Istanbulschmerz

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Meral Vurgun

Mitglied
Istanbulschmerz



der Brennpunkt meiner Schwermut und Sehnsucht
auf deinen Plätzen ich mein Kinderherz verlor
in meinen Hände liegt Hoffnung
meine Schultern tragen die Ehre
dass ich auf deinen Strassen lief
und an deinem Strand tobte
der Icmeler Brunnen, an dessen Ecke ich meinen ersten Kuss erlebte
die Zypresse in Yakacık
in deren Schatten ich nach den Wolken griff
mit meinem Geliebten
ach! es ist fern, es ist mir Istanbul verboten

dein Regen, deine Sonne
deine Fabriken und die Streiks
deine Züge
in deinen Zügen am Abend die Rückkehr von der Arbeit: müde Gesichter
in den müden Gesichtern Spuren von Schmerz
die Liebespaare, die sich in der Bäckerei an der Ecke heimlich trafen
harmlose Schwermut, beschmutzte Liebe
die Körper, die gekauft und verkauft werden
die Leute, die Fleisch fressen und Blut trinken

deine Strassen
auf deinen Strassen Müllberge
und die sich aneinander stoßenden über Nacht gebauten Häuser
die Kinder in diesen Häusern
ihre Hände und Gesichter schmutzig
und ihre strahlenden Augen
die hungrigen Kinder
die Schuhputzer-Kinder
die Kringel verkaufenden Kinder
die spritsüchtigen Kinder
unsere Kinder

deine engen Strassen
die auf den Strassen grünäugig unter schwarzen Augenbrauen
Blumen verkaufenden Zigeunermädchen
ihre Blicke reißen Wunden in mein Herz
jede ist ein Herzstück
jede ist mir gut
ach! es ist fern, es ist mir Istanbul verboten

die Schifffahrt zwischen Haydarpaşa und Karaköy
auf Deck des Schiffes einen warmen Tee trinken
am kühlen Abend
Hand in Hand mit dem Geliebten
am Strand Kartal und Pendik
bis Mitternacht spazieren
und todmüde sein
auch unter großen Qualen
ein kleines Glück finden
Hoffnung finden
ach! es ist fern, es ist mir Istanbul verboten
- in dir und mit dir sein können

Istanbul
ach, Istanbul
deine Gefängnisse
und die Ausharrenden in den Gefängnissen
die Brust an Brust Liegenden
die Gebranntmarkten
die Mütter, deren Herzen bluten
deine Plätze
die auf deinen Plätzen geschäftigen Angestellten
deine Strassen
die auf deinen Strassen Erschossenen
die ohne Befragung und ohne Urteil Eingekerkerten
die von unbekannten Tätern Umgebrachten

die Dichter, die Autoren, die Leser und Leserinnen
die Schulen, die Schulbänke, die Lehrpulte
die Ausbeuter von Stirnschweiß
die Verkäufer der Ehre
die ewigen Gewinner
die Erschossenen
und Gefallenen

Istanbul, es ist kein Traum, ohne dich zu sein
meine Sehnsucht ist kein Traum von dir
die Dichter bekamen nicht genug von dir
ich auch nicht

„am Sisliplatz sind drei Mädchen
eine heisst Cigdem, eine Nergiz“
und beide waren deine Töchter
ich bin auch deine Tochter
es war dein Sohn, der am Beyazitplatz fiel
alle waren deine Söhne
deine Töchter
alle die auf deinen Plätzen erschossen wurden
die im Kugelhagel starben

du, Kampfstadt
Widerstandsstadt
Liebesstadt
du sahst Verrate
du warst beschämt...
du brachtest es nie zur Schande
du hast Jahrhunderte keinen verraten
dir wurde Verrat angetan
deine sieben Hügel weinten Blut
sie erschossen dich siebzigmal von siebzig verschiedenen Orten

seit Jahren bin ich in der Verbannung
für dich blutete ich an tausend Orten
und ich wurde in tausend Teile zerstückelt
meine schmerzende Herzwunde
ist eine Geschichtsblutung
in meiner linken Brust ist der Istanbulschmerz...



2001 Basel




İstanbul Ağrısı




sevdalarımın hasretlerimin odağı
meydanlarında çocuk yüreğimi yitirdiğim
avuçlarımda umudum
omuzlarımda onurum
çamurlu yollarında koştuğum
sahillerinde coştuğum
köşesinde ilk öpüştüğüm İçmeler çeşmesi
gölgesinde bulutları avuçladığım
Yakacık'taki servi ağacı
ve sevda yürekli yarim
ey bana uzak, bana yasak İstanbul...

