JM (fFragment)

Nina K

Mitglied
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Es sei nur eine Frage des Schauens, schien er mir stets zu betonen. Und ich riss die Augen auf und blickte um mich herum, um ihm von meinem Sehen erzählen zu können. Natürlich hing da schon der Gilb in den Ecken, doch ich hielt ihn damals für ein Teilspektrum des Lichts und brach Buntes in seine Ränder. Oktavenklänge sind selten harmonisch und tragen doch ihre eigene Schönheit in sich, versuchte ich zu erklären. Kopfschütteln gehörte den Anderen. Sie denken, erleben und leben um sich herum und bleiben hinter den Scheiben; oder stand nur ich dahinter?

„Was ist dahinter und was davor“, hätte ich ihn fragen sollen, um Perspektive zu erfahren; oder vielleicht hätte ich ihn nach den Flächen fragen sollen, um von ihm zu lernen, meine Haut besser zu definieren? Abgestreiftes hätte er vielleicht zum Gegenteil der Schutzlosigkeit erklärt, und auch hier glaube ich wieder nur, ohne zu wissen, denn ich fragte ihn nie. Stattdessen schälte ich meine Häute, erst zögerlich, und dann, süchtig geworden, immer zügelloser vor ihm in Fetzen, auf dass mein Drinnen seinem Außen ähnlicher würde. Er war wohl belustigt, aber es befremdete ihn nie. Und sein allmähliches Weichen erschien mir eher ein Werden im Durchscheinen zu sein, denn einem Weg unterworfen.


Ich habe vieles vergehen lassen seitdem: Farbsonanz verlor sich in Ungefragtheiten. Nächtens breite ich im Dunkelbunt die Wimpern aus, als taugten sie dazu, sein Traumfänger zu sein. Abschied gelang nie.
[ 4]
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Nina,

ich fürchte, da wirst Du noch Interpretationshilfe nachliefern müssen, und zwar auch schon für den Titel. Vielleicht liegt es nur an mir - aber ich habe nicht verstanden, was Du mit dieser Geschichte ausdrücken willst.

Gruß Ciconia
 
K

KaGeb

Gast
Sorry, Nina, aber für mich ist das pseudo-intellektuelles Geseire ohne Tiefgang - nur eine Aneinanderreihung von fragilen Paradigmen, dem ich nicht "les"-folgen vermag. Da musst du wohl noch mal ran :)

Dennoch liebste Grüße aus Thüringen
 

Val Sidal

Mitglied
Nina K,

mir gefällt sowas. Aber vielleicht lese ich zu viel hinein.
Es sei nur eine Frage des Schauens, schien er mir stets zu betonen. Und ich riss die Augen auf und blickte um mich herum, um ihm von meinem Sehen erzählen zu können.
das vermittelt mir diese Gefühlsasymmetrie in einer korrodierten Beziehung: für Ihn ist alles so einfach, für sie...?

Er: "Du musst doch nur..."
Sie: "Okay..."

Aber sie spürt, so einfach ist das nicht, denn die Erosion zeigt sich schon; sie will es nicht wahr haben, deutet die Wirklichkeit um:
Natürlich hing da schon der Gilb in den Ecken, doch ich hielt ihn damals für ein Teilspektrum des Lichts und brach Buntes in seine Ränder.
Dann:
Oktavenklänge sind selten harmonisch und tragen doch ihre eigene Schönheit in sich, versuchte ich zu erklären.
Oktaven klingen leer -- nicht Dur, nicht Moll: hohl. Und schon gar nicht Dissonant. Irgendwann langweilig? Öde?

Das nächste Bild gefällt mit sehr gut:
Kopfschütteln gehörte den Anderen. Sie denken, erleben und leben um sich herum und bleiben hinter den Scheiben; oder stand nur ich dahinter?
Dieser Metaphorik-Interpretation folgend, erlebe ich dann, wie sie sich in ihrem selbstgebauten Labyrinth verliert:
Stattdessen schälte ich meine Häute, erst zögerlich, und dann, süchtig geworden, immer zügelloser vor ihm in Fetzen, auf dass mein Drinnen seinem Außen ähnlicher würde.
Der Schluss ist bedrückend, aber verschlüsselt:
Nächtens breite ich im Dunkelbunt die Wimpern aus, als taugten sie dazu, sein Traumfänger zu sein. Abschied gelang nie.
Kritik:
Ich weiß nicht, ob meine Lesart deine Absicht trifft.
Die Gefahr bei überzogener, abundanter Metaphorenverwendung ist, dass man sowas wie ein Rätsel baut. Es gibt natürlich das multiple-choice-quiz: A, B, C, D. Problematisch wird es, wenn der Leser nicht weiß, ob die eigene Interpretation eine der vorgesehenen Auflösungen war, wie bei einem Quiz, mit den Lösungen: A, B, C, I(rgendwas). Eine solche Beliebigkeit frustriert, denn man kam, um etwas mitzunehmen, und nicht um einfach nur Zeit liegen zu lassen.

