KONTROLLE

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moehrle

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KONTROLLE

Die bisherigen Kandidaten waren wirklich das Letzte. Lecroix hatte nicht viel erwartet und war dennoch enttäuscht worden. Er hatte den Eindruck, das die Leute dieses Jahr nicht nur untalentierter, sondern auch abstoßender und häßlicher waren, als die beiden Jahre zuvor. Langsam begann er seinen Adjutanten dafür zu verfluchen, dass der ihn schon wieder überredet hatte, diesen kleinen Wettbewerb zu veranstalten und er überlegte ebenfalls, in welchen Schmutzblättern er wohl diesmal die Annoncen aufgegeben hatte. Wieczorek, groß und hager, stand im dunklen Zweireiher neben ihm und schien seine Gedanken zu lesen.
„ Die Nächsten werden besser, da bin ich mir sicher, Chef.“
Er hantierte an den im Schreibtisch eingelassenen elektronischen Anlagen und wies Lecroixs Sekretärin im Nebenzimmer über das Gerät an, den nächsten Kandidaten hinein zu schicken.
„Und wenn ihnen keiner gefällt, dann haben sie wenigstens eine Menge Geld gespart.“
Darauf antwortete Lecroix nichts.

Die Tür zu seinem Büro öffnete sich und ein junger Mann trat ein, nicht älter als achtzehn.
Er durchschritt skeptisch die Tür zu Lecroix´s opulentem Büro, dem nicht einmal das Panoramafenster, dass die gesamte hintere Wand schmückte, ein freundliches, helles Ambiente verleihen konnte. Er trat vor den schweren Edelholzschreibtisch an dem der Boß höchstpersönlich thronte und ihn musterte, wie Zerberus der Höllenhund.
Lecroixs Blick jagte dem Jungen eine Gänsehaut über den ganzen Körper.
Das Gesicht des Teenagers war verschwitzt und unter diesem Film aus Fett und Schweiß funkelten seine Pickel wie Leuchtioden. Zu allem Überfluß hatte die Natur den armen Kerl auch noch mit einer riesigen, haarigen Warze beschenkt, die mitten auf der Stirn thronte, als Königin der Pickel.
Lecroix fuhr sich mit seiner Hand fast hypnotisch über den fein rasierten Schnurrbart und wartete noch eine Weile, bevor er das Wort ergriff.
Der Teenie war viel zu unsicher um ungefragt anzufangen zu reden, was ihm zumindest einen kleinen Pluspunkt einbrachte.
„Was kannst du ?“, fragte Lecroix, der stets mit einem leichten französischen Akzent sprach.
„Alles, was sie wollen.“
Lecroix ließ den Kopf in die Hände sinken und stöhnte.
„Würde ich nun wollen, dass du deine Arme ausbreitest und durch mein Büro fliegst, würdest du dass tun ?“
Sein Gegenüber wippte nervös hin und her, Lecroix rechnete damit, dass er in den nächsten Sekunden sehen würde, wie ein dunkler Fleck im Schritt des Jungen auftauchen und sich rasch ausbreiten würde.
„Nein, ich...“
„Oder ich würde verlangen, dass du sofort aufhörst zu Atmen und mir einen unterhaltsamen Tod bietest. Würdest du ?“
„Ich...“
Jetzt erhob sich Lecroix´s Stimme zu einem zornigen Dröhnen.
Normalerweise achtete der feine Herr auf seinen Umgangston. Aber nur in angemessenerer Gesellschaft, zu der dieser Knabe eindeutig nicht gehörte.
„Oder ich würde mir wünschen, dass du dir deinen häßlichen Kopf abbeißt und ihn dir selbst in den Hintern steckst. Würdest du ?“
Er wartete einen Moment ab, dann beantwortete er seine Frage selber.
„Nein, würdest du nicht, also hör auf so großspurige Ankündigungen zu machen und sag mir was du kannst, oder verschwinde.“
Der Teenie schluckte hart und schwitzte inzwischen wie eine schwangere Sau auf der Schlachtbank, versuchte aber trotzdem sich wieder zu fangen.
