Jagdinstinkt

Sensiro

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Jadginstinkt

Warm war es diese Nacht wieder. Und schwül. Wie schon die ganze Woche. Selbst, daß er das Fenster geöffnet hatte half nichts. Doch wenigstens einen Vorteil hatte dies. Er konnte noch diese oder jene Grille zirpen hören, was beruhigend auf ihn wirkte, und ihm half einzuschlafen.
Doch heute fand er keine Ruhe: es war schwüler als sonst. Und tausende Gedanken rasten durch seinen Kopf. Kein Wunder, schließlich hatte er auch heute mehr Streß als sonst. Die Präsentation für den Kunden mußte er heute alleine bearbeiten, da sein Kollege krank war. Und sie mußte heute fertig werden, da morgen ja die Präsentation war. Wegen der Überstunden kam er auch zu spät zu seinem Zahnarzttermin. Die Arzthelferin fragte gar nicht danach, wieso er zu spät kam. Streng und arrogant sagte sie, bevor er sich entschuldigen konnte: „Seinen Sie doch bitte das nächste Mal bitte pünktlich, wir haben schließlich noch andere Patienten.“ „Blöde Kuh“, dachte er bei sich. Und sein Zahnarzt hatte auch keine guten Nachrichten für ihn. Seine alte Krone müsse erneuert werden. Also dauerte das auch noch länger. Dann mußte er an die nette Kassiererin im Einkaufszentrum denken, die ihn ansah, als wollte sie ihn gleich fressen, weil er es sich tatsächlich erlaubt hatte, die Einkaufszeiten voll auszunutzen. Und überhaupt waren alle Leute, die er heute traf so aggressiv und schlecht gelaunt. Mußte wohl am Wetter liegen.
An all diese Bilder und Situationen mußte er denken. Und außerdem noch, was er morgen auf der Präsentation sagen sollte, denn sonst leitete die immer sein Kollege. Sicher wußte er, was er in etwa sagen mußte. Er hatte es ja schon oft genug gehört. Aber was, wenn er keine Antwort auf die bohrenden Fragen des Kunden finden würde? Davor hatte er wirklich Angst, denn dann wäre vielleicht die ganze Arbeit umsonst gewesen.
Die Gedanken rotierten weiter in seinem Kopf und ließen ihn nicht schlafen. Er drehte sich auf die andere Seite. Ja, das war besser, mußte er nun doch an nichts mehr denken. Er gähnte. „Das ist gut“, dachte er, „jetzt werde ich müde“.
Ja, müde war er, sehr sogar. Doch langsam schlichen sich all die Gedanken, die soeben noch verloren schienen, wieder ein.
Er fing an nervös zu werden und drehte sich wieder auf die andere Seite. Deckte sich dann ein wenig auf, denn es war ja so warm. Drehte sich wieder um. Legte sich dann auf den Rücken. Dann doch wieder nach links. Dann drehte er das Kopfkissen herum, nachdem er es ein wenig aufgeschüttelt hatte. Stand noch mal kurz auf und aß eine Banane und trank einen Schluck kaltes Wasser. Legte sich wieder hin. Er schaute auf die Uhr. Wie konnte das sein, daß es nun schon drei Stunden her sein sollte, daß er sich hinlegte? Er wurde einfach nicht ruhig und ärgerte sich nun, daß es ihm nicht möglich war, einzuschlafen. Es sollte doch nichts einfacheres geben als einzuschlafen. Man könnte platzen vor Ärger: Immer dann wenn man wach sein müßte, dann ist man müde. Und dann, wenn es wichtig ist zu schlafen, dann kann man nicht. Er wurde geradezu wütend.
Nun hörte er auch keine Grillen mehr, die beruhigen konnten. Dafür hörte er etwas anderes. Es war ein vertrauter Ton. Wäre er nicht ohnehin schon wach gewesen, so wäre er von ihm ganz sicher aufgewacht. Es war ein hohes Summen, das sich seinem Ohr näherte und lauter wurde. „Auch das noch! Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte, heute Nacht einzuschlafen!“ brüllte er ärgerlich. Er schoß aus dem Bett und machte das Licht an. Er sah an die Wände seines Schlafzimmers. Und in die Luft. Er schüttelte die Gardinen an deinem Fenster. Doch nichts, er sah die Stechmücke, die er soeben noch so laut vernehmen konnte einfach nicht. Er hoffe, daß sie den Raum verlassen hatte und schloß die Schlafzimmertür. Auch das Fenster schloß er schweren Herzens, aber er wollte nicht riskieren, daß noch weitere dieser blutrünstigen Kamikazeflieger in sein Schlafzimmer eindringen konnten, um ihn auszusaugen.