Der Text bleibt hermetisch:

Für eine Parabel fehlt der angemessene Aufbau (Bildebene, Sachebene) und Botschaft.

Wenn ich mich an Goethe halte, dann ist er auch keine Allegorie oder Symbolik:
Die Allegorie verwandelt die Erscheinung in einen Begriff, den Begriff in ein Bild, doch so, dass der Begriff im Bilde immer noch begrenzt und vollständig zu halten und zu haben und an denselben auszusprechen ist.
Die Symbolik verwandelt die Erscheinung in Idee, die Idee in ein Bild, und so, dass die Idee im Bild immer unendlich bleibt und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebe.
Für eine Short-Short-Story fehlt ein clue.

Der Titel klingt wie eine Warnung an den Leser, statt ihm einen Ankerpunkt zu bieten.

Fazit: Im Text steckt für eine Kurzprosa zu viel drin und kommt dadurch zu wenig raus.

Wenn ich deine Absicht kennen würde, könnte ich konstruktivere Hinweise geben. So aber nehme ich mit, was mir gefällt.
 

Nina K

Mitglied
Hallo Zusammen,

ich müsste lügen, würde ich behaupten, mich nicht über die Ansätze von Val Sidal zu diesem Text zu freuen, die insgesamt sehr dicht an meine schreiberische Intention kommen. Aber gern versuche ich für die anderen Kopfschüttler meine Lesart einmal auszuführen, auf das es vielleicht verständlicher, wenn auch nicht ein besserer Text werde.

Dieser Text will und wird allerdings niemals eine Kurzgeschichte werden. Für lyrische Prosa fehlt mir auf dieser Plattform schlicht ein geeigneter Platz – gäbe es ihn, würde das den Lesern hoffentlich solcherlei Enttäuschungen ersparen, wie ich sie mit der Ausstellung an dieser Stelle offensichtlich provoziert habe. Sorry dafür!
Geschichten erzähle ich gern zuweilen, aber manchmal geht es eben um Dinge, denen eine solche Erzählerei meinem Gefühl nach nicht gerecht werden kann; Dinge, die im Zwischenmenschlichen kaum zu definieren sind und die dennoch fast immer die größte Rolle spielen, wenn es darum geht zu erklären, warum Beziehungen funktionieren, oder auch nicht / was die Faszination einer Person für einen ausmacht / warum man bisweilen weint.

Häufig scheint es, als sähen Menschen, und seien sie noch so eng miteinander verbunden, verschiedenartig die Welt. Val Sidal kommt über die ersten Zeilen meines Textes zu dem Gefühl, „für ihn ist alles so einfach, für sie…?“ Für mich erscheint dies unterschiedliches Sehen (Empfinden) oftmals ein zentrales Problem in Beziehungen zu sein – Steinewerfen auf mich ob dieser Ansicht ist durchaus erlaubt *smile*. Das Herumblicken meines lyrischen Ichs ist einerseits Ausdruck der Bemühung, in die Leichtigkeit seiner Weltauffassung zu folgen, andererseits unterliegt sie in weiblicher Plapperhaftigkeit (jawollja, ich liebe Klischees nun einmal, da sie so viel Wahrheit enthalten *g*) der Erzählleidenschaft, um auch ihn an ihrem Erleben teilhaben zu lassen. Nähert so etwas in einer Beziehung? Folgt sein Blick tatsächlich in ihre weibliche Welt?
Das lyrische Ich will unbedingt und unbedingte Nähe, sehnt einen Idealzustand für die Bindung zu ihm. Ihr Wunsch nach Kribbeln und Blumengefühlen geht so weit, dass sie das Alltragsgrau (die Langeweile / den Gilb in den Ecken, den Beziehungen im Laufe der Zeit ansetzen) bewusst zu verdrängen bemüht ist; die Formulierung „brach Buntes in seine Ränder“ soll eben dieses bemühte Beschönigen der Realitäten ausdrücken.
Zweifel lässt sie erst sehr viel später zu; im damaligen Rausch scheint sie erhaben in ihrem Lieben – über all diese anderen, die „echtes Leben“ verpassen.

