Kazumbas Abenteuer 8

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Mazirian

Mitglied
Liebe Moderator/inn/en, ich bin mir nicht sicher, ob es hierhin oder zur Fantasy gehört. Wenn ihr euch sicherer seid, bitte verschieben. Danke.
Gruß
Achim


Kazumbas Abenteuer

8. Episode

Widerborstigkeiten
(für E.A. Poe)


Als Kazumba, der schwarze Weise, wieder einmal vor dem großen Tor von Schmarantia in der Sonne saß und den Straßenkindern nachdenklich beim Katzenquälen zuschaute, da fiel's ihm ein, dass er bald Geburtstag hatte. Und weil es sein fünfundsechzigster werden würde, beschloss er, ihn angemessen zu feiern. Er ging zum Laden eines Metzgers und sagte:
"Ich will ein großes Fest geben. Da darf's an Fleisch und knusprigem Braten nicht fehlen. Sei so gut, Meister und liefere mir ein halbes deiner besten Schweine nach Hause. Ich will's dir redlich bezahlen."

Am nächsten Tag kam der Metzger wie bedungen mit einem halben Schwein zu Kazumbas Haus und wollte es abliefern. Kazumba aber zog die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf.
"Meister was ist in dich gefahren?" fragte er. "Das ist ja die hintere Hälfte eines Schweins, die du mir bringst. Wie soll ich meinen Gästen da Nackenbraten oder fettes Wellfleisch anbieten können?"
"Ihr sagtet nicht, dass Ihr lieber die vordere Hälfte haben wolltet", wehrte sich der Metzger.
Kazumba ließ das nicht gelten.
"Weißt du denn nicht, dass man ein Schwein der Länge nach teilen muss? Für diese hintere Schweinehälfte kann ich dich nicht bezahlen; so gut das Fleisch auch sonst sein mag. Schaff mir Ersatz."
Der Metzger zog ein mürrisches Gesicht, packte aber seine Schweinehälfte wieder auf und machte sich von dannen.

Bald darauf kam er erneut mit einem halben Schwein. Diesmal der Länge nach durchschnitten, wie Kazumba es verlangt hatte. Doch statt sich zu freuen und nach dem Geldbeutel zu laufen, schüttelte dieser wiederum den Kopf und sprach:
"Ich muss mich wundern, Meister. Du bringst mir da die obere Hälfte eines gewiss schöngewachsenen Schweins. Was aber, wenn es meine Gäste nach Schweinsfüßen und saftigen Bauchstücken verlangt? Soll ich ihnen statt dessen die Ohren oder den geringelten Schwanz vorsetzen? Stellt Euch nur die Enttäuschung und den Spott vor."
Der Metzger bekam einen roten Kopf und schrie:
"Ihr tut mir unrecht! Ich habe es der Länge nach geteilt, wie Ihr's verlangt habt. Nun mäkelt Ihr schon wieder herum und ich werde den Verdacht nicht los, Ihr wollt nur den vereinbarten Preis drücken."
Kazumba lächelte sanft:
"Wo denkst du hin. Aber als Metzgermeister muss dir doch geläufig sein, dass man ein Schwein entlang seiner Symmetrieebene teilt."
Da stieß der Metzger ein gequältes Stöhnen aus und sprach:
"Ich fürchte, dann kann ich Euch nicht helfen. Ich weiß, dass ein Schwein Hinterschinken und Rippenstücke hat, auch Lenden und Kammbraten sind mir bekannt. Aber eines mit einer Symmetrieebene ist mir noch nicht untergekommen! Gehabt euch wohl Gevatter und sinnt auf eine andere Speise für Eure Gäste. Ich hab genug Verlust an Euch gehabt!" Und er schulterte sein halbes Schwein und schritt eilends davon.
Kazumba sah ihm grübelnd nach, bis er im Gewühl der Straße verschwunden war. Dann zuckte er gleichmütig mit den Schultern, nahm seinen Wanderstab und ging lustig pfeifend hinunter zum Fischmarkt, um einen halben Kugelfisch zu kaufen.
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Mazirian,

zunächst einmal ein ganz ausdrückliches "Danke" für diesen gelungenen Text! Er ist sowohl inhaltlich als auch - und das begeistert mich mindestens genau so - als "Satz" wunderbar dargestellt. Solche Texte möchte ich in der Leselupe lesen!