„Ich kann... Ich kann mir Schmerzen zufügen, wenn sie das wollen, ich hab auch jede Menge Acid dabei, wenn ich mir das einwerfe, haben sie bestimmt was zu lachen.“
Lecroix stützte wieder den Kopf auf die Handflächen und machte einen verzweifelten Eindruck.
Wieczorek, der seine Standartposition, stehend an Lecroix´s linker Seite eingenommen hatte und sonst immer sehr ernst und gefasst wirkte, mußte ein wenig lachen.
„Wenn, Kleiner, dann würde ich dir die Schmerzen zufügen. Ja, dass könnte mir vielleicht sogar Spaß machen. Aber nicht heute und wenn ich taumelnde Junkies sehen will, die unzusammenhängendes Zeug brabbeln, mache ich eine Kreuzfahrt.“
Jetzt lachte Wieczorek laut und richtig.
„Ich wollte unterhalten werden, aber dass ist keine Unterhaltung.
Das ist überhaupt nichts und du bist es ebenfalls.“
Lecroix sah ihm fest ins Gesicht.
„Ich würde es ehrlich gesagt unterhaltsamer finden, wenn du diesem widerlichen, haarigen Ding auf deiner Stirn eine schicke Frisur verpassen würdest.“
Statt gekränkt zu sein, grinste der verlotterte Junkie wie ein Idiot.
„Das kann ich machen, wenn sie wollen. Haben sie etwas Gel da ?“
Der Mann am Schreibtisch schüttelte ungläubig den Kopf.
„Nein, du verstehst es wohl nicht, oder ? Du stiehlst mir meine wertvolle Zeit. Du kannst mir nichts bieten, was man Unterhaltung nennen könnte. Ehrlich gesagt machst du kleiner Pisser mich krank. Glaubst du, du kannst hier reinspazieren, dir ein bißchen Acid einwerfen, deinen Kopf gegen die Wand schlagen und ich überschlage mich vor Begeisterung? Glaubst du, ich würde dir dafür auch nur Applaus geben ? Ich bin doch nicht Mamas Brieftasche. Bei mir wird nur Unterhaltung bezahlt.“
Lecroix zog seine Waffe aus dem Schreibtisch und schoss ansatzlos und zielgenau auf die Stirn des Jugendlichen. Sein Kopf explodierte und mit ihm die riesige, häßliche Warze. Die breiige Masse landete platschend auf dem überaus teuren Steinboden, der Körper sackte Sekundenbruchteile später hinterher.
Lecroix sah zu Wieczorek auf.
„Das... Das ist Unterhaltung !“
Er drückte einen Knopf auf seinem Schreibtisch und kurz darauf öffnete sich eine Geheimtür in der Wand. Zwei Sicherheitleute, die aussahen wie monströse Zwillinge, traten ein und zerrten die Leiche des Jungen nach draußen, eine Putzfrau kümmerte sich anschließend kommentarlos um die blutigen Überreste.
„Was haben wir noch draußen ?“, fragte Lecroix seinen Berater im Plauderton.
„Oh, da hätten wir noch ein Zwillingspaar, dass mit Säbeln jongliert.“
Lecroix rollte verächtlich mit den Augen.
„Einen Bauchredner, ein japanisches Sadomasopärchen, die üblichen Stripperinnen und Nutten...“
„Was ist mit der Kleinen aus dem letzten Jahr ? Dieser Geigengöttin ?“
Wieczorek blickte etwas beschämt auf den Boden.
„Erinnern Sie sich bitte daran, was letztes Jahr passiert ist.“
Mit unruhigen Augen überlegte Lecroix vor sich hin und in ihm schossen die Erinnerungen hoch. Er grinste diabolisch, während er seinen schmal rasierten Schnurrbart streichelte.
„Oh, ein tragischer Unfall... wen haben wir noch draußen ?“
„Einen Typ, der behauptet einer Kugel ausweichen zu können, einen Gedankenleser...“
„Einen Gedankenleser ?“
Das war endlich mal was Neues.
„Schick ihn rein. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass er uns überzeugen wird, aber dieses Gesindel ist immer für eine Überraschung gut.“
Er streichelte noch einmal kurz über seine Smith & Wesson und ließ sie in der Schreibtischschublade verschwinden.