Er legte sich wieder ins Bett. Und scheinbar sollte es nun so sein, daß er Ruhe fand. Aber nur scheinbar, denn kaum hatte er sich richtig in sein Bett gekuschelt hörte er diesen alles durchdingenden fiesen Ton neben seinem Ohr. Er schlug neben sich auf das Kissen in der Hoffnung, dieses lästige Insekt erwischt zu haben. Er machte sich wieder auf, das Licht einzuschalten. Er sah auf seinem Kissen nach, doch er fand nichts. Auch an den Wänden und der Decke war nichts zu sehen. Wieder schüttelte er an den Gardinen und sah dann noch mal genau nach, ob dieses Mückenvieh nicht in einer Falte saß und deswegen nicht herausflog. Doch das war auch nicht der Fall. Diesmal konnte er sich nicht einfach beruhigt wieder ins Bett legen, denn er wußte genau, daß die Schnake den Raum nicht verlassen hatte. Wo denn auch? Er verließ den Raum, verschloß ihn aber sofort wieder hinter sich, damit die Mücke kein Entkommen hatte. Als er wieder zurückkehrte hatte er sein Jagdzeug bei sich: einen Stuhl in der rechten Hand und unterm Arm die Bildzeitung von heute. Er mußte grinsen, dachte er doch, ob er ihr nicht ein paar Artikel vorlesen solle, damit sie wegen des grausam schlechten Inhalt einfach tot umfiel. Aber das wollte er sich ja selbst heute nicht mehr antun müssen. Er vertraute lieber auf die traditionelle Methode: Zeitung zusammenrollen und im richtigen Moment gezielt zuschlagen. Jetzt war die einzige Frage nur noch: Wo?
Wo hatte sich dieses Mistvieh niedergelassen, das ihn auf so unverschämte Weise daran hinderte, einzuschlafen.
Er stellt den Stuhl vor seinen Schrank und stieg hinauf, um zu sehen, ob es auf dem Schrank oder der Wand dort oben sah. Er wedelte mit der Zeitung ein wenig auf den Schrank hin und her. Doch alles, was aufflog war der Staub, den er dort oben schon lange nicht mehr gewischt hatte, wie ihm nun auffiel.
Nun gut, dann blieb mal wieder nur die altbewährte Taktik: abwarten und Tee trinken. Also stellte er seinen Stuhl neben den Lichtschalter, setzte sich, schaltete das Licht aus und wartete. Er spitzte seine Ohren und es dauerte in der Tat nicht lange, bis er dieses viel zu vertraute Geräusch vernahm. Blitzartig schaltete er das Licht ein und sah in die Richtung, aus der das Summen kam. Doch er sah nichts. Auch an den Wänden war wieder nichts zu erblicken. Also schaltete er das Licht wieder aus. Kurz danach hörte er erneut den Summton und schaltete das Licht ein. "Diesmal hast Du Pech gehabt", sagte er gehässig, als er sie erblickte und feststellte, daß sie sich auf der Decke niedergelassen hatte. Er stieg auf sein Bett. Holte aus und ... "Scheiße!", schrie er wütend. Er blickte ihr hinterher und ließ sie nicht aus den Augen. Doch sie flog ins Licht und damit er war geblendet. Wo war sie nun? Darf das wahr sein? Verärgert suchte er noch mal sämtliche Wände ab. Es half aber nichts. So schnell wie sie kam war sie wieder weg. Also setzte er sich wieder auf den Stuhl und löschte das Licht.
Er sah auf die Uhr und glaubte nicht, was er sah. War es wirklich schon 3 Uhr? Also drei Stunden Schlaf noch. Vorausgesetzt, er würde nun bald ins Bett gehen können. Er fand sich langsam aber sicher mit dem Gedanken ab, daß er morgen zur Präsentation hundemüde sein würde. Er dachte nun gar nicht mehr an all die anderen Dinge, die ihm heute widerfahren waren. Seine Gedanken drehten sich nun nur noch um ein Thema: Wo ist diese verdammte Mücke. Er lauschte weiter in Nacht und versuchte krampfhaft ein Geräusch auszumachen. Doch er hörte nichts. Nein, eingeschlafen ist diese Mücke sicher nicht. Sie saß sicher ebenfalls im Dunkeln und wartete nur darauf, daß er sich wieder schlafen legen würde. „Aber daraus wird nichts werden“, dachte er sich, „Bislang hat noch keine Mücke dieses Spiel gewonnen.“ Er saß und wartete, er schloß die Augen um sich besser auf das Summen und der Richtung, aus der es kommen würde, konzentrieren zu können. Außerdem, wofür sollte er sie denn offen halten, schließlich sah er im Dunkeln ja doch nichts. War da das Geräusch? Er zuckte kurz auf. Nein. Doch nicht. Er senkte seinen Kopf wieder. Nun schreckte er wieder auf, denn er hörte ein Geräusch. Doch was war das? Es war nicht das Summen der Mücke, nein. Es war sein Wecker. War er etwa eingeschlafen? Offensichtlich. Und nun war es sechs Uhr. Er hatte etwas Schmerzen im Nacken. War sicher keine gemütliche Art zu schlafen, sitzend auf dem Stuhl. Und noch etwas war da. Er kratzte sich an seiner Hand, in der er immer noch seine Schlagwaffe hielt.
„Ganz offensichtlich hatte wenigstens ein Jäger diese Nacht Erfolg“, grinste er. „Aber heute ist ein neuer Tag. Noch hast Du Zeit zu fliehen, denn ich muß los“, richtete er seine Empfehlung an die Mücke, obwohl ihm bewußt wurde, daß er ihr eigentlich dankbar sein mußte.