Einige kleine Anmerkungen habe ich:

Ein Metzgermeister dürfte kaum den Fehler begehen, ein Schwein falsch zu teilen. Wenn Du statt dessen einen Bauern nehmen würdest, der eben nicht "vom Fach" ist, würdest Du dieses Problem beheben. Der Metzgermeistergehilfe wäre auch nicht verkehrt.

Den Kugelfisch als nächstes Objekt zu wählen ist ja fast "gemein". Von einer symmetrischen Achse kann man dort ja nun gar nicht mehr reden. Darüber hinaus ist die Leber des Kugelfischs das Entscheidende: Wird sie beim Schneiden getroffen, braucht der Fischgenießer über seine Zukunft nicht mehr nachzudenken ...
Vielleicht möchtest Du (es muss aber nicht sein!) diesen Aspekt noch mit aufnehmen?

Zur Forenwahl: Mich erinnert der Text rein sprachlich an Märchen, die ja bekanntlich Erzählungen sind. Aber ich denke, dass er auch hier gut aufgehoben ist!

Viele Grüße - und ich hoffe, noch viel von Dir lesen zu können!
 
B

beisswenger

Gast
Sehr schön, werter Kollege!

Jetzt weiß ich, was ich an meinem 65. Geburtstag tun werde.
Danke für den Tipp!
 

unbekannt2581

Verbotenes Mitglied
ein Schwein mit Symmetrieebene, wenn das kein Humor ist weiss ich auch nicht mehr ! Die Geschichte hat mich sehr erheitert, quatsch, ich hab schallend gelacht.

liebe Grüsse

Mike
 

Mazirian

Mitglied
Hallo alle zusammen,

da mach ich doch artig einen Diener und bedank mich ganz herzlich für das Lob.

@ zeder:

Was genau meinst du mit "Satz"? Sicher nichts drucktechnisches - oder? Wenn ich's wüsste, könnte ich versuchen, es künftig immer so zu machen. *g*

Das Problem mit dem Metzgermeister hab ich auch gesehen. Eigentlich wollte ich noch darauf hinweisen, dass er aus Pangulistan zugewandert ist (wer weiß schon, wie man dort die Schweine teilt), aber die Lösung mit dem Bauern ist viel "natürlicher". Ich werde sie übernehmen. Danke.

Der Kugelfisch ist übrigens nicht "gemein" gemeint. Als dezidierter Weiser hat Kazumba natürlich was gelernt und möchte weiteren Missverständnissen aus dem Weg gehen.

Die Sache mit der Leber hat bei näherem Hinsehen sicher das Potenzial zu einer eigenen Geschichte. Muss mal drüber nachdenken.
Mehr von mir lesen kannst du übrigens in der Leselupe. Es gibt noch zweidrei Texte von mir im SF-Forum. Vielleicht gefallen sie dir ja auch.

Noch was: Schweine haben auch keine Symmetrie-ACHSEN wie du schreibst, das haben nur radialsymmetrische Organismen wie Würmer, Hohltiere, Kugelfische (!) und Gemüsearten wie Karotten oder Schlangengurken (ups, Schweinswürste und Rollbraten natürlich auch). Schweine haben nur eine (EINE!) Symmetrie-EBENE! Also Vorsicht beim nächsten Einkauf *g*


@beisswenger zum 65sten

Mach's dir leicht, kauf ein Spanferkel.:)


liebe Grüße an Alle

Achim
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Mazirian,

"Was genau meinst du mit "Satz"? Sicher nichts drucktechnisches - oder? Wenn ich's wüsste, könnte ich versuchen, es künftig immer so zu machen. *g*"

Ich meine damit die Optik Deines Textes und die absolut korrekte Wahl jeglicher Interpunktionszeichen. Zum Beispiel das Komma nach einer wörtlichen Rede, wenn im Anschluss noch eine Ausführung folgt. Durch das Lektorat für die Leselupen-Anthologie bekam ich einen "geschärften" Blick auch für diese Dinge ...

