Kassenkarambolagekampf

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Muffin

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Kassenkarambolagekampf

Ich fühlte mich schon ein bisschen lächerlich, als ich mich mit meinen beiden Nudelpaketen unter dem Arm an eine Kasse stellte, deren Schlange einmal quer durch den Supermarkt ging. Wenn ich diese Pakete nicht unbedingt gebraucht hätte, wäre ich gegangen.
„Weist du, was der Unterschied zwischen einer Schlange im Urwald und der im Supermarkt ist?“ fragte ein junger Mann zwei Einkaufwagen vor mir seinen Freund.
„Nee, was denn?“
„Die im Urwald bringt dich auf der Stelle um, die im Supermarkt lässt dich noch stundenlang warten.“
Die meisten Kunden waren dazu übergegangen, einzukaufen während sie in der Schlange standen. Eine Frau vor mir, die eben noch einen fast leeren Einkaufswagen hatte, stapelte jetzt so hoch, dass das ganze Gebilde eher nach Turmbau zu Babel aussah als nach einem Großeinkauf.
„Sie!“
Irgendetwas tockte gegen meine Schulter.
„Sie!“
Ich sah mich um. Eine kleine, ältere Dame hatte mir mit dem Griff ihres Stocks gegen die Schulter geklopft. Als ich sie endlich ansah, lächelte sie verschmitzt.
„Wollen Sie vor mit ihren Nudeln? Das ist so wenig und ich habe ja Zeit, wissen sie.“
Die Frau lächelte, von ihrer Güte überzeugt als hätte sie mir einen Heiratsantrag gemacht.
„Junge Leute sind ja immer in Eile,“ erklärte die alte Dame, dem Ehepaar hinter mir. „Früher war das anders.“ Sie nickte sich selbst zustimmend und mit leidendem Gesicht.
„Sie haben ja so recht,“ sagte die Frau und stieß ihren Ehemann an. „Nicht, Rudolf? Wir waren nie so in Eile, aber heute muss ja immer alles so schnell gehen.“
Da hatten sich zwei gefunden.
Vor mir gaben die Ersten erschöpft auf.
„Unverschämtheit,“ brummelten sie nur, schmissen ihre Sachen irgendwo auf einen Wühltisch und kämpften sich zum Ausgang. Während sich die Schlange überhaupt nicht bewegte, kam ich erstaunlich schnell voran. Immer mehr Leute vor mir gaben auf oder ließen mich vor. An einem besonders renitenten Ehepaar war allerdings Schluss. Während er treudoof den Wagen schob, war sie ununterbrochen am Schimpfen.
„Nee,“ sagte sie. „Nee, dat hat et früher nich jegeben. Warum machen die denn jetzt nich `ne zweite Kasse auf? Aber et jeht ja nur noch ums Jeld, nur noch ums Jeld. Dat hat et früher nich jegeben.“
„Es ging früher auch nur um Geld, Gudrun.“ sagte ihr Mann beschwichtigend.
„Nee, nee dat jing et nich. Du has ma wieda kene Ahnung, kene Ahnung, nee.“
Eine etwas gewichtige Frau auf Krücken kam von der Seite auf die Beiden zu.
„Entschuldigen sie,“ sagte sie und wollte sich zwischen den beiden durchquetschen. Der Mann machte automatisch Platz, aber Gudrun stellte sich der Frau in den Weg.
„Nee, ich entschuldige nich.“ sagte sie und setzte ein böses Gesicht auf. „Hier drängelt sich niemand vor.“
Die Frau mit den Krücken blinzelte irritiert.
„Ich wollte mich gar nicht vordrängeln,“ sagte sie vorsichtig, denn Gudrun schien zu allem bereit. „Ich wollte nur einmal vorbei.“
„Ja, ja. Dat sagen sie alle.“ schimpfte Gudrun erbost. „Ich will nur eben zu den Gurken, ich will nur eben vorbei, reichen sie mir doch mal den Mais und dann drängeln se sich vor. Nee, nich mit mir! Alle denken nur noch an sich!“
„Gudrun, reg dich nicht so auf. Denk an deinen Blutdruck,“ sagte ihr Mann leise. Aber Gudrun hörte nicht auf. Gudrun war gerade erst in Fahrt gekommen. Sie ruderte jetzt wild mit den Armen, so dass der kleine violette Hut mit der Feder auf ihrem Kopf gefährlich ins Schwanken geriet.
„Es is immer dat selbe!“ keifte sie.
„Aber ich habe doch gar nichts bei. Warum sollte ich mich anstellen, wenn ich gar nichts kaufen will?“
„Ja. Ja, dat haben `se nie. Nix dabei und zack holen se et aus de Taschen.“