yağmuru, güneşi
fabrikaları, grevleri
trenleri
trenlerde iş dönüşleri
akşam yorgunu yüzler
yorgun yüzlerde acı izler
köşe pastanelerde gizlice buluşan sevgililer
masum sevdalar, kirli aşklar
alınıp satılan bedenler
et yiyiciler, kan emiciler

sokaklar
sokaklarda çöp yığınları
iç içe gecekondular
gece kondularda
elleri yüzleri kirli
gözleri ışıl ışıl
aç çocuklar çocuklar
boyacı çocuklar
simitçi çocuklar
tinerci çocuklar
bizim çocuklarımız

kalabalık caddeler
caddelerde kara kaşlı
yeşil gözlü, çicekci çingene kızları
bakışı yarasıdr yüreğimin
her biri can parçası
birer birer tüter gözlerimde
ah bana uzak, bana yasak İstanbul

Haydarpaşa Karaköy vapur seferleri
güverte de bir demli çay içmek
akşam serinliğinde
elin yar elinde
Kartal Pendik sahillerinde yürümek
gece yarılarına dek
yorulup bitkin düşmek
en dayanılmaz acılarında bile
küçücük mutluluklar
umut bulmak
ey bana uzak, bana yasak İstanbul
sen de seninle var olmak

İstanbul
ah İstanbul
İstanbul'da zindanlar
zindanlarda direnenler
koyun koyuna yatanlar
yakılanlar diri diri
yürekleri kanayan analar
meydanlar
meydanları inleten isçiler, memurlar
caddeler
caddelerde kurşunlananlar
sorgusuz yargısız infazlar
faili meçhuller, kayıplar

şairler, yazarlar, okurlar
okullar,sıralar, kürsüler
alın teri soyguncuları
onur satıcıları
vurgun vuranlar
vurulanlar
vurulup düşenler

rüya değil sensizliğim İstanbul
sana olan hasretim rüya değil
sana doymamış şairler
doymadım
doyamadım ben de

'Şişli meydan‘ında üç kız
biri Çiğdem biri Nergiz'
senin kızlarındı onlar
senin kızınım ben de
senin oğlundu
Beyazıt Meydanı‘nda düşen
senin oğulların
senin kızlarındı
bütün meydanlarında vurulanlar
vurulup vurulup ölenler

sen kavga şehri
direniş şehri
sevda şehri
ihenetler gördün
uatandın...
utandırmadın tarihler boyu
ihanet etmedin asla
sana edildi ihanetler
yedi tepe kan ağladı
yedi yerden yetmiş kez vurdular

yllar yılı sürgünlerde ben
bin yerden kanadım sana
bin parçaya bölündüm
sızlayan yürek yarası
bu bir tarih kanaması
sol göğsümde İstanbul ağrısı...


Meral Vurgun

2001 İsviçre
 
B

bonanza

Gast
versuch einer korrektur

meral, dein gedicht ist eine bewegende huldigung
an deine stadt istanbul




Istanbulschmerz



der Brennpunkt meiner Schwermut und Sehnsucht
auf deinen Plätzen ich mein Kinderherz verlor
in meinen Hände liegt Hoffnung
meine Schultern tragen die Ehre
dass ich auf deinen Strassen lief
und an deinem Strand tobte
der Icmeler Brunnen, an dessen Ecke ich meinen ersten Kuss erlebte
die Zypresse in Yakacık
in deren Schatten ich nach den Wolken griff
mit meinem Geliebten
ach! es ist fern, es ist mir Istanbul verboten

dein Regen, deine Sonne
deine Fabriken und die Streiks
deine Züge
in deinen Zügen am Abend die Rückkehr von der Arbeit: müde Gesichter
in den müden Gesichtern Spuren von Schmerz
die Liebespaare, die sich in der Bäckerei an der Ecke heimlich treffen
harmlose Schwermut, beschmutzte Liebe
die Körper, die gekauft und verkauft werden
die Leute, die Fleisch fressen und Blut trinken

deine Strassen
auf deinen Strassen Müllberge
und die sich aneinander stoßenden über Nacht gebauten Häuser
die Kinder in diesen Häusern
ihre Hände und Gesichter schmutzig
und ihre strahlenden Augen
die hungrigen Kinder
die Schuhputzer-Kinder
die Kringel verkaufenden Kinder
die spritsüchtigen Kinder
unsere Kinder

deine engen Strassen
die auf den Strassen grünäugig unter schwarzen Augenbrauen
Blumen verkaufenden Zigeunermädchen
ihre Blicke reißen Wunden in mein Herz
jede ist ein Herzstück
jede ist mir gut
ach! es ist fern, es ist mir Istanbul verboten
die Schifffahrt zwischen Haydarpaşa und Karaköy
auf Deck des Schiffes einen warmen Tee trinken
am kühlen Abend
Hand in Hand mit dem Geliebten
am Strand Kartal und Pendik
bis Mitternacht spazieren
und todmüde sein
auch unter großen Qualen
ein kleines Glück finden
Hoffnung finden
ach! es ist fern, es ist mir Istanbul verboten
- in dir und mit dir sein können