Und: Sorry für die "Symmetrie-Achse". Mir spukte wohl die "X- und Y-Achse" aus der Mathematik im Kopf herum ...

Viele Grüße,
 

Mazirian

Mitglied
Hi Zeder,

Nochmal danke für die Anerkennung des "Handwerklichen". Es gibt so viele gute Texte hier, die ich nicht zu Ende lese (lesen kann), weil nicht ein einziger Absatz drin ist und es mir schlicht die Augen verdreht. Schade drum, hin und wieder mal die ENTER-Taste drücken ist ja nun wirklich keine Arbeit. Und ich möchte gern bis zu Ende gelesen werden ;).

Was die Interpunktion angeht, darf ich vielleicht deinen Lektoren-Blick noch ein wenig mehr schärfen. Nachdem du's angesprochen hast und ich mittlerweile darauf angesprochen wurde, sind mir noch ein paar Fehler aufgefallen.
Es ist nämlich so, dass nach der neuen Rechtschreibung auch nach direkter Rede und einem schließenden Satzzeichen noch ein Komma folgen soll/muss.
Also nicht:
"Meister was ist in dich gefahren?" fragte er.
sondern:
"Meister was ist in dich gefahren?", fragte er.

... sieht zwar scheiße aus *seufz*, aber wenn's der Sache dienlich ist...

PS.: Mach dir keine Gedanken wg. der Symmetrie-Achsen/Ebenen. Das interessiert bestenfalls Kristallographen. Das Anliegen der Geschichte war eigentlich ein literaturkritisches (missionarisches? ;)) -..."ihr meint etwas, aber ihr sagt es nicht...". Die Metapher aus der Symmetrietheorie hat halt perfekt gepasst.

liebe Grüße

Achim
 

majissa

Mitglied
Hallo Mazirian,

schade, daß sie schon zu Ende ist, dachte ich, als ich deine märchenhaft anmutende Geschichte las. Angenehm dein Erzählstil, leise dein Humor. Das gefällt mir.

LG
Majissa
 

Mazirian

Mitglied
haarige Zehen

Hallo Majissa,

freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Ich find auch schade, dass sie so kurz ist, aber länger hätte sie nicht sein können. Ich hoffe, ich krieg mal wieder etwas ähnliches hin. Ich muss ja noch mindestens 7 weitere Kazumba-Episoden schreiben *g*.

PS.: wg. der "Haare auf den Zehen". Ich guck mir immer die Profile der Autoren an, die ich lese und fand, dass wir ein gemeinsames Lieblingsbuch haben (LOTR). "Möge das Haar auf deinen Zehen niemals schütter werden" steht zwar glaub ich gar nicht drin, gilt aber unter Fans als "Hobbitgruß".
Unter trinkenden Fans sagt man übrigens seit einiger Zeit und zu vorgerückter Stunde: "Mit einer Axt im Kopf gehn wir noch lange nicht nach Hause!"

lieben Gruß

Achim
 

Mazirian

Mitglied
Kazumbas Abenteuer

8. Episode

Widerborstigkeiten
(für E.A. Poe)


Als Kazumba, der schwarze Weise, wieder einmal vor dem großen Tor von Schmarantia in der Sonne saß und den Straßenkindern nachdenklich beim Katzenquälen zuschaute, da fiel's ihm ein, dass er bald Geburtstag hatte. Und weil es sein fünfundsechzigster werden würde, beschloss er, ihn angemessen zu feiern. Er ging zum Laden eines Metzgers und sagte:
"Ich will ein großes Fest geben. Da darf's an Fleisch und knusprigem Braten nicht fehlen. Sei so gut, Meister und liefere mir ein halbes deiner besten Schweine nach Hause. Ich will's dir redlich bezahlen."

