Kabarett?

Dorian

Mitglied
Fortschritt bringt die Menschen um.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag Fortschritt. Ich liebe ihn geradezu. Das muß ein Relikt aus Kindheitstagen sein, in denen wir uns ausmalten, wie „das Jahr 2000“ aussehen würde. Laut meiner damaligen Fantasien müsste ich heute einen fliegenden Ferrari und eine Wohnung auf dem Mond haben, gar nicht zu reden von Laserwaffen und dem Atomreaktor in der Küche.
Aber wer konnte damals schon ahnen, daß der kalte Krieg so bald vorüber und damit die Raumfahrt und – forschung als rein prestigeträchtige und ziemlich kostenintensive Industrie fast völlig wegfallen würde? Wir jedenfalls nicht.
Und so stand ich der rasanten Entwicklung der Computer- , Informations- und Kommunikationstechnik wenn schon nicht ratlos, so doch ziemlich überrascht gegenüber, als es soweit war. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich immer wieder gerne an einen Arbeitskollegen, der, zu dem Thema befragt, einmal sagte: „Internet? Das hört sich alles auf. Wirst sehen, in ein paar Jahren ist der Spuk vorbei“.
Das ist etwa zwei Jahre her und zum zirka selben Zeitpunkt setzte ich mir in den Kopf mit spätestens dreißig auf einer Bühne zu stehen und mein eigenes Kabarett-Programm zum Besten zu geben. Auf der Suche nach einem Aufhänger stieß ich schließlich auf DAS Thema schlechthin, das was Tag für Tag neben, über und hinter uns passiert, meist ohne das wir es überhaupt mitbekommen: Fortschritt.
Ich machte mich also daran zu recherchieren und konnte nach einiger Zeit nicht umhin mir einzugestehen, daß ich die ganze Geschichte zynisch angehen musste, denn Satire – die für das Kabarett eigentlich übliche Form des Humors – reichte hierfür nicht aus. Ich befasste mich also mit Leuten, die im Namen des Fortschritts gestorben waren. Und kam dabei nicht an Galileo Galilei vorbei.
Der hat irgendwann mal das Fernrohr erfunden. Das abendländische müsste man richtigerweise sagen, denn die Araber hatten das Fernrohr schon Jahrhunderte zuvor entdeckt, und was weiß ich, wer sonst noch. Aber wen interessierte damals schon, was ein paar bloßfüßige Heiden so trieben? Niemanden. Denen klaute man höchstens das Rechensystem und erklärte den heiligen Krieg, schließlich gehört die heilige Stadt ja uns, oder nicht? Aber man sieht ja, was bei heiligen Kriegen herauskommt. Zehntausende Tote, der König von England wird vom Herzog von Österreich ins Kittchen geworfen und der Bruder des Königs muß die Steuern anheben, was das englische Volk verärgert, wodurch wiederum Robin Hood eingreifen muß. Es ist alles sehr kompliziert, um einmal mit Fred Sinowatz zu sprechen.
Kehren wir jedoch zum Thema zurück: Galileo Galilei blickte der Legende nach einmal in eine Flasche und bemerkte, daß er alles größer wahrnahm, da der Flaschenboden im Querschnitt wie eine Linse geformt war, was er damals natürlich noch nicht wusste.
Auch sei dahingestellt, warum ein erwachsener Mann in eine Flasche blicken sollte, um die Gegend durch deren Boden zu betrachten. Meine Vermutung geht dahin, daß er morgens mit pelziger Zunge nach einer beliebigen Flüssigkeit suchte, auf das sie seinen Brand lösche. Als er jedoch feststellen musste, daß er am Vorabend alles ausgesoffen hatte und die Gattin noch nicht einkaufen gewesen war, lugte er misstrauisch in jede einzelne der leeren Flaschen, ob sich nicht doch irgendwo ein Tröpflein verkrochen hatte. Als sich ihm hierbei die Umgebung vergrößert darstellte ließ er sein Genie spielen.
Der Durchschnittsalkoholiker hätte wahrscheinlich gedacht, daß er einfach an Nachwirkungen des vorangegangenen Saufgelages litt, aber nicht unser Galli. Er wusste, daß es an der Flasche lag, nicht an seinem geröteten Auge.
Er besorgte sich ein paar besonders gelungene Flaschenböden und begann damit zu experimentieren. Dabei fand er heraus, daß er am besten sah, wenn er sich mit der Linse in einem dunklen Raum befand und ins Helle blickte, was besonders dann von Vorteil war, wenn er seine Geliebte bei sich hatte und seine Frau früher von der Arbeit nach Hause kam.
Danach machte er sich Gedanken um den praktischen Nutzen dieser hübschen Spielerei, schließlich konnte nicht jeder sein Haus mit sich herumtragen, nur um den Vorteil des Weit-Sehens genießen zu können. Galileo kam die Idee, sich eine Art Röhre zu besorgen in die er eine Linse stecken konnte. Dann wäre es rundherum immer dunkel und man würde den Blick immer ins Helle richten. Aber Messingröhren waren teuer und man weiß ja, wie es um die Geldbeutel von Leuten bestellt ist, die, sagen wir mal, mit ihren Trieben nicht umzugehen wissen. Er sah sich also nach dem nächstbesten Ersatz um und fand auch einen: Salami.
Aber nicht so eine Salami, wie man sie heute im Supermarkt kriegt um 1.50€ pro 100 Gramm. Die Salamis damals waren einen Meter lang und so dick, daß ein Flaschenboden ohne weiteres hineinpasste. Galilei erfand schließlich auch eine Methode, wie er sein Fernrohr scharfstellen konnte, indem er mehrere Linsen verwendete und zwei Salamis ineinandersteckte, bis er irgendwann verbrannt wurde, aber ich glaube, das war, weil er glaubte, die Erde drehe sich um die Sonne und nicht umgekehrt. Völlig abwegiger Gedanke.
Was mich indes brennender interessiert, ist Folgendes: Wenn man durch eine einen Meter lange Salami hindurchblicken will, muß man sie zuvor aushöhlen. Nun frage ich mich, wie hat der Meister das gemacht? Mit besonders langen Löffeln? Oder dressierten Mäusen?
Und was vielleicht noch wichtiger ist: Was hat er mit den ganzen Salami-Innereien gemacht? Irgendwohin muß er sie ja getan haben und seine Frau hat sicher nicht zugelassen, daß er sie einfach wegwirft. Selber essen geht auch nicht, denn irgendwann fängt auch die beste Salami zu schimmeln an und derartige Mengen kann man nicht so schnell vertilgen. Hat er vielleicht den ersten Catering-Service spezialisiert auf Salami erfunden? Vielleicht hat er aber auch nur wöchentlich eine Party veranstaltet und den Gästen nichts anderes als Salami und Brunnenwasser vorgesetzt. Den Wein hat er schließlich für sich selbst gebraucht.
„Schatzi, wir sind heute bei den Galileis eingeladen.“
„Was, schon wieder? Ich hab mich noch nicht von letzter Woche erholt, da bin ich drei Trage mit Dünnschiß auf dem Abort gesessen.“
Wie wir heute wissen, konnte zu jenen Zeiten auch Durchfall tödlich sein.

Was bleibt ist der Traum vom eigenen Kabarett-Programm. Aber da ich noch drei Jahre Zeit habe, mache ich mir keine allzu großen Sorgen. Ich geb Euch dann Bescheid.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

nachdem obiges schon bühnenreif ist, kann man auf dein kabarett nur noch sehr gespannt sein. ganz lieb grüßt
 



 
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