Auch das mag vielen von Euch klischeehaft klingen, aber ist es nicht so, dass ältere Menschen vielfach kopfschüttelnd die Unbedachtheit der Jugend belächeln? Dass frisch verliebte Paare meinen, sie könnten die Welt erobern, auf den Kopf stellen und wären denen Überlegen, die sie der Alltagstristesse verfallen glauben?
„Kopfschütteln gehörte den Anderen. Sie denken, erleben und leben um sich herum und bleiben hinter den Scheiben; oder stand nur ich dahinter? „ Ja, im Nachhinein betrachtet kommen ihr Zweifel auf, welches Leben denn echt war und welches wie ein Film im TV abgespult verlief…

Auch aus heutiger Sicht aber stellt sie seine scheinbare Überlegenheit nicht in Frage; er, so abgeklärt wie er schien, so einfach für ihn die Welt zu verstehen war, hätte ihr doch sicherlich erklären können, wo sie sich befand, wer sie war. Das lyrische Ich stilisiert sich selbst zur Kindfrau (herab), während sie ihm Weisheit zuspricht. Für mich ist die Passage „um von ihm zu lernen, meine Haut besser zu definieren“ ein Ausdruck, dass sie sich wünscht, er hätte sie Selbsterkenntnis als Selbstschutz gelehrt. Stattdessen aber entblößte sie ihm ihr Innerstes, legte sich offen, stellte für sie ihr empfindliches Selbst zur Schau. Statt ihm aber dadurch wie erhofft näher zu werden, entbehre sie aus seiner Sicht jeglicher Geheimnisse dadurch. Allenfalls „belustigte“ es ihn, bis sie irgendwann bestenfalls langweilig wurde, schlechtestenfalls er die Achtung vor ihr verlor. Er entfernte sich. Die – vielleicht von ihr nur erfundene Innigkeit – verging ganz allmählich, bis nichts mehr blieb.

Und sie? Zurückbleibend hängt sie an dieser Vergangenheit, stagniert, hat nicht geschafft, loszulassen, das Ende anzuerkennen. Abschied gelang eben nie. Die sprudelnde Farbvielfalt, die er in ihr weckte, hat sie verloren; ein Dämmerlichtdasein, das heil nur im Traum zu werden vermag – in dem sie ihn fürderhin liebt (und dies Lieben weiterhin über alles erhebt). Dies „Traumfängerdasein“ ist ihre Phantasie, sie könnte trotz seines Weggangs ihn sich bewahren.

Nun, der Text ist Fragment, erzählt keine Geschichte, wie ein äußerer Erzähler diese vorübergehende Zweisamkeit beschriebe. Da sind keine Dialoge, da fehlen Begebenheiten; stattdessen fokussiert er rein auf Gefühlsebene.

Eine Lösung A, B oder C sehe ich für solcherlei Texte nicht, Val Sidal. Ich lese ihn für mich, wie kurz angerissen. Andere müssen ihn anders lesen – ich persönlich glaube an das Verschiedenartige Sehen der Menschen. Ich wünschte, mir würde mal jemand erklären, wie auf ihn die Farbe wirkt, die ich grün nennen würde und bin insofern immer fröhlich, wenn mir jemand verrät, wie ein Text (egal ob nun aus meiner oder aus fremder Feder) ihn erreicht. Ich habe Dein C also gerne verfolgt!

Ein wenig leid tut es mir schon, dass Du KaGeb nur „pseudo-intellektuelles Geseire“ liest, weil mir viele der Metaphern nah sind. Nun könnte ich mich freilich fein in meiner klischeebehafteten Blickweise darauf rausreden, dass KaGeb sicherlich ein (männlicher) Leser ist, dem die Welt viel zu einfach erscheint, als dass es so ein Drumherumgeseire bedürfte, wie meines da oben es darstellt *grins*. Aber dafür ist mir diese Meinung dann doch zu wertvoll. Und wenn ich schon den obigen Text nicht für Dich umschreiben werde (an dem ich halt hänge), so werde ich vielleicht aber doch mal wieder eine richtige Bildgeschichte schreiben – und hoffe, das nicht ganz verlernt zu haben – die dann gefällt.

Liebe Grüße an Euch KaGeb, Val Sidal und Ciconia und auf dann
Nina
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Nina,

danke für Deine ausführliche Interpretation, jetzt kann auch ich mir vorstellen, was dieser Text aussagen soll. Allerdings kann ich mich damit nicht anfreunden. Ich würde ihn nicht gerade als „pseudo-intellektuell“ bezeichnen, aber er ist mir zu bemüht, zu klischeehaft, er kommt nicht an mich heran.
Aber das ist nur meine persönliche Meinung und sagt überhaupt nichts über Deine unbestrittenen Schreibfähigkeiten aus.