Der Mann, der nun das Büro betrat, sah aus, als wäre er vor ein paar Stunden aus einem Erdloch gekrabbelt. Sein schulterlanges Haar hing ihm strähig im Gesicht und seine Haut war weiß, wie die eines Totengräbers. Ohne eine Begrüßungsfloskel trottete er, den Blick auf den Boden gerichtet durch das Zimmer und blieb direkt vor Lecroixs riesigen Schreibtisch stehen. Erst jetzt hob er den Kopf und sah die beiden Männer an.
„Wie heißen Sie und was können Sie ?“, fragte Lecroix.
Der junge Mann räusperte sich.
„Nennen Sie mich Miro und was ich kann, wissen Sie ganz genau.“
Die Art wie er es sagte, ließ Lecroix innehalten. Er zeigte keinerlei Spur von Nervosität oder Angst. Ohne zu Blinzeln erwiderte er Lecroixs starren Blick und in seinen Augen erkannte Lecroix etwas, dass er bisher nur von seinem eigenen Spiegelbild kannte. Er war gewillt ihm eine echte Chance zu geben.
„Sie behaupten, Gedanken lesen zu können. Beweisen sie es.“
Er öffnete eine Schreibtischschublade, nahm einen Notizblock heraus und reichte ihn Wieczorek.
„Mein Berater wird nun ein Wort aufschreiben. Sie werden es erraten. Oder auch nicht...“
Wieczorek schob seine randlose Brille zurecht, überlegte kurz und schrieb etwas auf.
„Auf diesem Blatt steht: Luxusliner.“, sagte Miro mit spröder und unbenutzt klingender Stimme. Verblüfft riß Wieczorek die Augen auf und hielt seinem Chef den Notizblock hin, auf dem in Kursivschrift Luxusliner stand.
„Nicht schlecht, noch eins.“
Wieczorek setzte an, ein weiteres Wort niederzuschreiben.
„Er wird Aufsichtsratsvorsitzender schreiben.“
Lecroixs Berater sah den jungen Mann an, seine Mimik war völlig aus der Fassung geraten.
„Wie zum...“
Der Gedankenleser richtete sein Wort direkt an Lecroix.
„Das kann doch jeder kleine Copperfield. Ich zeig ihnen etwas, was sie noch nie gesehen haben.“
Kaum das Miro den Satz beendet hatte, fing Wieczorek an zu zucken und den Kopf heftig hin und her zu schlagen . Er versuchte zu schreien, doch nur gutturale Laute kamen über seine Lippen. Lecroixs Berater stakste auf Zehenspitzen durch den Raum und ruderte dabei wie ein Verrückter mit seinen Armen.
Lecroix lachte hemmungslos, sein Gegenüber verzog keine Mimik.
„Das ist hervorragend, wie eine Marionette. Können sie ihn tanzen lassen ?“
Wieczorek fing an den Monkey zu tanzen, immer schneller und schneller, dann riß er sich sein Sakko auf. Ein paar Knöpfe sprangen ab und kullerten über den Boden. Wieczoreks Gesicht schien wenig begeistert.
„Bekommt er mit, was geschieht ?“, fragte Lecroix.
„Nur wenn ich will.“
„Und wollen sie ?“
„Natürlich.“
Sein Tanz wurde immer wilder. Er zerriß sein Hemd und fing an, an seinen Brustwarzen zu rubbeln.
„Reib meine Nippel ! Meine Nippel. Oh, ich bin so geil.“, stöhnte er dabei. Sein zerrissenes Hemd rieb er zwischen seinen Beinen entlang und schleuderte es dann in den künstlichen Kamin. Lecroix kullerten vor Lachen Tränen über die Wangen, zum ersten Mal in seinem Leben.
Sein sonst sehr reservierter Berater hüpfte wie wild durch den Raum, streckte sein Hinterteil raus und schlug wie besinnungslos darauf ein. Seine Brille rutschte von der Nase und zerschlug auf dem Boden zu unzähligen kleinen Splittern. In seinem Gesicht war Entsetzen, Tränen der Scham in seinen Augen.
