Kannibalen aus dem Weltall

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Wolfsbane

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"Da ist ein Landeplatz!", rief Ghouler, der Kommandeur des mit drei Leuten besetzten Raumschiffs.
Er deutete auf die Autobahnbrücke, die frei in der Landschaft stand, weil dem Kreis vorzeitig das Geld zum Bauen ausgegangen war.

Nach der Landung löste sich Vielfraß als erster aus den Gurten. "Was für ein niedlicher kleiner Planet. Das bedeutet geringe Schwerkraft. Dann haben die Einheimischen schwache Muskeln und zartes Fleisch!“
Fanck erhob sich als zweiter. Er war nervös. Er bekam immer, wenn Vielfraß von seinem ewigen Hunger redete, selber Appetit- und zwar auf Vielfraß! Vielleicht lag es auch einfach daran, daß des hier so klein und eng war. Ihr Heimatplanet war nie überbevölkert gewesen, denn immer wenn es eng wurde, fraß man die Schwachen.
Fanck litt unter einem besonders starken kannibalischen Trieb; zu seiner Beunruhigung verspürte er ihn auch gegenüber Gleichstarken, was wider die Natur war.

Ghouler öffnete er die Tür und sprang ins Freie. Aus Versehen sprang er viel zu weit. Fanck sprang sogar noch weiter. Den größten Sprung aber machte Vielfraß. Grinsend landete er auf einem Terraner, der gerade seinen Kampfhund spazieren führte. Das Tier schnappte nach Vielfraß, aber dessen Bein war viel zu hart. Jaulend lief der Hund davon.
"Bist du der ... Yeti?", fragte der Mensch.
Vielfraß wußte nicht, was er davon halten sollte, daß der Terraner die Zähne fletschte, aber was der konnte, konnte er schon lange. Er drückte noch stärker mit seinem Fuß auf den Brustkorb seines Opfers und entblößte seine Schneidezähne.
Prompt machte der Mensch sich in die Hose. Ein penetranter Geruch stieg auf, und der helle Jeansstoff färbte sich gelb.
"Guckt mal!", rief Vielfraß begeistert, "die Terraner gibt es sogar mit Senf!"

Ghouler war als erster bei Vielfraß. Er schnüffelte und gab Vielfraß
Recht. "Ja, der ist sogar schon gewürzt. Aber ich rieche noch was- das Gegenteil von Sauerstoff!" Er wies auf zwei Fabrikschlote. "Die verbreiten einen Cocktail, der für Atmer äußerst schädlich ist!"
Inzwischen war auch Fanck bei Vielfraß. "Ja, diese Gase sind nur für
Tekler gesund- oder für anderes, was Gärung als Lebensgrundlage hat."
Vielfraß spannte unwillkürlich beide Beine an und zerquetschte Jupp Meier aus Versehen.
"Jetzt sehe ich, wohin die Tekler wollen!", rief Ghouler.
Er wies auf die Fabrik. " Die Schornsteine da drüben vernichten, was sie vernichtet- Sauerstoff!"
Er wandte sich zum Raumgleiter. Seine Kameraden folgten ihm.

Sie flogen die Schornsteine an.
Dann sahen sie die Gestalten an den Schornsteinen, auf deren Fahne „Greenpeace“ zu lesen war.
"Da sind sie!", rief Fankh hysterisch. "Die Tekler! Waffen bereit! Die machen sich breit, vernichten allen Sauerstoff, verdrängen die Menschen und errichten hier einen neuen Stützpunkt! Dreck muß weg!“
"Aber die klettern ja garnicht weiter", sagte Vielfraß. "Die hängen
da bloß rum. Die haben sogar Laken mitgebracht, um übernachten zu können! So blöd können doch nur Terraner sein!"
Ghouler zoomte auf die Gestalten.

Eine Gruppe von Journalisten beobachtete, wie die Aktivisten von Greenpeace ihre Plakate anbrachten. Der Raumgleiter war für sie ebenso unsichtbar wie für das irdische Radar. In etlichen Äonen interstellarem Krieg hatten die außerirdische Militärtechnologie ihre Methoden der Tarnung perfektioniert.

"Pflücken wir uns einen!", rief Vielfraß.
"Das einzige Problem ist die Tarnung", sagte Ghouler. "Wenn wir eine Luke öffnen, muß der Bordcomputer zehnmal soviel rechnen, um alles weiterhin perfekt zu verspiegeln. Stürzt das Betriebssystem dabei ab, stürzen wir auch ab.", sagte Fankh.

Wenige Sekunden später öffnete ein erschrockener Umwelt-Aktivist die Augen. "Was war das?", fragte er. Dann wurde ihm bewußt, daß er sich nicht mehr an den Schornstein, sondern an eine Raumschiffwand klammerte.
Die drei sahen ihn stumm und regunglos an.
Plötzlich ging ein Rütteln durch den Gleiter.
"Wir haben ein Problem in den Embedded Systems!", rief Ghouler.

"Ich wußte doch gleich, daß wir die Luke nicht hätten öffnen dürfen!", kreischte Fankh. "Jetzt ist feiner Staub in die Ritzen dieser alten Kiste gedrungen! Wir haben Sand im Getriebe!"
Unglücklicherweise befand sich der Gleiter gerade über einem der Schornsteine und fiel hinein. An Bord kam es zu einem nicht sofort lokalisierbaren Schmorbrand, der schließlich die Aussenwände zum Glühen brachte.
In nie gekannter Panik schoß Fankh aus Versehen eine der Bordwaffen ab. Das war das Ende.

Alle Umwelt-Aktivisten starben, als die Schornsteine zusammenfielen.
Die Tekler krochen aus ihren Verstecken und legten zur Erholung für eine Weile ihre Schutzanzüge ab. Der Sauerstoff war vernichtet und sie wußten, sie hatten dadurch jetzt eine neue Heimat gefunden.



ENDE
 

jon

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Teammitglied
Nette kleine Geschichte

Der Text hat mich zwar nicht wirklich vom Hocker gerissen, aber er ist – bis auf zwei Details (1) – ganz nett gemacht. Was mir gefiel, war – neben dem deutlich "fertigen" Eindruck, der zwar angestrebt aber dennoch nicht wirklich Standard in der LL ist – die unangestrengte Sprache. Dadurch bekommt das Ganze so einen Ton von "das kann doch jedem mal passieren!", der den Leser sofort mitten ins Geschehen rückt.
Andererseits wirkt der Handlungsablauf wie "ist mir eben eingefallen". Man wird von Bildchen zu Bildchen geschickt, findet aber irgendwie den roten Faden nicht. Was anfängt wie eine putzige "Was wäre wenn (Kannibalen auf der Erde landen)"-Story schwenkt dann (gerade noch vertretbar) mal schnell zum Umwelt-Thema und hangelt sich sofort weiter zu einer „Alien-liegt-mit-Alien-im-Clinch-und-die-Menschen-sind-die-Dummen"-Geschichte. Das ist angesichts der Kürze des Textes wenigtens eine Grundsatz-Wendung zu viel.

