Jennifer

4,10 Stern(e) 9 Bewertungen
Jennifer

... und deswegen darf ich eine Weile nicht zur Jennifer.
Weil die krank ist. Sonst werd ich nämlich auch krank.

Kennst du die Jennifer?

Die ist meine allerbeste Freundin.
Mit der mach ich alles zusammen. Schaukeln und Eis essen.

Erdbeereis mag ich wirklich am liebsten.

Die hat auch ein ganz schönes Haus, die Jennifer.
Aber ich hab die Vase gar nicht mit Absicht umgeworfen. Das war bloß, weil wir getobt haben.

Jetzt bin ich immer allein auf dem Spielplatz.
Die Anderen lachen immer alle.

Und die Jennifer hat auch ein ganz großes neues Auto. Also die Mama und der Papa von der Jennifer.
Das ist ganz hell da drin, weil das nicht so dunkle Scheiben hat wie deins.

Sind wir bald da?

Wohnen deine Hundebabys etwa hier im Wald?
 

Val Sidal

Mitglied
eenemenetekel,

herrlich eingefangene szene. hörst du kinder sprechen, erfährst du mehr. ich kenne den spass, den du beim schreiben empfunden hast. hatte ich auch -- als ich "lauf der dinge" schrieb.
 

Paulina

Mitglied
Beim letzten Satz bekam ich eine Gänsehaut.
Der war ein Schock.
Die kleine Geschichte hat mich also erreicht.
Sehr gut und einfühlsam geschrieben, und deshalb ist sie mir eine 9 wert.
 

molly

Mitglied
Ein einsames Kind lässt sich mit Hundebabys in ein dunkles Auto locken und fährt mit dem Fremden in den Wald.
Ich habe nach dieser Geschichte auch Gänsehaut.
Gruß molly
 
hallo zusammen!

danke für das feedback!

es freut mich, dass der kleine text verstanden werden kann - ich war mir dessen nicht ganz sicher.

und ja, er ist auf eine gewisse wirkung hin angelegt. ich hoffe mal, das ist akzeptabel und nicht zu "effekthascherisch" ;)

lg
 

Val Sidal

Mitglied
eenemenetekel,

wäre eine andere deutung nicht möglich (z.b. opa oberförster fährt mit enkel u.ä.) fände ich den text unterdurchschnittlich, denn es spielte zu direkt mit den angst-konditionierung des publikums.

sollte also der horror einer kindesentführung geschildert werden, dann empfinde ich diesen text als einen bedauernswerten ausrutscher. wie gesagt: zum glück kann man ihn auch anders lesen.
 
Nachgefragt

Vier Fragen hätte ich:
1. Warum wurde das aufgeschrieben?
2. Welche Art Leser soll damit erreicht werden?
3. Welchen Grund gab es, diesen Text zu veröffentlichen?
4. Welchen Wert hat er für den Autor/in?
 

Lars Neumann

Mitglied
Der eine mag solche Texte, der andere nicht. Ich schon. Denn er überrascht. Es wird eine Stimmung suggeriert, und erst der Schluss offenbart die ganze, in diesem Fall leider tragische, Wahrheit. Wer meint man solle derartiges nicht schreiben, dem sei eines bewusst:
Kassandra war die Botin, nicht die Ursache, und wer schweigt ändert nichts.
 
hallo spaetschreiber!

obwohl ich diese befragung seltsam finde:

1) der autor saß sommers auf einer bank in einem park und betrachtete menschen. dabei fiel ihm ein etwas abseits stehendes und nicht vollständig glücklich wirkendes kind auf.
und da er zeit hatte und stift und papier in seiner tasche mit sich trug, machte er sich zunächst einige gedanken und kritzelte alsbald ein paar ideen zwischen die zeilen ...

2) welche art leser ist man denn?
es ist dem autoren nicht daran gelegen, texte für ein bestimmtes publikum maßzuschneidern.

3) da sich die leselupe als plattform für die arbeit an und mit literatur versteht, ist es natürlich naheliegend, texte verschiedener machart in diesem forum zu veröffentlichen und über kritik und kommentare ein bild von den eigenen schriftstellerischen möglichkeiten und schwächen zu erhalten.

4) literarisch beziehungsweise ausdruckstechnisch sicherlich keinen allzu hohen.
der text ist eher als versuch anzusehen, mittels eines fragmentarischen monologs eine szene zu gestalten, die im idealfall auch eine gewissen nachhall erzeugt.

-------------

hallo val!

es freut mich, dass du eine für dich annehmbare interpretation der geschichte gefunden hast.
natürlich zielt der text durchaus auch auf das thema kindesentführung ab. er ist andererseits aber bewusst offen gehalten, um verschiedene deutungen zuzulassen - der oberförsteropa wäre eine davon, auch wenn ich diese nicht im sinn hatte.

hauptsächlich geht es um die einsamkeit des kindes. eine einsamkeit übrigens, die nicht allein durch das fehlen der freundin begründet ist ...

ein lösungsangebot:
das dunkle "auto" ist die traurigkeit, die das kleine mit sich zieht - in den "wald", der bedrohlich wirkt und in dem alles ineinander verschlungen scheint, in dem aber vielleicht auch "hundebabys" zu finden sind - etwas warmes, weiches also, das viel realer und letztlich wertvoller ist als eine idealisierte freundin ...