Istanbul
ach, Istanbul
deine Gefängnisse
und die Ausharrenden in den Gefängnissen
die Brust an Brust Liegenden
die Gebranntmarkten
die Mütter, deren Herzen bluten
deine Plätze
die auf deinen Plätzen geschäftigen Angestellten
deine Strassen
die auf deinen Strassen Erschossenen
die ohne Befragung und ohne Urteil Eingekerkerten
die von unbekannten Tätern Umgebrachten

die Dichter, die Autoren, die Leser und Leserinnen
die Schulen, die Schulbänke, die Lehrpulte
die Ausbeuter von Stirnschweiß
die Verkäufer der Ehre
die ewigen Gewinner
die Erschossenen
und Gefallenen

Istanbul, es ist kein Traum, ohne dich zu sein
meine Sehnsucht ist kein Traum von dir
die Dichter bekamen nicht genug von dir
ich auch nicht

„am Sisliplatz sind drei Mädchen
eine heisst Cigdem, eine Nergiz“
und beide waren deine Töchter
ich bin auch deine Tochter
es war dein Sohn, der am Beyazitplatz fiel
alle waren deine Söhne
deine Töchter
alle die auf deinen Plätzen erschossen wurden
die im Kugelhagel starben

du, Kampfstadt
Widerstandsstadt
Liebesstadt
du sahst Verrate
du warst beschämt...
du brachtest es nie zur Schande
du hast Jahrhunderte keinen verraten
dir wurde Verrat angetan
deine sieben Hügel weinten Blut
sie erschossen dich siebzigmal von siebzig verschiedenen Orten

seit Jahren bin ich in der Verbannung
für dich blutete ich an tausend Orten
und ich wurde in tausend Teile zerstückelt
meine schmerzende Herzwunde
ist eine Geschichtsblutung
in meiner linken Brust ist der Istanbulschmerz...
 

Meral Vurgun

Mitglied
Re: versuch einer korrektur

Lieber Fremder,

ich danke dir sehr für deine Arbeit über mein Gedicht.

Jede sieht Istanbul anders aber ich sehe auch die schlechte Seite an Istanbul.

Lieben Gruss.
 

rosste

Mitglied
Hallo Meral,
sehr gut, wie du Istanbul beschreibst, aus persönlicher sicht und erfahrung, kritisch.
Du wechselst ab und zu in der zeit. Das geht sicher und bonanza hat das auch übernommen.

An einer stelle würde ich trotzdem besser vergangenheit verwenden:
"die Liebespaare, die sich in der Bäckerei an der Ecke heimlich treffen" ... heimlich trafen

lg
 

Meral Vurgun

Mitglied
Hallo rosste,

ich danke dir für das lesen und deine Antwort. Es freut mich, dass dir gut gefällt. Ich nehme deine Kritik an und wechsle es.

Viele Grüsse.
 
P

Prosaiker

Gast
du brachtest es nie zur Schande
du hast Jahrhunderte keinen verraten
dir wurde Verrat angetan
deine sieben Hügel weinten Blut
sie erschossen dich siebzigmal von siebzig verschiedenen Orten
der wahnsinn. was für ein eindrucksvolles bild. dieses gedicht ist großartig. so ehrlich, so stilsicher, so umfangreich und dennoch kein wort zuviel. sowas liest man selten.
vg,
Prosa.
 
D

Denschie

Gast
hallo meral,

ich bin über einen link in der plauderecke auf dieses
gedicht gestoßen.

dieses frühjahr war ich in istanbul, in tuzla.
"die Schifffahrt zwischen Haydarpaşa und Karaköy
auf Deck des Schiffes einen warmen Tee trinken
am kühlen Abend" - an das alles erinnere ich mich auch
so gern.
aber ich denke auch an die kurdischen großeltern meines
freundes, die im hohen alter in hausschuhen ihr
dorf verlassen mussten, weil türksche soldaten es
niederbrannten. sie leben nun in der stadt bei ihren
kindern. ich denke daran, dass ihre sprache bis vor kurzem
verboten war. und wie das zu einer metropole passt,
zu einem modernen land wie der türkei.
und ich erinnere mich ebenfalls mit einem gewissen grauen
an die ständige präsenz des denkmals des staatsgründers.
überall sind seine büsten und bilder.
eine form der heldenehrung, die in mir unangenehme assoziationen
ausgelöst hat.

aber abgesehen von all diesem: dein gedicht ist
phantastisch, deine worte wie balsam.
ich habe es sehr gern gelesen! könntest du das original
vielleicht darunter setzen? das wäre toll!

liebe grüße,
denschie
 

Meral Vurgun

Mitglied
Liebe Denschie,

die Welt ist sicher klein. Ich bin in Tuzla gewachsen. Im Gegend Yayla. Und Jahre lang wohnte ich mit meiner Familie dort.
Wer Weiss vielleicht kenne ich von den Verwanten deines Freundes.

Mein Gedicht eine Kurzfassung nur von einer Stadt meines Heimatland.


Das Original setze ich gern.

Dakne für deine Antwort.


Liebe Grüsse.
 
C

casy01

Gast
Istanbul ist 2 Std. Autofahrt von mir entfernt

und mir dennoch nur "relativ" gut bekannt


ich werde es daher ausdrucken um es in aller Ruhe zu lesen
 



 
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