(1) Die unstimmigen Details sind:
Mitten in Text steht: "Jetzt sehe ich, wohin die Tekler wollen!" – nur dass in der Geschichte die Tekler noch gar nicht da sind! Es wäre sicher sinnvoll, am Anfang irgendwie zu erwähnen, dass die Kannibalen die Tekler verfolgt haben oder sie auf diesem Planeten vermuten oder sowas.
Zur Heimat kann die Erde für die Tekler doch nur werden, wenn ALLER freier Sauerstoff aus der Atmosphäre des GESAMtEN Planeten verschwunden ist – schafft das eine (verhältnismäßig) Mini-Explosion wie diese?
Das dritte Problem ist ein fachliches: Du verwendest "atmen" als Synonym für "Sauerstoff aufnehmen", was so und in diesem Text nicht ganz legitim ist. Und: Du verwendest "Gärung" im hier-und-heutigen Sinn – nur dass kein "Gärer" leben könnte, gäbe es nicht "Sauerstoff-Atmer" bzw. „Sauerstoff-Freisetzer", die die zu vergärenden Stoffe herstellen. Zudem lebt – wenn mich meine Bio-Kenntnisse jetzt nicht ganz im Stich lassen – kaum ein "Gärer" nur Gärung bzw. er "gärt" noch besser mit Sauerstoff. (Falls du beim Schreiben die Wein-Hefen im Sinn hattest: Die vergären den Zucker auch MIT Sauerstoff – allerdings nicht zu Alkohol sondern zu Essig.) Hier wäre eine Recherche zum Thema "anaerob lebende Organismen" angebracht.
 

Wolfsbane

Mitglied
TNX

Hallo Jon,


vielen Dank für deine fundierte Kritik. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, daß ich mir beim Schreiben der Story nicht mehr Mühe gab. Mir ging es ehrlich gesagt vor allem darum, Spaß beim Schreiben zu haben. Ich orientierte mich an ED WOOD, der mal wegen der filmischen Realisierung einer solchen Story psothum als "schlechtester Regisseur aller Zeiten" ausgezeichnet wurde.
Tim Burton hat mit Johnny Depp in der Titelrolle eine sehr amüsante Biographie über ihn abgegedreht und ist später mit dem ebenfalls sehr amüsanten "Invasion vom Mars" o.ä. "augenzwinkernd" in seine Fußstapfen getreten.
Ich könnte nie ein ernstzunehmender SF-Autor werden, obwohl ich mir mal zugetraut hätte, ein paar nette Ideen zur "Perry Rhodan"-Serie hinzuzusteuern oder dort vom Redakteur verteilte Exposés "korrekt" umzusetzen.
Ich sehe "Kannibalen" eher in einer Reihe mit den "SF"-Stories von Charles Bukowski oder Kalle Krapowsky.
;)
Ich muß mal darüber nachdenken, wie ich es hätte anstellen sollen, damit meine mit dieser Story verfolgten Intentionen für den Leser klarer ersichtlich geworden wären...
:rolleyes:
 

triplezero

Mitglied
Hallo Wolfsbane!

Was ich an der Geschichte wirklich gut finde, ist, daß Du offensichtlich mit Humor an sie herangegangen bist. Das ist etwas, was ich bei anderer SF viel zu oft vermisse. Anscheinend meinen viele Autoren, daß SF eine ernste Sache ist, obwohl Arthur C. Clarke in seinen alten Kurzgeschichten bewiesen hat, daß das Humor und SF sehr wohl zusammen passen. Von daher mach auf dieser Schiene ruhig weiter.

Nicht so toll fand ich, daß die ganze Geschichte leider etwas zu wirr war, ein roter Faden fehlte, da muß ich Jon recht geben. Alles in allem aber wirklich lesenswert!
 

gnoebel

Mitglied
Hi Wolfsbane

Zunächst mal muß ich sagen, daß ich humorvolle SciFi wirklich mag und darum auch die Intention deiner Geschichte sehr schön fand.
Leider hat sie mich trotzdem nicht sehr vom Hocker gehauen. Das liegt mMn hauptsächlich daran, daß einige deiner Gags nicht wirklich neu waren.

Einige Stellen, die mir aufgefallen sind (alles nur meine Meinung und auf keinen Fall allgemein verbindlich):

Er war nervös. Er bekam immer, wenn Vielfraß von seinem ewigen Hunger redete, selber Appetit- und zwar auf Vielfraß
Hier würde ich die Ausrufezeichen-Bindestrich-Kombination weglassen. Wirkt so, als würdest du den mit Verlaub schwachen Witz mittels reißerischer Formulierung retten wollen.

"Guckt mal!", rief Vielfraß begeistert, "die Terraner gibt es sogar mit Senf!"
Ich bezweifle, daß die beiden wirklich Urin mit Senf verwechseln. Würde ich komplett weglassen, den Satz.

"Ja, der ist sogar schon gewürzt. Aber ich rieche noch was- das Gegenteil von Sauerstoff
Ich nehme an, du meinst CO2. Aber warum kann er das nicht einfach sagen? Wenn er ein Wort für Sauerstoff kennt, wirs er auch Kohlendioxid kennen...

"Wir haben ein Problem in den Embedded Systems!", rief Ghouler.
Schwerer Ausnahmefehler ;)
Hier wirkt der WindowsGag ein wenig gekünstelt. Vielleicht könntest du das andere ALien irgendwas antworten lassen, weil so der Satz ganz alleine im Raum steht und keine Bindung zum Text hat.

Der Sauerstoff war vernichtet und sie wußten, sie hatten dadurch jetzt eine neue Heimat gefunden.
Die Frage kam zwar schon mal, aber wie kann eine kleine Explosion den gesamten Sauerstoff der Erde "zerstören"?

Also, wie gesagt, war nur meine Meinung. Nimms nicht persönlich, daß mir diese Gescichte nicht so gefallen hat, aber wenn alle nur sagen "Deine GEschichte war einfach toll", wäre das ja langweilig ;)
Ich hoffe, du kannst mir meiner Kritik was anfangen

PS: Der Burton-Film heißt "Mars Attacks"
 

Lord Stark

Mitglied
puh, hat ja ganz schön Kritik gehagelt..

also, wenn man weiß, daß du bei der story auf Ed Wood anspielst (Plan 9 from Outer Space) finde ich sie lustig, (einzig das mit dem Sauerstoff ist vielleicht ein bißchen unlogisch)

Die harsche Kritik von gnoebel an deinen Gags kann ich nicht teilen - wenn es eine satirische SF-story sein soll, dann müssen auch die Gags diesselbe Qualität haben.

