Jean Charles de Menezes aus Gonzage

Jean Charles de Menezes aus Gonzage in Minas Gerais

Jean Charles de Menezes hatte es eilig. Es war sehr spät geworden, er hatte am Abend vorher noch mit Freunden bis in die Nacht hinein gefeiert. Bis weit nach Mitternacht hatten sie Samba getanzt. Und da war Maria Rosa gewesen, die aus Recife stammte, sie hatten sich so gut verstanden. Jean Charles war ein lebensfroher Mann. Seit drei Jahren schon lebte er hier in London, arbeitete als Elektriker, hatte sich ein kleines Glück aufgebaut, träumte von der Frau fürs Leben.

Er musste die U-Bahn noch erreichen, er durfte nicht zu spät kommen. Er schnallte sich seinen Rucksack über und machte sich auf den Weg. Sieben Minuten brauchte er bis zur U-Bahn, wenn er bequem ging. Er hatte nur noch fünf Minuten.

Er dachte an seine Familie in Brasilien. Vor drei Jahren hatte er Gonzage im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais verlassen und war nach London gezogen. Hier wohnte er in der Scotia Road im Stadtteil Brixton, mit drei Verwandten zusammen.
Er dachte an seine Eltern, an seine Großmutter Zilda - wie lange hatte er sie schon nicht mehr gesehen!
Aber er schickte immer Geld nach Hause, sie konnten das gebrauchen, und für ihn reichte es trotzdem noch.

Schon als er das Haus verlassen hatte, fühlte er sich beobachtet, wenig später sogar verfolgt. Was waren das für Männer, was wollten die von ihm? Die Zeit war sowieso knapp und so begann er zu laufen. Erst locker in einem leichten Trab. Die Männner blieben ihm auf den Fersen.

Schon hatte er die U-Bahnstation Stockwell erreicht. Noch die Treppe hinunter, da stand schon der Zug, wartete, wenige Augenblicke bis zur Abfahrt. Schreie, "Halt! Stehenbleiben! Polizei!" Was wollten die von ihm? Er lief schneller, als ginge es um Leben und Tod. Schüsse fielen, er stürzte, kurz bevor er den U-Bahn-Waggon erreicht hatte. Er rappelte sich wieder auf, sprang in den Zug. Fahrgäste flüchteten in Panik, als die Zivilbeamten ihn bis in den Waggon hinein verfolgten. Er wirkte wie ein in die Enge getriebenes Kaninchen. Die Männer von Scotland Yard kamen auf ihn. Erneut fiel er zu Boden. Ein Polizist stand direkt über ihm, als er schoss. Ohne zu zögern, rücksichtslos, brutal. Fünf Mal in den Kopf. Sein Schädel zersplitterte, Blut spritzte meterweit.

Er war tot.
 



 
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