Am nächsten Tag kam der Metzger wie bedungen mit einem halben Schwein zu Kazumbas Haus und wollte es abliefern. Kazumba aber zog die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf.
"Meister was ist in dich gefahren?" fragte er. "Das ist ja die hintere Hälfte eines Schweins, die du mir bringst. Wie soll ich meinen Gästen da Nackenbraten oder fettes Wellfleisch anbieten können?"
"Ihr sagtet nicht, dass Ihr lieber die vordere Hälfte haben wolltet", wehrte sich der Metzger.
Kazumba ließ das nicht gelten.
"Weißt du denn nicht, dass man ein Schwein der Länge nach teilen muss? Für diese hintere Schweinehälfte kann ich dich nicht bezahlen; so gut das Fleisch auch sonst sein mag. Schaff mir Ersatz."
Der Metzger zog ein mürrisches Gesicht, packte aber seine Schweinehälfte wieder auf und machte sich von dannen.

Bald darauf kam er erneut mit einem halben Schwein. Diesmal der Länge nach durchschnitten, wie Kazumba es verlangt hatte. Doch statt sich zu freuen und nach dem Geldbeutel zu laufen, schüttelte dieser wiederum den Kopf und sprach:
"Ich muss mich wundern, Meister. Du bringst mir da die obere Hälfte eines gewiss schöngewachsenen Schweins. Was aber, wenn es meine Gäste nach Schweinsfüßen und saftigen Bauchstücken verlangt? Soll ich ihnen statt dessen die Ohren oder den geringelten Schwanz vorsetzen? Stellt Euch nur die Enttäuschung und den Spott vor."
Der Metzger bekam einen roten Kopf und schrie:
"Ihr tut mir unrecht! Ich habe es der Länge nach geteilt, wie Ihr's verlangt habt. Nun mäkelt Ihr schon wieder herum und ich werde den Verdacht nicht los, Ihr wollt nur den vereinbarten Preis drücken."
Kazumba lächelte sanft:
"Wo denkst du hin. Aber als Metzgermeister muss dir doch geläufig sein, dass man ein Schwein entlang seiner Symmetrieebene teilt."
Da stieß der Metzger ein gequältes Stöhnen aus und sprach:
"Ich fürchte, dann kann ich Euch nicht helfen. Ich weiß, dass ein Schwein Hinterschinken und Rippenstücke hat, auch Lenden und Kammbraten sind mir bekannt. Aber eines mit einer Symmetrieebene ist mir noch nicht untergekommen! Gehabt euch wohl Gevatter und sinnt auf eine andere Speise für Eure Gäste. Ich hab genug Verlust an Euch gehabt!" Und er schulterte sein halbes Schwein und schritt eilends davon.
Kazumba sah ihm grübelnd nach, bis er im Gewühl der Straße verschwunden war. Dann zuckte er gleichmütig mit den Schultern, nahm seinen Wanderstab und ging lustig pfeifend hinunter zum Fischmarkt, um einen halben Kugelfisch zu kaufen.
 
S

suzah

Gast
hallo mazirian,
deine geschichte hat mir sehr gefallen. sie erinnert im erzählstil an orientalische märchen. ich würde den metzger lassen und nicht gegen einen bauern austauschen.

"Meister was ist in dich gefahren?", fragte er."
m.e. setzte man korrekterweise immer schon das komma.

leider seht man nur allzuoft satztechnisch falsches, z.b. fehlende leerstellen nach satzzeichen oder zu viele oder länge der bindestriche, gedankenstriche mit bzw ohne leerstelle etc.

liebe grüße aus berlin, suzah
 
K

KaGeb

Gast
Das ist ein "schöner" Text - ohne Frage. Doch hinkt mir hier das Verhältnis: Ein halbes Schwein hätte die Gäste gesättigt - und nun soll´s ein halber Kugelfisch sein? Da wankt (für mich) die Symmetrie. Der Text erinnert mich an "Der Fuchs und die Trauben", weiß auch nicht, warum.
Ich hoffe, der (wirklich) wortgewandte Autor äußert sich noch mal zu seinem Text aus 2002.

P.S.: Wieso voten die Forenredakteure "jon" und "lapismont" plötzlich, nach 7 Jahren Resistenz, den Text in´s prosaische Nirvana?
 