ich selbst bin kein großer freund davon, kinder in geschichten sprechen zu lassen, da eben das immer schon einen gewissen effekt auf den leser hat - oder sagen wir auf wahrscheinlich viele leser.
einmal so angesetzt aber, finde ich es nur konsequent, auch mit etwaigen latenten ängsten zu spielen.

ein ausflug mit großvater allein wäre mir hier zu belanglos. zumindest würde ich es dann anders angehen.

gut.
vielleicht bringt uns das ja alle ein bisschen voran ;)

nix für ungut und lg euch beiden
 

Val Sidal

Mitglied
eenemenetekel,

ich muss ein bisschen ausholen. als ich meine "kindesmund-monolog-geschichte" vorgelegt hatte, kam ein kommentar mit dem hinweis, ein kindergartenkind könne womöglich nicht so kohärent reflektieren. ich hatte daraufhin die monolog-situation des kindes aufgebrochen und die gesprächsführung einem kindesentführer in den mund gelegt. die version, bei der ich schon beim schreiben litt, hatte ich in der sparte horror platziert und nach kürzester zeit wieder gelöscht.

vor diesem hintergrund möchte ich meinen kommentar verstanden wissen. das thema kindesentführung darf nicht tabuisiert werden - schon gar nicht in der künstlerischen arbeit.

im grunde würde es reichen, den letzten satz (ohne verlust und gewinnbringend) zu löschen -- wie ich es beim lesen virtuell getan habe --, um die offenheit des emotionalen optionenraumes zu erhöhen, und damit die aggressive zuspitzung auf die unvermeidbare katastrophe zu vermeiden.

das mit dem oberförster -- etwas plump, gebe zu, nicht böse sein ...
 
hallo val!

im grunde würde es reichen, den letzten satz (ohne verlust und gewinnbringend) zu löschen -- wie ich es beim lesen virtuell getan habe --, um die offenheit des emotionalen optionenraumes zu erhöhen, und damit die aggressive zuspitzung auf die unvermeidbare katastrophe zu vermeiden.
sehr guter vorschlag!

und: keine sorge, ich bin so schnell nicht böse - und mag ja oberförster außerdem ganz gern.

danke dir und lg
 
Jennifer

... und deswegen darf ich eine Weile nicht zur Jennifer.
Weil die krank ist. Sonst werd ich nämlich auch krank.

Kennst du die Jennifer?

Die ist meine allerbeste Freundin.
Mit der mach ich alles zusammen. Schaukeln und Eis essen.

Erdbeereis mag ich wirklich am liebsten.

Die hat auch ein ganz schönes Haus, die Jennifer.
Aber ich hab die Vase gar nicht mit Absicht umgeworfen. Das war bloß, weil wir getobt haben.

Jetzt bin ich immer allein auf dem Spielplatz.
Die Anderen lachen immer alle.

Und die Jennifer hat auch ein ganz großes neues Auto. Also die Mama und der Papa von der Jennifer.
Das ist ganz hell da drin, weil das nicht so dunkle Scheiben hat wie deins.

Sind wir bald da?
 

Paulina

Mitglied
Tja ... Schade.
Durch die Streichung des letzten Satzes ist aus einer Geschichte mit Knall am Ende ein Text ohne Pointe geworden.
Man hat jetzt die Wahl: Entweder liest man das als die Schilderung eines Ausflugs mit Opa mit dem üblichen Kindergequengel am Schluss ("Sind wir bald da?"), oder man beachtet den klitzekleinen Hinweis (die getönten Scheiben), dass etwas nicht in Ordnung ist.
Dieser Hinweis ist aber sehr dürftig, weil durchaus viele Autos mit dunklen Scheiben unterwegs sind.

Das Argument, die Einsamkeit des Kindes als einen Schwerpunkt zu betrachten, zieht bei mir nicht. Immerhin ist ja in der neuen Fassung der Gechichte offensichtlich ein guter Opa oder Onkel da, der einen Ausflug mit dem Kind unternimmt und sich kümmert.

Warum musste also dieses Angebot einer zweiten Deutung sein?
Dieses Angebot tut der Geschichte nicht gut, finde ich.
Mit dem letzten Satz der ersten Fassung war alles eindeutig und ... schockierend und erschütternd und dadurch gut.
Jetzt hätte ich gern 3 von meinen 9 vergebenen Punkten zurück.:)
 
hey doc!

danke fürs lesen und mögen.

lg

---------------

hey paulina!

achje ... das tut mir nun leid.

ich finde aber, dass die geschichte auch mit dem gestrichenen letzten satz noch genug bedrohliches hat.
und mehrdeutigkeit ist mir dann doch immer lieber, als den leser mit dem zaunpfahl in richtung schock zu prügeln (auch wenn das die ursprüngliche idee war ...).

ich hoffe, du kannst das akzeptieren ;)

lg
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo eenemenetekel,

auch wenn ich spät dran bin: Leider gefällt mir der Text nach Weglassen des letzten Satzes überhaupt nicht mehr. Du hast ihm damit die wesentliche Aussage genommen und die Geschichte zu einer nichtssagenden Episode gemacht.

Gruß Ciconia
 
J

justooktavio

Gast
Alter...
jetzt war ich kurz sprachlos...
mission erfolgreich.
So überraschend... wirkungsvoll...
ich benutze den begriff nicht oft, aber: Genial.
LG
Justo
 



 
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