Jahrgedächtnis

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Vera-Lena

Mitglied
Spannung

Liebe Blaustrumpf,

was Deiner Protagonistin so einfällt, wenn sie an die Oma denkt, lässt die Oma lebendig werden. großartig finde ich diese Spannung: Wie und wohin ihre Utensilien verschwunden sind, weiß man - wo sie selbst ist, weiß man nicht.

Liebe Grüsse Vera-Lena
 
M

mako

Gast
Liebe Blaustrümpfin,

ich habe Dein Gedicht schon vor ein paar Tagen gelesen und nun wieder. Ich finde es wunderbar einfühlsam. Es hat mich sehr bewegt, insbesondere die Art wie Du Deine Oma beschreibst, mit so wenigen Details und doch so liebevoll.

Die Leere, die zurückblieb, ist für mich deutlich mit dem Bild des übriggebliebenen scheinbar unbedeutsamen Gegenstandes "Pinzette" fühlbar.

Bei diesem persönlichen Text, den ich auch noch als sehr gut empfinde, fällt es mir allerdings schwer "herumzukritisieren". Deswegen habe ich es mit Abstand noch einmal gelesen und schreibe nun doch.

Auf mich würde der Text noch intensiver wirken, wenn der letzte Vers "Wo ist Oma" nicht wäre. Er sagt zwar etwas zur Person, die Du beschreibst, doch ich bräuchte den letzten Vers nicht, um als Leser ein Bild vor Augen zu haben. Das Bild nicht nur dieses von Dir so geliebten Menschen, sondern auch das meiner eigenen Großmutter. Daher stört es den Eindruck der vorherigen Bilder.

Ist aber nur mein Empfinden.

Mit nächtlichem Gruß
Mako
 

Torquato

Mitglied
ein Blaustrumpf der zaubert

dein Gedicht hat den Titel "Jahrgedächtnis",
ich stelle mir vor, dass lyrische Ich erinnert sich,
vielleicht ist es grad ein Jahr her, dass die Oma
noch da war, mit ihren weiße Haaren am Kinn.
Ihre Augen, unterschiedlich groß, hatten starke Gläser nötig.
Was blieb? Nicht die Flusen, die Oma aus den Taschen
des Kittels zog, nicht der Kettel selbst,
alles holte die Caritas, das Blindenwerk bekam die Brille.
.
"eigentlich" darf man dein Gedicht gar nicht zerstückeln,
ich tat es nur, um mich zu vergewissern, was dieser zarte und enorm starke Text alles transportiert, besonders
eine Stimmung baut sich auf, Abschied, Ende, und hinter
allem ein lebender warmherziger Mensch, der den letzten Weg gehen mußte.
.
wäre ich Lyriklehrer, sagte ich zu dir, Blaustrumpf,
- "perfekt"!
Besuchst du mal meine HP http://www.unterholz.com (Lyrik)
Gruss in deine Werkstatt!
 

Zefira

Mitglied
Liebe blaustrumpf,

eine Frage: Ist es Absicht oder ein Versehen, daß nach der letzten Zeile kein Schlußzeichen folgt?

Die Frage nach der Oma hängt gleichsam in der Luft.

Ich würde die Zeile übrigens lassen; vorher ist es eine zwar geliebte und vermißte, aber namenlose Person - erst in dieser Zeile wird es "die Oma". Was da alles mitschwingt in diesem Wort.

Liebe Grüße,
Zefira (fragt auch manchmal nach ihrer Mama)
 

Vera-Lena

Mitglied
Tüpfelchen

Liebe blaustrumpf,

das fehlende Satzzeichen ist für mich das "Tüpfelchen auf dem i". Stünde da ein Fragezeichen oder ein Punkt, wäre es so, als wüßte man eben doch, wo Oma ist. So wird für mich aber nicht nur ausgesagt, dass sie gestorben ist, sondern dass sich der Frager überhaupt keinen Ort vorstellen kann, an dem sie jetzt sein könnte, es aber sehr, sehr gerne wissen möchte. So wirkt dieser Schluss auf mich.

Liebe Grüsse Vera-Lena
 

blaustrumpf

Mitglied
nun wird es aber mal zeit zu antworten

Hallo, El Gazzo

Ich hoffe, dass du dich mit dem Verlust mittlerweile etwas abgefunden hast. Und danke, dass du mir zeigst, dass dich mein Text berührt hat.

Herzliche Grüße von blaustrumpf

* * *

Hallo, Vera-Lena

Diese Quintessenz ist mir beim Schreiben gar nicht so bewusst gewesen. Herzlichen Dank für das Lob!

Schöne Grüße von blaustrumpf

* * *

Hallo, mako

Danke, dass auch du dich von diesem Text berühren lässt.
Deinen Hinweis, die letzte Zeile zu streichen, habe ich mir gründlich überlegt.
Allerdings ist es kein "ausgedachtes Gedicht", ich hatte schon meine eigene Oma vor dem inneren Auge. Sie starb vorüber 15 Jahren, es ist nur natürlich, dass ich mich nur noch an wenig erinnern kann.
Für mich war dieses hilflose, leere Gefühl wichtig, das sich regelmäßig einstellt, wenn ich an sie denke. Damit ist dann die "Wo ist Oma"-Zeile für mich der logische Abschluss.
Die Zeile bleibt also, aber ich danke dir natürlich trotzdem für deinen Hinweis.

Herzliche Grüße von blaustrumpf

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Hallo, Torquato

Herzlichen Dank für dein Lob!

Ich möchte nur anmerken: Wie schon oben erwähnt, sind erheblich mehr Jahre als nur ein einziges seit dem Tod meiner Oma vergangen. Sie hatte eigentlich ganz normale, gleich große Augen, es waren die Brillengläser, die das eine so unnatürlich vergrößerten.

Schöne Grüße von blaustrumpf

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Hallo, Zefira

Ja, das fehlende Fragezeichen ist Absicht. Schön, dass es dir aufgefallen ist, noch schöner, dass du bemerkt hast, wie sehr die Frage dadurch in der Luft hängt.

Herzliche Grüße von blaustrumpf

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Hallo, Vera-Lena

Ich danke auch dir herzlich für dein aufmerksames Lesen und das Lob!

Schöne Grüße von blaustrumpf
 



 
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