D

Dominik Klama

Gast
Kleine vergnügliche Geschichte von dem schwarzen Kazumba, der uns als weiser alter Mann vorgestellt wird. Für seine Geburtstagsparty braucht Kazumba ein halbes Schwein, ist aber nicht einverstanden, wie das vom Metzger angeliefert wird. Mal bringt dessen Halbierung der Sau ein Vorn und Hinten hervor, mal ein Oben und Unten. Mit Kazumbas Erklärung, Schlachtvieh sei entlang der Symmetrieebene zu tranchieren, kann der Metzger nichts anfangen. Er verweigert weitere Lieferungen, was Kazumba aber nicht im Mindesten zu betrüben oder zu ärgern scheint.

Geschrieben ist das von jemand, der schreiben kann. Gefällig zu lesende Sätze, keine unnötigen Adjektive, einfach und gradeaus. Dennoch mäkele ich ein wenig: „Bald kam er mit einem Schwein, der Länge nach durchschnitten.“ Das Wort schneiden finde ich hier zu schwach. Weiter unten steht „teilen“, das geht eher. Oder „zerteilen“. Wahrscheinlich „sägt“ man Schweine und Rinder, nehme ich an, in einem Schlachthof war ich noch nie.

Gewidmet ist diese Episode aus Kazumbas Erdentagen E.A. Poe. Von dem kenne ich zwar das Eine oder Andere, aber nichts, auf das sich das hier beziehen könnte. Schon nach ganz wenigen Sätzen, kaum habe ich den Erzählton vernommen, muss ich bei Kazumba hingegen an Bert Brechts „Geschichten vom Herrn Keuner“ denken, der ja auch so ein vergnügter Philosoph im Alltag war.

Hier wie dort macht man sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Lesens darauf gefasst, dass der Weise am Ende seinen Gesprächspartner, der wohl kein Weiser, sondern ein durchschnittlicher Mensch ist, mit einer überraschenden Pointe verblüffen wird. Oder mit kauzigem Understatement dies gerade weigernd. Ich nehme an, diese literarische Tradition geht auf die griechische Antike zurück (der weise Diogenes in seiner Tonne), wird aber wahrscheinlich auch im Orient gepflegt werden von Alters her. Brechts Schlitzohrigkeit bestand dann manchmal darin, das Keuners „Lehren“ in eklatantem Widerspruch standen zu den Lehren, die bislang in solchen Fällen immer erteilt worden waren.

Obwohl mir die Geschichte gut gefallen hat, bin ich vom Ende etwas enttäuscht. Ganz zu Recht zwar sagt der Metzger, dass Kazumba ihm nie gesagt habe, auf welche Manier das Schwein halbiert sein solle, dennoch kommt er selten dämlich rüber, weil er etwas, das doch offenbar alle still schweigend auf eine bestimmte Art praktizieren, besonders aber die Meister seines eigenen Metiers, noch nie mitbekommen hat. Pointe der Geschichte könnte ja auch werden, dass nicht Kazumba der Weise ist, sondern der Metzger. Dies scheint aber nicht Intention des Autors zu sein.

Was ist das für ein „Weiser“, der, indem er einem Schlachter (!) erklärt, wie man ein Schwein schlachtet, zu einem Wort wie „Symmetrieebene“ Zuflucht nimmt? „Aber eines mit einer Symmetrieebene ist mir noch nicht untergekommen!“ Da kann ich dem braven Metzgersmann nur zustimmen. Ich habe mich gefragt, ob das ein Schnitzer des ansonsten seine Worte sehr gekonnt wählenden und setzenden Schreibers ist. Hätte es Mazirian einfach ersetzen sollen durch etwas wie: „Aber weißt du denn nicht, dass man ein totes Schwein erst aufschneidet, ihm die Innereien entnimmt, es aufhängt an seinem Hals oder Kopf, sodass es einen anschaut, und es dann von oben nach unten zerteilt entlang dem Kamm auf seinem Rücken und vorne zwischen den Rippen, wo Knochen nicht im Weg sind?“