„Ja, klar. Ganze Kürbisse holen sie aus ihren Taschen raus,“ witzelte ein Mann mittleren Alters etwas weiter vorne.
„Nu, werden se mal nich unverschämt, junger Mann. So reden se nich mit mir.
Nich mit mir!“ Sie holte tief Luft.
„Ich kenn dat ja,“ sagte sie. „Erst jestern beim Augenarzt. Wat hab ich jewartet. Wegen `nem Notfall!“ Bei den Wort Notfall hob sie hysterisch die Stimme. Mittlerweile war jeder im Laden davon überzeugt, dass Gudrun den Verstand verloren hatte und gefährlich war. Jemand deutlich weiter hinten ließ die Frau mit den Krücken vorbei, die kopfschüttelnd zum Ausgang humpelte.
Der ganze Laden hörte mit großen Augen und offenen Mündern Gudrun zu, die gerade erklärte, dass sie letztens in der Bahn für einen Mann mit nur einem Bein
aufstehen musste, obwohl der ja wohl deutlich jünger wäre und das wäre ja die Höhe, die Höhe. Dabei hob sie ihren ausgestreckten Zeigefinger so hoch, wie sie konnte.
Ihr Mann wurde immer kleiner. Man konnte förmlich zusehen, wie er im Boden versank. Ab und zu versuchte er noch mal sie zu beruhigen, aber er gab es ziemlich schnell auf. Keiner konnte ihm darum böse sein. Niemand wagte es noch sich Gudrun in den Weg zu stellen. Selbst der Terminator hätte jetzt seine Waffen eingesteckt und so schnell wie eben möglich das Weite gesucht. Gudrun war unberechenbar und jetzt hatte sie die Aufmerksamkeit des ganzen Laden.
Still und leise mit gebeugtem Rücken und gesenktem Kopf räumte ihr Mann die Sachen aufs Fließband. Die Kassiererin war die einzige, die noch ihrer Arbeit nach ging. Der Rest hing an Gudruns Lippen, die jetzt erst richtig loslegte. Sie
überlegte gerade, ob man in den Schulen nicht wider die Prügelstrafe einführen sollte, als die Verkäuferin alle ihre Sachen eingescannt hatte und der Preis auf der Anzeige aufflammte.
„Sieben Euro achtzig.“ flüsterte die Verkäuferin. Gudrun hörte sie nicht. Ihr Mann tippte sie von der Seite an. Die Verkäuferin spielte unter dem Tisch mit dem Alarmknopf, falls Gudrun handgreiflich würde.
„Gudrun,“ sagte ihr Mann vorsichtig. Aber Gudrun hatte Blut geleckt, wie ein größenwahnsinniger Politiker schrie sie weiter. Der Inhalt war mittlerweile unwichtig.
„Gudrun, du hast das Geld!“ sagte ihr Mann sichtlich alarmiert. Und Gudrun begriff. Sie riss an ihrer Handtasche und schaute dabei nervös zur Anzeige an der Kasse.
„Dat kann nich sein,“ sagte sie und der ganze Laden schloss erschrocken die Augen. „Dat ist zu viel. Ich bezahle nie so viel und ich kaufe seit...“
„Es sind die Tomaten, Gudrun. Weist du noch? Wir haben die größere Packung mitgenommen.“ Gudrun sah ihren Mann an wie einen Verräter.
„Aber trotzdem,“ sagte sie und sammelte das Geld aus ihrer Geldbörse. „Dat ist zu viel, aber ich bezahle dat jetzt trotzdem,“ rief sie in den Laden und tat so als hätte sie der Verkäuferin einen Lottoschein mit Sechs Richtigen geschenkt.
Als sie laut mit ihrem Mann diskutierend den Laden verließ atmeten alle erleichtert auf. Die kleine, ältere Dame, die mich eben vorgelassen hatte, sagte nur:
„So was hat es früher nicht gegeben.“
 
Hallo Muffin,

eigentlich hat mir die Geschichte gut gefallen. Ich habe nur zwei Kritikpunkte:
Teilweise könntest du Gudruns Gezeter noch ausführen.
Und das Ende ist dünn, da fehlt ein Knalleffekt.

Bis bald,
Michael
 

Muffin

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Hallo Michael

Tja, das mit dem Ende haben mir jetzt schon Mehrere gesagt, aber mir fällt nicht wirklich etwas ein.
Mit dem Ausführen ist so eine Sache. Ich schweife leicht ab und dann wird es nicht nur lang, sondern auch langweilig. Ich habe irgendwie Probleme das gute Mittelmaß zu treffen. Ich probiere es demnächst mal mit einer Überarbeitung.
 



 
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