

Gast
hallo flammarion,
dass du niemand belehren oder auf die schippe nehmen willst, ist klar.
ich meine nur, das ist stoff für zwei geschichten und wäre bei dir auch sicher in guten händen, nur in einer geschichte passt es nach meiner meinung nicht so gut zusammen.
also dann weiter.
liebe grüße suzah
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hab herzlich gelacht. Auch wenn manches recht konstruiert erscheint. (Soooo massive Probleme kann ein einzelner Mensch doch gar nicht haben. Selbst wenn die Frau sie hat - so gehäuft und auf die Spitze getrieben wirkt es dann doch wie ausgedacht.)

Es hat schon miteinander zu tun. Steht auch im Text: Wenn man die Kleinen nicht korrigiert (weil man's ja versteht), dann lernen sie im Extremfall nichtdie richtigen Worte, zumindest aber prägt sich ein, dass Semantik nicht so wichtig ist, weil "man es ja versteht".
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
vielen

dank für s lesen und kommentieren, liebe jon.
der text ist zu 95 % authentisch, namentlich der satz „Ich hab s furchtbar eilig, muss zu die Aptheke! Mein Mann hatte nämlich gar kein Harzinfekt, nur n kleen Schlacheinfall, da brauch er ne janz andere Meditation, als wat die Doktersche verschrieben hat!“
er ist eigentlich die grundlage der geschichte. als mir meine freundin dann noch die rede ihrer enkelin von den indischen kartoffeln berichtete, war s fast komplett.
lg
 

Josi

Mitglied
Hallo flammarion,

huch, wie habe ich geschmunzelt!
Adiporös und infizieren sie sich....einfach zu köstlich!
Ja, gerade Kinder bekommen diese Schöpfungen sehr gut hin.
Wenn mein Sohn etwas zu Essen haben wollte, dann rief er immer: "Mund".
Dann öffnete sich dieser auch schon riesig.

Ganz liebe Grüße
und danke für die Geschichte!
Josi
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
vielen

dank für s lesen und kommentieren.
ja, und fast täglich kommen noch neue wortschöpfungen dazu wie zb Logeristik anstatt Logistik . . .
lg
 



 
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