Ich glaube, wenn du versuchst, die Handlung etwas mehr zu überdenken und bei deinem Stil bleibst, könnte bald ein zweiter Douglas Adams aus dir werden :)

Nur nicht entmutigen lassen!

Lord Stark
 

Wolfsbane

Mitglied
Zusätzliche Erklärungen

Hallo @ll,


das Lob von Lord Stark hat mich ermutigt, mich hier erneut zu meiner Story zu äußern.


Es freut mich, daß "Kannibalen aus dem Weltall" soviel Beachtung gefunden hat, und daß diese Geschichte nicht nur erstaunlich oft angeklickt, sondern bis ins Detail beleuchtet und hinterfragt wurde.

Während des Studiums der Literaturwissenschaft wurde mir mal beigebracht, daß Science Fiction nur dann eine Existenzberechigung hätte, wenn sie dazu verwendet würde, die Obrigkeit zu kritisieren. In totalitären Staaten sei diese Obrigkeitskritik oft nur in dieser verfremdeten Form möglich, weil der Autor sonst mit Zensur und Strafe zu rechnen hätte, während in freieren Staaten die Verfremdung oft nützlich wäre, um Mißstände so zu verfremden und gleichzeitig zu verdeutlichen, daß ein gegenüber diesen Mißständen bereits abgestumpftes und resignatives Publikum auf diesem Umwege doch noch sensibilisiert und zum Nachdenken angeregt würde. Für letzteres wurde Jonathan Swifts "Gullivers Reisen" als Paradebeispiel genannt.

"Gullivers Reisen" war auch das Lieblingsbuch einer Frau, die mein privates Interesse an ihr dazu benutzte, mich mit Wissen über Science Fiction vollzustopfen, und die niemals müde wurde, mich immer wieder zu erinnern, daß Jonathan Swifts "Gulliver" keineswegs ein Kinderbuch, sondern eine sehr brilliante und zeitlose Satire sei. Als ich schließlich zum erstenmal in meinem Leben auf die Idee kam, SF zu schreiben, wollte ich ihr selbstverständlich imponieren bzw. geistige Nähe demonstrieren, indem ich Swift nachzueifern versuchte.

"Kannibalen aus dem Weltall" ist eine rhetorisch aufgebaute Geschichte. Eine der Grundregeln der Rhetorik gebietet, daß man seinem Gegner zunächst einmal so weit wie möglich Recht gibt. In "Kannibalen aus dem Weltall" gebe ich Obrigkeiten, die durch krasse Fehlplanung Steuergelder verschwenden und schlimmstenfalls wegen Korruption der Zerstörung unserer Umwelt tatenlos zusehen, dadurch "Recht", daß ich eine Bauruine zum idealen UFO-Landeplatz mache und aus der Zerstörung von Lebensraum sogar das krasse Gegenteil, nämlich die Schaffung von Lebensraum für ebenfalls völlig anders geartete Aliens mache.
Darin liegt natürlich auch die Kritik- so wollte ich verdeutlichen, wie wenig die Politik mancher Obrigkeiten im Sinne der Menschen, die sie gewählt haben, liegt.

Um das Mißverständnis zu vermeiden, daß ich es wirklich begrüßen würde, wenn die Fehler unserer Politiker zum Nutzen von Aliens wären, habe ich die drei außerirdischen "Helden" abweichend von dem Klischee gezeichnet, das viele "UFO-Sekten" uns von Außerirdischen malen. Ich halte den Besuch von Außeriridischen keineswegs für wünschenswert und verspreche mir davon keine "Erlösung". Auch wenn wir mal Besuch von uns technisch überlegenen Aliens erhielten, so müßten diese uns nicht automatisch auch sittlich überlegen sein. (Wer immer noch glaubt, daß technisches Können mit persönlicher Reife einhergeht, soll sich doch nur mal die Bevölkerung des "Silicon Valley" ansehen!)
Außerdem ist es garnicht gesagt, daß Aliens uns genug respektieren, um uns "fair" zu behandeln; vielleicht benutzen sie auch wie irdische Kolonialisatoren ihre technische Überlegenheit als Rechtfertigung für Ausbeutung und Mißhandlung, so daß sie sich nur untereinander "gut" verhalten.

Möglicherweise verstehen sie etwas völlig anderes unter "gut" als wir, oder müssen uns sogar erst ausrotten, um die Erde "gut" zu finden...
Bei "Vielfraß" und seinen Kameraden wollte ich zeigen, daß fremde Kulturen durchaus hochentwickelt und gleichzeitig gegensätzlich zu uns sein können. Ein außerirdischer Glaubensführer könnte vielleicht im Gegensatz zum real existierenden Papst Anwendung von Gentechnik und Geburtenkontrolle ge- statt verbieten und ebenfalls im Gegensatz zu ihm Sex nur OHNE den Vorsatz zur Fortpflanzung für akzeptabel zu erklären. Ein Alien könnte auch im Gegensatz zu einem (normalen) Menschen den Geruch von Urin recht appetitlich finden, weshalb ich mir nie außerirdischen "SENF" auf die Wurst schmieren würde....
;)
Es heißt, daß es unter den einst zahllosen indianischen Kulturen auch solche gegeben haben soll, die ihre Steaks nur dann richtig lecker fanden, wenn sie über frischer Büffelsch... gebraten worden waren...
:rolleyes:

Die "Tekler" waren natürlich nie auch nur im Ansatz ein Versuch, "realistische" Aliens zu kreieren. Ich wollte Umweltverschmutzung anprangern und habe mich dabei an die Filme erinnert, mit denen wir früher in der Schule zum regelmäßigen Zähneputzen ermahnt wurden. Die "Tekler" sind eine Hommage an "Karius & Baktus"!
:laugh:
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Während des Studiums der Literaturwissenschaft wurde mir mal beigebracht, daß Science Fiction nur dann eine Existenzberechigung hätte, wenn sie dazu verwendet würde, die Obrigkeit zu kritisieren.
…ich hoffe, der betreffende Professor wurde inzwischen entlassen oder anderswie von seinem Sockel geholt. Klingt hart, ich weiß, aber mit diesem Ansatz lässt sich jeder Kunst die Existenzberechtigung absprechen. Das Dumme ist nur: Kunst – oder weniger hochtrabend: das Schöne – ist ein menschliches Bedürfnis.


Nach deiner Erklärung wird mir auch das Grundproblem des Textes klar: Du wolltest was sagen und wir (?) dachten, du wolltest was erzählen. Du hast uns was zu entschlüsseln aufgetragen und wir (?) wollten einfach „nur was lesen“ und dabei eventuell was finden (, nicht aber danach suchen müssen).