„Steck ihn rein ! Steck ihn rein ! Ich will einen Schwanz in meinem Arschloch spüren !“
Miro machte eine abfällige Handbewegung und Wieczorek sackte wie eine übergroße Marionette zusammen.
Lecroix war begeistert, dieser Junge war ein Rohdiamant. Während er sich die Tränen wegwischte überlegte er, wie er aus seinem Talent Geld machen könnte.
„Vergessen sie das ganz schnell, Lecroix. Ich bin nicht käuflich.“, sagte Miro ohne Lecroix dabei anzusehen, der plötzlich wütend aufsprang und dabei fast seinen Sessel umstieß.
„Hören sie auf damit, verschwinden sie aus meinem Kopf !“, schrie er schrill und riss die oberste Schublade des Schreibtisches auf. Er griff seine Waffe und richtete auf den jungen Mann.
Er wollte abdrücken, konnte es aber nicht.
„Ich kann verstehen, dass sie nicht möchten, dass ich in ihrem Kopf herumgeistere.“, sagte der Langhaarige ruhig.
„Aber sie verstehen bestimmt auch, dass ich nicht zulassen darf, dass sie mich erschießen.“
Er grinste.
„Sie haben wirklich schlimme Dinge getan, Lecroix. Besonders in jungen Jahren.“
Angst und Schrecken schossen in Lecroixs ansonsten stets selbstsicheres Gesicht.
„Was meinen Sie ?“
Miro machte eine Geste mit den Fingern, die etwas Langes darstellen sollte, dann deutete er an, es sich zwischen die Beine zu rammen.
„Es wäre ein Mädchen geworden. Ihnen war jedoch ihr Ansehen wichtiger, als das ungeborene Leben der Kleinen und das ihrer Mutter.“
„Hören Sie sofort auf damit, verschwinden Sie, bevor ich Sie erschießen lasse. Wieczorek !“
Miro lächelte dünn.
Erst jetzt bemerkte Lecroix, dass sein Berater immer noch bewegungslos an der Stelle lag, an der Miro ihn fallengelassen hatte.
„Was ist mit ihm, haben Sie ihn getötet ? Was sind Sie für ein Monster ?“
Seinen französischen Akzent, den er sich mühsam antrainiert hatte, hatte Lecroix mittlerweile völlig verloren.
„Er träumt. Ich weiß, Sie möchten nicht wissen was er träumt, aber es ist ein völlig typischer Traum für Männer wie ihn.“
Lecroix drückte panisch die Knöpfe an seinem Schreibtisch.
„Es wird ihnen niemand helfen.“
Die Geheimtür in der Wand öffnete sich zischend und zwei Männer vom Wachdienst traten ein. Ihre Uniformen hatte Lecroix nach dem Vorbild amerikanischer Cops entwerfen lassen.
„Erschießt ihn !“, kreischte er.
„Sofort ! Erschießt ihn.“
Die beiden Wachen sahen ihn aus leeren Augen an. Einem von ihnen hing ein langer Sabberfaden am Kinn.
„Was haben sie mit ihnen gemacht ?“, fragte Lecroix.
„Sie träumen von ihren schönen Momenten. Von Dingen, die sie nie hatten.“
Die Wachen zogen ihre Waffen, richteten sie auf Miro, schienen es sich dann anders zu überlegen und richteten sie aufeinander.
Zwei Schüsse verschmolzen zu einem und beide sackten leblos zu Boden.
Lecroixs Gesicht war eine wilde Maske.
„Was soll dass, was wollen sie ? Geld ?“
Miro überlegte.
„Ich glaube, zuerst einmal, möchte ich, dass sie für mich tanzen.“

ENDE
 

knychen

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klingt ein wenig wie eine dem thc geschuldete rachevision anläßlich eines verpatzten vorstellungsgespräches.
aber klingt gut.
gruß knychen.
 



 
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