Internette Gesprächsgestaltung

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Walther

Mitglied
Internette Gesprächsgestaltung


Es fehlte nicht am starken Spruch,
Am Inhalt herrschte manchmal Mangel.
Ein Schrei, ein Schlag, ein lauter Fluch;
Danach ein zünftiges Gerangel.

Das Auge blau, die Nase rot:
Er hatte wieder recht behalten.
Der andre war so gut wie tot.
Das nannte man Gespräch Gestalten.

So war das früher. Heute geht
Das virtuell und indirekter.
Doch wo der liebe Feind grad steht,
Er operiert ja viel versteckter,

Weiß keiner mehr so ganz genau.
Man wird gemobbt statt hart vermöbelt,
Beschimpft als Vollidiot und Sau,
Es wird gedisst und angepöbelt.

Gedeckt durch Nick und Avatar
Wird man durch den Kakao gezogen:
Oft sind nicht mal Motive klar.
Die Wahrheit wird zurecht gebogen,

Am Ende siegt, wer besser lügt.
Die Starken sind die Intriganten.
Gewinnen wird, wer gut betrügt.
Wir werden schleichend zu Mutanten,

Sobald sich Maus und Tastatur
Mit uns verbinden und vereinen.
Der Zombie wird zur Zweitnatur:
Man ist mit sich total im Reinen,

Man fühlt sich geil, man fühlt sich gut
Und klickert einsam seine Runden,
Obwohl man tut, was man nicht tut.
Man tut es in den grauen Stunden,

Wo’s keiner sieht und keiner weiß,
Was wir da sagen, wen wir töten.
Und die Moral juckt uns `nen Scheiß.
Benimm und Ehre gehen flöten.
 

anbas

Mitglied
Hallo Walther,

ja so isses - und der Frust, den man deshalb auch manchmal schiebt gehört raus. Von daher ein zügiges Gedicht zum Dampf ablassen. Gefällt mir. An dieser Stelle könnte aus meiner Sicht aber noch ein wenig nachgebessert werden:
Sobald sich Maus und Tastatur
Mit uns verbinden und vereinen.
Der Zombie wird zur Zweitnatur:
[blue]Man[/blue] ist mit sich total im Reinen,

[blue]Man[/blue] fühlt sich geil, [blue]man[/blue] fühlt sich gut
Und klickert einsam seine Runden,
Obwohl [blue]man[/blue] tut, was [blue]man[/blue] nicht tut.
[blue]Man[/blue] tut es in den grauen Stunden,
Ich finde, ein bisschen "entmanen" :D würde dem Text an der Stelle gut tun.

Ach ja, und der Reim "Spruch-Fluch" am Anfang passt eigentlich auch nicht so richtig - oder ist das eine Frage des regionalen Sprachgebrauchs?

Liebe Grüße

Andreas
 

Walther

Mitglied
Hi Anbas,

danke für Deinen Eintrag. An der "man"-Stelle habe ich lang rumgerätselt und mich dann für diese Form entschieden.

Eine Variante war
Wir sind mit uns total im Reinen,

Wir sind so geil, wir sind so gut
Und klickern einsam unsre Runden,
Obwohl wir tun, was man nicht tut.
Wir tun es in den grauen Stunden,
Ist das so besser?

Danke für Deinen Tip!

LG W.
 

anbas

Mitglied
Hi Walther,

hm, schierig. Insgesamt ist das Gedicht ja etwas distancierter in seiner Ansprache, so dass die "man-Fassung" schon passender ist. Andererseits bekommt der Text durch das "Wir" eine neue Dynamik, die auch was für sich hat. Im Moment kann ich mich da nicht wirklich festlegen.

Melde mich, wenn sich das ändern sollte ;).

Liebe Grüße

Andreas
 

Label

Mitglied
Lieber Walther

Das hast du sehr treffend beobachtet und gut beschrieben.
Die Individuen die sich im realen Leben gegenseitig die Fäuste ins Gesicht gesteckt hätten, greifen wohl im Internet (virtuell möchte ich es in diesem Zusammenhang nicht nennen, das ist mir zu nahe an virtus) zum Mobbing-Arsenal.

zum von anbas monierten "man" ein Vorschlag:

Der Zombie wird zur Zweitnatur:
[blue]Man[/blue] ist mit sich total im Reinen,

Man fühlt sich geil, man fühlt sich gut
Und klickert einsam seine Runden,
Obwohl man tut, was man nicht tut.
Man tut es in den grauen Stunden,

nur das blau markierte man ersetzen, die anderen jedoch lassen, da sie in dieser Strophe wie ein bewusst eingesetztes verstärkendes Element wirkt.

gefiele mir jedenfalls
LG L
:)
 

Walther

Mitglied
Hallo Label, hallo Marie-Luise,

leider sehe ich den dritten Weg, den Ihr vorschlagt, nicht und bitte daher um einen Formulierungsvorschlag! Lieben Dank!

LG W.
 

Walther

Mitglied
Internette Gesprächsgestaltung


Es fehlte nicht am starken Spruch,
Am Inhalt herrschte manchmal Mangel.
Ein Schrei, ein Schlag, ein lauter Fluch;
Danach ein zünftiges Gerangel.

Das Auge blau, die Nase rot:
Er hatte wieder recht behalten.
Der andre war so gut wie tot.
Das nannte man Gespräch Gestalten.

So war das früher. Heute geht
Das virtuell und indirekter.
Doch wo der liebe Feind grad steht,
Er operiert ja viel versteckter,

Weiß keiner mehr so ganz genau.
Man wird gemobbt statt hart vermöbelt,
Beschimpft als Vollidiot und Sau,
Es wird gedisst und angepöbelt.

Gedeckt durch Nick und Avatar
Wird man durch den Kakao gezogen:
Oft sind nicht mal Motive klar.
Die Wahrheit wird zurecht gebogen,

Am Ende siegt, wer besser lügt.
Die Starken sind die Intriganten.
Gewinnen wird, wer gut betrügt.
Wir werden schleichend zu Mutanten,

Sobald sich Maus und Tastatur
Mit uns verbinden und vereinen.
Der Zombie wird zur Zweitnatur
Und ist mit sich total im Reinen:

Man fühlt sich geil, man fühlt sich gut
Und klickert einsam seine Runden,
Obwohl man tut, was man nicht tut.
Man tut es in den grauen Stunden,

Wo’s keiner sieht und keiner weiß,
Was wir da sagen, wen wir töten.
Und die Moral juckt uns `nen Scheiß.
Benimm und Ehre gehen flöten.
 



 
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