Der Bezug auf Gulliver birgt ein Risiko und du bist mit Schmackes in diese Falle getappt:
Als Gulliver entstand, wandte er sich an eine gänzlich andere Leserschaft. Erstens wandte er sich an „Leser“ – was damals hieß, er wandte sich an überdurchschnittlich gebildete Leute, die Denkfutter suchten (und darin Unterhaltung fanden). Heute sind „die Leser“ durchschnittlich gebildete Leute, die Unterhaltung suchen (und manchmal was zu denken finden).
Damals war Verschlüsselung (auch und eben wegen jenes Zielpublikums) noch Standard: „Der Leser“ ging davon aus, suchte danach und es gab so zu sagen allgemeingültige Codes. Allgemeingültig für jene in die Kunst des Lesens Eingweihten.
Auch der SF-Leser ist ein "Eingeweihter", aber nicht ins Lesen als solches, sondern ins SF-Lesen. Er verwendet einen anderen Code als der Nicht-SF-Leser/Schreiber. Ein SF-Leser hat mitnichten beim Wort Alien die Aliens der UFO-Sekten im Kopf. Denn diese malen nicht uns – den SF-Lesern – dieses Bild, sondern den SF-Fremden, denen, die nach Heil suchen und dabei nicht an Gott (Götter) denken, weil sie diesem (überalterten?) Konzept nicht mehr glauben können. Oder anders ausgedrückt: Was du als Klischee-Bruch dachtest, bedient im Gegenteil ein SF-Klischee: das des "komischen" Aliens. Die Fremdartigkeit, die du durch „Senf" darstellen wolltest, ist in der SF das Normale (, Aliens sind anders – das wissen SF-Leser).
Die Ursache für diese Code-Verschiebung liegt in der Tatsache begründet, dass sich (lange) NACH Guliver die Phantastik als Genre etabliert hat. Vor dieser Etablierung waren phantastische Elemente der "Wink mit dem Zaunspfahl", dass dies der zu entschlüsselnde Teil des Textes ist. Literaturwissenschaftler und Kunstkritiker gehen in den meisten Fällen bis heute von dieser Prämisse aus. Was bei „anerkannten“ „Literatur-Schreibern“ und „Kunstmachern“ in den meisten Fällen auch berechtigt ist.
Nur eben im (Lese-)Alltag nicht.
War früher das Phantastische Teil der (in einem realen Rahmen spielenden) Handlung (– die Helden wunderten sich für gewöhnlich über das Seltsame und mit ihnen der Leser –) ist nun (in diesem Genre) das Phantastische selbst der Spielrahmen. Der Rahmen bei Guliver ist: Seereise. Die Handlung: Die Entdeckung seltsamer Welten. Der Inhalt: (Zerr-)Spiegel der Gesellschaft (und der darin agierenden Menschen).
Heute wundert sich keiner – jedenfalls kein SF/F-Leser – mehr über Phantastisches. Er horcht allerdings auf, wenn es bei den Aliens genauso zugeht wie bei den Menschen. Der Rahmen bei „Quest“ zum Beispiel: Eine Raumreise und seltsame Welten. Die Handlung: Menschen gehen miteinander um, verfolgen die selben (grundlegenden) Ziele und haben die (grundsätzlich) gleichen Probleme wie Menschen heute: Liebe, das Höhere suchen/finden, in Gesellschaftsstrukturen mehr oder weniger gefesselt sein… Inhalt: Spiegel des Menschen (und der/einer von ihnen gebildeten Gesellschaft).
Fazit: Der Text würde – vielleicht – einen Nicht-SF-Leser zu den von dir beabsichtigten Gedanken bringen. Allerdings würde kein Nicht-SF-Leser diesen Text lesen. Jedenfalls nicht bevor du dir als Literat einen Namen gemacht und diesen Text in eine ansonsten nicht-phantastische Anthologie eingestreut hast. Aber ob mir das so „nach außen“ getragene Bild heutiger SF gefiele...




@Lord Stark
Vorsicht mit solch überschwenglich vergleichendem Lob!
Abgesehen davon, dass mE Adams Stil – trotz Satire – doch ein (ganz) anderer ist, ist niemandem gedient, ihn zum zweiten Sowieso zu machen. Erstens ist es Ansichtssache, zweitens kann es (falls es nicht kopiert wird) immer nur ein Fast-wie-Sowieso sein (die Gedanken sind nun mal doch andere) – und wer will schon nur ein „Fast so“ sein – und drittens und vor allem: Um gut zu werden, muss man seinen eigenen Stil finden – jemanden auf einen fremden Pfad zu führen, hilft ihm nicht.
 

Wolfsbane

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Das Mißverständnis

Hallo Jon,



als ich mich für ein Studium der Literaturwissenschaft entschied, hatte das praktische Gründe. Da ich nur nebenbei studieren konnte, kam lediglich die Fern-Universität Hagen in Frage. Dort gab es keine große Auswahl. Ich wählte schließlich Literaturwissenschaft, weil ich da für mich die besten Chancen auf einen Abschluß vermutete. Ich konnte mich nie richtig für dieses Fach begeistern und habe das Studium schließlich aus verschiedenen Gründen nach der bestandenen Magister-Zwischenprüfung abgebrochen. Wenn Du Zoff mit Literaturwissenschaftlern hast, und dich beschweren willst, bin ich die falsche Adresse!

Ich kannte eine Frau, die ständig von Swifts "Gulliver" schwärmte. Ich wünschte mir, daß sie für mich schwärmen würde. Also habe ich Swifts Gulliver nachgeeifert, so gut ich konnte. Ich wußte, daß ihr das erst imponieren würde, wenn ich auf diese Weise zumindest in eine Anthologie käme, also habe ich mit entsprechenden Texten an einem Wettbewerb teilgenommen. Ich habe diese Stories für diese Frau geschrieben, aber nicht für Dich, selbst wenn Du in der Jury warst. Deine Behauptung, ich sei mit meinen Geschichten in eine "Falle" gegangen, ist ein reines Hirngespinst. Natürlich hätte ich gern den Contest und damit ein Notebook gewonnen , aber da ich weiß, wie solche Veranstaltungen laufen, habe ich nie damit gerechnet, und auch wenn Du in der Jury warst, brauchst Du dich nicht dafür zu entschuldigen, daß ich leer ausgegangen bin.

:rolleyes:
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Tatsächlich Missverständnis

Ich habe mich doch nicht bei dir oder über dich beschwert, sondern über jenen – offenbar als reale Person gar nicht existenten – Professor, und das auch "nur" stellvertretend für alle mit dieser Meinung.