Gruß Ciconia
 

Val Sidal

Mitglied
Nina K,

danke für deine Ausführungen.
... den Lesern hoffentlich solcherlei Enttäuschungen ersparen, wie ich sie mit der Ausstellung an dieser Stelle offensichtlich provoziert habe. Sorry dafür!
... also, das geht mir zu weit! Ich finde, der Text hat einen interessanten Dialog ausgelöst, und damit dazu beigetragen, dass das Versprechen von Medien à la Leselupe einglöst wird, zu verbinden und neue Anschlüsse anzubieten.

Ich habe deinen Text als "Prosa-Gedicht" gelesen. Die (Ver-)Dichtung im Text finde ich gekonnt, aber an-greifbar durchgeführt vor.

Ja, im Nachhinein betrachtet kommen ihr Zweifel auf, welches Leben denn echt war und welches wie ein Film im TV abgespult verlief...
Auch das mag vielen von Euch klischeehaft klingen, aber ist es nicht so, dass ältere Menschen vielfach kopfschüttelnd die Unbedachtheit der Jugend belächeln?…
Es geht mich nichts an, ob du vielschichtige Realitäten "klischeehaft" oder kunstvoll betrachtest - ich beobachte ja nicht DICH, sondern deinen Text. Und der ist alles andere als Klischee. Klischeehaftes Leben klischeehaft zu beschreiben wäre ärgerlich - dazu habe ich Fernsehen (Soap, Telenovella usw.).

Nun, der Text ist Fragment, erzählt keine Geschichte, wie ein äußerer Erzähler diese vorübergehende Zweisamkeit beschriebe. Da sind keine Dialoge, da fehlen Begebenheiten; stattdessen fokussiert er rein auf Gefühlsebene.
... vielleicht liegt hier der Hund begraben: der Text fokussiert zwar auf die Gefühlsebene, tut dies aber mit den Mitteln des Verstandes (Sprache, Verstehen). Musik, Malerei können unmittelbar emotional betrachtet werden; der Weg den sie zum Bewusstsein hinterlegen ist dirketer und kürzer.
Beim Text muss zunächst der sprachliche Code geknackt werden, dann erst kann die kognitive Bewertung und das gefühlsmäßige Mitschwingen erfolgen. Als Autor muss ich mit diesem Fakt umgehen können. Hier setzt meine Kritik an.
Eine Lösung A, B oder C sehe ich für solcherlei Texte nicht, Val Sidal. (...) Ich wünschte, mir würde mal jemand erklären, wie auf ihn die Farbe wirkt, die ich grün nennen würde und bin insofern immer fröhlich, wenn mir jemand verrät, wie ein Text (egal ob nun aus meiner oder aus fremder Feder) ihn erreicht.
Der Autor sieht ein farbliches Fragment und sagt: es ist grün. Bewusst oder unbewusst tut er das aber vor einem andersfarbigen Hintergrund, auch er kann nur Differenzen, Kontraste erkennen und beobachten. Dieser Hintergrund, vor dem das Grün-Erlebnis entsteht, muss beim Lesen entstehen.
Deine A-Lösung ist "Grün". Meine Lösung war C(Beziehungskiste)="Rot/Schwarz" oder I(rgendwas)="Grau".

Ich bin sicher, mit wenigen Handgriffen könntest du dafür sorgen, dass der erwähnte Hintergrund (die Form) ensteht (ohne damit das Format verlassen zu müssen). Dann würde die Leistung der Farbauswertung dem Leser als erfolgsversprechend erscheinen. Dies umso mehr, als dein Text einen mehrdimensionales Fragment aufspannt: "Mann/Frau", "jung/alt", "real/fantasiert".

In diesem Raum markieren deine Pinselstriche bunte Ausschnitte auf einer textlich präsentierten Skulptur. Wenn sie nicht als zufällige, seifenblasenartige Gebilde wahrgenommen werden sollen, dann ist es schon wichtig, wo sie beginnen, welche Trajektorien sie nehmen und wo sie enden.

Die Kunst ist doch, dass der Text selbst(ohne den Autor) den Leser zwingt, die Farben(A,B,C - welche auch immer) vor dem Hintergrund des Bildes wahrzunehmen -- vor dem Hintergrund seiner Realität. Eine Ausstellung, in der Mann/Frau, Jung/Alt, Arm/Reich nicht unterscheiden kann, wo die Tapete aufhört und das Bild beginnt(und aufhört) würde nicht lange besucht werden.
 



 
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