(c) by Sensiro, Ludwigshafen 8/2000
 

Andrea

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6/10 Punkte

Die Geschichte gefällt mir gut, allerdings verwendest du ziemlich häufig "und", "auch", "nun", "denn", "dann" und "doch", was die Sprache etwas runterzieht und irgendwann zu stören beginnt.

Und wieso sollte der Protagonist der Mücke dankbar sein? (durch die Jagd müde geworden?) Mücken verdankt man grundsätzlich nichts aus Ärger! Meine Meinung. ;-)
 

Sensiro

Mitglied
Hi, Andrea! Erst mal sorry, daß ich immerhin fast ein halbes Jahr gebraucht habe, um mich für eine Antwort aufzuraffen.

Du hast recht, wenn Du sagt, daß die Geschichte sprachlich erschreckend schwach ist, was mir nun erst bei erneutem Lesen aufgefallen ist.
Jedoch darf der Protagonist durchaus dankbar sein, denn hat es die Mücke nicht geschafft, daß er einschläft? Das war ihr Ziel und sie hat es geschafft. Zwar war dies in diesem Moment nicht auch sein Ziel, letztendlich aber schon. Denn wer weiß, ob er geschlafen hätte, hätte er die Mücke gleich erschlagen. Also hat sie ihm geholfen, sein Ziel zu erreichen.
Beide haben ihr Ziel erreicht und sind zufrieden. Schöne heile Welt, nicht wahr? :)

Aber eigentlich wollte ich einfach nur eine Geschichte zum Schmunzeln schreiben, auch wenn ich in einer derartigen Situation sicher nicht schmunzele.

Dank Dir für Dein Feedback und ein gutes neues Jahr!
Sensiro
 



 
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