Das mit der Anthololgie versteh ich nicht – ich war nie in eine Jury für sowas…
Aber abgesehen davon: Wenn jene Frau kein SF-Leser ist, mag die Geschichte – für sie! – "funktionieren". Wenn du aber in eine (SF?)Anthologie damit wolltest (aus welchen Gründen auch immer), dann funktioniert die Geschichte – dort! – nicht (jedenfalls nicht mit diesem Anspruch), eben WEIL du in diese Falle getappt bist. Die ist mitnichten ein Hirngespinst. Es hat sie zwar keiner aufgestellt (auch diese Jury nicht), sie existiert aber dennoch: Man kann Texte (Kunstwerke), die in einem bestimmten gesellschaftlichen (und künstlerischen) Rahmen erfolgreich waren, nicht kopieren (oder nachzeichnen) und auf den gleichen (oder auch nur annähernd vergleichbaren) Erfolg bauen. (Extremes Beispiel: Wer heute wie Rembrandt malt, ist „altmodisch“.)

Im Übrigen: Selbst wenn du die Geschichte für diese Frau geschrieben hast – in dem Moment, wo sie veröffentlicht ist, ist sie "für alle". Was hier im F/SF-Forum eben bedeutet: Für Phantastik-Leser. Und für mich eben auch…

Und noch mal, damit es nicht vergessen wird: Die Storie reißt mich zwar nicht vom Hocker und bringt nicht (alles) rüber, was du an Inhalt reingesteckt hast, aber wirklich schlecht ist sie deshalb nicht…
 

Wolfsbane

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Weitere Geständnisse

Hallo Jon,



leider war die Mathematikerin, der ich imponieren wollte, nicht in Sachen Literatur sehr stur, sondern auch beinhart erfolgsorientiert. Darum mußte ich eine "gute" UND zumindest im Sinne einer Veröffentlichung erfolgreiche Story schreiben, und zwar in dieser Reihenfolge der Prioritäten. Kommerziell erfolgreiche Science Fiction, bei der man sich nicht "das Gehirn verbiegen" mußte, imponierte ihr nämlich auch nicht.
Oder anders erklärt: Ich wußte, was ihr gefallen würde, weil sie es mir bis zum Überdruß immer wieder erklärt hatte, aber ich wußte nicht, auf was sich eine Jury vielleicht einigen würde. Also orientierte ich mich an dem, was ich wußte.
Thematisch war vorgegeben, daß die Geschichten vom Kontakt zwischen Menschen und Aliens handeln mußten. Dabei verarbeitete ich, daß sowohl China, als auch intelligente Affen zu den absoluten Lieblingsthemen dieser Frau zählten. In meiner ersten Geschichte beschrieb ich Außerirdische, die sich aus guten Gründen auf der Erde nur mit Chinesen abgaben. In der zweiten Geschichte vermischte ich die Theorien Erich von Dänikens mit denen Charles Darwins- die Menschen stammten von außerirdischen Affen ab...
Leider stellte sich dann heraus, daß die Ausschreibung in meiner Zeitschrift schlampig wiedergegeben worden war. Die Stories mußten definitiv von ERST-Kontakt mir Aliens handeln. Ich brauchte neue Ideen. Schließlich träumte ich, die ebenso hochbegabte wie starrköpfige Mathematikerin sei selbst Kommandantin eines Raumschiffs, und zwar natürlich mit ihrer andauernd erwähnten Schwester an der Seite. So entstand dann die Geschichte "Die Mutter der Erde oder: Die Prophetin des Lorehall (L´Oreal)", die ich hier inzwischen wegen der großen Resonanz auf "Kannibalen aus dem Weltall" unter dem Titel "Emanzen aus dem Weltall" eingestellt habe.
"Kannibalen aus dem Weltall" ("Teklerjagd auf Terra") sollte zunächst ein Gegenstück zu "Emanzen aus dem Weltall" ("Die Mutter der Erde...") sein. Ich wollte als Kontrast einer weiblich dominierten Raumschiffbesatzung eine hundertprozentig männliche Crew entgegenstellen, wobei klar zu sehen sein sollte, daß, wenn wir Männer unter uns sind, dabei immer Barbarei entsteht.
In dem Bemühen, die Jury (mehr) auf meine Wettbewerbsbeiträge aufmerksam zu machen und diese möglichst im Nachhinein aufzuwerten, versuchte ich erfolglos mit "Der Gorilla, der herrschen wollte" ("Präsident Hanuman") in eine "Leserstory"-Kolumne zu kommen und verfaßte schließlich den Aufsatz "Perry Rhodan literaturwissenschaftlich".
Letzteres brachte mir viel Ärger ein. Einige Leser schickten mir Mails, die mich wirklich an ihrem Verstand zweifeln ließen. Seitdem ist mein Verhältnis zum Science Fiction-Fandom erheblich und irreparabel geschädigt.
Als "Kalle Krapowsky" mir die "Leselupe" empfahl, wollte ich hier eigentlich nur Auszüge aus einem Roman posten, den ich gerade unter dem Arbeitstitel "Meine Frauen und meine Aktien" sukzessive auf dem "SOFA" von "wallstreet-online" veröffentliche. Aber dann kam ich auf die Idee, meine alten Science Fiction-Geschichten aus der Schublade zu holen, um auf diese Weise vielleicht zu erfahren, warum sie damals durchgefallen sind. Ich betrachte das Ganze als eine Art "Trauerarbeit", denn es wäre vielleicht ganz schön gewesen, der hochnäsigen Mathematikerin zu beweisen, daß ich SF schreiben könnte, wenn ich nur wollte, und daß ich doch kein "Loser" bin. Aber vorbei ist vorbei.
Inzwischen habe ich mal wieder Hermann Hesses "Der Steppenwolf" und das darin enthaltene "Traktat vom Steppenwolf" gelesen, und mich gefragt, ob ich nicht in dieser Machart meinen in der Gegenwart spielenden Roman mit einer SF-Story aufpeppen könnte.
:eek: ;)
 

Wolfsbane

Mitglied
Noch eine SF-Story!