Ich habe mich dann entschlossen zu glauben, dass es voll und ganz vom Autor beabsichtigt war, dass der Weise in einer Sprache spricht, die der einfache Mann nicht verstehen kann. Zwar hat der Weise Recht, aber damit verscherzt er sich das Vertrauen „des Volkes“, das mit ihm immer nur Scherereien zu erleben scheint. Folglich bleibt der dumme Metzger ein dummer Metzger, der Weise ein Weiser, aber ein unverstandener Weiser, ein Weiser ohne gleichrangige Gesprächspartner. (Ganz so weise scheint er mir nun wirklich nicht mehr, da er das nicht zu bemerken scheint.)

Ich habe dann noch eine andere Geschichte von Kazumba entdeckt und gelesen. Von daher scheint es mir momentan so, als ob Mazirians Prinzip das ist: Sein Weiser stößt auf eine Art mit der Welt zusammen, holt sich auf eine Art eine blutige Nase, jedenfalls gerät seine Weisheit etwas in Zweifel. Das macht ihm aber nicht das Geringste aus. Seine größte Weisheit scheint zu sein, fröhlich im Einklang mit sich selbst selig zu werden.

Man könnte sagen, seine Konsequenzen hat er gezogen, so etwas wird ihm nicht mehr passieren. Er kauft einfach einen Kugelfisch statt dem Schwein. Kugeln kann man überall, in jede Richtung halbieren, es kommt immer die richtige Halbkugel heraus. Bei einem (realen) Kugelfisch (den ich gerade nicht gut vor Augen habe, kenne mich da nicht so aus) aber wohl eher doch nicht, da auch diese irgendwo eine Kopf und einen Schwanz und irgendwelche Flossen haben werden, irgendwo so etwas wie ein Rückgrat und woanders Organe, die man wahrscheinlich nicht so gerne essen möchte. Dazu, dies wohl der spezielle Witz von dieser „Lehre“, scheinen Kugelfische mir jene zu sein, die irgendwo eine Blase mit tödlichem Gift sitzen haben. Auch einen Kugelfisch kann man also falsch, ganz falsch zerteilen, so man dummer Fischhändler ist.

Lange Rede, kurzer Sinn: Meine gewisse Enttäuschung kommt daher, dass die Schlusspointe so überaus tocken-humorig, Understatement-mäßig daher kommt. Irgendwie vermisse ich nun doch die Lehre, auf die ich mich eingestellt hatte. Die möglichst frappierende Lehre à la Keuner. Bemerkt sei auch, dass Kazumba ja nun erst mal nicht das bekommen hat, was er eigentlich wollte: was zu essen. Und das ist ganz bestimmt auch seine Schuld, nicht nur die des Anderen. Dieses Problem wird nicht aufgehoben, da der Metzger nichts begreift und auch K es nur „löst“, indem er von nun an einen Bogen um es macht. Ob das die letzte Weisheit eines weisen Lebens sein kann? Schön für ihn, wenn er sich jedes Mal eins pfeifen kann bei so etwas.

So könnte man am Ende sagen: Das ist halt eine Geschichte, die zeigt, wie es manchmal geht im Leben, wie man redet und redet und immer wieder nur vorbei redet aneinander. Gut. Wahr. Aber irgendwie ist mir das zu wenig, ganz glücklich macht mich das nicht.