Dies (siehe unten) war meine erste Geschichte über Aliens auf der Erde. Sie entstand in einem Kurs mit dem Titel "Spontanes Schreiben". An jenem Abend sollten wir spontan etwas zum Thema Karneval erfinden. Ich stellte mir vor, wie Aliens wohl über uns denken würden, wenn sie die Erde besuchen und dabei ausgerechnet im Karneval landen würden.
In dieser Geschichte sind die Aliens, die den Kontakt zu uns suchen, nur ein bischen versnobt und neurotisch, aber sehr gebildet und sensibel:



KARNEVAL FÜR ALIENS


1.
"Flieg doch mal etwas langsamer", rief Mikar ärgerlich.
Fasziniert betrachtete er die oberirdische Siedlungsweise der Terraner, die an die Sonnenseite ihres Heimatplaneten erinnerte.
"Geht nicht", sagte Daven. "Sonst können sie uns sehen."
Er sah auf die Instrumententafel.
"Die haben uns doch noch nie gesehen!", schimpfte Mika.
"Und ob!", widersprach Daven.
"Mach dich nicht lächerlich!", sagte Mikar. "Redest du etwa von irdischen Ufologen? Das sind doch alles nur Paranoiker."
"Paranoiker?", wiederholte Daven.
"Leute mit Verfolgungswahn", fügte Mikar erklärend hinzu.
Er versuchte durch die Glaskuppel möglichst viele vom
jetzigen Zustand der Erde zu erkennen.
"Dann behauptest du also, daß es uns garnicht gibt?", fragte Daven. "Du leugnest deine eigene Existenz? Das ist aber ein extrem schwerer Fall von Verdrängung!"
"Unsinn", sagte Mikar ruhig. "Nach menschlicher Zeitrechnung sind wir nur ungefähr alle 500 Jahre mal auf der Durchreise hier. Die hiesigen Ufo-Gläubigen sichten aber angeblich alle fünf Minuten eines unserer Schiffe."
Daven überflog jetzt einen Ozean. Er gähnte. "Hier sind aber auch andere Intelligenzen unterwegs. Unsere Versuchsmenschen sind alle aus dritter Hand."
"Ja, Piloten aus dritter Hand", sagte Mikar. "Außer Piloten ist im Bermuda-Dreieck nicht viel zu kriegen. Menschen dürfen nur dann Piloten werden, wenn sie bei Reaktionszeiten und Intelligenz spitze sind. Ehe wir sie kriegen, haben sie meistens schon bei anderen Intelligenzen umfangreiche Testprogramme absolviert und sind engültig zu Eliteexemplaren geworden. Kein Wunder, daß diese Menschen so schnell gucken und schnell denken können. Aber die große Masse kann uns auch dann nicht sehen oder als Ufo begreifen, wenn du etwas langsamer fliegst, Daven!"
"Wir sind aber jetzt sowieso schon da", stellte Daven fest. "Den Rückflug darfst du übernehmen."
"Ach was!", schimpfte Mikar, "Du weißt genau, daß der Gleiter sofort per Autopilot zur Walhalla zurückkehrt und wir am Ende der Exkursion per Portierungsstrahl direkt zum Mutterschiff zurückkehren! Das hier war unsere einzige Chance für eine Besichtigung!"
"Wenn schon", murmelte Daven. "Hier ist doch sowieso fast nur Wasser, Wasser, Wasser! Und Fische! Jetzt kommen wir noch schneller unter die Menschen. Du tust doch immer, als wärst du ganz begeistert von Säugetieren!"
Mikar fletschte seine Reißzähne und fuhr seine Fingernägel aus.
"Soll das etwa eine Anspielung auf die haltlosen Unterstellungen meiner Ex-Frau sein?"
Daven hob abwehrend die sechsfingrigen Hände. Sein Bürzel zuckte. Er versuchte das Zucken willentlich abzustellen, aber das mißlang. Zum Glück konnte Mikar es dank der Kleidung nicht sehen.
"Daran habe ich garnicht gedacht", beteuerte er. "Warum sollte ich dem auch irgendwelche Bedeutung beimessen. Deine vier anderen Frauen reden doch gut über dich. Also steht es vier zu eins für deinen guten Ruf. He, ich bin unter einer demokratischen Weltregierung großgeworden. Okay? Ich denke bei allem demokratisch. Und wenn vier Frauen dich lieben und bloß eine Minderheit von einer Frau dich abgewählt hat, bist du für mich klarer Sieger. Punkt, aus, vorbei. Okay?"
Mikar schloß seinen Mund und leckte über seine Fangzähne. Ehe er seine Fingernägel wieder einzog, fuhr er mit der rechten Hand in seinen linken Ärmel und kratzte sich die stark behaarten Ellenbogenbeuge. Mikar hatte dort mehr Haare als andere Männer seiner Spezies. Seinem Höhlenarzt zufolge lag das an einer Überproduktion männlicher Hormone, was vielleicht auch erklärte, wieso Mikar zum Ende von sehr langen Forschungs-Reisen manchmal sogar Menschinnen attraktiv fand.
Daven machte die Bewegung von Mikar nach. Jemanden zu kopieren war ein Zeichen von Freundschaft.
"Diese verdammten Ellenbogen können manchmal jucken, daß man fast wahnsinnig wird, nicht wahr?", fragte er.
Mikar zog die Nägel ein. "Seien wir froh, daß wir keine Menschen sind", sagte er. "Die haben das Problem in den Achselhöhlen. Da kommt man noch schlechter hin. Die Ellenbogen kann man sich besser kratzen!"
Daven wollte schon verraten, daß er sich aus hygienischen Gründen die Ellenbogen zu rasieren pflegte, aber er wollte nicht für weibisch gehalten werden. Dann wurde ihm bewußt, daß er seine Fingernägel garnicht ausgefahren hatte. Er holte das nach, ehe er die Hand wieder aus dem Ärmel zog.
"Die Menschen", begann Daven, "haben Haare in den Achselhöhlen, weil sie da schwitzen und das Fell den Geruch hält. Auf die Weise konnten sie sich früher beschnuppern und Sympathien oder Antipathien bilden.“
"Das war bei uns früher mit den Ellenbogen das gleiche", sagte Mikar, der soeben seine Ruhe zurückgewann.
David wollte auch noch etwas sagen, aber er atmete aus Versehen mit den Kiemen und verschluckte sich heftig. Als er um Atem rang, blähten sich seine Wangen fast wie Luftballons auf.
"Ehrlich gesagt vermisse ich die fünfte Töle garnicht", sagte Mikar.
"Vier Frauen sind genau richtig. Eine ist keine, zwei tun sich gern gegen den Mann zusammen, bei dreien ist eine immer irgendwie über und bei fünfen oder mehr muß man schon einen zusätzlichen Aufpasser engagieren, was die ganze Sache endgültig echt teuer macht. Vier Stück sind genau richtig. Das ist auch schon eine anonyme Masse, aber noch übersichtlich."
"Ganz meine Meinung", röchelte Daven.

2.
"Möchten sie etwas trinken?", fragte Lun Tsu höflich in Mandarin. Innerlich bebte er, denn er wußte um die Wichtigkeit dieser seltenen Begegnungen. Sein Clan verdankte einen Großteil seiner Macht den nur alle paar Generationen erscheinenden Dämonen.
"Danke, gern", sagte Mikar und warf Daven einen drohenden Blick zu.
Lun Tsu gab einer Frau beiläufig Zeichen. Sie trippelte in einem engen Rock auf zusammengeschnürten Füßen in Richtung der Besucher. Dann goß sie Tee ein.
Daven schaute die Frau prüfend an. Diese Menschin hatte wie die meisten ihrer Gattung ekelhaft viele Haare auf dem Kopf und dafür wahrscheinlich kaum Haare an den Beinen. Daven fühlte sich nur da zuhause, wo die Frauen in der Pubertät eine Glatze bekamen und Haare an den Beinen ihre Fruchtbarkeit anzeigten. Bei Menschinnen würde er keinen einzigen Penis hochkriegen.
Mikar begann zu trinken.
Lun Tsu erschauerte leicht, als er sah, wie die Dämonen ihre langen Zungen in die Tassen steckten und den Tee wie mit einem Strohhalm einsogen. Die Dämonen erschienen ihm noch abstoßender als die Langnasen des Westens.
"Vorzüglich", lobte Mikar.
"Schmeckt ein bischen nach Menschenfleisch", sagte Daven.
Die Dienerin fiel in Ohnmacht. Lun Tsu klatschte in die Hände. Zwei stämmige Männer trugen die Frau fort. Eine andere Frau erschien. Irgendwo im Hintergrund hörte man schließlich hysterische Schreie und dann Schmerzenslaute.
"Sollte nur ein Scherz sein", sagte Daven. Er zog sein rechtes Auge raus und steckte es wieder zurück.
"Das war nicht witzig", knurrte Mikar. "Und Zwinkern geht auch anders!" Zornig bleckte er die Zähne und fauchte laut.
Lun Tsu zitterte leicht. Trotzdem schaffte er es, weiterhin „ein dickes Gesicht" zu machen. Um keine Zweifel an seiner Loyalität aufkommen zu lassen, verneigte er sich im Sitzen und sagte: "Genau wie meine Vorfahren möchte ich mich untertänigst bedanken, daß ihr Dämonen uns vor langer Zeit von den Drachen befreit habt."
Mikar mußte lächeln. Er beherrschte sich, um den Menschen nicht wieder mit seinem Gebiß zu erschrecken.
"Was redet der denn da für Müll?", fragte Daven. "Das war doch ein reiner Unfall! Bei uns weiß das jedes Kind! Das erste Schiff, das die millionenfache Schallgeschwindigkeit erreichte, war leider schneller als sein eigenes Navigationssystem, rammte die Erde und ließ das Ökosystem dieses mickrigen kleinen Planeten dummerweise kollabieren- Pech für die Dinosaurier und Glück für dieses Gewürm."
"Behalte das für dich", knurrte Mikar.
"Das heißt", begann Daven, "daß dieses ganze Erdengewürm seine Existenz nur einem Fehler unfähiger Programmierer verdankt!"
"Halt die Kiemen, Daven!", knurrte Mikar.
"Und wenn es ein Fehler war, daß sie entstanden sind, kann es auch nur ganz richtig sein, wenn sie wieder verschwinden."
"Ruhe", knurrte Mikar.
"Wir nehmen nur, was wir gegeben haben", sagte Daven.
"Jetzt reicht es", flüsterte Mikar. "Sobald wir wieder an Bord sind, werde ich dem Admiral verraten, daß du dir die Ellenbogen rasierst und Sodomie mit Zwerg-Dinosauriern von Alpha Centauri treibst."
Daven wurde bunt im Gesicht.
Lun Tsu richtete sich wieder auf. Er klatschte zweimal in die Hände.
Mehrere junge Frauen trugen Körbe herein. Immer wenn eine ihre Last abgesetzt hatte und gegangen war, kam die nächste.
"Mit diesen Geschenken möchten wir unsere Dankbarkeit ausdrücken", sagte Lun Tsu.
Daven und Mikar wühlten sich durch.
"Was ist das denn?", fragte Daven, als er Bastelkram hochhielt.
"Das sind die neuesten Handhelds, Subnotebooks und Handys."
"Aha", murmelte Daven und schleuderte den ganzen Tand achtlos hinter sich. "Und wo sind die besseren Sachen?"
"Hier", meldete Mikar strahlend.

"Feinste Seide", rief Daven zufrieden aus. Sein Gesicht leuchtete bewundernd auf. Er wandte sich wieder an Lun Tsu: "Sowas wollen wir! Keinen Schund!"
Lun Tsu ließ ohne Kommentar mehr Seide bringen.
"Wann werdet ihr endlich die Weltherrschaft erreichen?", fragte Mikar beiläufig. "Ihr hattet ungefähr tausend Jahre Vorsprung, aber inzwischen könnte man denken, daß die Macht überall auf der Welt bei den Käsegesichtern liegt!"
Lun Tsu senkte beschämt seinen Kopf. "Wir haben Fehler gemacht", sagte er. "Wir glaubten, daß die Barbaren auch unseren Weg gehen und erst weise, und dann stark werden. Aber ihre Stärke beruht darauf, daß das Tier in ihnen weiterlebt. Wir gingen in fremde Länder, erwarben dort die Freundschaft der Einheimischen, um mit ihren Waren handeln zu dürfen und kämpften nur zur Verteidigung. Die Barbaren aber überfielen fremde Kontinente, töteten mit ihren Seuchen und ihrem Schießpulver alle anderen Menschen, um aus dem Rest Sklaven zu machen, die sich selbst bestehlen. So wurden sie noch reicher als wir, und das sehr schnell. Heutzutage machen sie es immer noch fast genauso. Sie schenken Banditen Waffen und bringen sie an die Macht, damit die Banditen ihr eigenes Volk knechten, um die Waffen ewig abzuzahlen."
Mikar wandte sich an Lun Tsu. "Wir möchten uns Europa ansehen. Welche Europäer sind am besten zivilisiert?"
"Die Deutschen nennt man das Volk der Dichter und Denker", sagte Lun Tsu. Er schaute dabei demütig zu Boden. Als er seinen Kopf leicht erhob, waren die Dämonen plötzlich fort. Nur die fehlende Seide und die Unordnung in den Körben mit High-Tech-Artikeln zeugten von ihrem Besuch.