Ich muss feststellen, dass ich ein paar Probleme mit dieser Notenskala von der Leselupe habe. Solange ich nur den Balken sehe, weiß ich immer sehr bald, wo ich mein Kreuzchen machen möchte. Meist möchte ich da recht weit links hinklicken. In diesem Fall aber mal recht weit rechts. Fahre ich aber hin mit dem Cursor, blendet sich ein Text ein, die Beschreibung davon, was mit der Zahl gemeint sein sollte. Lese ich: „Ich halte den Text für unterdurchschnittlich“ (so neulich), schrecke ich zurück: „Na ja, der Text gefällt mir halt überhaupt nicht, rein vom Schreiberischen her betrachtet ist er aber durchaus annehmbar, er ist halt aber so fürchterlich dumm gedacht... Jedoch, andererseits, „unterdurchschnittlich“ möchte ich nicht sagen, denn ich habe hier schon eine ganze Menge viel schlimmerer Texte gelesen, und ich habe schon bessere Werte für Texte vergeben, die nur unter diesem oder jenen Einzelaspekt als „besser“ anzusehen waren.“ Fahre ich jetzt hier aber mal ganz weit nach rechts, am besten gleich dahin, wo die übrigen Wertungen ihn momentan positioniert habe, lese ich: „Der Text gefällt mir ausgezeichnet. Ich habe nichts zu meckern.“ Na, er gefällt mir wirklich gut, aber „ausgezeichnet“? Und zu meckern hab ich ja was! Also logge ich mal eine ein 8.5 ein: „gut, Spitzenplatz reicht noch nicht“.

Mäkeln auch dies: „Als Kazumba in der Sonne saß und Straßenkindern beim Katzenquälen zuschaute, fiel ihm ein, dass er Geburtstag hatte.“ Reizend, die Katzen quälenden Kinder brachten mich sogleich zum Grinsen. Aber in so einem Fall weiß der Autor doch ganz genau, dass er was geschrieben hat, das keiner erwartet hatte, das den Lesern als „Gag“ auffällt. Dann aber geht das eigentlich nur, wenn es in irgendeinem Zusammenhang mit dem, was nun noch folgen wird, steht. Es müssten also die Kinder noch mal auftauchen, die Katzen oder zumindest die angeblich so lieben Menschen, die manchmal so unnett sein können. Und nichts davon kommt. Das ist ein Fehler. Dann muss ich als Autor, so reizend er ist, auf so einen Gag leider verzichten.

[Ich mochte das Profil von Mazirian und seine Aufmachung, wenn ich selbst auch ein ziemlich anderer Mensch zu sein scheine. Kleiner Hinweis: Beim „vergeigtesten“ Film (hab ihn nie gesehen) fehlt ein t. Ich bekomme Lust, Josef Nyary zu lesen, weil Mazirian ihn gar nicht liebt. Aber ist das nicht ein SF-Autor? Ich lese keine SF. (Ich würde die Menschheit vor Virginia Woolf, Zoe Jenny, Wolfgang Borchert, Heinrich Böll und Bernhard Schlink warnen wollen. Momentan; das wechselt. Und unbedingt vor: JRR Tolkien! Besser JK Rowling. Die ist okay.) Gibt es französische „Problemfilme“? Ich kenne nur französische Laber- bzw. „Hach, so ist das Leben eben“-Filme. Und, wohl gemerkt, ich liebe sie! Problemfilme bringt (außer Ländern mit germanischer Bevölkerung und einigen ehemaligen Ostblockstaaten) eigentlich nur ein Land auf der Welt hervor: Deutschland. Und das größte aller Probleme bricht an, wenn sie zur Abwechslung dann gefühl- oder humorvoll sein möchten.]

Ich schwöre, das mit dem Kugelfisch und was ein Metzger wissen sollte, habe ich vor dem Schreiben nicht gelesen, da ich es mir zur Gewohnheit mache, erst den Originaltext komplett zu lesen, dann meine Antwort zu schreiben, dann erst die Antworten der Vorgänger (man gerät sonst zu leicht in einen „Stream“ des allgemeinen Denkens, Verstehens und Sprechens). Bevor ich es schließlich poste, lese ich dann aber auch noch sämtlich und vollständig die Anmerkungen der Kollegen zur jeweiligen Veröffentlichung. Um zu gucken, ob ich mich total verhauen haben könnte. (Bisher habe ich danach fast nie etwas an meinem vorher Geschriebenen geändert.)
 