3.
"Aua!", rief Daven.
"Aua?", wiederholte Mikar fragend.
"Wenn ich mich schon unter Menschen aufhalten muß, sollte ich
mich auch menschlich ausdrücken, oder?", schimpfte Daven.
"Das war aber kein Wort, sondern nur eine Interjektion!", sagte Mikar, der als Biologe den höheren akademischen Rang und eine doppelt so große Anzahl von einschlägigen Veröffentlichungen aufweisen konnte.
"Na und?", rief Daven. Wegen des ohrenbetäubenden Lärms mußte er schreien. "Aua, autsch, aaah, äh, bäh, buh, brrr, grrr, iiiih, hihihi, hohoho, oh, och, uuuh....", machte er.
"Geht´s noch?", erkundigte sich Mikar gereizt.
"Ich habe nur ein fast komplettes Wörterbuch menschlicher Sprache improvisiert. Mehr haben die doch in Wirklichkeit garnicht drauf. Alles andere sind lediglich lokale Dialekte, die sogar auf den verschiedenen Kontinenten selbst bis zur Unverständlichkeit voneinander abweichen."
"Es ist eben menschlich, daß jedes Volk seine eigene Sprache entwickelt und diese gegen die anderen Sprachen abgrenzt", sagte Mikar.
"Es ist dumm", knurrte Daven.
"Es ist menschlich!", rief Mikar.
"Sag ich doch!", fauchte Daven.
"Autsch!", entfuhr es Mikar.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht faßte er sich an das rechte Ohr und murmelte einen Heilspruch.
Daven lachte.
"Es ist dumm und sadistisch, darüber zu lachen, wenn ein anderes Lebewesen einen Schreck oder Schmerz erleidet", tadelte Mikar.
"Wenn ich mich schon unter Menschen aufhalten muß", begann Daven, "sollte ich mich auch menschlich benehmen, oder?"
"Halt doch die Kiemen", schnauzte ihn Mikar an. "Es war nicht meine Entscheidung, daß du mit mir runterkommst!"
"Runterkommen ist genau das richtige Wort für sowas", lästerte Daven, während er in die Knie ging, um ein paar der Wurfgeschosse aufzuheben, mit denen die Menschen an den Strassenrändern vom fahrenden Volk belegt wurden.
"Du benimmst dich wie ein Rassist", schimpfte Mikar.
"Garnicht wahr", leugnete Daven. "Diese Menschen sehen uns ähnlicher als sie es sind. Das ist so wie bei, um ein irdisches Beispiel zu nehmen, Wölfen und Füchsen. Wir sind eine andere Art und Kreuzungen sind unmöglich. Solche Augen wie wir, die sich
aus der Epidermis entwickelt haben, besitzen auf der Erde nur die Tintenfische."
"Weiß ich", sagte Mikar, ehe auch er vorsichtig ein Bonbon vom Boden aufhob, indem er es nur mit seinen ausgefahrenen Nägeln hielt, um es dann kritisch zu beäugen.
"Also bin ich auf keinen Fall ein Rassist, sondern höchstens ein Artist", sagte Daven genüßlich.
"Du bist auf jeden Fall ein Schwätzer", schimpfte Mikar.
"Dann verschwende ich eben Worte", gab Daven zu, "aber Terraner verschwenden Nahrungsmittel!"
Daven hielt seinem Kollegen ein Bonbon vor die Augen. Mikar sah nicht hin, sondern untersuchte einen anderen Karamel. Als er auf einen Knopf an dem kleinen Gerät in seiner Linken drückte, fuhr eine sehr feine und sehr scharfe Nadel in die Süßigkeit.
"Das ist ja fast reiner Zucker", stellte Mikar fest.
"Und das ist für Erdlinge reinster Nährstoff. Wenn man sieht, wie hier Nahrungsmittel verschwendet werden braucht man sich nicht zu wundern, daß ein Drittel der Spezies hungert!"
"He!", gröhlte ein bierbäuchiger rotgesichtiger Vierziger und pustete ihnen beiden seine Schnapsfahne ins Gesicht.
"Warum seidihr denn so ernst? Helau!"
"Ich heiße nicht Helau", sagte Daven.
"Ich auch nicht", sagte Mikar.
"Oder sollte das eine Beleidigung sein?", knurrte Daven.
"Warum tragt ihr hier alle so komische Kopfbedeckungen?", fragte Mikar. "Ist das eine neue Anordnung der Regierung? Als Reaktion auf das sich ausweitende Ozonloch?"
Das Gesicht des Menschen verfärbte sich noch mehr.
"Was seid ihr denn für Vögel! Ihr steht wohl nicht ganz in der Welt, wa?"
"Doch", versicherte Daven, "wir stehen sogar sehr fest in eurer Welt." Er hob seinen rechten Fuß und deutete mit dem linken Zeigefinger auf die schmutzige Sohle. "Wie sollte es auch anders sein, wenn man hier in eurem ganzen Dreck klebenbleibt! Diese Unordnung übertrifft sogar noch euren total vollgemüllten Orbit!“ "Orbit?", wiederholte der Besoffene gröhlend. "Gebt die Bonbons, die ihr in den Pfoten habt! Die schieb ich euch mal in den Orbit und dann sind das Zäpfchen!"
"Das ist ein Mißverständnis", sagte Mikar eilig. Abwehrend hob er beide Hände.
"Mißverständnis?", lallte der Rotgesichtige. "Du bist ja selber ein Mißverständnis! Hast ja sechs Finger an jeder Hand!"
Er sah zu Daven hinüber. "Du ja auch! Mißgeburten! Früher beim Führer hätte man sowas vergast!"
Davens Puls stieg in beiden Herzen von zwanzig auf fünfzig.
"Paß mal auf, du Schnaps-Zombie", rief Daven, "was man mit sechs Fingern für eine große Faust machen kann!"
"Triffst ja doch nicht", gröhlte der Säufer.
Mikar reckte seinen rechten Arm in die Luft. Diesmal hielt er ein Gerät, das wie ein Hammer aussah und kleine Blitze zum Himmel sandte, die in den Wolken zu verschwinden schienen.
Einen Sekundenbruchteil ehe Davens Faust das rote Gesicht zerschmettern konnte, wurden er und sein Kollege mit einem wie ein Regenbogen aussehenden Transporterstrahl in das Raumschiff Walhalla VI zurückgehievt.
"Wußte ich doch!", jubilierte der Rotgesichtige aus vollem Hals. Er drehte sich um die Achse und brüllte: „Laßt euch hier nie wieder blicken!" Ein paar andere Karnevalsanhänger sahen kurz zu ihm herüber, um ihn dann aber ebenso rasch wieder zu ignorieren.
"Denen habe ich es aber gezeigt!", rief er händereibend.
"Darauf muß ich jetzt erstmal wieder einen heben."
Unter fleißigem Einsatz beider Ellenbogen bahnte er sich einen Weg zum nächstgelegenen Bierstand. Dort traf er seine Saufkumpanen.
"Ich gebe einen aus, Jungs!", gröhlte er. "Es gibt was zu feiern! Ihr habt was verpaßt! Gerade eben haben sich zwei Warmduscher so schnell verpißt, das hat die Welt noch nicht gesehen! Die sind so flugs verduftete, daß ich nicht mal sehen konnte, wo die überhaupt abgeblieben sind!"
Seine Freunde klopften ihm anerkennend auf die Schultern.
"Ja, gratuliert mir!", rief er lachend, "ich bin heute in der Form meines Lebens!"
„Helau!“, gröhlten die anderen.
 



 
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