S

suzah

Gast
hallo dominik klama,
du hast ja einen ganzen "roman" geschrieben. ich möchte nur herauspicken:

"(Ich würde die Menschheit vor Virginia Woolf, Zoe Jenny, Wolfgang Borchert, Heinrich Böll und Bernhard Schlink warnen wollen. Momentan; das wechselt. Und unbedingt vor: JRR Tolkien! Besser JK Rowling. Die ist okay.) Gibt es französische „Problemfilme“? Ich kenne nur französische Laber- bzw. „Hach, so ist das Leben eben“-Filme. Und, wohl gemerkt, ich liebe sie! Problemfilme bringt (außer Ländern mit germanischer Bevölkerung und einigen ehemaligen Ostblockstaaten) eigentlich nur ein Land auf der Welt hervor: Deutschland. Und das größte aller Probleme bricht an, wenn sie zur Abwechslung dann gefühl- oder humorvoll sein möchten.]"

das ist überhaupt nicht nachvollziehbar weder mit den autoren, noch den "problemfilmen"!!! ich kann nur hoffen, dass du dich da mißverständlich augedrückt hast.

lg suzah
 
D

Dominik Klama

Gast
Tja Suzah,
ich kann nachvollziehen, dass "man", also du, es nicht nachvollziehen kann. Dennoch möchte ich das an dieser Stelle nicht weiter begründen und erklären. Fest steht ja schon einmal, dass es mit dem Kazumba-Text nicht das Geringste zu tun hatte, an dieser Stelle die Seiten also nur aufbläht. Ich konnte nicht widerstehen, ein paar Gedanken einfließen zu lassen, die mir ausschließlich durch Mazirians Profil - nicht die Geschichte oben kamen. Weiß nicht, muss bei Gelegenheit noch mal schauen, ob man direkt zu Profilen Kommentare eingeben kann...

Wirklich weiß ich von Josef Nyary überhaupt nichts außer, neuerdings, dass ihn Mazirian nicht gerade mag, dass er bei anderen Lesern aber druchaus angesehen ist. Das, nicht ganz bierernst, wollte ich aufnehmen: Natürlich sind Woolf oder Böll extrem hoch gehandelte Schriftsteller, Klassiker, die ich aber nun mal ganz persönlich und extrem subjektiv überhaupt nicht abkann. Das ist nichts weiter als eine Meinung eines einzelnen Menschen, keinerlei Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit. Meinungen hat ja jeder. Man muss sie keineswegs teilen. Meinungen sollte man begründen können. Und ich könnte es. Müsste dann aber noch vier Seiten schreiben, wozu ich heute keine Lust habe.

Es freut mich, dass Mazirian anscheinend dasselbe französische Kino mag wie ich, obwohl ihm klar ist, dass viele Menschen in Deutschland es eher nicht so mögen. Ich freue mich dagegen überhaupt nicht, dass auch er den Tolkien so beeindruckend findet. Tolkien ist Krampf, sage ich jetzt mal, rein subjektiv - und mit gewissem Spaß, weil ich weiß, dass das unter den hiesigen Schreibern eine ganze Menge verärgert. Weiß aber auch, dass ich nicht ganz der einzige Mensch auf der Welt bin, der den "Herrn der Ringe" eine Zumutung findet.
Amen. (Mehr habe ich von ihm gar nie gelesen.)
 
S

suzah

Gast
hallo dominik klama,

du schreibst jetzt:

"Es freut mich, dass Mazirian anscheinend dasselbe französische Kino mag wie ich, obwohl ihm klar ist, dass viele Menschen in Deutschland es eher nicht so mögen."

und vorher:
"Ich kenne nur französische Laber- bzw. „Hach, so ist das Leben eben“-Filme"
woraus ich verstanden hatte, dass du sie aus diesen gründen ablehnst.

anscheinend habe ich dich da mißverstehen müssen, denn nun schreibst du, dass du sie magst. ich sehe jedenfalls sehr gern französische filme.

lg suzah
 

steyrer

Mitglied
Nicht schlecht, aber

lass solche Humoresken doch besser in Deiner eigenen Heimat spielen. Das mag viel schwieriger umzusetzen sein, ist aber insgesamt glaubwürdiger. Wer kann oder will sich schon mit einem solchen "weisen" Kazumba in Afrika identifizieren oder gar diesem unfähigen Fleischer?

Schöne Grüße

steyrer
 



 
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